Bindung und Bildung
Bindung Definition nach John Bowlby: Beziehung ist der übergeordnete Begriff Bindung ist Teil von Beziehung Mutter und Säugling sind Teilnehmer/innen in einem sich wechselseitig bedingenden und selbstregulierenden System
Bindungssystem Primäres, genetisch verankertes System Wird zwischen der primären Bezugsperson und dem Säugling nach der Geburt aktiviert Hat überlebenssichernde Funktion Der Säugling erhofft sich von der Nähe zu seiner Mutter Sicherheit, Schutz und Geborgenheit
Aktivierung des Bindungssystems Bei drohender Gefahr, Stress, Angst, Schmerz wird das Bindungssystem aktiviert (Nähe zur Bindungsperson gesucht) Nähe wird durch Blickkontakt, körperliche Nähe und Nachfolgen hergestellt Das Kind ist ein aktiver Interaktionspartner, der signalisiert, wann Bedürfnisse nach Nähe und Schutz auftauchen und befriedigt werden wollen
Feinfühligkeit der Bezugsperson Signale des Kindes wahrzunehmen sie richtig zu interpretieren sie angemessen und prompt zu befriedigen Der Säugling entwickelt häufiger zu derjenigen Bezugsperson eine sichere Bindung, die durch ihr Pflegeverhalten seine Bedürfnisse feinfühlig befriedigt Bei unzureichend oder inkonsistent Befriedigung der Bedürfnisse, entwickelt sich häufiger eine unsichere Bindung
Hierarchie der Bindungspersonen Es existiert eine Hierarchie unter den Bindungspersonen Je größer der Schmerz oder die Angst, desto eindringlicher und kompromissloser besteht das Kind auf der Anwesenheit seiner primären Bindungsperson
Innere Arbeitsmodelle Inneres Bild bzw. Vorstellung des Kindes von seinem eigenen und dem Verhalten der Mutter sowie der damit verbundenen Gefühle in Bindungssituationen Innere Arbeitsmodelle machen das Verhalten der Bezugsperson und des Kindes vorhersagbar und damit verlässlich
Innere Arbeitsmodelle Bilden sich in vielen Interaktionen im ersten Lebensjahr heraus Anfangs noch flexibel Im Verlauf der Entwicklung stabiler Für jede einzelne Bezugsperson wird ein eigenes Arbeitsmodell entwickelt
Bindungsrepräsentation Die inneren Arbeitsmodelle entwickeln sich zu einer inneren psychischen Repräsentanz, d.h. zu einer inneren Vorstellung Diese Vorstellung ist die Bindungsrepräsentation Sind teils bewusst, teils unbewusst Die Bindungsrepräsentation wird ein Teil der psychischen Struktur und trägt damit zur psychischen Stabilität im Verlauf des gesamten Lebens bei
Bindungsrepräsentation Kann sich durch andere bedeutungsvolle Bindungserfahrungen z.b. im Rahmen einer Psychotherapie oder durch einschneidende Erlebnisse wie z.b. Verluste oder traumatische Erfahrungen in eine sichere oder unsichere Richtung hin verändern Veränderung wird mit zunehmenden Alter schwieriger
Explorationssystem Dem Bindungsbedürfnis steht das Explorationsbedürfnis gegenüber (zwei Pole) Stehen in wechselseitiger Abhängigkeit
Bindung und Exploration/Bildung Eine sichere Bindung ist Voraussetzung für die Erkundung der Umwelt Entfernung von der Bindungsperson während der Exploration macht dies Stress/Angst Während der Exploration muss stets ein Kontakt bzw. eine Rückkehr zur emotionalen Basis möglich sein ( emotionales Auftanken ) Dem Explorationsbedürfnis muss Raum gelassen, aber auch Grenzen gesetzt werden
Aktivierung von Bindungs- und Explorationssystem Selbststeuerung des Kindes: Initiative und Steuerung für Bindungs- und Explorationsverhalten gehen vom Kind aus Sowohl ein zu distanziertes als auch eine zu enge Bindung durch die Bindungsperson hemmen das Explorationsverhalten
Studie: Schutz & Risikofaktoren Studie: Kann die Bindungsqualität zwischen Kindern und Eltern in psychosozial belasteten Familien durch eine qualitativ feinfühlige und stabile Fremdbetreuung verbessert werden? Eine Wirkung auf die Eltern-Kind-Beziehung konnte nicht nachgewiesen werden Aber: Bei Belastungen wirken weitere Bezugspersonen als Schutzfaktor
(Mütterliche) Berufstätigkeit und Bindungssicherheit Höherer Anteil von unsicher gebundenen Kindern Über 50% der Kinder waren trotzdem sicher gebunden Weitere Informationen fehlen: Betreuungssystem, Bindungsrepräsentation der Mutter, Qualität der Partnerschaft, sozialer Kontext Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und unsicherer Bindung kann nicht belegt werden
Studie Trennungsangst & Bindungssicherheit Studie zur Trennungsangst von berufstätigen und nicht berufstätigen Müttern Zusammenhang zwischen Trennungsangst und Bindungsunsicherheit konnte hergestellt werden Das Verhalten der Mütter in der Trennungssituation ist vermutlich ausschlaggebend und nicht die Berufstätigkeit
Klassifikation der Bindungsqualität Untersuchung mit Hilfe der sogenannten Fremden Situation Unterscheidung zwischen: Sicher gebundenen Kindern (secure) Unsicher-vermeidend gebundenen Kindern Unsicher-ambivalent gebundenen Kindern Kindern mit desorganisiertem Verhaltensmuster (Zusatzklassifikation)