Fachvortrag Neue Lebensformen



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Transkript:

Fachvortrag Neue Lebensformen zur Eröffnung der AGF Wanderausstellung Familienbilder im Wandel in Thedinghausen am 6.9.2014 Unter der Überschrift neue Lebensformen möchte ich gemeinsam mit Ihnen die Entwicklungen von Familie seit den 50ger Jahren des letzten Jahrhunderts nachzeichnen, auf gesellschaftliche und gesetzliche Rahmenbedingungen hinweisen und noch bestehende Handlungsbedarfe aufzeigen. Und im Anschluss können wir uns noch einmal die Frage stellen, ob es neue Lebensformen überhaupt gibt. Nach den Zerstörungen und dem unendlichen Leid des Zweiten Weltkrieges machten sich die Menschen daran, ihr Leben neu auszurichten und für die eigenen Familien wieder ein friedliches und sicheres Heim zu schaffen. Das Grundgesetz (GG) schaffte ab 1949 dafür den gesetzlichen Rahmen, nach intensivem Ringen um Grundwerte für die Familie aber auch die Rechtsstellung der Frau. Viele bestehende, ausführende Gesetze, wie das Eheund Familienrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) blieben jedoch noch für lange Zeit in Kraft. Das Naziregime hatte der Familie ihrer Privatheit beraubt, alles wurde der Schaffung einer sogenannten Herrenrasse untergeordnet. Christliche Grundwerte waren verschüttet. Die daraus resultierende Besinnung auf traditionelle Werte brachte jedoch auch mit sich, dass Weiterentwicklungen aus der Weimarer Republik, wie das Streben der Frauen nach Gleichwertigkeit in Familie und Erwerbsleben, neu gedacht werden mussten. Von den rund 6,9 Millionen Menschen in Niedersachsen waren 1,9 M. Flüchtlinge, die meistens in Familienverbänden kamen, oft bestehend aus der Großelterngeneration und den Müttern mit ihren Kindern. Ob die Kinder ihre Väter wiedersehen würden, war oft lange nicht bekannt, offiziell als alleinerziehend galten Anfang der 50ger Jahre genau so viele Familien wie heute. Die Zahl der ledigen Mütter tauchte in der amtlichen Statistik nicht auf. Genauso, wie sie in der Gesellschaft unsichtbar bleiben sollten. Uneheliche Mutterschaft galt als moralisch verwerflich, von den Kirchen geächtet. Auch das Ehe- und Familienrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch, welches bereits seit 1900 in Kraft war, sprach Müttern wie Kindern gleiche Rechte ab. Mütter erhielten automatisch beim Jugendamt einen Vormund, die Kinder waren vom Erbe des Vaters ausgeschlossen, Umgang konnte der Vater nur im Ausnahmefall erwirken. Konnte die Mutter ihren Unterhalt aufgrund der Kinderbetreuung nicht selbst sicherstellen, kamen die Kinder zu Verwandten oder in Kinderheime, obwohl in 6 (4) und (5) des GG sowohl Mutter als auch Kind unter den besonderen Schutz des Staates gestellt waren. Das war auch der Nährboden für die Gründung des VAMV 1967, damals dem Verband alleinstehender Mütter. 1969 wurden durch das Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes die gravierendsten Diskriminierungen beseitigt, aber erst die große Kindschaftsrechtsreform 1998 brachte die Gleichstellung aller Kinder. Bei den verwitweten Müttern sorgte auch eine sozialrechtliche Regelung für ein Leben in verdeckten Formen. Die Hinterbliebenenrente sicherte auf niedrigem Niveau das Überleben der Familien. Gingen die Frauen eine neue Partnerschaft ein, fiel diese

Versorgung weg. Die finanzielle Lage der alleinstehenden Männer war in den 50ger Jahren häufig auch nicht gesichert, sodass sie die Versorgung einer neuen Familie mit Kindern kaum alleine schultern konnten. So kam es zu den sogenannten Onkelehen, Partnerschaften, in denen der neue soziale Vater eben Onkel genannt wurde und kein gemeinsamer Lebensmittelpunkt bestand. Allgemein in der Gesellschaft dominierte jedoch das Modell der bürgerlichen Familie. Meistens wurden die Ehen kirchlich geschlossen. Frauen übernahmen die Rolle der Hausfrau und Mutter und kümmerten sich um gute Bildung und Erziehung von 2-4 Kindern. Nur gut 30 % der Kinder besuchten einen Kindergarten. Bis 1977 musste laut BGB der Ehemann die Einwilligung zur Erwerbstätigkeit seiner Frau erteilen. Allein die Frau war für die geordnete Versorgung des Haushaltes zuständig. Die Väter übernahmen die gesamte finanzielle Absicherung der Familie. Der Staat flankierte dieses Familienmodell durch die Einführung des Ehegattensplittings 1858, welches bis heute Bestand hat. Die Eheleute wurden zu einer Wirtschaftsgemeinschaft. Durch die Halbierung des zu versteuernden Einkommens und die Anrechnung der Erwachsenen- und Kinderfreibeträge verringerte sich die Steuerlast entscheidend. Weitere Bausteine dieses Lebensmodells waren und sind bis heute, die beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung und die Hinterbliebenenrente bei Tod des sogenannten Ernährers. Mit rund 72 % ist die auf einer Ehe basierenden Familie noch immer ein Mehrheitsmodell. In dieser Gruppe enthalten sind jedoch auch die Patchworkfamilien, auf die ich später noch eingehen werde. Heute sind rund die Hälfte der verheirateten Frauen mit Kindern erwerbstätig und nur noch 6 % definieren sich selbst als ausschließliche Haus- und Familienfrauen. Gehen Frauen einer Erwerbstätigkeit nach, bekommen sie die Steuerklasse V, was bedeutet, dass sie keinerlei Freibeträge haben, diese werden in Steuerklasse III dem Mann zugeordnet. Die Frau erzielt ein viel geringeres Nettoeinkommen. Arbeitslosengeld, Krankengeld und Elterngeld vermindern sich entsprechend. Die Besteuerung basiert seit 1958 auf dem männlichen Ernäherprinzip. Seit Anfang der 1980ger Jahre wurde es ergänzt durch die sogenannten Minijobs, bei denen für die Frau bei einem Einkommen von zur Zeit bis zu 450 keine eigenen Abgaben anfallen. Es werden aber auch kaum eigene Rentenanwartschaften erworben, max. 3,40 monatlich nach 30 Versicherungsjahren. In diesen Arbeitsverhältnissen werden die Frauen meistens schlechter bezahlt als ihre Berufskolleginnen und nur 2 % der Frauen können in eine qualifizierte Vollzeitstelle wechseln. Entscheiden sich Eltern jedoch für eine ausgeglichene Haus- Erziehungs- und Erwerbsarbeit werden sie durch die Steuerklasse IV faktisch wie Singles besteuert. Mitversicherungen in der Krankenversicherung fallen weg, bei der Hinterbliebenenrente werden eigene Ansprüche angerechnet. Von Familienförderung keine Spur. Die massiven Widerstände gegen die Abschaffung des Ehegattensplittings quer durch alle Parteien lässt Spielraum für Diskussionen. Den Lebensrealitäten gut ausgebildeter Mütter, die sich familiengerecht ins Erwerbsleben einbringen wollen, wird diese Besteuerung nicht gerecht, ebenso nicht den Vätern, die Familien- und Erziehungsaufgaben übernehmen wollen. Und immerhin sind auch in ehelichen Lebensgemeinschaften inzwischen 10 % Frauen die Haupternährerinnen der Familie.

Aber blicken wir noch einmal zurück. Kam es dennoch zu einer Scheidung, wurde die persönliche Schuld festgestellt. Neben außerehelichen Verhältnissen konnte das bei Frauen auch mangelhafte Haushaltsführung oder die Verweigerung ehelicher Pflichten sein. Wurde das festgestellt, brauchte der Ehemann keinen Unterhalt an seine Frau zahlen und es gab auch keinen Rentenausgleich, auch wenn die Mutter weiterhin die gesamte Betreuung der Kinder leistete. Erst 1977 wurde durch die Reform des Ehe- und Scheidungsrechts diese Schieflage beseitigt. Seit 2004 sind die Ehescheidungen in Niedersachsen um rund 13 % gesunken. Im gleichen Zeitraum gab es jedoch einen Zuwachs an nichtehelichen Lebensgemeinschaften, bei denen eine Trennung ja nicht amtlich erhoben wird. Da die Anzahl der Einelternfamilien relativ konstant ist, gibt es wohl eine Verschiebung zwischen diesen Paargemeinschaften. Rund 21 % aller Familien mit Kindern leben in einer Einelternfamilie. Bei den minderjährigen Kindern sind fast 90 % Mütter die Haupterziehungspersonen. Obwohl diese Frauen durchschnittlich über eine gute Ausbildung verfügen und nur rund 9 % von ihnen unter 25 Jahre alt sind, ist die Armutsquote in diesen Familien mit 44,2 % extrem hoch. Dafür gibt es multiple Gründe. Frauen leben meistens mit kleineren Kindern zusammen, die ein hohes Maß an persönlicher Zuwendung benötigen. Passende Kinderbetreuungseinrichtungen stehen noch immer nicht ausreichend zur Verfügung. Die Frauen treffen auf einen Arbeitsmarkt, der Familienpflichten häufig nicht berücksichtigt, Stichworte wie Schichtarbeit, Wochenendarbeit oder geteilte Dienste in pflegerischen Berufen oder dem Dienstleistungsgewerbe seien hier benannt. Frauenarbeitsplätze sind noch immer schlechter bewertet als die ihrer männlichen Kollegen (-23%) und für Führungsaufgaben wird noch immer von Vollzeittätigkeit ausgegangen. Das wollen die meisten Frauen nicht, denn sie haben bewusst ja zu ihren Kindern gesagt und wollen ausreichend Zeit mit ihren verbringen. Doch auch das reformierte Unterhaltsrecht führt erneut zu Schieflagen. Ehegattenunterhalt wird in der Regel nur bis zum 3. Geburtstag des Kindes gezahlt. Danach liegt die Betreuung und Erwerbsarbeit allein in der Verantwortung der Mütter. Väter sind dann nur noch für die finanzielle Absicherung ihrer Kinder zuständig. Jedoch nur rund 50 % der Kinder erhalten regelmäßig zumindestens den Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Neuere Auswertungen belegen jedoch, dass die Eingangsstufe nicht existenzsichernd ist. 25 % der Väter kommen nur unregelmäßig oder unzureichend ihrer Pflicht nach, 25 % zahlen gar nicht. Eine ganz aktuelle Meldung der Jobcenter besagt, dass der Staat 141.000.000 für zahlungsfähige Väter übernehmen muss, um die akute Unterversorgung der Kinder aufzufangen. Beantragen müssen dieses Zuschüsse jedoch die Mütter und sie sind es, die in der Sozialstatistik auftauchen, mit dem immer noch nicht überwundenen gesellschaftlichen Vorurteil, auf Kosten der Allgemeinheit zu leben. Zusammengefasst heißt das, Mütter übernehmen neben der Betreuung auch Teile der finanziellen Absicherung, bei gleichzeitiger Verpflichtung zur eigenen Erwerbstätigkeit. Auch im Steuerrecht werden Alleinerziehende massiv benachteiligt. Wenngleich sie auch Familie sind, können sie den Splittingtarif nicht nutzen. Der Freibetrag von jährlich 1.308 macht sich kaum bemerkbar. Besonders schmerzvoll wird das von Verwitweten empfunden, die sich so nicht mehr als Familie anerkannt fühlen. Der VAMV hat zur Gleichstellung eine bundesweite Kampagne gestartet.

Beim sogenannten Umgang liegt der Schwerpunkt mehr bei den Rechten für den Vater, eine Umgangspflicht, um die Mutter zu entlasten und die Elternrolle auszufüllen gibt es faktisch nicht. Da sollten Väter an ihrem Rollenverständnis arbeiten und die Gesellschaft ist gefordert, verantwortliches Handeln gegenüber den eigenen Kindern einzufordern. Ich möchte aber auch das Gegenbild beleuchten. Es gibt Eltern, die nach verantwortlicher Abwägung entscheiden, dass die Kinder beim Vater leben. Diese Väter sind der Aufgabe der Versorgung und Haushaltsführung voll gewachsen. Übergriffige Hilfsangebote von anderen Frauen, die dem Vater seine Unfähigkeit suggerieren, sind auch eine Diskriminierung. Ebenso gehört dazu die noch weit verbreitete gesellschaftliche Abwertung der dazugehörigen karrierefixierten Rabenmutter, die ihre Kinder im Stich gelassen hat. Kurz ansprechen möchte ich bei den Einelternfamilien noch die ledigen Mütter. Unterhaltsrechtlich sind sie und ihre Kinder verheirateten Frauen weitgehend gleichgestellt. Bei der Geburt des Kindes erhalten sie das alleinige Sorgerecht. Die bisherige Lebenspraxis war, dass bei Einvernehmen der Eltern auf freiwilliger Basis das gemeinsame Sorgerecht begründet wurde. Gegen den Willen der Mutter war das nicht möglich. Seit 2013 können Väter auch gegen den Willen der Mutter in einem vereinfachten Verfahren das Sorgerecht erlangen, wenn keine gravierenden Gründe dagegensprechen. Der Lebenswirklichkeit von Mutter und Kind wird das häufig nicht gerecht. Ablehnung der Schwangerschaft durch den Vater oder gewalttätige Übergriffe sind häufig nicht nachweisbar. Die Zahlen der neuesten Dunkelfeldstudie in Paarbeziehungen in Niedersachsen benennen alarmierende Zahlen. Kommen wir nun noch zu einer wirklich neuen Lebensform, den Regenbogenfamilien. Hier übernehmen gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam Verantwortung für Kinder. Einige gehen eine Eingetragene Lebenspartnerschaft ein, die inzwischen in fast allen Bereichen der traditionellen Ehe gleichgestellt ist, auch beim Ehegattensplitting. Mitgebrachte leibliche Kinder können durch eine Stiefkindadoption eingebunden werden oder es gibt das sogenannte kleine Sorgerecht wie auch in Patchworkfamilien, um Interessen der Kinder im Alltag vertreten zu können. Eine gemeinsame Fremdadoption ist bisher jedoch nicht möglich. Diese Gruppe ist vermutlich recht klein, genaue Zahlen gibt es nicht. Vorbehalte sind in weiten Teilen der Bevölkerung noch vorhanden, vor allem gegenüber homosexuellen Vätern. Erst 1994 wurden die letzten strafrechtlichen Sonderregelungen des sogenannten 175 STGB fallengelassen. An der Anerkennung und Wertschätzung dieser Eltern müssen wir alle noch arbeiten. Eine uralte Familienform ist die Stieffamilien, denn für die Versorgung der Kinder war eine Wiederverheiratung meistens existentiell. Heute sprechen wir von Patchworkfamilien. Das Bundesministerium für Familie geht von 7 13 % aller Haushalte aus. Das ist eine wage Zahl, die sich in den 72 % der ehelichen Familien verbirgt. Diese Gemeinschaften können ganz unterschiedlich zusammengesetzt sein. Manchmal kommen zwei Partner mit eigenen Kindern zusammen, manchmal bringt nur einer Kinder in die neue Ehe mit ein. Oder die Kinder leben bei dem anderen Partner. Häufig werden auch noch gemeinsame Kinder in die neue Beziehung hineingeboren. War früher meistens der Tod eines Elternteils Ursache für eine Neuverheiratung, ist es heute häufig eine Scheidung oder eine vorangegangene ledige Mutterschaft. Die besondere Herausforderung ist, dass die Erwachsenen in eine neue Elternrolle hineinwachsen müssen und Kinder einen Platz in der neuen Geschwisterreihe finden.

Außerdem kommen mehrere Verwandtschaftskonstellationen zueinander, die von allen Beteiligten Respekt, Geduld und Verständnis erfordern, besonders bei Familienfeiern. Schwierig ist auch die sozialrechtliche finanzielle Verantwortung eines neuen Partners für die nicht leiblichen Kinder, wenn sich der leibliche Vater oder Mutter der Verantwortung entzieht. Das ist eine hohe Belastung für die neue, meist kinderreiche Familie. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, die Rahmenbedingungen den heutigen Lebensrealitäten anzupassen oder die leiblichen Väter/ Mütter stärker in die Pflicht zu nehmen. Eine früher übliche Adoption ist heute eher die Ausnahme, da die Rechte der leiblichen Eltern im Vordergrund stehen. Zum Schluss komme ich nun zu den Familien mit der größten Wachstumsrate, den nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Rund 6 % der Eltern leben ohne Trauschein zusammen. Im Familienrecht wurde eine weitreichende Gleichstellung erreicht, nicht so bei der Krankenversicherung, der Rente und im Steuerrecht. Sozialhilferechtlich müssen die Partner jedoch füreinander aufkommen, da sie eine Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft bilden. Ob eine vollständige Gleichstellung gerechtfertigt ist, wird kontrovers diskutiert. Der Artikel 6 des GG lautet: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Heißt das, dass die Ehe vor der Familie kommt? Mit diesem? Möchte ich schließen und würde mich freuen, wenn daraus eine rege, sinnstiftende Diskussion entstehen würde. Monika Placke Diplom Sozialpädagogin Systemische Familien-Sozialtherapeutin (DFS) Onlineberaterin (DGOB) Geschäftsführerin (IHK) Kontakt über: Verband alleinerziehender Mütter und Väter Landesverband Niedersachsen e.v. Arndtstr. 29 49088 Osnabrück Tel. 0541-25584 Email: placke@vamv-niedersachsen.de