Trauma und symbiotische Verstrickung Ein Erklärungsansatz für Drogenabhängigkeit und süchtiges Verhalten
Ein Trauma ist... ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt. (Fischer und Riedesser, 1999, S. 79)
Ein Trauma erzeugt Unerträgliche innere Erregung (Angst, Wut, Scham) Unerträgliche körperliche und seelische Schmerzen.
Seelischer Schmerz wird hervorgerufen durch Verlassen werden Nicht beachtet werden Im Stich gelassen/verraten werden Vergewaltigt werden Mit dem Tod bedroht werden insbesondere von Personen, die einem nahe stehen.
Seelische Traumata Existenztrauma (z.b. schwerer Unfall, Mordanschlag) Verlusttrauma (z.b. Trennung, Tod einer geliebten Person) Bindungstrauma (z.b. verbunden mit sexuellem Missbrauch) Bindungssystemtrauma (z.b. Mord, Inzest im System)
Unterschied von Stress und Trauma Stresssituation: Mobilisierung von Energien für Kämpfen oder Flucht fight or flight Traumasituation: Blockade der mobilisierten Energien um emotional einzufrieren oder sich innerlich aufzuspalten freeze or fragment
Seelische Spaltung nach einer traumatischen Erfahrung Traumatisierter Anteil Überlebensanteil Gesunder Anteil
Merkmale von gesunden seelischen Anteilen Fähigkeit, die Realität offen wahrzunehmen Fähigkeit, Gefühle angemessen auszudrücken Gute Erinnerungsfähigkeit Vertrauen in andere Menschen Fähigkeit, emotionale Bindungen aufzubauen Fähigkeit, sich aus verstrickten Bindungen zu lösen Erwachsener Umgang mit Sexualität Bereitschaft zur Reflexion des eigenen Handelns Bereitschaft zur angemessenen Übernahme von Verantwortung Wille zur Wahrheit/Klarheit Hoffnung auf gute Lösungen von Problemen
Merkmale traumatisierter Anteile speichern die negativen Erinnerungen an das Trauma bleiben auf der Alterstufe zum Zeitpunkt des Traumas stehen suchen noch immer nach einem Ausweg aus dem Trauma können plötzlich getriggert werden
Merkmale von Überlebensanteilen sind Wächter der seelischen Spaltung verdrängen und leugnen das Trauma vermeiden Erinnerungen an das Trauma kontrollieren die traumatisierten Anteile und andere Menschen suchen nach Kompensationen unterwerfen sich und sind latent aggressiv machen sich Illusionen spalten sich bei Bedarf erneut
Das Überlebens-Ich ist das Spiegelbild des Trauma-Ichs. Je extremer das Trauma, desto extremer das Überlebens-Ich.
Das Trauma-Schema (nach van der Kolk 2000, S. 175) Übererregung, Überflutung durch Angst, Wut und Schmerz Vermeidungsverhalten, dicht machen Gefühlsabstumpfung, Betäubung der Reaktionsfähigkeit auf die Umwelt Versuche, aus der Gefühllosigkeit auszubrechen
Sucht ist der Versuch, durch Drogen oder Verhaltensweisen Übererregtheit (v.a. panische Ängste) zu unterdrücken oder Gefühllosigkeit (bis hin zu depressiven Zuständen) zu überwinden oder zu kompensieren, welche durch Traumata verursacht werden.
Suchtdruck kommt oft dann auf, wenn die kognitiven Strategien der Traumakontrolle nicht mehr greifen.
Sucht entsteht auch aus dem frustrierten Urverlangen nach symbiotischem Einssein mit der Mutter.
Symbiose = Zusammenleben zum gegenseitigen Vorteil Universelles Naturprinzip
Eine wesentliche Bedingung von Menschsein Leben in der Herde Angst vor dem Alleinesein Angst vor Kontaktverlust Bedürfnis dazu zugehören Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit Hohe Aufmerksamkeit für andere (Spiegelneurone...) Bereitschaft, die eigene Gesundheit oder das eigene Leben für eigene Gruppe zu opfern...
Die erste Liebeserfahrung eines jeden Menschen ist symbiotisch.
Symbiotische Urbedürfnisse genährt werden (Essen, Trinken) Hilfe bei der Temperaturregulation (Wärme, Kälte) Körperkontakt Augenkontakt gesehen und verstanden werden unterstützt werden, Rückhalt bekommen, zusammen gehören
Jedes Kind ist mit seiner Mutter zweifach symbiotisch verwoben: passiv: die seelischen Qualitäten der Mutter prägen die seelische Grundstruktur des Kindes aktiv: das Kind hält sich an der Mutter fest und versucht der Mutter Halt zu geben. Die Liebe eines Kindes zu seiner Mutter ist die stärkste seelische Kraft.
Gelingt die symbiotische Bindung nicht, kommt es zu keiner altersgemäßen Lösung aus der Bindung.
Symbiosetrauma das Kind ist hilflos und ohnmächtig, einen stabilen, sicheren, Halt gebenden emotionalen Kontakt zu seiner Mutter aufzubauen
Persönlichkeitsanteile bei einem Symbiosetrauma Gesunde Ich-Anteile Traumatisiertes Kind Symbiotisch verstrickter Überlebensanteil
Merkmale traumatisierter Anteile bei einem Symbiosetrauma Verzweiflung, dass keine Mutter/Elternliebe spürbar ist Verlassenheits- und Einsamkeitsgefühle Todesangst Unterdrückte Wut Unterdrückte Trauer Tendenz zur Selbstaufgabe, extremer Rückzug
Merkmale der Überlebensanteile bei einem Symbiosetrauma zähes Ringen um Kontakt mit den Eltern Idealisierung der Mutter/des Vaters Identifikation mit den Überlebensmechanismen der Eltern ( Täterintrojekte ) verschmelzen mit den traumatisierten Anteilen der Eltern verdrängen und leugnen des eigenen Traumas
Bei einem Symbiosetrauma kommt es in der Folge zu einer symbiotischen Verstrickung.
Gesunde seelische Anteilen zur Auflösung eines Symbiosetraumas Den eigenen Willen stärken Bedürfnisse nach Eigenständigkeit weiterentwickeln Fähigkeit, Realität und Illusionen zu unterscheiden, ausbauen Fähigkeit erlangen, eigene Gefühle von übernommenen zu unterscheiden Bedürfnis bekommen, sich aus symbiotisch verstrickten Bindungen zu lösen Wunsch nach gesunden Beziehungen verspüren Bereit sein, eigene Traumata anzuerkennen Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung erlangen Bereit sein, Eigenverantwortung zu übernehmen Bedürfnis nach Wahrheit/Klarheit haben Niemanden mehr retten wollen, Selbstliebe Hoffnung auf gute eigene Lösungen von Problemen bewahren
Verhaltensmuster bei symbiotischer Verstrickung Kontakt erzwingen wollen streiten, (be)kämpfen sich unterwerfen resignieren, aufgeben Auf geringe Anlässe unangemessen reagieren, teilweise wahnhaft
Traumatisierte Anteile des Kindes Wut Angst Traumatisierter Anteil der Mutter Symbiotischer Überlebens- Anteil des Kindes Anpassung an die Mutter Mitleid mit der Mutter Überlebens- Anteil der Mutter Symbiosetrauma Teil 1 Schmerz Scham Illusionäre Liebe Trauer Gesunder Anteil Schuld
Symbiosetrauma Teil 2 Traumatisierter Anteil nach sexueller Gewalt Schmerz, Ekel, Scham Aufgespaltene traumatisierte Anteile gespaltener Vater Überlebens- Anteil nach sexuellen Übergriffen Angst, Wut, Schmerz, Trauer, Liebe, Scham, Schuld Symbiotischer Überlebens-Anteil Anpassung an den Vater Gesunder Anteil Idealisierung des Vaters
Die konstruktive Symbiose Wer bin ich? Du nimmst von mir und wirst mehr du. Mensch mit geringerer persönlicher Reife Mensch mit höherer persönlicher Reife
Merkmale der konstruktiven Symbiose MHR ist MNR wohlgesonnen/liebt ihn. MHR gibt Halt, Sicherheit, Geborgenheit MHR weiß mehr, hat mehr spezifische Erfahrung. MHR gibt genug und drängt nicht auf. MNR nimmt und dankt MNR wird autonomer
Die destruktive Symbiose Wer bin ich? Du bist ich! Mensch mit geringerer persönlicher Reife Ältere Person
Merkmale der destruktiven Symbiose Ältere Person ist nicht wirklich seelisch reifer. Ältere Person sieht in der jüngeren Person unbewusst sich selbst. Jüngere Person kann die Projektion der älteren nicht verstehen und erkennen. Jüngere Person identifiziert sich mit der Projektion der älteren und lebt in deren Traumagefühlen.
Ausfall der Symbiose Wer bin ich? Keine Antwort. Mensch mit geringerer persönlicher Reife Mensch mit vermuteter höherer persönlicher Reife
Merkmale bei AS Ältere Person reagiert nicht/ist kein Spiegel. Jüngere Person wendet sich immer mehr ab. Jüngere Person gerät in Zustände von Angst und Verlassenheit. Überlebenswille wird bei jüngerer Person aktiviert (Trotz, Rückzug in Innerlichkeit, Schaffung eigener innere Gegenüber) Flucht in Illusionen
Die selbstgeschaffene Symbiose Wer bin ich? Du bist, was immer du sein willst. Mensch mit geringerer persönlicher Reife Idee von höherer persönlicher Reife
Merkmale der SS Suche nach Idealfiguren Kreation eigener Ideale, Werte, Lebensregeln Kann auch für andere innovatives Denken fördern Trägt die Gefahr des Idealismus in sich (ist nicht geerdet, abgehoben)
Konstruktive und destruktive Formen der Symbiose Gleichwertigkeit Geben und Nehmen sind ausgeglichen Vorherrschen von Empathie und Liebe Möglichkeit der Auflösung Dominanz und Unterwerfung Ausbeutung Vorherrschen von Ängsten und Aggression Verbot der Auflösung
Symbiosen werden destruktiv bei fehlender Liebe und Empathie.
Einige Merkmale einer symbiotische Verstrickung ängstliches Anklammern Wut, Hass, Gewalt in der Beziehung Gefühl der eigenen Wertlosigkeit den anderen nicht verstehen vom anderen Veränderung erwarten Liebesillusionen bis hin zum Liebeswahn
Folgen eines Symbiosetraumas für ein Kindes Eigene und übernommene Gefühle können nicht unterschieden werden Pseudeautonomie, Leben in einer fremden Identität Symbiotische Verstrickung mit den Eltern Symbiotische Verstrickungen in anderen nahen Beziehungen Psychische Erkrankungen wie Hyperaktivität, Depressionen, Psychosen
Wie kommt es zu einer gesunden seelischen Entwicklung? Symbiotische kindliche Bedürfnisse nach Wärme, Schutz, Halt, Liebe und Familienzugehörigkeit werden befriedigt. Bestreben nach Eigenständigkeit des Kindes wird gefördert.
Autonomie = Eigenständigkeit, Unabhängigkeit, Selbstversorgung, Eigenverantwortung
Wirkliche oder Pseudoautonomie? Eigenständigkeit in der Beziehung Annehmen von Unterstützung falls notwendig Vertrauen in andere Realistische Selbsteinschätzung Isolation und Rückzug Angst vor Abhängigkeit Grundsätzliches Misstrauen Selbstüberschätzung
Trauma und Bindung Traumatische Erfahrungen beeinträchtigen bis zerstören die Bindungsfähigkeit von Menschen. Eltern können sich als Mutter oder Vater ihrem Kind emotional nicht öffnen, weil sie den Kontakt mit ihrem eigenen traumatisierten Anteilen fürchten müssen.
Die fünf wichtigsten Schritte in einer Psychotherapie Aufgeben von Illusionen Lösung aus symbiotisch verstrickten Beziehungen Traumata anerkennen Die eigenen Spaltungen verstehen Integration abgespaltener Anteile
Wichtig zu unterscheiden in der Psychotherapie: Eigene abgespaltene Persönlichkeitsanteile annehmen. In der symbiotischen Verstrickung übernommene Gefühlszustände loslassen.
Literatur: Franz Ruppert (2003).Verwirrte Seelen. Der verborgene Sinn von Psychosen. München: Kösel Verlag. Franz Ruppert (2005). Trauma, Bindung und Familienstellen. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag. Franz Ruppert (2007). Seelische Spaltung und innere Heilung. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag. Franz Ruppert (2010). Symbiose und Autonomie. Symbiosetrauma, symbiotische Verstrickung und Liebe jenseits von Trauma. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.