Unterrichtsvorschlag: KolonialMarkt Indien am Beispiel Textilproduktion Entwicklungspolitische Bildung in Schulen und außerschulischen Lernorten praktisch erlebbar machen Sabine Meyer Dritte Welt Forum in Hannover e.v. Die Entwicklung und Erprobung dieses Unterrichtsvorschlags wurde gefördert vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung, vom Bistum Hildesheim und von Engagement Global im Auftrag des
Intentionen/Ziele: Kenntnisse über historische Vorgänge vermitteln, welche die Entwicklung der Textilindustrie prägten: Kolonialzeit, Anfänge der Industrialisierung; Reflektion der Wechselwirkungen politischer Machtverhältnisse, technischer Erfindungen und soziokultureller Veränderungen anregen; Diskussion der Dimensionen nachhaltiger Entwicklung an einem konkreten Beispiel führen. Zielgruppe: Gymnasiale Oberstufe SekII Fächer: Erdkunde, Gesellschaftskunde, Englisch Voraussetzungen: Basiskenntnisse zur Kolonialgeschichte und den Dimensionen der Nachhaltigkeit, englisch-sprachige Texte lesen und verstehen können. Einleitung Entwicklung der Textilindustrie in Indien: Einflüsse der Kolonialherrschaft Englands und Wechselwirkungen mit den Anfängen der Industrialisierung sowie mit indischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Am Beispiel der Handels- und Herrschaftsbeziehungen zwischen England und Indien lässt sich die kolonialgeschichtliche Dimension von Produktions- und Handelsstrukturen sehr gut verdeutlichen. Textilien aus Indien gelangten bereits in vorkolonialer Zeit nach Europa, damals als hochwertige Stoffe aus Baumwolle und Seide, gewebt und bedruckt. Ein Luxusgut, welches sich nur wenige reiche Kunden leisten konnten. Später änderten sich diese Handelsströme: aus Handelsbeziehungen wurde Kolonialmacht. Und die Entwicklung industrieller Massenproduktion in England, die auf der Erfindung von Maschinen und vorhandenen Kapitals basierte, verwandelte Indien nach und nach in ein Rohstofflieferland aus englischer Perspektive. Gegen diese Entwicklung gab es in Indien bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Proteste und auch konkrete Alternativen: die dortigen Manufakturen und die lokal-regionale Vermarktung wurden gestärkt, besonders in den Jahrzehnten vor der Unabhängigkeit. Später favorisierten indische Regierungen jedoch auch industrielle Fertigungsanlagen, in denen heute viele Produkte für den internationalen Massenkonsum hergestellt werden. Dies geht einher mit Preisdruck, häufig schlechten Arbeitsbedingungen und dem Eindruck der europäischen Kund_innen: Indien sei ein Land der billig produzierten Massenware. Gleichzeitig ist Indien aktuell ein BlüteLand - auch international bekannten Fashion Designs. Handwerklich hochqualifiziertes Können ermöglicht eine Vielfalt traditioneller wie innovativer Herstellung hochwertiger Textilien. Wirtschaftlich und ökologisch ist dieser Teil ein durchaus nennenswerter und stabiler Beitrag zum Handelsvolumen des Landes. Ausgewählte Internetlinks zum Einstieg: Überblick: https://de.wikipedia.org/wiki/geschichte_indiens#britische_kolonie Indische Perspektiven: https://travelerreport.wordpress.com/2012/12/20/colonial-influence-on-indian-textiles/
Workshop Begrüßung und Einstieg (10 min) Namensrunde und Vorwissen/Vorstellungen der Schülerinnen über Indien Die Beiträge können in Stichworten an der Tafel oder auf Moderationskarten festgehalten werden, um später darauf Bezug nehmen zu können. Reflektion von Klischees und Informationsquellen ggf. zu einem anderen Zeitpunkt aufgreifen Themenvortrag, Power-Point gestützt (20 min) ( Material A) Textilproduktion in Indien vorkolonial Veränderungen durch kolonialen Handel und Fremdherrschaft Einflüsse erster Industrialisierungsschritte Unabhängigkeitsbestrebungen Manufakturen vs. Weltmarktfabriken Im Anschluss können Fragen geklärt bzw. gesammelt werden, die sich aus den Inhalten ergeben. Z.B.: Welches Interesse/welche Anliegen haben Produktionsmöglichkeiten in einem anderen Land? Konsumentinnen in Deutschland an den Kleingruppenarbeit: Dimensionen nachhaltiger Entwicklung (20 min) Die Gruppe teilt sich in 4 Kleingruppen, entsprechend den Dimensionen nachhaltiger Entwicklung: Wirtschaft, Politik, Umwelt und Soziales. Aufgabe: Bitte betrachtet die 2 unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Textilherstellung, die in Indien möglich scheinen aus der jeweiligen Perspektive (Wirtschaft, Umwelt etc.). wie sind sie auf der Grundlage nachhaltiger Entwicklung zu bewerten? welche Interessen und Auswirkungen sind zu bedenken? welche Argumente sprechen für bzw. gegen die beiden Optionen? welche Einfluss- (Steuerungs-)möglichkeiten haben die Akteure (Umwelt, Politik etc.)?
Quelle der Grafik: Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung S.42 (im download) Diskussion (30 min) Die Diskussion kann als Fishbowl, also unter Sprecherinnen der 4 Gruppen (die je nach Bedarf einsteigen und wechseln können) geführt werden oder als offene Diskussion aller. Leitfaden: Auf dem Weg zu nachhaltiger Entwicklung - Pro und Contra verschiedener Möglichkeiten: Manufakturen / lokale Märkte vs. Industrielle Massenproduktion / Weltmarkt Die 4 Kleingruppen bringen ihre erarbeiteten Argumente ein. Empfehlung: die Visualisierung der Argumente auf farbigen Karten und deren Zuordnung zu den Dimensionen Wirtschaft, Politik, Umwelt, Soziales kann hilfreich sein. Mögliche Ergebnisse: Klärung der Konflikte zwischen den Interessen von Wirtschaft, Umwelt, Politik, Sozialem hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung. Ideen für Handlungsoptionen zur Vermittlung der Interessen Abschluss und Feedback (10 min)
Bezug: Kernkompetenzen des Lernbereichs Globale Entwicklung (da im OR keine Teilkompetenzen für die gymnasiale Oberstufe formuliert sind, beziehen wir uns hier nur auf die Kernkompetenzen) Die Schüler_innen können... Erkennen Bezogen auf dieses Modul 1. Informationsbeschaffung und -verarbeitung Informationen zu Fragen der Globalisierung und Entwicklung beschaffen und themenbezogen verarbeiten....informationen zum Thema der Entwicklung der Textilindustrie am Beispiel Indien und Kolonialherrschaft verarbeiten. 2. Erkennen von Vielfalt die soziokulturelle und natürliche Vielfalt in der Einen Welt erkennen....vielfalt der Textilproduktion im soziokulturellen Kontext erkennen. Vielfalt von Entwicklungsmöglichkeiten erkennen. 3. Analyse des globalen Wandels Globalisierungs- und Entwicklungsprozesse mit Hilfe des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung fachlich analysieren....kolonialmacht und Industrialisierungsprozesse am Beispiel Indien und Textilien analysieren. 4. Unterscheidung von Handlungsebenen Handlungsebenen vom Individuum bis zur Weltebene in ihrer jeweiligen Funktion für Entwicklungsprozesse erkennen....verschiedene Handlungsebenen auf Grundlage der Dimensionen nachhaltiger Entwicklung erkennen. Bewerten 5. Perspektivenwechsel und Empathie sich eigene und fremde Wertorientierungen in ihrer Bedeutung für die Lebensgestaltung bewusst machen, würdigen und reflektieren....die eigene Wertorientierung, die Wertorientierung einer Kolonialmacht sowie eines kolonialisierten Gebiets wahrnehmen und reflektieren. 6. Kritische Reflexion und Stellungnahme durch kritische Reflexion zu Globalisierungs- und Entwicklungsfragen Stellung beziehen und sich dabei an der internationalen Konsensbildung, am Leitbild nachhaltiger Entwicklung und an den Menschenrechten orientieren....anhand eines konkreten Beispiels (Textilien/Indien) Entwicklungsmöglichkeiten reflektieren und auf das Leitbild nachhaltiger Entwicklung beziehen. 7. Beurteilen von Entwicklungsmaßnahmen...Kolonialisierung und Unabhängigkeitsbestrebungen als Ansätze zur Beurteilung von Entwicklungsmaßnahmen (bei Entwicklungsmaßnahmen ihrer Zeit erkennen und reflektieren. uns und in anderen Teilen der Welt) unter Berücksichtigung Ebenso alternative Produktions- und Vermarktungsstrategien. unterschiedlicher Interessen und Rahmenbedingungen erarbeiten und zu eigenständigen Bewertungen kommen. Handeln 8. Solidarität und Mitverantwortung Bereiche persönlicher Mitverantwortung für Mensch und Umwelt erkennen und als Herausforderung annehmen. Aus der Vergangenheit lernen und Herrschaftsstrukturen in der Gegenwart erkennen. 9. Verständigung und Konfliktlösung zur Überwindung soziokultureller und Interessen bestimmter Barrieren in Kommunikation und Zusammenarbeit sowie zu Konfliktlösungen beitragen. Dimensionen nachhaltiger Entwicklung auf ein konkretes Thema beziehen. 10. Handlungsfähigkeit im globalen Wandel die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit im globalen Wandel vor allem im persönlichen und beruflichen Bereich durch Offenheit und Innovationsbereitschaft sowie durch eine angemessene Reduktion von Komplexität sichern und die Ungewissheit offener Situationen ertragen. Die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Entwicklungsmöglichkeiten wahrnehmen und wertschätzen. 11. Partizipation und Mitgestaltung Die Schülerinnen und Schüler können und sind auf Grund ihrer mündigen Entscheidung bereit, Ziele der nachhaltigen Entwicklung im privaten, schulischen und beruflichen Bereich zu verfolgen und sich an ihrer Umsetzung auf gesellschaftlicher und politischer Ebene zu beteiligen. Wahlmöglichkeiten bei der Beschaffung von Konsumgütern bewusst auf deren Auswirkungen hin zu betrachten. Wäre in diesem Kontext in einer nachfolgenden Bearbeitung zu betrachten.
Material A: Themenvortrag Power-Point Folie 1 Koloniale Einflüsse Beispiel: England - British India Indien Der Anfang: Im Gebiet des heutigen Indien wurden in Manufakturen hochwertige Stoffe hergestellt (hauptsächlich Musselin) In England gab es Bedarf, die Stoffe zu importieren, da diese zu jener Zeit in Europa nicht hergestellt werden konnten. Die East-India-Company verfolgte ab ca. 1600 zunächst Handelsinteressen. Basisinfo: Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Politische Situation in England und Indien um 1600 Zeitungsartikel-British-indische Kolonialgeschichte: http://pdf.zeit.de/2000/51/200051_a-indiencompagni.xml.pdf 1
Folie 2 Produktbeispiel um 1700 2 Wandbehang aus Baumwolle, bemalt und gefärbt. Hergestellt in West-Indien für den britischen Markt. Spätes 17. oder frühes 18.Jahrhundert.Museum no. IS.156-1953. Victoria and Albert Museum London Folie 3 Veränderungen durch kolonialen Handel Die neuen Handelsbeziehungen führten zur Zentralisierung von Produktionsstätten; es entstanden Weberkolonien. Quelle der Grafiken: www.eklavya.in 3
Folie 4 Industrialisierung in England 1764 Erfindung der Spinnmaschine spinning jenny durch James Hargreaves 1784/85 Erfindung der Webmaschine durch Edmond Cartwright 1800 Die ersten 200 Webmaschinen produzieren 1850 260.000 Webmaschinen sind in Betrieb. Folie 5 4 Rohbaumwoll-Verbrauch GB Raw cotton consumption, Great Britain 1697-1849 (million lb) Annual average consumption 1697-99 1.1 1770-79 4.8 1700-09 1.1 1780-89 15.5 1710-19 1.3 1790-99 28.6 1720-29 1.5 1800-09 59.6 1730-39 1.7 1810-19 93.4 1740-49 2.1 1820-29 166.5 1750-59 2.8 1830-39 320.7 1760-69 3.5 1840-49 526.3 5 Quelle: Stephen Broadberry and Bishnupriya Gupta The Rise, Organization, and Institutional Framework of Factor Markets,23-25 June 2005 http://www.iisg.nl/hpw/intro.php
Folie 6 Veränderungen Import-Export von Baumwolle 6 Quelle: https://wiki.leeds.ac.uk/images/1/15/graph_of_indian_cotton_exports.jpg Folie 7..in Indien im 19.Jahrhundert 1854 Erste Spinnfabrik in Bombay 1858 Politische Union Indiens unter britischer Herrschaft (Kronkolonie) 1861 Erste Textilfabrik in Ahmedabad 7
Folie 8..Entwicklung Indiens bis Mitte des 20.Jahrh. 1918 Großer Streik der Textilarbeiter/innen in Ahmedabad, Mahatma Gandhi wird dort um Vermittlung gebeten. Unabhängigkeitsbewegung 1947 Unabhängigkeit Indiens von Großbritanien 26.1.1950 Die Verfassung des heutigen Indien tritt in Kraft 8 Hintergrund Unabhängigkeitsbewegung: https://en.wikipedia.org/wiki/indian_independence_movement Folie 9 Alternative Entwicklungen Textilmanufakturen vs. Industrialisierung Die agrarische Struktur Indiens passt gut zur Faser- und Stoffherstellung in Handarbeit und kleinen Manufakturen. Dies bedeutet Einkommensmöglichkeiten für Bauern, Stärkung lokaler Märkte und Unabhängigkeit von teuren Importen. Industrialisierung benötigt viel Kapital, führt zu Zentralisierung und Abhängigkeit der ArbeitnehmerInnen. Hohe Produktivität ermöglicht schnelles Bedienen von Konsumnachfrage. 9
Folie 10 Khadi vs. Industrie Khadi bedeutet ursprünglich: handgesponnene und -gewebte Baumwolle. Der Begriff meint erweitert das Konzept der Einkommensund Beschäftigungsmöglichkeiten für viele (arme) Menschen in Indien, welches Mahatma Gandhi propagierte. Industrialisierung ist begleitet von Zentralisierung und gesellschaftlicher Veränderung. Sonderwirtschaftszonen sollen das Land international konkurrenzfähig machen mindern jedoch staatliche Einnahmen. 10 Umfassende Erläuterungen zu Khadi in englischer Sprache: http://www.mkgandhi.org/swadeshi_khadi/khadi.htm Radiobericht - Sonderwirtschaftszonen http://www.deutschlandfunk.de/schwellenland-indien.716.de.html?dram:article_id=90386 Folie 11 Indiens Textilwirtschaft aktuell Technische Fasern, Massenware, Handarbeit Hauptsache Wachstum. Quelle:http://images.financialexpress.com/2015/05/txtl.jpg Detaillierte Statistiken: http://www.citiindia.com/statistics.html?id=61 11