Teil 1: Zitat: Einführung und Grundlagen

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Recht des Kindes auf angemessene Nahrungsaufnahme bei Schluckstörung?! Herbert Heidl, Kinderanwalt und Fachkrankenpfleger für Kinder-und Jugendpsychiatrie, Beatmungstherapeut in Ausbildung Stellvertr. Vorsitzender des Vereins Kinder haben Rechte e.v. Vortrag Dysphagienetzwerk Südwest, Gailingen, 07.06.08 Teil 1: Einführung und Grundlagen Zitat: "Es existiert eine tiefe Kluft zwischen den Perspektiven des juristischen Systems, repräsentiert durch Richter, Anwälte, Mediatoren und Mitarbeitern im Gesundheitswesen einerseits, und denen des Kindes andererseits, das im Verfahren unsichtbar und ohne eigene Stimme bleibt. Tragischerweise ist das Kind am meisten von den Entscheidungen betroffen, bei denen es nichts zu sagen hat und durch seine Eltern vertreten wird, die nur selten seine Vorlieben erfragen und seine Wünsche in ihre Planungen einbeziehen". J. Wallerstein und J. Lewis 2001 1

U N K in d e r r e c h ts k o n v e n ti o n 5.A p r i l 1 9 9 2 B u n d e s ta g s tim m t d e r K in d e rre c h ts k o n v e n tio n d e r U N z u. In d e n U S A g ilt d ie K in d e rre c h ts k o n v e n tio n n ic h t. G ü ltig fü r M e n s c h e n u n te r 1 8 J a h re n in D e u ts c h la n d Fürsorgepflichten der Erwachsenen bzw. Rechte der Kinder Recht auf Nahrung Recht auf Bildung Recht auf Wohnung/-raum Recht auf eigene Meinung Recht auf Beteiligung Recht auf Privatleben Informationen über Rechte Gleiches Recht für Alle Recht auf Kleidung Recht auf ein gutes Leben Recht auf gewaltfreie Erziehung Recht auf Hilfe Recht zu Spielen, Recht auf Kindheit Recht zu Lernen/auf Neugier Recht ohne Angst zu leben Recht auf einen eigenen Namen Private Rechte Briefgeheimnis Recht auf Spiel, Erholung, Sport, Ruhe Recht auf Leben Recht auf eine Staatsangehörigkeit Recht auf Betreuung Recht auf Trennung von den Eltern Recht auf Hilfe zum Leben 2

Öffentliche Rechte Recht (Pflicht) auf Bildung Recht auf Glaube/Religion Recht auf Gehör/freie Meinung Öffentliche Schutzrechte I Schutz vor Ausbeutung/Kinderarbeit Schutz vor Ausbeutung/Sexueller Missbrauch Schutz vor Misshandlung (2000)(körperlich/seelisch) Schutz vor Ausbeutung/Kindersoldaten Schutz vor Flüchtlingsdasein Schutz vor Drogen Öffentliche Schutzrechte II Niedergeschlagen im BGB 1666ff: Kindeswohlgefährdung Wer zeigt an: Jede natürliche oder juristische Person Wo wird angezeigt: Polizei, Kriminalpolizei, Kreisjugendamt; Familiengericht 3

Öffentliche Schutzrechte IIa 1666 BGB Gefährdung des Kindeswohls: "Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen". Öffentliche Schutzrechte III: 59 FGG: Beschwerderecht des Kindes (nur über 14 Jährige): Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter im Verfahren nicht notwendig. Öffentliche Schutzrechte IV 6 Grundgesetz: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung". Eltern müssen ihr Kind so erziehen, daß sich das Kind zu einem selbständigen, eigenverantwortlichen Erwachsenen entwickeln kann. Sie dürfen ihrem Kind nicht schaden. 4

Öffentliche Schutzrechte V 1626 BGB Elterliche Sorge: "Der Vater und die Mutter haben das Recht und die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen". Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) Vermögen des Kindes (Vermögenssorge) Öffentliche Schutzrechte VI 1631 BGB Inhalt des Personensorgerechts: "(1) Die Personensorge umfasst insbesondere das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. (2) Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Erziehungsmaßnahmen sind unzulässig". Pflege bedeutet Fürsorge für die Bedürfnisse des Kindes. Dies gilt insbesondere für Kleinkinder. Eltern müssen z.b. für Ernährung und Bekleidung sorgen. Auch gesundheitliche Fürsorge gehört hierzu. Zur Erziehung gehören Wahl der Schulausbildung, des Berufes, religiöse und Sexualerziehung. Aufsichtspflicht. Aufenthaltsbestimmungsrecht. Öffentliche Schutzrechte VII 1627 BGB Ausübung der elterlichen Sorge: "Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen". 5

Öffentliche Schutzrechte VIII 1626 Abs.2 BGB Berücksichtigung der wachsenden Selbständigkeit des Kindes: " Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigen verantwortungsbewußten Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dem Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an". Öffentliche Schutzrechte IX 110 BGB "Taschengeldparagraph": " Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abgeschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zwecke oder zur freien Verfügung von seinem gesetzlichen Vertreter... überlassen worden sind". Öffentliche Schutzrecht X 5 Gesetz über die religiöse Kindererziehung: " Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen den Willen seiner Eltern in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden". 6

Öffentliche Schutzrechte XI 1631a BGB Ausbildung und Beruf: "In Angelegenheiten der Ausbildung und des Berufes nehmen die Eltern insbesondere auf Eignung und Neigung des Kindes Rücksicht. Bestehen Zweifel, so soll der Rat eines Lehrers oder einer anderen geeigneten Person eingeholt werden". Öffentliche Schutzrechte XII 50 b FGG Persönliche Anhörung: " Hat das Kind das vierzehnte Lebensjahr vollendet, so hört das Gericht das Kind stets persönlich an". Öffentliche Schutzrechte XIII 1688 BGB Entscheidung der Pflegeperson: "Lebt ein Kind für längere Zeit in Familienpflege, so ist die Pflegeperson berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden sowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten....". 7

Verfahrensrecht I 50 FGG (Freies Gerichtsbarkeits Gesetz) Bestellung eines Verfahrenspflegers/Kinderanwalts/-anwältin "Maßgeblich für die Erforderlichkeit einer eigenen Interessensvertretung für das Kind wird die aus den konkreten Einzelumständen abzuleitende Gefahr sein, dass die Eltern eines Kindes wegen eigener Interessen nicht in der Lage sind, die berechtigten Interessen des Kindes hinreichend wahrzunehmen, dass es aber wegen der Bedeutung des Verfahrens für das Kind einer solchen auch nicht anderweitig - etwa durch Anhörung des Kindes beim Jugendamt - sichergestellten Interessenswahrnehmung bedarf". Ende des ersten Teils. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vom Allgemeinen zum Besonderen. Situation von Menschen/Kindern mit Schluckstörungen/PEGs und Behinderungen - ein authentisches Fallbeispiel: Teil 2 8