Freiwilligenarbeit als. Sinnstiftung oder Lückenbüßer?



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Transkript:

Freiwilligenarbeit als Sinnstiftung oder Lückenbüßer? Strategien zur Gewinnung neuer Mitarbeiter für den Freiwilligendienst Helfer der Nacht im Vitalen Wohnen (ViWo), St. Marienkirchen bei Schärding Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts in Business FH Oberösterreich Studiengang: Sozial- und Verwaltungsmanagement, Linz Studienzeig Sozialmanagement Verfasserin: Magdalena Humer Gutachter: Prof. (FH) Dr. Anton Konrad Riedl Münzkirchen, Mai 2012

Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die Bachelorarbeit mit dem Titel: Freiwilligenarbeit als Sinnstiftung oder Lückenbüßer? selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und alle den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe. Münzkirchen, im Mai 2012

Kurzfassung Die Einrichtung Vitales Wohnen wäre ohne den freiwilligen Nacht- Rufbereitschaftsdienst Helfer der Nacht in dieser Form nicht denkbar, schon gar nicht aus Kostensicht. Während die Bewohner untertags vom Stammpersonal des Sozialhilfeverbandes versorgt sind, können sie in der Nacht auf die Hilfe der freiwilligen MitarbeiterInnen des Roten Kreuzes vertrauen. Um aber immer wieder neue Freiwillige rekrutieren zu können, ist es wichtig die Motive, Erwartungen udgl. dieser zu kennen und daraus die nötigen Maßnahmen für die Gewinnung abzuleiten. Dabei ist es unabdingbar, sie nicht als Lückenbüßer und ihre freiwillige Tätigkeit als finanzielles Einsparungspotenzial zu sehen. Vielmehr sollen ihnen Arbeits- und Tätigkeitsfelder geboten werden, die Sinnstiftung und Selbstverwirklichung erlebbar machen. I

Abstract The establishment Vitales Wohnen would be unimaginable in this form without the help of the voluntary on-call services of Helfer der Nacht, even less so in reference to the costs. Whereas the residents are cared for by permanent staff during the day, they depend on the help of Red Cross volunteers at night. To guarantee a continual supply of new volunteers it s important to know volunteers reasons and expectations so as to ascertain appropriate recruitment parameters. Thereby it is indispensable to see them not as a backup option or a cost reduction measure, but rather to offer fields of activity which enable a more tangible and meaningful experience while also providing individual fulfilment. II

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung... 1 2. Historische Entwicklung der Freiwilligenarbeit in Österreich/Deutschland... 4 3. Verständnis von Freiwilligenarbeit... 5 3.1. Begrifflichkeiten zum Thema Freiwilligenarbeit... 5 3.2. Definition von Freiwilligenarbeit... 7 3.3. Abgrenzungen der Freiwilligenarbeit zu anderen Bereichen... 9 4. Gesellschaftliche Bedeutung der Freiwilligenarbeit...12 5. Tätigkeitsbereiche freiwilligen Engagements...12 6. Situation der Freiwilligenarbeit in Österreich...14 7. Motive für freiwilliges Engagement...19 7.1. Altruistische Komponente...19 7.2. Eigenwertkomponente...20 7.3. Tauschkomponente...20 7.4. Bedeutung der einzelnen Erklärungsfaktoren/Motive...22 8. Einflussfaktoren auf die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit...23 9. Struktur- und Wertewandel in der Freiwilligenarbeit und bei den Freiwilligen...26 9.1. Die modernisierte und veränderte Freiwilligenarbeit...26 9.2. Erkennbare Richtungen in der Freiwilligenarbeit...28 10. Freiwilligenarbeit im Vitalen Wohnen (ViWo), St. Marienkirchen bei Schärding...29 10.1. Ausgangssituation der Freiwilligenarbeit im Vitalen Wohnen...32 10.2. Evaluierung des Vitalen Wohnens Bereich Helfer der Nacht...38 10.3. Derzeitige Zielgruppe für den freiwilligen Dienst Helfer der Nacht...44 III

11. Zielgruppenbestimmung für die Helfer der Nacht...45 11.1. Begründung der Zielgruppenwahl für die Helfer der Nacht...46 12. Freiwilliges Engagement und ältere Menschen...47 12.1. Chancen und Risiken für ältere Menschen in der Freiwilligenarbeit...49 12.2. Outplacement am Berufsende und Integration in die Freiwilligenarbeit.50 12.3. Resümee Freiwilligenarbeit und ältere Menschen...54 13. Freiwilliges Engagement und junge Menschen...55 13.1. Jugend-Engagementfaktor: Spaß vs. Altruismus...57 13.2. Unterschiede innerhalb der Altersgruppe 15 29jährige...58 13.3. Projektbeschreibung Entlastung für pflegende Angehörige...58 13.3.1. Projektrealität...60 13.4. Resümee Freiwilligenarbeit und jüngere Menschen...61 14. Weitere Ansätze zur Gewinnung Freiwilliger...62 14.1. Reaktivierung von Dropout-Mitarbeitern...62 14.1.1. Exkurs Freiwilligen-/Mitarbeiter-Bindung...63 14.2. Bestehende Freiwillige als Multiplikatoren...66 14.3. CSR ein innovatives Konzept mit Zukunft...67 14.3.1. Employee Volunteering zur Kompetenzentwicklung/-erweiterung...69 14.3.2. CV-Practice-Modell dm Österreich...70 15. Handlungsempfehlungen...73 16. Resümee...74 Literaturverzeichnis...75 IV

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Unterscheidung FW-Bereiche Deutschland vs. Österreich...13 Abbildung 2: Übersicht Freiwilligenarbeit in Österreich...14 Abbildung 3: Beteiligung in der Freiwilligenarbeit Personen ab 15 Jahren...15 Abbildung 4: Beteiligungsquote und Anzahl der Freiwilligen nach Bereichen...16 Abbildung 5: Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich...17 Abbildung 6: Freiwillig Tätige - Alter...18 Abbildung 7: Motive für freiwilliges Engagement...22 Abbildung 8: Zwiebelmodell der Einflussfaktoren auf die Freiwilligenarbeit...23 Abbildung 9: FWA und zivilgesellschaftliches Engagement in Europa...25 Abbildung 10: Differenzierung klassisches/neues Ehrenamt...28 Abbildung 11: Organigramm Eingliederung Helfer der Nacht...33 Abbildung 12: Einsätze 2011 durch Helfer der Nacht im ViWo...34 Abbildung 13: Informationsquellen über freiwilliges Engagement im ViWo...38 Abbildung 14: Gründe für die Aufnahme der freiwilligen Tätigkeit im ViWo...40 Abbildung 15: Nutzen des freiwilligen Engagements im ViWo...41 Abbildung 16: Altersstruktur der Helfer der Nacht im ViWo...43 Abbildung 17: Berufsstatus der Helfer der Nacht...44 Abbildung 18: Freiwillig Tätige - Alter...46 Abbildung 19: Phasen des betrieblichen Lebenszyklus...51 Abbildung 20: Pensionsantritt mittels Outplacement...52 Abbildung 21: Mustermodell für Outplacement-Workshop...54 Abbildung 22: Elemente der Freiwilligen-Bindung...64 Abbildung 23: Einfluss von Employee Volunteering Engagement...69 V

Abkürzungsverzeichnis CV CSR FSB A FWA HH HJ Lj. LJ OST PE RKT RK SHV ViWo Corporate Volunteering Corporate Social Responsibility Fachsozialbetreuer in der Altenarbeit Freiwilligenarbeit Heimhilfe Halbjahr Lebensjahr Landjugend Ortsstelle Personalentwicklung Rettungs- und Krankentransport Rotes Kreuz Sozialhilfeverband Vitales Wohnen VI

1. Einleitung In unserer Gesellschaft wäre eine soziale Organisation bzw. NPO ohne freiwillige Helfer nicht denkbar. Freiwilligenarbeit stellt so ein unverzichtbares Phänomen dar, dass mit Geld nicht aufzuwägen bzw. unbezahlbar ist. Aber warum stellen sich in Österreich so viele Menschen in den Dienst für Andere? Immerhin engagieren sich in unserem Land 43,8 % aller über 15jährigen Bürger in der Freiwilligenarbeit, das sind rund drei Millionen Personen. Aufgeschlüsselt in die beiden Engagementformen (formell/informell) bedeutet dies, dass rund 1,9 Millionen in Vereinen oder Organisationen, also in der formellen Freiwilligenarbeit tätig bzw. der selbige Anteil der Personen sich informell in der Nachbarschaftshilfe engagiert. Rund 800.000 Menschen sind doppelt, also informell und formell in der Freiwilligenarbeit aktiv. 1 Freiwilliges Engagement leistet einen wesentlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. 2 Wie man sieht besitzt Freiwilligenarbeit in Österreich einen hohen Stellenwert. Freiwilligenarbeit wird aber auch im Kleinen groß geschrieben, so auch im Vitalen Wohnen St. Marienkirchen bei Schärding. In dieser Einrichtung wird der nächtliche Rufbereitschaftsdienst gänzlich durch Freiwillige erbracht. Derzeit gibt es dort 19 freiwillige Helfer der Nacht. Die Anzahl ist zwar derzeit ausreichend, dennoch befürchten die derzeitigen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen (aufgrund der im Zuge der Evaluierung geführten Interviews), dass dieser Dienst nicht nachhaltig sichergestellt werden kann. Als mögliche Hintergründe können genannt werden: 1. Die Helfer der Nacht sind mit dem Tätigkeitsfeld überfordert. Der zu erwartende Anstieg der Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit bei den Bewohnern kann dazu führen, dass von den Freiwilligen künftig mehr als nur das bloße Nachschauen eingefordert wird und es auch zu vermehrten Einsätzen kommt. 2. Die Helfer der Nacht versehen grundsätzlich einmal im Monat ihren Dienst. Falls jemand ausfällt, wird der Dienst meist durch die selben Personen 1 Vgl. Statistik Austria (2012a). 2 More-Hollerweger/Sprajcer/Eder (2009), 1. 1

geleistet. Hier kann es ebenfalls zu einer Überforderung aufgrund der Häufigkeit kommen. Diese Gründe münden folglich in die Problemstellung, dass das freiwillige Engagement der derzeitigen Mitarbeiter nicht nachhaltig gewährleistet werden kann. Neue Helfer der Nacht müssen gewonnen werden, damit dieser Dienst auch weiterhin aufrechterhalten bzw. kostenlos angeboten werden kann und sich das Konzept auch weiterhin verwirklichen lässt. Zielsetzung und Forschungsfrage Ziel dieser Bachelorarbeit ist, verschiedene Wege zur Gewinnung neuer Freiwilliger aufzuzeigen, damit der Fortbestand von Freiwilligenarbeit im Vitalen Wohnen gewährleistet werden kann. Die theoretische und empirische/praktische Aufarbeitung des Themas versucht dabei folgende Forschungsfragen zu beantworten: Welche Zielgruppen sind für den Freiwilligendienst im Vitalen Wohnen denkbar? Mit welchen Maßnahmen können die Zielgruppen angesprochen werden? Welche Ansätze bzw. konkrete Umsetzungsschritte gibt es, damit die Gewinnung nachhaltig gewährleistet werden kann? Aufbau der Arbeit Im ersten, theoretischen Teil der Bachelorarbeit erfolgt die Einarbeitung in das Thema Freiwilligenarbeit. Dieser Teil soll eine allgemeine Einführung sein und vordergründig über den geschichtlichen Abriss, Formen der Freiwilligenarbeit und den Ist-Stand in Österreich Aufschluss geben. Kapitel 7 und 8 nehmen Bezug auf die Erklärungs- und Einflussfaktoren für freiwilliges Engagement, die nicht unwesentlich bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter sind. Denn nur wer die Motive, Erwartungen, Wünsche udgl. seiner potenziellen Freiwilligen kennt, der kann diese auch erreichen. Weiterführend wird auf den Struktur- und Wertewandel in der 2

Freiwilligenarbeit und bei den Freiwilligen eingegangen, da die Aufgaben- und Tätigkeitsfelder auch darauf angepasst werden sollen. Im zweiten, praktischen Teil der Arbeit (ab Kapitel 10) wird die Einrichtung Vitales Wohnen vorgestellt. Nachfolgend wird durch die Zielgruppenbestimmung auf jüngere und ältere Menschen fokussiert und es werden mögliche Anwendungsbeispiele zur Gewinnung von Freiwilligen aufgezeigt. Das letzte Kapitel stellt weitere innovative Ansätze zur Gewinnung vor, die nicht direkten Bezug auf die beiden vorigen Zielgruppen nehmen. Abschließen möchte die Autorin mit einem Zitat von Thomas Brezina, der das Thema Freiwilligenarbeit als Sinnstiftung oder Lückenbüßer auf den Punkt bringt. "Freiwillige Tätigkeit kann nicht nur anderen Menschen helfen, sie unterstützen und begleiten, sondern bereichert auch das eigene Leben." 3 Hinweis Aus Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit bei Bezeichnungen jeweils nur die männliche Form verwendet. Dies ist als geschlechtsneutrale Bezeichnung zu verstehen. Frauen und Männer sind gleichermaßen gemeint. 3 Brezina (2012). 3

2. Historische Entwicklung der Freiwilligenarbeit in Österreich/Deutschland Aufgrund der unzureichenden Aufzeichnungen und fehlender Literatur über die historische Entwicklung der Freiwilligenarbeit in Österreich, lassen sich nur bedingt Schlussfolgerungen anstellen. Nachdem freiwilliges Engagement nach Meinung der Senior Researcher des NPO- Kompetenzzentrums der Wirtschaftsuniversität Wien, Frau Eva More-Hollerweger, so vielseitig ist, kann die Entstehung sicher nicht alleine auf das Almosenwesen zurückgeführt werden. So wie auch heute entstand und entsteht Engagement oft aus einem bestimmten Bedarf und hat daher häufig einen sozialen Hintergrund. Jedoch nicht ausschließlich: In der Literatur wird mitunter zwischen sozialem und politischem Engagement unterschieden, um verschiedene Beweggründe, die hinter dem Engagement stecken zu differenzieren. Aber es gibt auch Formen des Engagements, die sich selbst da schwer einordnen lassen. Z. B. Ehrenamtliche, die sich in irgendeinem Freizeitverein engagieren, wollen vielleicht nur gemeinsam ihre Freizeit gestalten und um das besser organisieren zu können, Förderungen zu erhalten etc. gründen sie einen Verein, der auch ehrenamtliche Arbeit erfordert. 4 Aufgrund der unzureichenden Belege, wie Freiwilligenarbeit in Österreich entstanden ist, soll nachfolgend die historische Entwicklung in Deutschland stellvertretend dargestellt werden. Der Begriff der heutigen Freiwilligenarbeit ist historisch geprägt. 5 Die Entwicklung vom alten zum neuen Ehrenamt begann mit dem bürgerlichen Engagement (1808), das durch die preußische Städteordnung des Freiherrn vom Stein begründet ist. Dieses bürgerliche Engagement zielte vor allem auf die Integration des erstarkten Bürgertums in die Gemeinden und Städten ab und forderte die Teilnahme am öffentlichen Leben und Selbstverwaltung der lokalen Angelegenheiten durch die Bürger. Damals wurde der Begriff öffentlich-rechtliches Amt verwendet. 1853 wurde mit dem Elberfelder System, das sogenannte soziale Ehrenamt eingeführt. Kommunale, ehrenamtliche Armenfürsorger wurden mit Teilen der öffentlichen Verwaltung betraut. Sie waren für die Anspruchsüberprüfung von 4 Vgl. Eva More-Hollerweger, Schriftverkehr 03/2012. 5 Vgl. Steinbacher (2004), 63f. 4

sozialen Leistungen verantwortlich und gaben den bedürftigen Menschen Unterstützung und Hilfestellung bei der Beseitigung von deren Notlagen. 6 Neben dieser öffentlichen Armenfürsorge bildeten sich im 19. Jahrhundert zahlreiche private Vereine, die sich ebenfalls vorwiegend um lokale Probleme kümmerten, aber auf christlichen Traditionen und dem Gebot der Nächstenliebe aufbauten. 7 Diese Vereine des 19. Jahrhunderts eröffneten vor allem den bürgerlichen Frauen ein wichtiges Betätigungsfeld außerhalb des eigenen Haushaltes. Das Engagement in Vereinen und Kirchengemeinschaften ermöglichte ihnen unter anderem auch die Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen, was für die damalige Zeit nicht unbedingt üblich war. Die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Ehrenamt wurden immer lockerer, wodurch eine Steuerung der Fürsorgeaktivitäten mittels professioneller Kompetenzen immer nötiger wurde. Neue Formen der ehrenamtlichen Tätigkeit begannen sich zu entwickeln, der Begriff des Amts wurde durch den Terminus der freiwilligen Hilfstätigkeit abgelöst. Diese Bezeichnung gilt als Vorreiter der heutigen Freiwilligenarbeit. 8 3. Verständnis von Freiwilligenarbeit Da es in der Literatur unterschiedliche Begrifflichkeiten und Definitionen rund um das Thema Freiwilligenarbeit gibt, soll dieses Kapitel Aufschluss darüber geben, welchem Verständnis diese Arbeit zugrunde liegt. 3.1. Begrifflichkeiten zum Thema Freiwilligenarbeit Die wenigsten NPOs würden ohne das freiwillige Engagement der Österreicher existieren und somit würden viele personelle, materielle und immaterielle Ressourcen ungenützt bleiben. Vielfach wird in der Literatur eine Differenzierung zwischen ehrenamtlichen und freiwilligen Mitarbeitern vorgenommen. In der 6 Vgl. Steinbacher (2004), 63f. 7 Vgl. Steinbacher (2004), 63f. 8 Vgl. Steinbacher (2004), 63f. 5

deutschsprachigen Literatur gibt es keine klare Abgrenzung bzw. keinen Konsens bezüglich der Definition von freiwilligem Engagement, Freiwilligenarbeit, Ehrenamt oder ehrenamtliches Engagement. 9 Die Autoren Olk und Hartnuß beschreiben den altehrwürdigen Begriff des Ehrenamtes dahingehend, dass dies keineswegs ausschließlich ein wissenschaftlicher Terminus ist, sondern ein in bestimmten gesellschaftlichen Organisationsmilieus und Bereichen gebräuchlicher normativer Leitbegriff. Anders wäre deren Meinung nach nicht zu erklären, dass im Bereich des Sports, der Wohlfahrtspflege und des Rettungswesens am Begriff des Ehrenamtes als Oberbegriff für alle Ausdrucksformen des freiwilligen, unentgeltlichen und gemeinwohlorientierten Engagements festgehalten wird, obwohl es sich bei den bezeichneten Tätigkeiten weder um ein öffentliches Amt handelt, noch dessen Übernahme mit den entsprechenden Insignien einer öffentlichen Ehrenweisung verbunden sein muss. Diese Begrifflichkeit erhält allerdings zusätzlich seine besondere Plausibilität in diesen organisatorischen Kontexten, weil sich der Begriff des Ehrenamtes hier besonders gut als Gegenbegriff zum Begriff des Hauptamtes und damit zur Einordnung der hiermit bezeichneten Personengruppen und Tätigkeiten in den arbeitsteiligen Kontext der in diesen Bereichen anzutreffenden Vereine und Verbände eignet. 10 Nicht anders ist der Begriff des freiwilligen Engagements einzuordnen. Auch hierbei handelt es sich sowohl um eine Begrifflichkeit, die als wissenschaftlicher Terminus eingesetzt werden kann, aber auch als spezifischer Diskursbegriff fungiert. Mit der Bezeichnung des freiwilligen Engagements wird die Freiwilligkeit der Tätigkeit betont; Engagement erscheint hier als eine frei gewählte Aktivität, die den subjektiven Bedürfnissen, Interessen und Sinnorientierungen der Individuen entspricht und deshalb als Ausdruck eines individuellen Lebensstils und nicht als Ausdruck von Pflichterfüllung ausgeübt wird. Das hier angedeutete Verständnis des freiwilligen und unentgeltlichen Engagements gewinnt als Folge gesellschaftlicher Individualisierungs- und Pluralisierungsprozesse an Attraktivität und scheint sich in besonderer Weise zur Kennzeichnung moderner Formen des Engagements (neues Ehrenamt) zu eignen. 11 9 Vgl. Beierling (2010), 15. 10 Vgl. Olk/Hartnuß (2011), 145f. 11 Vgl. Olk/Hartnuß (2011), 145f. 6

Innerhalb der Europäischen Union und im Rahmen der offiziellen Kommunikation in Brüssel hat sich der Begriff Freiwilligentätigkeit etabliert, der sich an dem englischen Volunteering orientiert. 12 Da es sich bei dem Begriff der Freiwilligenarbeit um einen jüngeren und meist in der Literatur bzw. in Publikationen des Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz verwendeten Begriff handelt, wird in vorliegender Arbeit dieser Terminus verwendet zumal die bereits genannten Begrifflichkeiten größtenteils synonym eingesetzt werden. 3.2. Definition von Freiwilligenarbeit Freiwilligenarbeit ist eine Leistung, die freiwillig und ohne Bezahlung für Personen außerhalb des eigenen Haushaltes erbracht wird. Damit ist die im eigenen Haushalt geleistete unbezahlte Haus- und Familienarbeit nicht einbezogen. Ebenso sind Tätigkeiten wie z. B. der Präsenz- und Zivildienst oder auch die bloße Mitgliedschaft in einem Verein (ohne eigene Leistung) in dieser Definition nicht enthalten. 13 Genauere Beleuchtung der Definition Freiwillig, das heißt ohne gesetzliche Verpflichtung und ist daher von anderen unbezahlten, jedoch gesetzlich verpflichtenden Tätigkeiten wie z. B. Präsenz-, Zivildienst zu unterscheiden. 14 Unbezahlt, das heißt ohne monetäre Gegenleistung, ohne Entgelt. Aufwands- und Spesenentschädigungen für anfallende Kosten (wie z. B. Telefon, Fahrtkosten udgl.) gelten nicht als Bezahlung. Außerhalb des eigenen Haushalts, das heißt in dieser Definition von Freiwilligenarbeit, dass die im eigenen Haushalt geleistete unbezahlte Haus- und Familienarbeit nicht inbegriffen ist. Es muss eine Leistung erbracht werden, die zum Nutzen der Gemeinschaft oder anderer haushaltsfremder Personen erbracht wird. 12 More-Hollerweger/Sprajcer/Eder (2009), 3. 13 Statistik Austria (2012a). 14 Vgl. Böhnisch/Gross (2008), 10f. 7

Nur die reine Mitgliedschaft in einem Verein ist in dieser Definition daher keine Freiwilligenarbeit. 15 Fortführend zu dieser Definition muss bemerkt werden, dass Freiwilligenarbeit in dieser Arbeit als Engagement im Rahmen einer Organisation (z. B. im Rahmen des Roten Kreuzes) erfolgt, also im formellen Bereich. Das gesellschaftliche Phänomen der Freiwilligenarbeit geht allerdings über die Tätigkeiten in Organisationen bei weitem hinaus. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Engagements wird außerhalb von Organisationen geleistet, im informellen Feld der soziokulturellen Infrastruktur, also im Kreis von Familie, Nachbarn und Freunden. Diese Definition sieht demnach in der Nachbarschaftshilfe keine Form der Freiwilligenarbeit. 16 Zwei weitere Punkte, die oft zur Bestimmung von Freiwilligenarbeit herangezogen werden, sind die Produktivität der Tätigkeit und die Plan- bzw. Regelmäßigkeit. 17 Die Aussage, dass Freiwilligenarbeit eine Form von Arbeit darstellt, welche nicht monetär entlohnt wird, findet sich in einer Vielzahl weiterer Definitionen wieder. Der Umstand, dass es sich bei Freiwilligenarbeit um eine Form von Arbeit handelt, wird durch das so genannte Dritt-Personen-Kriterium bestimmt. Das Dritt-Personen- Kriterium besagt, dass eine Tätigkeit nur dann produktiv ist, wenn sie im Prinzip auch durch Dritte (gegen Bezahlung) erbracht werden könnte. Als zweiter bestimmender Faktor für Freiwilligenarbeit kann angeführt werden, dass das Engagement ein geplantes und regelmäßiges Verhalten darstellt. Erfolgt dieses in einem institutionellen Rahmen, kann man in der Regel davon ausgehen, dass es sich um eine geplante und regelmäßige Tätigkeit handelt. Andernfalls ist dieses Kriterium für die Abgrenzung von spontaner Hilfe notwendig, wie sie beispielsweise in Notsituationen erfolgt. Dadurch stellt Freiwilligenarbeit ein proaktives und kein reaktives Verhalten dar und es kann unterstellt werden, dass dem freiwilligen Engagement ein Entscheidungsprozess zu Grunde liegt. 18 15 Vgl. Statistik Austria (2012a). 16 Vgl. Badelt/More-Hollerweger (2007), 507. 17 Vgl. Jung (2009), 11ff. 18 Vgl. Jung (2009), 13. 8

Aufbauend auf die genannten Dimensionen wird Freiwilligenarbeit in dieser Arbeit als eine Tätigkeit verstanden, 19 die produktiv ist (Zutreffen des Dritt-Personen-Kriteriums). die freiwillig betrieben wird (ohne gesetzliche Verpflichtung). die ohne monetäre Entlohnung geleistet wird (wobei Aufwands- und Spesenentschädigungen für anfallende Kosten nicht als Entlohnung gelten). die für Personen außerhalb des eigenen Haushalts erbracht wird. die in Anbindung an eine Organisation verrichtet wird (formeller Bereich). die nicht spontan, sondern geplant, proaktiv und auf regelmäßiger Basis ausgeübt wird. Informelle Freiwilligenarbeit (z. B. Nachbarschaftshilfe) zählt gemäß dieser Definition nicht zum Gegenstand dieser Arbeit. Unter dem Begriff Freiwilligenarbeit wird daher von der Autorin im Folgenden immer die Form der formellen Freiwilligenarbeit verstanden. Weiters werden in vorliegender Arbeit zugunsten sprachlicher Variation gelegentlich die Begriffe Freiwilligenarbeit, freiwilliges Engagement, freiwillige Aktivität, Ehrenamt udgl. synonym verwendet. 20 3.3. Abgrenzungen der Freiwilligenarbeit zu anderen Bereichen 21 Um die diversen Dimensionen freiwilliger Tätigkeit (Freiwilligenarbeit) darstellen zu können bedarf es auch der Abgrenzung zu anderen Tätigkeitsbereichen, sei es beruflicher oder privater Natur. 19 Vgl. Jung (2009), 14. 20 Vgl. Jung (2009), 14. 21 Vgl. More-Hollerweger/Sprajcer/Eder (2009), 7ff. 9

Freiwilligenarbeit in Abgrenzung zu bezahlter Arbeit 22 Wesentlich für die Abgrenzung zu bezahlter Arbeit ist, dass der geleistete Zeitaufwand nicht abgegolten wird. Geleisteter Kostenersatz für Ausgaben (z. B. Fahrtkosten, Telefonkosten odgl.) spielen in dieser Differenzierung nur eine sekundäre Bedeutung. Eine solche Abgrenzung ist insbesondere dann schwierig, wenn ein Taschengeld oder Pauschalen ausbezahlt werden, deren Höhe die Sachausgaben übersteigen. Im Sinne der hier verwendeten Definition sind diese Tätigkeiten, in denen auch der Zeitaufwand abgegolten wird, streng genommen keine Freiwilligenarbeit, auch wenn sie sehr schlecht bezahlt und durch keine Sozialversicherung abgedeckt ist. Im Alltagsgebrauch wird dies allerdings dennoch meist als ehrenamtliche oder freiwillige Aktivität bezeichnet. Keinen monetären Gegenwert stellen auch Tauschzirkel dar, dennoch erfolgt eine Gegenleistung bzw. eine festgelegte Einheit für die Gegenleistung, sodass auch hier nicht von Freiwilligenarbeit gesprochen werden kann. Freiwilligenarbeit unterscheidet sich von Erwerbsarbeit auch in Hinblick auf die Arbeitszeiten. Zwar kann es durchaus vorkommen, dass Freiwillige ihre Tätigkeit annähernd einer Vollzeitbeschäftigung ausüben, meistens ist aber die Aktivität auf einige Stunden pro Woche beschränkt. Freiwilligenarbeit in Abgrenzung zur Haus- und Familienarbeit 23 Freiwilligenarbeit wird von Haus- und Familienarbeit im eigenen Haushalt abgegrenzt, obwohl diese ebenfalls unbezahlt geleistet wird und eine wichtige gesellschaftliche Produktionsleistung darstellt. Durch den Aspekt der familiären Bindung wird die Personengruppe der Pflegenden Angehörigen nicht in die Freiwilligenarbeit miteinbezogen. Hier entsteht allerdings ein Graubereich an dieser Schnittstelle, insbesondere dort, wo Familienmitglieder nicht im eigenen Haushalt leben, sondern beispielsweise in der Nachbarwohnung. 22 Vgl. More-Hollerweger/Sprajcer/Eder (2009), 7ff. 23 Vgl. More-Hollerweger/Sprajcer/Eder (2009), 7ff. 10

Freiwilligenarbeit in Abgrenzung zu konsumtiven Freizeitaktivitäten 24 Ehrenamtliches Engagement wird mit dem Merkmal der Arbeitsleistung betrachtet, womit der produktive Charakter der Freiwilligenarbeit betont wird. Mit diesem Kriterium soll freiwilliges Engagement von konsumtiven Freizeitaktivitäten, wie Hobbies unterschieden werden. Auch zählt die Mitgliedschaft bei einem Verein nicht zur Freiwilligenarbeit, da sie keine produktive Tätigkeit darstellt. Dies schließt zwar nicht aus, dass Freiwillige aus ihrer Arbeit selbst einen Nutzen ziehen, allerdings muss das Ergebnis der Aktivität immer auch anderen Personen zugutekommen. Welche Tätigkeiten als produktiv bezeichnet und somit ökonomisch betrachtet als Arbeit verstanden werden, entscheidet letztendlich das Dritt-Personen-Kriterium. Es besagt, dass Tätigkeiten dann produktiv sind, wenn die Leistung prinzipiell auch von Dritten gegen Bezahlung erbracht werden könnte. Im Gegensatz dazu zeichnet sich Konsum dadurch aus, dass kein anderer für den Konsumenten den Konsum eines bestimmten Gutes übernehmen kann. Freiwilligenarbeit in Abgrenzung zu gesetzlich verpflichtenden Formen von Arbeit 25 Freiwilligenarbeit schließt alle Tätigkeiten aus, die in irgendeiner Form verpflichtend sind, wie zum Beispiel Zivildienst oder unbezahlte Praktika, die im Rahmen einer Ausbildung absolviert werden müssen. Die gewählte Definition berücksichtigt keine Abgrenzung hinsichtlich der Motive, die durch Freiwillige verfolgt werden. Auf die einzelnen Erklärungsfaktoren für freiwilliges Engagement wird noch näher in einem späteren Kapitel eingegangen. 24 Vgl. More-Hollerweger/Sprajcer/Eder (2009), 7ff. 25 Vgl. More-Hollerweger/Sprajcer/Eder (2009), 7ff. 11

4. Gesellschaftliche Bedeutung der Freiwilligenarbeit Freiwilligenarbeit erfüllt im Zusammenhang mit sozialen Netzen eine wesentliche Vernetzungsfunktion und gewinnt daher im Rahmen der Sozialkapital-Forschung immer mehr an Bedeutung. Internationale Organisationen, die Europäische Union, aber auch die Regionalpolitik haben den Nutzen gut ausgebauter Sozialnetzwerke erkannt und es werden zunehmend Maßnahmen zur Förderung des freiwilligen Engagements gesetzt. 26 Im Rahmen der Freiwilligenarbeit werden Leistungen erbracht, die den sozialen, kulturellen, politischen und ökologischen Zusammenhalt und die wechselseitige Unterstützung von Menschen fördert. Freiwilliges und ganz allgemein zivilgesellschaftliches Engagement lassen sich in ökonomischen Parametern darstellen, umfassen aber darüber hinaus auch symbolische Dimensionen wie Ehre, Status und Einsatzbereitschaft. Über ihr Lern- und Sinnstiftungspotenzial wirkt freiwillige Tätigkeit schließlich auf die Akteure zurück, wie in einem nachfolgenden Kapitel noch beschrieben wird. Neben der Erwerbsarbeit und familiären Arbeit, ist die Freiwilligenarbeit damit ein wichtiger Teilbereich gesellschaftlicher Wertschöpfung und trägt überdies zu soziokultureller Integration, sowie zur Veränderung von Gesellschaft bei. 27 Freiwilligenarbeit ist nach Meinung der Autorin ein Gewinn nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für das Kollektiv und wird deshalb oft zurecht als Sozialkitt bezeichnet. 5. Tätigkeitsbereiche freiwilligen Engagements Freiwilligenarbeit wird in unterschiedliche Tätigkeitsbereiche eingeteilt. So wird in der Publikation Freiwilliges Engagement in Deutschland in 14 verschiedene Bereiche untergliedert, hingegen differenzieren Badelt/More-Hollerweger die Ehrenamtlichkeit in Österreich lediglich in neun Tätigkeitsbereiche. 26 Vgl. Eder (2012), 4. 27 Vgl. Meyer u. a. (2009), 18f. 12

Abbildung 1: Unterscheidung FW-Bereiche Deutschland vs. Österreich Gensicke 28 Aktivitätsbereiche Sport und Bewegung Badelt/More-Hollerweger 29 Tätigkeitsbereiche Sport Freizeit und Geselligkeit Kultur und Musik Kultur und Unterhaltung Schule und Kindergarten Soziales Kirche und Religion Soziale Dienste Religiöse Dienste Berufliche Interessensvertretung Umwelt- und Tierschutz Politik und Interessensvertretung Jugend-/Bildungsarbeit für Erwachsene Lokales bürgerschaftliches Engagement Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienste Umwelt-, Natur-, Tierschutz Politische Arbeit Bildung Nachbarschaftshilfe Katastrophenhilfe Gesundheit Justiz und Kriminalitätsprobleme Wie aus dieser Tabelle ersichtlich, ist ein länderübergreifender Vergleich nur schwer möglich, da die einzelnen Zuordnungen länderspezifisch und nicht ident sind. Deshalb wird im Folgenden genauer auf die Situation in Österreich eingegeben. 28 Abbildung verändert entnommen aus: Gensicke (2006), 48. 29 Abbildung verändert entnommen aus: Badelt/More-Hollerweger (2007), 511. 13

6. Situation der Freiwilligenarbeit in Österreich In Österreich fand die letzte Erhebung zur Freiwilligenarbeit im Rahmen des Mikrozensus der Statistik Austria 2006 im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz statt. Die Grundgesamtheit für diese Befragung bildete die österreichische Gesamtbevölkerung ab 15 Jahren (6.897.901 Personen). Aus einer Stichprobe von 26.128 Personen beteiligten sich rund 45 % (11.661 Personen) an der Erhebung zur Freiwilligenarbeit. Die Teilnahme erfolgte freiwillig. Die Ergebnisse wurden von Statistik Austria unter Berücksichtigung der Verteilungsvorgaben des Mikrozensus auf die Gesamtbevölkerung gewichtet und hochgerechnet. 30 Abbildung 2: Übersicht Freiwilligenarbeit in Österreich 31 Laut Mikrozensus-Zusatzerhebung (4. Quartal 2006) von Statistik Austria leisten, wie aus der Abbildung ersichtlich, 43,8 % der österreichischen Gesamtbevölkerung ab 15 Jahren - das heißt knapp über drei Millionen Personen (Grundgesamtheit 6.897.901) Freiwilligenarbeit. 27,9 % der Österreicher engagieren sich in der formellen Freiwilligenarbeit, also unter Einbindung in eine Organisation. Annähernd gleich viele Personen sind im informellen Bereich (z. B. Nachbarschaftshilfe) freiwillig tätig. Die Gruppe der Freiwilligen (3,02 Mio.) setzt sich zusammen aus 38 % (1,15 Mio.), die sich ausschließlich in Form formeller Freiwilligenarbeit engagieren, 36,2 % (1,09 Mio.), die ausschließlich im informellen Sektor tätig sind und rund 25,8 % (0,78 Mio.), die in beiden Engagementformen aktiv sind. 32 30 Vgl. Meyer/Rameder (2011), 6. 31 Abbildung verändert entnommen aus: Rameder/More-Hollerweger (2009), 5. 32 Vgl. Rameder/More-Hollerweger (2009), 5. 14

Abbildung 3: Beteiligung in der Freiwilligenarbeit Personen ab 15 Jahren 33 Wie aus der Abbildung ersichtlich, wird in urbanen Gebieten wesentlich seltener Freiwilligenarbeit geleistet als im ländlichen Raum. In Wien liegt der Beteiligungsgrad bei lediglich 34,5 %. In Oberösterreich ist der Grad am höchsten, dort beträgt er 48,8 %. 34 Unterschiede zwischen Stadt und Land könnten sich laut der Autorinnen More- Hollerweger und Sprajcer daraus ergeben, dass am Land Leistungen ehrenamtlich erbracht werden, die im städtischen Bereich mit bezahltem Personal bereitgestellt werden, etwa die Feuerwehr. Auch soziale Strukturen, wie sie regional beispielsweise in Form von Sozialsprengeln und Mobilen Hilfsdiensten aufgebaut wurden, fördern das freiwillige Engagement. So wird in einigen Gemeinden das Essen auf Rädern auf ehrenamtlicher Basis organisiert. 35 Ebenfalls wird ersichtlich, dass sich mehr Männer als Frauen freiwillig engagieren, ähnliche Ergebnisse (39 % Männer, 32 % Frauen) wurden auch in Deutschland anhand des zweiten Freiwilligensurveys verzeichnet. 36 33 Abbildung verändert entnommen aus: Statistik Austria (2012b), 39. 34 Vgl. Meyer/Rameder (2011), 6. 35 Vgl. More-Hollerweger/Sprajcer (2009), 33. 36 Vgl. Gensicke (2006), 17. 15

Eine weitere Abbildung soll zeigen in welchen Bereichen freiwilliges Engagement stattfindet. Abbildung 4: Beteiligungsquote und Anzahl der Freiwilligen nach Bereichen 37 Die Abbildung zeigt, dass in Österreich die meisten Freiwilligen im Bereich Kultur, mit 516.501 Personen, anzutreffen sind. Gefolgt von den Bereichen Sport, Religion sowie Katastrophenhilfs- und Rettungsdienste. Die wenigsten freiwillig Tätigen verzeichnet der Bereich Gemeinwesen. Diesen Engagementfeldern formeller Freiwilligenarbeit steht der Bereich der informellen Freiwilligentätigkeiten, in dem sich knapp 1,9 Millionen Österreicher engagieren, gegenüber. 38 37 Abbildung entnommen aus: Rameder/More-Hollerweger (2009), 52. 38 Vgl. Rameder/More-Hollerweger (2009),52. 16

Im Folgenden soll das Stundenvolumen der formellen bzw. informellen Freiwilligenarbeit dargestellt werden, damit auch die zeitliche Dimension genauer ersichtlich wird. Abbildung 5: Volumen der Freiwilligenarbeit in Österreich 39 Insgesamt wurden von den freiwillig Tätigen in Österreich hochgerechnet aus den Daten der Mikrozensus-Zusatzerhebung 2006 wöchentlich knapp 14,7 Millionen Arbeitsstunden geleistet: knapp 8 Millionen Stunden unter Einbindung einer Organisation, also in Form von formeller Freiwilligenarbeit und rund 6,7 Millionen Stunden im informellen Bereich. Umgerechnet in Vollzeitäquivalente entspricht dies dem Arbeitsvolumen von rund 405.000 Vollzeiterwerbstätigen (40-Stundenwoche) bzw. 13 % der unselbständige Erwerbstätigen in Österreich, die entweder informell oder in NPOs Freiwilligenarbeit leisten. 40 39 Abbildung entnommen aus: Statistik Austria (2012b), 34. 40 Vgl. Statistik Austria (2012b), 34. 17

Da für die weiterführende Arbeit die Altersstruktur eine hohe Relevanz besitzt, soll diese hier kurz dargestellt werden. Die nachfolgende Abbildung bezieht sich auf formelle und informelle Freiwilligenarbeit in Österreich. Abbildung 6: Freiwillig Tätige - Alter 41 Alter in Jahren Aus dieser Abbildung wird ersichtlich, wie viele Prozent der gesamten freiwillig Engagierten in welcher Altersspanne liegen und ob diese männlich bzw. weiblich sind. Demnach engagieren sich von den rund 3 Millionen Freiwilligen 8,1 % im Alter zwischen 20 und 24 Jahren, 22 % gehören den 40-49-Jährigen an bzw. 12,5 % sind zwischen 60 und 69 Jahren. Die Abbildung kann auch unter dem Gesichtspunkt des Geschlechts betrachtet werden und hier wird ersichtlich, dass sich in der Altersspanne 60-69 Jahre wesentlich mehr Frauen als Männer freiwillig engagieren. 42 Beachtlich ist nach Meinung der Autorin auch, dass 22,6 % der Freiwilligen unter 30 Jahren sind, wobei 15,6 % in den Altersbereich 20-29 Jahre fallen. In Summe widerlegen die vorhandenen empirischen Daten ein weit verbreitetes Vorurteil: Ehrenamtliche Arbeit ist keineswegs reine Frauensache und auch nicht auf den Sozialbereich beschränkt. 43 41 Abbildung verändert entnommen aus: Statistik Austria (2012b), 18. 42 Vgl. Statistik Austria (2012b), 18. 43 Vgl. Badelt/More-Hollerweger (2007), 512. 18

Im Weiteren soll nun auf die Erklärungsfaktoren für freiwilliges Engagement eingegangen werden, die Aufschluss darüber geben, warum sich so eine große Zahl von Personen überhaupt engagiert. 7. Motive für freiwilliges Engagement Freiwilligenarbeit tritt nicht nur in unterschiedlichen Formen auf; sie ist auch durch eine Vielzahl von Faktoren zu erklären, hinter denen ein breites Bündel von individuellen Motiven steht, solche Arbeit zu leisten. Aus ökonomischer Sicht ist es sinnvoll, die verschiedenen Erklärungsfaktoren zunächst nach einem sehr grundlegenden Gesichtspunkt zu ordnen: Es kann dem Freiwilligen zum einen um den Nutzen oder die Lebenssituation des Leistungsempfängers gehen ein Verhalten, das meist als altruistisch bezeichnet wird. Es ist zum anderen möglich, dass der eigene Nutzen aus der freiwilligen Tätigkeit sein Verhalten bestimmt. Dieser Nutzen kann entweder aus dem Prozess der ehrenamtlichen Arbeit oder aus dem Ergebnis erhofft werden. Selbstverständlich ist Freiwilligenarbeit in der Realität oft durch eine Mischung von Motiven oder Nutzenelementen zu erklären, die im Folgenden einzeln dargestellt werden. 44 7.1. Altruistische Komponente Altruistische Beweggründe spielen auch für ein freiwilliges Engagement eine große Rolle. Freiwillige engagieren sich oft deshalb, weil sie anderen Personen Hilfe in einer Notsituation gewähren und damit deren Wohlbefinden oder Wohlfahrt steigern wollen. 45 Die Autoren Badelt und More-Hollerweger erweitern den Begriff der altruistischen Komponente wie folgt: Ehrenamtliche engagieren sich mit ihrer Arbeitskraft oft deshalb, weil es ihnen um die gute Sache, Hilfe in einer Notsituation oder ähnliche Ziele geht. 46 44 Vgl. Badelt/More-Hollerweger (2007), 513f. 45 Vgl. Andeßner (2004), 111. 46 Badelt/More-Hollerweger (2007), 514. 19

Letztlich kann die Art der Motivation als altruistisch bezeichnet werden, wenn es darum geht, den Nutzen (das Wohlbefinden) einer anderen Person bzw. der Allgemeinheit zu erhöhen. 47 Häufig steht Altruismus in engem Zusammenhang mit ethischen, religiösen und ideologischen Vorstellungen und wurzelt in einem Pflichtbewusstsein, das in den Prozessen der Sozialisation vermittelt wird und sich in der Biografie vieler Menschen als konsistenter und konstanter Faktor darstellt. 48 Nach Meinung der Autorin engagieren sich Freiwillige oft, weil es ihnen um die gute Sache geht. 7.2. Eigenwertkomponente Freiwilligenarbeit kann in verschiedener Weise Nutzen für den Freiwilligen selbst bringen. Dieser Nutzen leitet sich manchmal mehr aus dem Prozess der Arbeit und weniger aus dem Arbeitsergebnis ab. Die Motivation liegt dabei in der eigentlichen Arbeit, also in der Tätigkeit selbst und wird nicht an eine Gegenleistung des Leistungsempfängers geknüpft (intrinsische Motivation). 49 Hinter der Eigenwertkomponente der Arbeit stehen meist Motive wie soziale Integration, persönliche Zufriedenheit mit der Arbeit oder die Erfüllung ethischer Normen, Erwerb von sozialem Status, sinnvolle Freizeitgestaltung etc. 7.3. Tauschkomponente 50 Auch wenn Freiwilligenarbeit als eine Arbeitsleistung ohne unmittelbares monetäres Entgelt definiert wird, können Freiwillige für ihre Arbeit eine bestimmte Art von Gegenleistung erhalten. In diesem Sinne lässt sich freiwilliges Engagement auch als Tauschverhalten interpretieren. Die Grenze zur Eigenwertkomponente ist fließend, da der Ursprung der erzielten persönlichen Vorteile oft nicht exakt lokalisiert werden kann. Tausch jedenfalls liegt dann vor, wenn die Gegenleistung unmittelbar vom 47 Vgl. Badelt/More-Hollerweger (2007), 514. 48 Vgl. Andeßner (2004), 111. 49 Vgl. Badelt/More-Hollerweger (2007), 515. 50 Vgl. Badelt/More-Hollerweger (2007), 515f. 20

Leistungsempfänger ausgeht, in allen anderen Fällen wird bald die Grenze zum Eigenwert erreicht. 51 Beispiele für Gegenleistungen, die dem Freiwilligen zufließen können, sind Information und Einfluss in Organisationen (z. B. bei der Mitarbeit in einem Elternverein der Schule der eigenen Kinder odgl.). Der Erwerb beruflicher Qualifikationen stellt eine besondere Art der Gegenleistung dar, die meist nicht vom Leistungsempfänger, sondern vom Dienstgeber des Freiwilligen oder der Organisation ausgeht. Freiwilligenarbeit kann somit auch Investitionscharakter haben. Dieser Effekt wird immer wieder zum Gegenstand öffentlicher Politik gemacht, wenn freiwilliges Engagement als Durchgangsstation für den (Wieder-)Einstieg in die Erwerbsarbeit propagiert wird. 51 Vgl. Badelt/More-Hollerweger (2007), 515f. 21

7.4. Bedeutung der einzelnen Erklärungsfaktoren/Motive Aufgrund der bereits erwähnten Erhebungen zur Freiwilligenarbeit im Rahmen des Mikrozensus der Statistik Austria 2006 wurden in einer Zusatzerhebung ebenfalls die Motive für freiwilliges Engagement erhoben. Hinsichtlich der Beweggründe bestehen, wie aus folgender Abbildung ersichtlich, keine gravierenden Unterschiede zwischen Männern und Frauen. 52 Abbildung 7: Motive für freiwilliges Engagement 53 Diese Abbildung bietet einen Überblick über die verschiedenen Motive für ein freiwilliges Engagement. Sowohl Frauen als auch Männer nennen den Spaß als wichtigstes Motiv für ihre freiwillige Tätigkeit. Nahezu ebenso großen Zuspruch bei den Befragten findet das altruistische Motiv anderen damit zu helfen. Sich über die Freiwilligenarbeit Vorteile für den eigenen oder zukünftigen Beruf zu verschaffen, scheint für die freiwillig Tätigen eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. 54 52 Vgl. Neumayr/More-Hollerweger (2009), 101. 53 Abbildung entnommen aus: Neumayr/More-Hollerweger (2009), 101. 54 Vgl. Rameder/More-Hollerweger (2009), 53. 22

Bezugnehmend auf die vorher dargestellten Erklärungsfaktoren/Komponenten kann zusammenfassend festgehalten werden, dass der Eigenwertkomponente bzw. auch dem altruistischen Motiv eine große Bedeutung für die Aufnahme einer freiwilligen Tätigkeit zugemessen wird. Der Empfang einer Gegenleistung (Tauschkomponente) hier eher berufsbezogene Beweggründe spielt nach Meinung der Autorin eher eine geringe Rolle. 8. Einflussfaktoren auf die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit Da unterschiedliche Einflussfaktoren auf die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit eine bedeutende Rolle spielen, soll im Folgenden darauf eingegangen werden. Ob und in welchem Ausmaß sich überhaupt jemand in der Freiwilligenarbeit engagiert, ist von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig. Diese lassen sich in einer Art Zwiebelmodell, wie folgend dargestellt, anordnen. 55 Abbildung 8: Zwiebelmodell der Einflussfaktoren auf die Freiwilligenarbeit 56 55 Vgl. Meyer/Rameder (2011), 2. 56 Abbildung entnommen aus: Meyer/Rameder (2011), 3. 23

Im Kern der Darstellung als zu erklärende Variable steht die Art und Intensität (Anzahl der geleisteten Stunden) der Freiwilligenarbeit. Eine erste naheliegende Wirkdimension ist die Person als Bündel unterschiedlicher stabiler Eigenschaften. In Bezug auf die Persönlichkeit der Freiwilligen zeigt sich, dass diese eine höhere Soziabilität und Extrovertiertheit aufweisen. Dies wird z. B. durch die Fähigkeit sich in eine Gemeinschaft einzufügen bzw. durch die nach außen, auf Mitmenschen gewandte Haltung ersichtlich. Freiwillig Engagierte weisen insgesamt eine höhere Lebenszufriedenheit auf, neigen weniger zu Depressionen, nehmen sich selbst als gesünder wahr und erwarten mehr von ihrem Leben. Zudem beeinflussen auch persönliche Einstellungen und Motivationen das Engagement. Wenig überraschend ist, dass Freiwillige eher für solche Organisationen arbeiten, die mit dem eigenen Selbst-Konzept in hoher Übereinstimmung stehen. Immer wieder zeigt sich, dass die Religiosität, aber auch das generelle Vertrauen in andere Menschen stark mit Freiwilligenarbeit zusammenhängen. 57 Freiwilliges Engagement wird aber auch sozial gelernt. Hier leisten die soziale Herkunft und die Rollenmodelle, die die Herkunftsfamilie und das Herkunftsmilieu zur Verfügung stellt, einen wesentlichen Beitrag: die Freiwilligenarbeit der Eltern, der Stellenwert von Freiwilligenorganisationen in der eigenen Sozialisation (z. B. Kirche, Jugendorganisationen odgl.). Diese Zusammenhänge sind bislang wenig erforscht, so die Autoren Meyer und Rameder. An der Schnittstelle zwischen Herkunfts- und aktuellem sozialen Kontext befindet sich der Einfluss, den die soziale Klassenzugehörigkeit, also Beruf, Einkommen und Bildung auf die Freiwilligenarbeit aufweisen. In vielen Studien zeigt sich, dass ein höherer sozialer Status in Hinblick auf Einkommen, Beruf und Bildung zu mehr Freiwilligenarbeit führt, so die Autoren. Auch die Einbindung in soziale Netzwerke und die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen spielen eine Rolle. Der aktuelle soziale Kontext wird aber auch durch die Organisationen, in denen Freiwilligenarbeit geleistet wird, geprägt. Da diese Freiwilligenorganisationen ihre freiwilligen Mitarbeiter nach bestimmten Kriterien auswählen lässt sich vermuten, dass Organisationen eher solche Freiwilligen anziehen, die den dort bereits Tätigen ähnlich sind. Schließlich beeinflusst auch der gesellschaftlich-kulturelle Kontext die Engagementquoten, sowie Art und Ausmaß der geleisteten Freiwilligenarbeit. In Europa zeigen sich beispielsweise sehr starke Unterschiede, die auf verschiedene politische und kulturelle Faktoren zurückzuführen sind. Besonders hohe 57 Vgl. Meyer/Rameder (2011), 2ff. 24

Engagementquoten finden wir in den skandinavischen Staaten und in den Niederlanden, besonders niedrige in Ost- und Südeuropa. 58 Abbildung 9: FWA und zivilgesellschaftliches Engagement in Europa 59 z-transformierte Werte Wie aus dieser Abbildung ersichtlich ist, kommt es bei den Engagementquoten in Europa zu einem Nord-West (oberer Teil) nach Süd-Ost Gefälle (unterer Teil) mit Österreich im Mittelfeld. Abschließend halten Meyer und Rameder fest, dass sich insgesamt ein überaus komplexes Bild ergibt: Eine Reihe von Einflussfaktoren auf ganz unterschiedlichen Ebenen, bei denen darüber hinaus noch Wechselwirkungen anzunehmen sind. Da die Forschung noch wenige Wirkungszusammenhänge lokalisiert hat, bleibt bei vielen Faktoren weiterhin unklar, ob sie die Freiwilligenarbeit beeinflussen oder ihrerseits durch das freiwillige Engagement verändert werden. 60 58 Vgl. Meyer/Rameder (2011), 9. 59 Abbildung entnommen aus: Meyer u. a. (2009), 24. 60 Vgl. Meyer/Rameder (2011), 5. 25

9. Struktur- und Wertewandel in der Freiwilligenarbeit und bei den Freiwilligen Die Motivstruktur von freiwilligen Mitarbeitern ist, wie bereits beschrieben, durchaus komplex und vielschichtig. Sie verändert sich unter Umständen im Zeitverlauf und ist oftmals schwierig zu entschlüsseln. Neuere Untersuchungen signalisieren deutliche Generationsunterschiede in den dominierenden Motiven für ein freiwilliges Engagement. Während für die Kriegs- und Nachkriegsgeneration religiöse Überzeugungen, das Gefühl einer moralischen Verpflichtung und der (ideologischen) Identifikation mit einer Organisation im Vordergrund stehen, sind für jüngere Freiwillige Selbstverwirklichungsmotive, mittelbar materielle Motive und die individuelle Suche nach Sinn im Mittelpunkt des Interesses. Man spricht in diesem Zusammenhang vom neuen Ehrenamt bzw. den neuen Freiwilligen. 61 Die Autoren Beher, Liebig und Rauschenbach sind der Meinung, dass sich der Wandel in der Freiwilligenarbeit zuallererst in einer veränderten Haltung der Freiwilligen gegenüber ihrem Engagement ausdrückt. Die Aufmerksamkeit wird demzufolge besonders auf die Motive, Einstellungen, Meinungen und Wahrnehmungen der faktischen und potentiellen Freiwilligen gerichtet. Der Wandel vollzieht sich demnach auf der subjektiven Ebene, man spricht von einem Wandel des Personals oder von den neuen Freiwilligen. 62 Aber dennoch hat der Wandel eine subjektabgewandte, strukturelle Seite, die auf das freiwillige Engagement und die Freiwilligen einwirkt. In dieser Perspektive liegt der Fokus verstärkt auf den Kontext- und Rahmenbedingungen der Freiwilligenarbeit, also auf jenem Koordinatensystem, in dem sich das Engagement im Wesentlichen bewegt und gegenwärtig geortet wird. Eine Veränderung in diesem Bereich kann zu einer Neuformatierung der Freiwilligenarbeit bzw. zum Wandel dieser führen. 9.1. Die modernisierte und veränderte Freiwilligenarbeit Die beschriebenen Wandlungserscheinungen, also die wechselseitige Beziehung zwischen individuums- und organisationsbezogenen Veränderungen, gelten als Ausdruck für Prozesse der Modernisierung. Folgt man dabei den vielfältigen Thesen 61 Vgl. Andeßner (2004), 112f. 62 Vgl. Beher/Liebig/Rauschenbach (2000), 7f. 26

eines individualisierten Ehrenamts, dann zeigt sich, dass an die Stelle des klassischen Ehrenamts ein neuer, modifizierter Idealtyp gesetzt wird, so die Autoren. Dabei haben sich mehrere zentrale Aspekte verändert, die die Motive, die Form, die Inhalte, sowie die Position freiwilligen Engagements im gesellschaftlichen Gesamtgefüge betreffen. 63 Dadurch wird bei der modernisierten Freiwilligenarbeit mit Blick auf die komplexen, individuell zugrundeliegenden Motivationsstrukturen eine neuartige Verbindung von sozialem Gemeinschaftsgefühl, persönlicher Betroffenheit, Selbstbestimmungs- und Selbstverwirklichungsmotiven, sowie politischem Veränderungswillen identifiziert. Freiwilliges Engagement wird dabei vermehrt als Medium für Prozesse der Identitätssuche und Selbstfindung betrachtet. Das entscheidende handlungsleitende Merkmal der neuen Freiwilligenarbeit besteht insofern in der Norm der Reziprozität, also in der Gegenseitigkeit im sozialen Austausch von Geben und Nehmen und nicht mehr in der des selbstlosen Handelns. 64 Aber auch die Inhalte und Arbeitsformen des Engagements sind von der Modifikation betroffen. Das neue Engagement soll im Gegensatz zur ehemals dauerhaften Mitarbeit und Mitgliedschaft zeitlich nur mehr befristet erfolgen. Die durch freiwillige Mitarbeit eingegangenen verpflichtenden Arrangements verlieren scheinbar an Attraktivität. Das heißt die Freiwilligen nehmen für sich die Option in Anspruch, sich auch jederzeit wieder zurückziehen zu können. Ausschlaggebend für die Dauer und Intensität des Engagements sind die Vorstellungen, Bedürfnisse und Wünsche der Freiwilligen. Anstatt in fremdbestimmten Strukturen einer Organisation vollzieht sich die neue Freiwilligkeit eher in überschaubaren Projekten mit größeren Freiräumen und erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten der Engagierten auf lokaler und regionaler Ebene. Die Entscheidung, sich freiwillig zu engagieren, wird insgesamt bewusster getroffen, so die Autoren Heimgartner und More-Hollerweger. Freiwillige wählen ihre Betätigungsfelder kritischer aus und informieren sich im Vorfeld über die Möglichkeiten und Ziele in verschiedenen Organisationen. Dadurch wird auch die Außendarstellung einer Einrichtung immer wichtiger, um bei potenziellen Freiwilligen interessant zu sein. 65 63 Vgl. Beher/Liebig/Rauschenbach (2000), 13. 64 Vgl. Beher/Liebig/Rauschenbach (2000), 13. 65 Vgl. Heimgartner/More-Hollerweger (2009), 178. 27

9.2. Erkennbare Richtungen in der Freiwilligenarbeit Nach Meinung der Autorin Greil-Payrhuber lassen sich unterschiedliche Tendenzen zum Thema Ehrenamt und Solidarität im Wandel orten, wie aus nachfolgender Tabelle ersichtlich ist. 66 Abbildung 10: Differenzierung klassisches/neues Ehrenamt 67 Klassisches Ehrenamt (wird weniger) Neues Ehrenamt (wird mehr) Langandauernde Bindung (bis hin zu Abhängigkeit), man fühlt sich zugehörig Organisation im Vordergrund und die Zugehörigkeit zu einer Organisation Bürgerinitiativen, Selbsthilfegruppen, Projekte, zeitlich begrenztes, Inhaltund themenbezogenes Engagement je nach eigener Betroffenheit (z. B. Widerstands-bewegung gegen Temelin) Das Individuum der Mensch im Mittelpunkt, seine Entwicklung Individualisierung + Pluralisierung Identität über die großen Organisationen z. B. Kirchen, Gewerkschaften, Interessensvertretungen, Parteien, Vereine Ziel der Bemühungen ist das Wohl der Organisation, ihre Ziele werden zu eigenen man sollte man müsste Man fühlt sich verpflichtet Merkmal Dienst, Dienen Auftrag, Bürokratie, Hierarchie (Pyramidenmodell, die oben sind haben das Sagen ), Seilschaften über Jahrzehnte, man braucht Förderer zum Aufstieg Eigenständige Identität im Vordergrund ( Marke ICH ), man will von Vereins-zugehörigkeit unbeschadet bleiben, Engagement muss sich mit Lebensplanung und Image vertragen = biographische Passung Ziel ist der eigene Weg, Selbstverwirklichung, Inhalt für das eigene Leben das bringt mich weiter da kann ich mich entfalten Merkmal Selbstbestimmung Flache Hierarchie, in die Verantwortung eingebunden sein wollen Beteiligung und selbstständiges Handeln, Modell der konzentrischen Kreise und Netzwerke 66 Vgl. Greil-Payrhuber (2004), 14f. 67 Abbildung verändert entnommen aus: Greil-Payrhuber (2004), 14f. 28

Da das Bild des neuen Ehrenamts bzw. der neuen Freiwilligenarbeit eine große Herausforderung für die Organisationen bedeutet, werden diese künftig im Bereich der Haltung und Bindung bzw. der Rekrutierung von freiwilligen Mitarbeitern besonders gefordert sein. Es müssen Tätigkeitsfelder so gestaltet werden, dass den Personen eine gewisse Möglichkeit zur Selbstverwirklichung zukommt und das Engagement als sinnstiftend erfahren werden kann. 10. Freiwilligenarbeit im Vitalen Wohnen (ViWo), St. Marienkirchen bei Schärding In den vorigen Kapiteln wurde eine theoretische, allgemeine Einführung in das Thema Freiwilligenarbeit gegeben und der Bezug auf die Situation in Österreich hergestellt. Im Weiteren wird nun der Fokus auf eine Einrichtung im Bezirk Schärding gerichtet, die ohne das Engagement von zahlreichen Freiwilligen nicht denkbar wäre. Das Vitale Wohnen kurz: ViWo ist ein Pilotmodell (Sozialhilfeverband Schärding und Land Oberösterreich) und steht für altengerechtes Wohnen und Leben in zeitgemäßer Form. Die Träger dieses Wohn-, Betreuungs- und Pflegemodells sind der Sozialhilfeverband Schärding, das Land Oberösterreich, die vier Beteiligungsgemeinden (St. Marienkirchen bei Schärding, Suben, Eggerding und Mayrhof), die Innviertler Siedlungsgenossenschaft (ISG als Vermieterin der Wohnungen) und das Oberösterreichische Rote Kreuz (Bezirksstelle Schärding/OST Schärding) als Anbieter der Nacht-Rufbereitschaft. Die Leitung dieses Pilotmodells obliegt Frau Sabine Schwarzgruber. Sie wurde vom Sozialhilfeverband Schärding mit dieser Funktion betraut, da sie langjährige Heimleiterin in einem Alten- und Pflegeheim im Bezirk ist und so viel Erfahrung in das Projekt einbringen kann. 29

Das neuartige Wohn-, Betreuungs- und Pflegeform stützt sich auf folgende drei Säulen: 68 69 Betreubares Wohnen mit 9 Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss 70 Dieses Angebot des klassischen Betreubaren Wohnens richtet sich an Menschen, die noch zu einer selbständigen Lebensführung in der Lage sind und bei denen sowohl die familiäre Unterstützung oder Mobile Dienste eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleisten können. Die Anstellung von Stammpersonal ist dadurch in diesem Bereich nicht vorgesehen, es wird lediglich die Betreuungsleistung gemäß den Landesrichtlinien für Betreubares Wohnen im Ausmaß von zwei Stunden pro Wohnung und Monat vom SHV erbracht. Sollten die Bewohner dennoch einmal Hilfe benötigen, steht ihnen das Personal im Wohnen in Gemeinschaft gerne zur Verfügung und für Notfälle ist jede Wohnung mit der Rufhilfe des Roten Kreuzes ausgestattet, wodurch sie auf Knopfdruck mit der Rettungsleitzentrale verbunden werden. Wohnen in Gemeinschaft mit 8 Wohnungen im Erdgeschoss Es handelt sich hier um eine kleine und überschaubare Wohnstruktur für ältere Menschen. Dieser Bereich ist nach Meinung der Autorin eine neue Errungenschaft im Sektor Wohn-, Betreuungs- und Pflegeformen für Ältere. Das Motto So viel Selbständigkeit wie möglich so viel Unterstützung wie notwendig! kann hier 68 Vgl. Maier u. a. (2011), 2ff. 69 Abbildung entnommen aus: Maier u. a. (2011), 1. 70 Vgl. Maier u. a. (2011), 2ff. 30

verwirklicht werden. Die Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner stehen im Vordergrund und es soll durch das Miteinander in der Gemeinschaft die Selbständigkeit der hier lebenden Personen erhalten bzw. gefördert werden. Dies kann gewährleistet werden durch gemeinsame hauswirtschaftliche Tätigkeiten, wie die Zubereitung der Mahlzeiten etc. bzw. auch durch gezielte Aktivierung angeleitet durch das Stammpersonal (z. B. Gedächtnistraining, Turnen, etc.). 71 Tagsüber ist Stammpersonal (FSB A oder HH) des Sozialhilfeverbandes Schärding im Bereich Wohnen in Gemeinschaft anwesend, während in den Nachtstunden Freiwillige des Roten Kreuzes - die Helfer der Nacht mittels Rufbereitschaftsdienst den Bewohnern bei Hilfebedarf zur Verfügung stehen. Dieser Dienst funktioniert ähnlich der Rufhilfe mittels Knopfdruck, aber hier werden die Alarme nicht zur Rettungsleitzentrale weitergeleitet, sondern direkt auf das Bereitschaftshandy also zum Helfer der Nacht. Der alarmierte Freiwillige kann dann über die ViWo-Telefonanlage mit dem jeweiligen Bewohner Rücksprache halten, sollte dies nicht möglich sein bzw. benötigt jemand Hilfe vor Ort, dann fährt der Diensthabende ins Vitale Wohnen. Für den Fall, dass der Helfer der Nacht den Anruf nicht beantwortet (z. B. bei fehlendem Empfang) ist eine zusätzliche Sicherheitsschleife installiert, sodass nach ergebnislosem Klingeln (acht Mal läuten) der Anruf an die Rettungsleitzentrale weitergeleitet wird und so der ViWo-Bewohner eine Ansprechperson bzw. Hilfe bekommt. Die Aktion Helfer der Nacht ist kein eigenständiger Freiwilligendienst, sondern beruht auf der Zusammenarbeit mit dem Oberösterreichischen Roten Kreuz Ortsstelle Schärding. Auf diesen Dienst wird in den nächsten Kapiteln noch genauer eingegangen. Tagesbetreuung für 5 10 Personen im Erdgeschoss 72 Hierbei handelt es sich um ein teilstationäres Angebot die Tagesbetreuung ist derzeit Dienstag und Donnerstag in der Zeit von ca. 7.00 bis 19.00 Uhr geöffnet. Sie bietet älteren Menschen eine wertvolle und neue Möglichkeit, sowohl ihre geistigen als auch körperlichen Fähigkeiten zu stärken. Darüber hinaus wird durch die Tagesbetreuung pflegende Angehörige ermöglicht, sich Erholung und Freiräume vom Pflegealltag zu verschaffen. Abends kehren die Klienten in ihre gewohnte 71 Vgl. Maier u. a. (2011), 2ff. 72 Vgl. Maier u. a. (2011), 2ff. 31

Umgebung zurück. Das Personal (FSB A bzw. HH) in diesem Bereich wird wieder durch den Sozialhilfeverband Schärding gestellt. 73 Fortführend setzt diese Arbeit beim freiwilligen Engagement für die Nacht- Rufbereitschaft im Bereich Wohnen in Gemeinschaft an, die durch freiwillige Mitarbeiter des Oberösterreichischen Roten Kreuzes erbracht wird. Im Folgenden soll die Ausgangssituation dieses Dienstes dargestellt und anschließend mögliche Zielgruppen für Rekrutierungsmöglichkeiten udgl. definiert werden. 10.1. Ausgangssituation der Freiwilligenarbeit im Vitalen Wohnen Die Einrichtung Vitales Wohnen wurde im Dezember 2010 eröffnet. Wie bereits beschrieben wird dort seither der Nacht-Bereitschaftsdienst im Bereich Wohnen in Gemeinschaft durch freiwillige Mitarbeiter ( Helfer der Nacht ) des Oberösterreichischen Roten Kreuzes, Ortsstelle Schärding erbracht. Dieser Dienst ist in das Oberösterreichische Rote Kreuz, wie aus dem nachfolgenden Organigramm ersichtlich ist, eingegliedert. 73 Vgl. Maier u. a. (2011), 2ff. 32

Abbildung 11: Organigramm Eingliederung Helfer der Nacht 74 Aktuell gibt es 19 Helfer der Nacht (Stand: 11.02.2012) im Vitalen Wohnen (ViWo), wovon 15 weiblich und 4 männlich sind. Der Altersdurchschnitt beträgt in dieser Freiwilligengruppe ~ 55 Jahre. Die Leitung dieser Freiwilligengruppe obliegt zurzeit der Hausleitung des Vitalen Wohnens, Frau Sabine Schwarzgruber, die auch selbst aktiv als Helferin der Nacht mitwirkt. 74 Eigene Abbildung. 33