Aufbau exzitatorischer Rezeptorkanäle

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Transkript:

62 I Allgemeine Physiologie der Zelle I Symptome. Die Ausprägung bzw. Symptomatik eines Ionenkanaldefektes ist durch sein Expressionsmuster bestimmt. Eine Funktionsveränderung des herzspezifischen Natriumkanals Na v 1.5 hat daher andere klinische Auswirkungen als die gleiche Funktionsänderung des im Skelettmuskel exprimierten Natriumkanals Na v 1.4. Bei Ionenkanälen, die in verschiedenen Organen exprimiert sind, hat eine genetische Funktionsveränderung meist eine Fehlfunktion aller dieser Organe zur Folge (z. B. beim KCNQ1-KCNE1-Defekt). Es besteht allerdings auch die Möglichkeit der partiellen Kompensation, sodass die entsprechende Kanalopathie auf ein Organ beschränkt bleiben kann. In Kürze Anionenkanäle Es gibt verschiedene Klassen von Anionenkanälen: ClC-Typ Kanäle, CFTR (epithelialer Kanal, dessen Defekt Mukoviszidose verursacht), Ca 2+ -aktivierte Chloridkanäle sowie ligandaktivierte Anionenkanäle (GABA A -Rezeptoren, Glyzin-Rezeptoren). CIC-Kanäle bestehen aus zwei Untereinheiten und bilden zwei Kanalporen aus. Sie sind unselektiv, d. h., sie lassen ein breites Spektrum unterschiedlicher Anionen permeieren. Beim gating fungiert das permeierende Anion als Spannungssensor. 4.5 Ligandaktivierte Ionenkanäle Aufbau exzitatorischer Rezeptorkanäle Die ligandaktivierten exzitatorischen Rezeptorkanäle (ionotrope Rezeptoren) sind aus vier oder fünf Untereinheiten aufgebaut. Exzitatorische Rezeptorkanäle. Die wichtigsten exzitatorischen Transmitter des Säugerorganismus sind Glutamat und Azetylcholin, die bedeutendsten exzitatorischen Rezeptoren demnach die ionotropen Glutamatrezeptoren (iglur) und die ionotropen Azetylcholinrezeptoren (wegen der Aktivierung durch Nikotin auch nikotinische Azetylcholinrezeptoren, nachr, genannt). Dabei werden die iglur, entsprechend selektiver Agonisten, noch in NMDA-Rezeptoren (N-Methyl-D-Aspartat), AMPA-Rezeptoren (α-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazol- Propionat) und Kainat-Rezeptoren unterteilt. Die nachr sind im peripheren Nervensystem und in der Skelettmuskulatur (motorische Endplatte) von entscheidender Bedeutung, während den iglur im zentralen Nervensystem die dominierende Rolle zukommt. Aufbau exzitatorischer Rezeptorkanäle. Bezüglich ihrer Membrantopologie weisen die Untereinheiten beider Rezeptorkanaltypen vier hydrophobe Segmente auf, die allerdings in eine etwas unterschiedliche Kanalarchitektur umgesetzt werden (. Abb. 4.13). Bei den iglur sind drei dieser Segmente (M1, M3 und M4) als Transmembrandomänen konfiguriert, das zweite Segment (M2) ist lediglich in die Membranebene eingefaltet und an der Porenbildung beteiligt, ähnlich der P-Domäne der Kaliumoder Natriumkanäle. Das lange N-terminale Ende der iglur-proteine liegt im Extrazellulärraum, das kurze C-terminale Ende auf der zytoplasmatischen Seite der Membran. Bei den nachr-proteinen dagegen sind alle vier hydrophoben Segmente als Transmembrandomäne ausgebildet, wodurch die N- und C-Termini im Extrazellulärraum zu liegen kommen. Entsprechend dieser unterschiedlichen Topologie ist auch die Quartärstruktur der beiden Rezeptoren, die Untereinheitenstöchiometrie sowie der Aufbau der Ligandenbindungsstelle unterschiedlich. Die iglur sind Tetramere (. Abb. 4.13 A), die sich Der neben der Änderung der Membranspannung wichtigste Weg der Kanalaktivierung ist die Bindung eines extrazellulären Transmitters bzw. Liganden. Ionenkanäle, die sich so aktivieren lassen, werden allgemein als ligandgesteuerte Kanäle oder ionotrope Rezeptoren bezeichnet; die Namensgebung eines Kanals leitet sich vom aktivierenden Liganden (Agonisten) ab, sodass ein durch Azetylcholin gesteuerter Kanal als ionotroper Azetylcholinrezeptor bezeichnet wird. Im Gegensatz zu den spannungsgesteuerten Kanälen sind die ligandaktivierten Kanäle im Wesentlichen auf die Postsynapsen beschränkt, da sie nur dort von Transmittern erreicht werden können. Mittlerweile ist eine Vielzahl von Genen bekannt, die für ionotrope Rezeptoren kodieren und die aufgrund von Ähnlichkeiten in ihrer Aminosäuresequenz und Proteinarchitektur in Klassen, Familien und Unterfamilien eingeteilt werden können. Die nachfolgende Einteilung orientiert sich allerdings mehr an der physiologischen Funktion der Kanäle, die vor allem durch die Ionenart definiert wird, die durch den Kanal permeiert. So sind die ligandgesteuerten Kationenkanäle als exzitatorische Rezeptorkanäle, die Anionenkanäle als inhibitorische Rezeptorkanäle klassifiziert.. Abb. 4.13. Aufbau und Topologie der ionotropen Azetylcholin- und Glutamatrezeptoren. Membrantopologie (obere Bildhälfte) und Untereinheitenaufbau (untere Bildhälfte) der iglur (A) und nachr (B), abgeleitet aus dem Hydropathieprofil der Aminosäuresequenz und den funktionellen Eigenschaften der Kanäle

63 4 Kapitel 4 Grundlagen zellulärer Erregbarkeit. Tab. 4.1. Untereinheitenzusammensetzung der ionotropen Rezeptoren Exzitatorische Rezeptoren Glutamatrezeptoren AMPA NMDA Kainat Azetylcholinrezeptoren Skelettmuskel nachr Untereinheiten GluR1 4 NR1, NR2A D, NR3A B GluR5 7, KA1,2 α1, β1, γ (oder ε), δ Neuronale nachr α2 10, β2 4 5HT 3 -Rezeptor Purinorezeptoren je nach iglur-typ aus vier identischen oder vier unterschiedlichen Untereinheiten zusammensetzen. So sind die iglur vom NMDA-Typ Heterotetramere aus NR1- und NR2-Untereinheiten, die AMPA-Rezeptoren Homo- oder Heterotetramere der Untereinheiten GluR1 4, während die Kainatrezeptoren Homo- oder Heterotetramere aus den Untereinheiten GluR5 7 und KA1 2 sind (. Tab. 4.1). Alle iglur-untereinheiten verfügen über eine Glutamatbindungsstelle, die vom N-Terminus und dem Verbindungstück der Transmembransegmente M3 und M4 gebildet wird. Die nachr setzen sich dagegen in der Regel aus fünf verschiedenen Untereinheiten (Pentamer) zusammen (. Abb. 4.13 B). Dabei ist der nachr des Skelettmuskels ein Heteropentamer aus zwei α1-untereinheiten, sowie je einer β-, γ- bzw. ε- und δ-untereinheit, die nachr des Nervensystems dagegen Pentamere aus zwei oder drei α-untereinheiten (α2 10) und drei bzw. zwei β-untereinheiten (β2 4). Nach heutigem Kenntnisstand verfügt jeder nachr über zwei Agonistenbindungstellen, die vorwiegend von der α-untereinheit gebildet werden. Die Pore der nachr wird von den M2-Segmenten der fünf Untereinheiten sowie den an sie angrenzenden Proteinabschnitten gebildet (. Abb. 4.13 B). α1 P2X α1 7 Inhibitorische Rezeptoren GABA A α1 6 Untereinheiten β1 3 γ1 3 Glyzin α1 3 δ ε π β Funktionelle Eigenschaften exzitatorischer Rezeptorkanäle Ionotrope Rezeptoren werden durch Bindung extrazellulärer Liganden/Transmitter aktiviert; die exzitatorischen Glutamatund Azetylcholinrezeptoren sind nichtselektive Kationenkanäle. Gating. Trotz dieser Unterschiede in der Proteinarchitektur sind die funktionellen Eigenschaften der iglur und nachr, die Grundzüge ihres Schaltverhaltens sowie die Ionenpermeation recht ähnlich. Wie spannungsabhängige Kanäle bei hyperpolarisierter Membranspannung sind die Rezeptorkanäle in Abwesenheit des Agonisten in einem Geschlossen-Zustand (C-Zustand), aus dem sie durch Bindung des Agonisten Glutamat (und bei NMDA-Rezeptoren zusätzlich Glyzin) oder Azetylcholin aktiviert werden können. Die Agonist-Rezeptor-Interaktion sorgt dabei, analog zur S4-Helix-Bewegung, für eine Energie-Einkoppelung in das Kanalprotein: Durch die Agonistbindung wird eine Konformationsänderung der Bindungsstelle und ihrer Umgebung bewirkt, die auf die porenbildenden Proteinabschnitte übertragen wird und via struktureller Reorganisation dieser Proteinsegmente zur Öffnung des Kanals führt (O-Zustand). Bei AMPA-Rezeptoren und dem nachr des Skelettmuskels sowie einigen neuronalen nachr spielt sich die Öffnungsreaktion in weniger als einer Millisekunde ab, während sie bei anderen, wie dem NMDA-Rezeptor, 10 und mehr Millisekunden dauert. Der geöffnete Kanal kann dann auf zwei Arten wieder verschlossen werden. Zum einen durch die Deaktivierung, nach Dissoziation des Agonisten von der Bindungsstelle, oder durch Desensitisierung bzw. Inaktivierung (I-Zustand), bei Verbleib des Liganden an seinem Rezeptor. Die Deaktivierung läuft in wenigen Millisekunden ab, während die Geschwindigkeit der Desensitisierungsreaktion sehr variabel ist und von wenigen Millisekunden (Skelettmuskel-nAChR oder AMPA-Rezeptoren) bis zu mehreren hundert Millisekunden reicht. Permeation. Wie oben erwähnt, ähneln sich die iglur und nachr auch bezüglich der Ionenpermeation. Grundsätzlich sind beide Kanaltypen für kleine monovalente Kationen, vor allem Natrium und Kalium, permeabel. Dabei ist der unter physiologischen Bedingungen einwärtsgerichtete Natriumstrom wegen der höheren Triebkraft (s. oben) und der mehr oder weniger ausgeprägten Selektivität der Kanäle für Natriumionen wesentlich größer als der gleichzeitig stattfindende Auswärtsstrom von Kaliumionen. Aus diesem Grund führt die Aktivierung beider Rezeptoren zu einer Depolarisation der postsynaptischen Membran bzw. zu einer Exzitation der postsynaptischen Zelle. Manche nachr und iglur, wie der NMDA-Rezeptor, sind über die kleinen monovalenten Ionen hinaus auch für das divalente Kalzium (Ca 2+ ) permeabel, während das divalente Magnesiumion (Mg 2+ ) am Selektivitätsfilter»hängenbleibt«und damit die Kanalpore blockiert (s. unten). Neben den iglur und nachr gibt es noch einige weitere exzitatorische Rezeptorkanäle, deren funktionelle Bedeutung allerdings geringer ist. Dazu gehören

64 I Allgemeine Physiologie der Zelle I 4 4 4 die ionotropen Monoaminrezepotoren (5-Hydroxytryptamin- oder kurz 5-HT3-Rezeptoren), die in ihrer Architektur den nachr verwandt sind, sowie die ionotropen ATP-Rezeptoren (P2X-Rezeptoren) und die Protonen-(H + -Ionen-)Rezeptorkanäle (ASIC), die beide den prinzipiellen Proteinaufbau der oben genannten 2-Segment-Kanäle aufweisen. Aufbau und Funktion inhibitorischer Rezeptorkanäle Die ligandaktivierten inhibitorischen ionotropen Rezeptoren sind pentamere Anionenkanäle, die durch die Transmitter GABA und Glyzin aktiviert werden. Aufbau. Die wichtigsten inhibitorischen Transmitter des zentralen Nervensystems sind die Aminosäuren γ-amino-butyrat (GABA) und Glyzin; die entsprechenden Rezeptorkanäle sind die GABA A -Rezeptoren, die vor allem in Kortex und Zerebellum vorkommen und die Glyzinrezeptoren, die insbesondere im Hirnstamm und Rückenmark exprimiert sind. Beide Rezeptoren gehören genetisch zur Klasse der nachr Rezeptoren, mit denen sie die 4-Segment-Topologie und die pentamere Untereinheiten-Stöchiometrie teilen. Dabei sind die GABA A -Rezeptoren aus zwei α- (α1 6), zwei β- (β1 3) sowie einer weiteren Untereinheit (γ, δ-, ε- oder π-untereinheit) aufgebaut, während die Glyzinrezeptoren Heteropentamere aus drei α- (α1 4) und zwei β-untereinheiten (β1) sind (. Tab. 4.1). Gating. Für das Schaltverhalten der GABA A - und Glyzinrezeptoren gelten dieselben Prinzipien und Prozesse wie für die nachr und iglur. Die Permeabilität dagegen ist grundlegend unterschiedlich, da GABA A - und Glyzinrezeptoren eine hohe Selektivität für negativ geladene Chloridionen zeigen, weswegen sie auch als transmittergesteuerte Chloridkanäle gelten können. Die Ursache für diese Anionenselektivität liegt offenbar im porenbildenden M2-Segment, das eine geringere Anzahl negativ geladener und eine andere Anordnung positiv geladener Aminosäuren im Vergleich zu den kationenselektiven Rezeptoren aufweist. Die Wirkung von GABA A - und Glyzinrezeptoren auf das Membranpotenzial hängt von der intrazellulären Chloridkonzentration ab. Ist das Chloridumkehrpotenzial negativer als das Ruhepotenzial, so führt die Öffnung ligandgesteuerter Chloridkanäle zu einer Hyperpolarisation der postsynaptischen Membran (hyperpolarisierende Inhibition). Ist das Chloridumkehrpotenzial identisch mit dem Ruhepotenzial, führt eine Kanalöffnung zwar nicht zu einer Änderung des Membranpotenzials, durch Abnahme des Eingangswiderstandes aber dennoch zu einem hemmenden Effekt (kurzschließende oder»shunting«-inhibition). Schließlich kann unter bestimmten Bedingungen (z. B. in der frühen postnatalen Entwicklung oder bei pathologischen Zuständen) das Chloridumkehrpotenzial positiver als das Ruhepotenzial sein. Unter diesen Bedingungen führt die Aktivierung ligandgesteuerter Chloridkanäle zu einer Depolarisation der postsynaptischen Membran und im Extremfall sogar zur Exzitation der postsynaptischen Zelle (d. h. zur Initiation von Aktionspotenzialen). 3Pharmakologie der GABA- und Glyzinrezeptoren. Die GABA A - Rezeptoren sind Zielmoleküle von Substanzen, die sowohl als Medikament in der Klinik angewandt werden, als auch als»drogen«verbreitet sind. Diese Substanzen sind die Benzodiazepine (Diazepam, Klonazepam), die als»angstlöser«bekannt sind, und die Barbiturate (Phenobarbital), die als Schlafmittel und»sedativa«benutzt werden. In Kürze Ligandaktivierte Ionenkanäle Die Kanalaktivierung kann außer durch die Änderung der Membranspannung auch durch die Bindung eines extrazellulären Transmitters bzw. Liganden erfolgen. Ionenkanäle, die sich so aktivieren lassen, werden als ligandgesteuerte Kanäle oder ionotrope Rezeptoren bezeichnet. Exzitatorische Rezeptorkanäle Die wichtigsten exzitatorischen Rezeptoren sind die ionotropen Glutamatrezeptoren und die ionotropen Azetylcholinrezeptoren. Sie sind aus vier oder fünf Untereinheiten aufgebaut. In Abwesenheit des Agonisten befinden sich die Kanäle in einem Geschlossen-Zustand, die Bindung des Agonisten bewirkt eine Konformationsänderung der Bindungsstelle und ihrer Umgebung, was zur Öffnung des Kanals führt. Inhibitorische Rezeptorkanäle Die wichtigsten inhibitorischen Transmitter des zentralen Nervensystems sind die Aminosäuren γ-amino-butyrat (GABA) und Glyzin; die entsprechenden Rezeptorkanäle sind die GABA A -Rezeptoren und die Glyzinrezeptoren. Sie sind aus fünf Untereinheiten aufgebaut. 4.6 Grundlagen des Ruhemembranund Aktionspotenzials Diffusionspotenzial Spannung über der Zellmembran Die selektive Permeabilität biologischer Membranen führt zusammen mit der ungleichen Verteilung von Ionen zwischen Zellinnerem und -äußerem zur Entstehung eines Membranpotenzials. Zwischen dem Zellinneren und dem Zelläußeren aller lebenden Zellen besteht eine elektrische Spannung, das sog. Membranpotenzial. Die Grundlage zur Entstehung dieser Membranspannung ist das Diffusionspotenzial. Grundlagen des Diffusionspotenzials Ein Diffusionspotenzial stellt sich immer dann ein, 4 wenn ein bestimmtes Ion über einer Membran ungleich verteilt ist (Konzentrationsgradient) 4 und die Membran für dieses Ion selektiv permeabel ist (selektive Permeabilität).

77 5 Kapitel 5 Synaptische Übertragung > > Einleitung A Im Zusammenhang mit seinen Reisen in Guyana schreibt Waterton, ein britischer Entdecker, 1812:»Ein einheimischer Jäger schoss auf einen direkt über sich in einem Baum sitzenden Affen. Der Pfeil verfehlte das Tier und traf im Fallen den Arm des Jägers. Der Jäger, überzeugt sein Ende sei gekommen, legte sich nieder, verabschiedete sich von seinem Jagdgefährten und starb.«waterton nahm das Pfeilgift»Wourali«(Kurare) mit nach England und berichtete einige Jahre später zusammen mit dem Arzt Brodie Folgendes: Einem jungen Esel wurde Kurare unter die Haut injiziert, worauf der Esel zusammenbrach. Daraufhin wurde der Esel über eine Trachealkanüle mit einem Blasebalg beatmet. Nach zwei Stunden erhob sich der Esel, brach ohne Beatmung aber wieder zusammen. Weiter beatmet, erholte sich der Esel schließlich ganz, wurde Wourali getauft und von Waterton noch Jahre gehalten. Kurare blockiert kompetitiv nikotinische Azetylcholinrezeptoren neuromuskulärer Synapsen. Dadurch werden Motorik und Atmung unterbunden, Bewusstsein und Schmerzempfinden aber nicht verhindert Kurareähnliche Substanzen werden heute routinemäßig bei Operationen zur Muskelrelaxation eingesetzt. B 5.1 Chemische synaptische Übertragung, erregend und hemmend Erregende Synapsen Bei der chemischen synaptischen Übertragung wird durch die Depolarisation der Nervenendigung ein Überträgerstoff freigesetzt, der an Rezeptoren der Membran der postsynaptischen Zelle bindet, worauf sich Ionenkanäle öffnen. Synapsendefinition. Innerhalb der Nervenzellen wird Information durch Aktionspotenziale fortgeleitet. Ihre Weitergabe von einer Zelle zur nächsten geschieht an morphologisch speziell ausgestalteten Kontaktstellen, den Synapsen. Da, außer bei Synzytien, die Plasmamembranen und die Innenräume der aneinander stoßenden Zellen nicht unmittelbar ineinander übergehen, wird ein Aktionspotenzial nicht ohne weiteres elektrisch über eine Synapse geleitet. Es werden vielmehr spezielle Mechanismen der synaptischen Übertragung zwischengeschaltet, die an chemischen Synapsen einen Überträgerstoff, bei elektrischen Synapsen eine besondere Stromverteilung ausnutzen (7 Abschn. 5.7). Die chemischen Synapsen sind, auch medizinisch, von besonderem Interesse, weil sie sehr komplexe Interaktionen zwischen den Zellen ermöglichen, weil spezifische pathologische Prozesse an ihnen ablaufen können und Pharmaka bevorzugt angreifen. Die chemischen Synapsen sollen deshalb relativ ausführlich besprochen werden. Die Struktur chemischer Synapsen. Ein Beispiel einer chemischen Synapse zeigt. Abb. 5.1 A. Ein Aktionspotenzial depolarisiert die präsynaptische Endigung eines Axons. Die Endigung enthält Vesikel, die mit tausenden von Molekülen eines Überträgerstoffes, hier Azetylcholin, beladen sind. Die Depolarisation. Abb. 5.1. Aufbau und Funktion der Endplatte. A Feinstruktur der neuromuskulären Synapse (Endplatte). Oben links: Endigungen auf einer Muskelfaser, daneben vergrößert der Bereich des Nervenendes mit der darunter liegenden gefalteten Muskelfasermembran. Darunter: Weiter vergrößert, die präsynaptische Nervenmembran mit den auseinander gefalteten inneren und äußeren Membranschichten (innen rot) und darunter die entsprechenden Schichten der postsynaptischen Muskelmembran. Die Partikel in der Membran entsprechen Azetylcholinrezeptoren und Cholinesterasemolekülen. (Nach Nicholls et al. 2001) B Freisetzung von Quanten von Überträgerstoff, sichtbar als»quantelung«der EPSC. Bei den Pfeilen wurde jeweils kurz die Nervenendigung depolarisiert. Postsynaptisch werden daraufhin EPSC gemessen, die aus 2, 1, 3... Quanten, wie unter dem EPSC angegeben, bestehen. Zwischen den durch Depolarisation»evozierten«EPSC erscheint ein spontanes, das die gleiche Quantengröße hat der präsynaptischen Membran löst Verschmelzung einiger in den aktiven Zonen aufgereihten Vesikel mit der Zellmembran aus, womit ihr Inhalt in den synaptischen Spalt entleert wird. Der Überträgerstoff diffundiert zur postsynaptischen Zellmembran und findet dort spezifische Rezeptoren (»Partikel«in. Abb. 5.1 A), an die er binden kann, worauf sich Membrankanäle öffnen. Durch diese fließen dann Ionenströme, die das Membranpotenzial der postsynaptischen Zelle beeinflussen, z. B. sie bis zur Schwelle depolarisieren und damit ein Aktionspotenzial auslösen. Schwache Depolarisationspulse auf die Axonendigung lösen jeweils nur wenige Vesikelentleerungen aus, denen postsynaptisch Stromquanten entsprechen (. Abb. 5.1 B). Ein Aktionspotenzial an der Muskelendplatte setzt dagegen einige hundert Vesikel frei, und der Endplattenstrom (. Abb. 5.2) ist die Summe von hunderten von Stromquanten, die bei 90 mv Membranpotenzial 2 na Amplitude haben.

78 I Allgemeine Physiologie der Zelle I. Abb. 5.2. Abhängigkeit des Endplattenstroms vom Membranpotenzial. Das Membranpotenzial wurde mit einer Spannungsklemme, durch Regelung des über eine Mikroelektrode in die Zelle injizierten elektrischen Stroms, jeweils auf ein konstantes Potenzial eingestellt. Das EPSC ist bei 120 mv Klemmspannung stark negativ, verkleinert sich bei Klemmspannungen von 90, 65 und 35 mv, und wird bei +25 bzw. +38 mv zunehmend positiver ä 5.1. Familiäre hemiplegische Migräne Pathologie und Symptome. Bei der familiären hemiplegischen Migräne (FHM) treten meist einseitig Muskelschwäche oder -lähmungen bis zur generalisierten Halbseitenlähmung (Hemiplegie) und Bewusstseinsverlust auf. Gelegentlich weisen Gleichgewichtsstörungen auf Kleinhirnschäden hin, und es werden auch Degenerationen im Kleinhirn gefunden. Ursachen. Mutiert ist das Gen der α 1 -Untereinheit spannungsgesteuerter Kalziumkanäle vom P/Q-Typ (Ca V 2.1), die an aktiven Zonen von Präsynapsen (. Abb. 5.1) und in hoher Dichte auch in Purkinje-Zellen des Kleinhirns (. Abb. 7.16) vorkommen. Therapie. Die Beschwerden der Patienten scheinen sich bei Gabe von Verapamil, das Kalziumkanäle vom L-Typ blockiert, zu bessern. Endplatte An der neuromuskulären Endplatte setzt das erregte Motoneuron Azetylcholin frei, das in der Muskelmembran Kationenkanäle öffnet und ein Endplattenpotenzial hervorruft. Endplattenpotenzial. Die Endigungsbereiche der motorischen Nervenfasern auf den Muskelfasern sind mit Lupenvergrößerung sichtbar und werden Endplatten genannt. Der Endplattenstrom depolarisiert die Zellmembran lokal zu einem Endplattenpotenzial, das 60 mv groß werden kann, die Reizschwelle weit überschreitet und ein Aktionspotenzial auslöst. Damit ist an dieser Synapse Erregung vom motorischen Axon auf die Muskelfaser übertragen worden. Endplattenstrom fließt nur an der Endplatte in die Faser ein. Das Endplattenpotenzial hat dort sein Maximum und breitet sich als elektrotonisches Potenzial mit zunehmend verminderten Amplituden über die Faser. Abb. 5.3. Interaktion erregender und hemmender synaptischer Übertragung. A Erregende und hemmende postsynaptische Potenziale (EPSP bzw. IPSP) und Ströme (EPSC und IPSC) sowie deren Überlagerung, bei der sich EPSC und IPSC summieren, EPSP und IPSP zusammen jedoch eine kleinere Depolarisation, als ihrer Summe entspräche, erzeugen. B Wirkung von Hemmung auf Membranströme. Die Abhängigkeit des Membranstroms (Ordinate) von der Membranspannung (Abszisse) in Ruhe (Kontrolle); der Schnittpunkt mit der Abszisse ist das Ruhepotenzial E r. Während Hemmung (grün, durch Superfusion von GABA in der Badelösung) hyperpolarisiert die Membran, und die Stromspannungskennlinie (ausgezogene Kurve) wird steiler (Widerstandsabnahme). Vermindert man die Chloridkonzentration in der Badelösung auf die Hälfte, so ändert das die Kontrolle unmerklich; Hemmung jedoch depolarisiert (gestrichelte Kurve) aus. Alle synaptischen Potenziale und Ströme sind derartige lokale Ereignisse. Endplattenstrom. Um die Spannungsabhängigkeit des Endplattenstroms zu bestimmen, wurde im Experiment der. Abb. 5.2 mit einer Spannungsklemme das Membranpotenzial auf Werte zwischen 120 mv und +38 mv eingestellt. Der Endplattenstrom kehrt bei etwa 10 mv seine Richtung um. Durch Variation der Ionenkonzentrationen kann gezeigt werden, dass dieser Strom durch eine relativ unspezifische Erhöhung der Membranleitfähigkeit für Na +, Ca 2+ und K + entsteht, sodass sich ein Gleichgewichtspotenzial von etwa 10 mv einstellt. Der Endplattenstrom ist viel kürzer als das Endplattenpotenzial (vgl. EPSP und EPSC in. Abb. 5.3): Er klingt innerhalb von wenigen Millisekunden ab, während die Endplattenpotenziale unter Aufladung der Membrankapazität langsamer ansteigen und mit der Membranzeitkonstante τ (. Abb. 4.19) abfallen. Synaptischer Überträgerstoff (Transmitter). Der Überträgerstoff an der Endplatte ist Azetylcholin. Lokal appliziert verursacht Azetylcholin eine Depolarisation der Endplatte; die Emp-

79 5 Kapitel 5 Synaptische Übertragung findlichkeit für Azetylcholin beschränkt sich jedoch auf die unmittelbare Umgebung der Nervenendigungen. Hemmende Synapsen Aktivierung hemmender Synapsen mindert oder blockiert Erregung in der postsynaptischen Zelle. Im Organismus gibt es neben den erregenden Synapsen zumindest ebenso häufig Synapsen, an denen eine Hemmung übertragen wird. Das Prinzip zeigt die. Abb. 5.3 A. Links wird ein erregendes synaptisches Potenzial (excitatory postsynaptic potenzial, EPSP) und der entsprechende Strom (excitatory postsynaptic current, EPSC) gezeigt. Wird eine hemmende Nervenfaser erregt, die an der gleichen postsynaptischen Zelle angreift wie die erregende, so ergibt sich ein hemmendes postsynaptisches Potenzial, meist eine kleine Hyperpolarisation (IPSP; I: inhibitorisch), und ein entsprechender Auswärtsstrom (IPSC). Werden nun Erregung und Hemmung annähernd gleichzeitig aktiviert, so summieren sich die Ströme EPSC und IPSC, die resultierende Spannungsänderung ist jedoch viel kleiner als die Summe EPSP + IPSP. Die Hemmung hat die Depolarisation im EPSP kräftig verkleinert und dadurch die Übertragung der Erregung an der Synapse vermindert oder verhindert (7 Abschn. 5.3). Ionenfluss während der Hemmung An hemmenden Synapsen öffnet der Überträgerstoff K + - oder Cl -Kanäle, was den Membranwiderstand ohne größere Potenzialänderung herabsetzt und depolarisierende Erregungsprozesse behindert. Identifikation der Ionenströme. Die Ionenströme, die während der Hemmung fließen, lassen sich identifizieren, indem das Membranpotenzial verschoben wird. In. Abb. 5.3 B wurden Strom-Spannungs-Kennlinien der Membran gemessen. Die»Kontrolle«zeigt den Klemmstrom, der nötig ist, um die (unerregbare) Membran vom Ruhepotenzial E r zu de- oder hyperpolarisieren. Die ausgezogene Kurve»+ Hemmung«wurde bestimmt, nachdem der an dieser Zelle hemmende Überträgerstoff γ-amino-buttersäure (GABA) zugegeben wurde. Diese Kurve kreuzt die Nulllinie des Potenzials 10 mv negativer als E r ; die Hemmung hat hyperpolarisiert. Die Ionenspezies, die während der Hemmung vermehrt geflossen ist, kann man erkennen, indem man das Konzentrationsverhältnis und damit das Gleichgewichtspotenzial des betreffenden Ions ändert. Änderungen der Na + - oder K + -Konzentrationen haben keine Wirkung. Halbiert man aber die Cl -Konzentration, verschiebt sich die gestrichelte Kurve um fast 20 mv nach rechts, so wie wir dies aufgrund der Nernst-Gleichung erwarten würden. Damit ist eine Erhöhung der Cl -Leitfähigkeit der Membran als Ursache für die Hemmung identifiziert. Der in unserem zentralen Nervensystem häufigste hemmende Überträgerstoff GABA öffnet Membrankanäle für Cl -Ionen (GABA A -Rezeptoren) und K + -Kanäle (GABA B - Rezeptoren). Andere hemmende Überträgerstoffe, z. B. Azetyl- cholin am Herzsinus, öffnen auch K + -Kanäle. Hemmung erfolgt also durch Erhöhung der K + - oder Cl -Leitfähigkeiten, welche das Membranpotenzial nahe dem Ruhepotenzial stabilisieren. Abnahme des Membranwiderstandes bei Hemmung. Die erhöhte Cl -Leitfähigkeit während der Hemmung zeigt sich in. Abb. 5.3 B als Versteilerung der Strom-Spannungs-Kurven, eine Abnahme des Membranwiderstandes. Für einen mit der Hemmung konkurrierenden erregenden Strom von 0,1 μa, z. B. ein EPSC (. Abb. 5.3 A), kann man in. Abb. 5.3 B ablesen: In der Kontrolle depolarisieren 0,1 μa von 74 mv auf 24 mv, um 50 mv, aber während der Hemmung von 84 mv auf 66 mv, nur um 18 mv. Die Widerstandsabnahme schließt somit erregende Ströme kurz und verhindert dadurch Erregung. Dazu kommt der Effekt der Hyperpolarisation. In Kürze Synapsen Synapsen sind morphologisch speziell ausgestaltete, der Informationsübertragung dienende Kontaktstellen zwischen zwei Zellen. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Formen von Synapsen: Chemische Synapsen nutzen einen Überträgerstoff, elektrische Synapsen eine besondere Stromverteilung zwischen den Zellen (7 Abschn. 5.7.1). Chemische Synapsen Nach der Depolarisation einer präsynaptischen Nervenendigung durch ein Aktionspotenzial werden dort Überträgerstoffe ausgeschüttet, die mit Rezeptoren der postsynaptischen Membran reagieren. Im Falle einer erregenden Übertragung öffnet diese Reaktion unspezifische Kationenkanäle, was zur Depolarisation der postsynaptischen Zelle/Postsynapse führt. An der Endplatte wird z. B. Azetylcholin in den synaptischen Spalt freigesetzt, das über einen postsynaptischen Endplattenstrom ein Endplattenpotenzial auslöst. Das Endplattenpotenzial ist normalerweise immer überschwellig, einzelne EPSP an Neuronen sind es meistens nicht. An hemmenden Synapsen führt die Reaktion des präsynaptisch freigesetzten Transmitters mit den postsynaptischen Rezeptoren zum Öffnen von K + - und/oder Cl -Kanälen. Die Öffnung dieser lonenkanäle setzt den Membranwiderstand herab und der aus den Kanalöffnungen resultierende lonenstrom bewirkt meist eine leichte Hyperpolarisation, genannt IPSP. Das Resultat ist eine verminderte Erregbarkeit der Zelle: Durch das IPSP wird das Membranpotenzial von der Schwelle entfernt, durch die Widerstandsabnahme werden die erregenden Depolarisationen»kurzgeschlossen«und damit das Membranpotenzial auf seinem Ruhewert stabilisiert, wobei der Kurzschluss für die Hemmung der wichtigere Mechanismus ist.

80 I Allgemeine Physiologie der Zelle I 5.2 Synaptische Überträgerstoffe Klassische Transmitter Synaptische Überträgerstoffe sind meist kleine Moleküle, wie Azetylcholin, GABA oder Glutamat. Kleinmolekulare Aminosäuren. Als Überträgerstoffe haben wir bisher Azetylcholin und GABA kennengelernt. Es gibt jedoch eine ganze Reihe solcher Stoffe. Die wichtigsten und bestbekannten sind in. Abb. 5.4 oben zusammengestellt. Die Aminosäure GABA (γ-amino-butyric acid) ist der verbreitetste hemmende Überträgerstoff im ZNS, während die noch einfachere Aminosäure Glyzin z. B. die Hemmung von Motoneuronen vermittelt. Die saure Aminosäure Glutamat ist wohl der verbreitetste erregende Überträgerstoff im ZNS. Monoamine. Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin bilden eine Familie von Überträgerstoffen, die zentral und peripher Erregung oder Hemmung vermitteln; man fasst sie unter der Bezeichnung Katecholamine zusammen. Ähnliche Wirkungen hat auch Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT), das zusammen mit den Katecholaminen die Gruppe der Monoamine bildet. Zu dieser Gruppe gehört auch Histamin, das ein Überträgerstoff an Gehirnzellen, aber auch im Magendarmkanal ist, hauptsächlich aber als Gewebshormon Entzündungsreaktionen vermittelt. Alle diese»klassischen«überträgerstoffe sind kleine Moleküle, die im Intermediärstoffwechsel häufig vorkommen. Sie binden jeweils an einen spezifischen Rezeptor in der postsynaptischen Membran, woraufhin sich die Leitfähigkeit für Na +, Ca 2+ und K + erhöht und Erregung übertragen wird oder die Leitfähigkeit für K + oder Cl ansteigt und Hemmung erfolgt. Peptide und Kotransmitter Peptide bewirken relativ langsame synaptische Effekte und sind meistens mit klassischen Transmittern kolokalisiert. Peptidüberträgerstoffe. Neben den klassischen Überträgerstoffen sind in. Abb. 5.4 unten auch eine Reihe von Peptidüberträgerstoffen aufgeführt. Diese Stoffe wirken im ZNS oder im vegetativen Nervensystem, wobei der Wirkungsmechanismus nicht immer klar ist. Häufig sind sie synaptische Modulatoren: Sie bewirken unmittelbar keine Leitfähigkeitsänderungen in den synaptischen Membranen, sondern beeinflussen Intensität und Dauer der Wirkung der klassischen Überträgerstoffe, und sie scheinen manchmal auch zusammen mit anderen Überträgerstoffen freigesetzt zu werden. In. Abb. 5.4 sind aus einer größeren Zahl von infrage kommenden Peptiden charakteristische Vertreter ausgewählt. 4 Die Enkephaline binden an Morphinrezeptoren und spielen u. a. eine Rolle bei der Vermittlung der Schmerzempfindung. 4 Die Substanz P ist ebenfalls ein Überträger in diesem Bereich, sie bringt jedoch auch glatte Muskulatur zur Kontraktion.. Abb. 5.4. Die wichtigeren synaptischen Überträgerstoffe. Oben:»Klassische«Überträgerstoffe, Azetylcholin, Aminosäuren und Monoamine. Unten: Peptide 4 4 Angiotensin II ist ein Hormon, das stark auf Blutgefäße, aber auch an zentralen Neuronen wirkt. Auch vasoaktives intestinales Peptid (VIP), Somatostatin und LHRH (Luteotropes-Hormon-releasing-Hormon) sind an der Regulation der Hormonfreisetzung in der Hypophyse (7 Kap. 21.2) beteiligt, wirken aber auch an Synapsen. 3Kotransmitter. Lange Zeit hat man geglaubt, dass eine Nervenzelle an ihren Endigungen nur jeweils einen Überträgerstoff ausschüttet (Dale-Prinzip). Es gibt jedoch im vegetativen Nervensystem zumindest bei embryonalen Zellen Freisetzung von sowohl Azetylcholin wie auch Adrenalin aus derselben Zelle. An der motorischen Endplatte und im vegetativen Nervensystem wird zusammen mit Azetylcholin bzw. mit Katecholaminen auch Adenosintriphosphat freigesetzt, das nach Dephosphorylierung zu Adenosin und ebenfalls ein Überträgerstoff wird. Häufig wird auch an synaptischen Nervenendigungen neben einem klassischen Überträgerstoff wie Noradrenalin ein Peptid ausgeschüttet, das an der Übertragung mitwirkt. Die Einzelheiten des Zusammenwirkens von Überträgerstoffen, von Kotransmittern, sind noch weitgehend unklar, sie lassen sich wohl meist als Modulation auffassen. Für transzellulär diffundierende Überträgerstoffe (z. B. NO) sei verwiesen auf 7 Abschn. 5.5.1.

81 5 Kapitel 5 Synaptische Übertragung Agonisten und Antagonisten Agonisten sind Stoffe, die an den synaptischen Rezeptoren die gleichen Wirkungen erzielen wie die Überträgerstoffe, während Antagonisten die Überträgerstoffwirkungen behindern. Agonisten. Die Rezeptoren in der postsynaptischen Membran reagieren mit dem für sie spezifischen Überträgerstoff und erhöhen daraufhin die entsprechende Ionenleitfähigkeit. Die Spezifität für den Überträgerstoff ist jedoch nicht absolut, es gibt für praktisch alle Rezeptoren weitere Substanzen, die an sie binden. Folgt auf die Bindung auch die entsprechende Leitfähigkeitsänderung, so ersetzt die Substanz den Überträgerstoff völlig, solche Substanzen nennt man Agonisten. Agonisten an der Endplatte sind z. B. Carbamylcholin oder Suberyldicholin. Andere Stoffe binden, aber sind wenig effektiv im Herbeiführen der Leitfähigkeitsänderung. Dies sind dann partielle Agonisten, an der Endplatte z. B. Cholin (s. auch Dauer und Abbau der Wirkung). Antagonisten. Es gibt schließlich Substanzen, die an den synaptischen Rezeptor binden, aber keine Leitfähigkeitsänderung verursachen. Diese besetzen den Rezeptor und verhindern, dass Agonisten wirken können. Solche Stoffe heißen Antagonisten. Findet ein Wettbewerb um die Bindungsstelle zwischen Agonisten und Antagonisten statt, nennt man letztere kompetitive Antagonisten. Wird die Agonistenwirkung ohne Wettbewerb um die Bindungsstelle verhindert, spricht man von nicht kompetitiven Antagonisten. Muskelrelaxation. Ein bekannter kompetitiver Antagonist des Azetylcholins an der Endplatte ist Kurare (d-tubo-curarin), das indianische Pfeilgift (s. die Fallbeschreibung in der Einleitung). Kurare blockiert mit steigender Konzentration einen immer größeren Anteil der Rezeptoren, sodass durch Bindung an die verbleibenden Rezeptoren Azetylcholin nur noch eine abgeschwächte Wirkung hat. Unter Kurare wird damit das Endplattenpotenzial verkleinert (. Abb. 5.5) und erreicht bei genügend hoher Dosis die Schwelle zur Auslösung von Aktionspotenzialen nicht mehr: Der Muskel wird gelähmt. Kurare-analoge Stoffe werden in der Anästhesie zur Muskelrelaxation eingesetzt. Bei voller Relaxation muss der Patient beatmet werden. Eine andere Form von Muskelrelaxation benutzt einen Agonisten wie Succinylcholin, das lang dauernd wirkt und an der Endplatte eine Dauerdepolarisation hervorruft. Die Depolarisation inaktiviert die Na + -Kanäle der Muskelmembran und verhindert damit die Erregung des Muskels. 3Pharmakologische Aspekte. Agonisten und Antagonisten werden in der Physiologie vielfach gebraucht, um die Übertragungsmechanismen zu studieren, und in der Klinik, um therapeutische Wirkungen zu erzielen. Sie sind jedoch eigentlich Thema der Pharmakologie; die Interaktionen der verschiedenen Agonisten und Antagonisten werden dort ausführlich behandelt. Durch Bestimmung der Effektivität verschiedener Agonisten und Antagonisten kann man auch unterschiedliche Typen von z. B. Azetylcholin- oder Adrenalinrezeptoren klassifizieren (7 Kap. 20.2). Dauer und Abbau der Wirkung Die Wirkung der Überträgerstoffe wird durch spaltende Enzyme (z. B. Cholinesterase), durch aktiven Transport in umliegende Zellen und durch Wegdiffusion beendet. Wirkungsdauer. Nachdem der Überträgerstoff in den synaptischen Spalt diffundiert ist (. Abb. 5.1), würde seine Konzentration durch Diffusion aus dem engen Spalt relativ langsam abfallen. Die meisten Überträgerstoffe wirken jedoch sehr kurz, höchstens so lange, wie die synaptischen Ströme andauern. Die Wirkungsdauer des Überträgerstoffs wird also beschränkt. Dies geschieht im Wesentlichen durch zwei Mechanismen: Abbau und Abtransport des Überträgerstoffs. Überträgerstoffabbau durch Enzyme. An der Endplatte ist ein sehr effektives Abbausystem für Azetylcholin wirksam; an die postsynaptische Membran assoziiert findet sich in hoher Konzentration Cholinesterase, ein Enzym, das Azetylcholin in Azetat und Cholin spaltet (. Abb. 5.1). Ein beträchtlicher Teil des nach der Freisetzung über den synaptischen Spalt diffundierenden Azetylcholins wird schon gespalten, bevor es die Rezeptoren erreicht, und innerhalb von weniger als 0,1 ms wird praktisch alles Azetylcholin von der Cholinesterase zerlegt. Damit wird die Synapse schnell wieder für eine neue Übertragung einsetzbar. ä 5.2. Myasthenia gravis. Abb. 5.5. Wirkung von Kurare und Eserin auf das Endplattenpotenzial. Das Endplattenpotenzial löst bei Depolarisation auf 60 mv ein Aktionspotenzial (gestrichelt) aus. In Gegenwart von Kurare wird das Endplattenpotenzial verkleinert und erreicht die Schwelle für die Auslösung von Aktionspotenzialen nicht mehr; der Muskel ist gelähmt. Wird zusätzlich zum Kurare der Cholinesterasehemmer Eserin gegeben, so wird das Endplattenpotenzial vergrößert und verlängert und erreicht wieder die Schwelle zur Auslösung von Aktionspotenzialen Pathologie und Symptome. Bei der Myasthenia gravis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit Befall neuromuskulärer Synapsen, gekennzeichnet durch leichte Ermüdbarkeit, Muskelschwäche und Lähmungserscheinungen. Erste Symptome treten häufig an äußeren Augenmuskeln (Doppelbilder) auf. Typisch ist weiter, dass kleine Dosen Kurare (ähnlich wie körperliche Anstrengung) eine Zunahme der Symptome hervorrufen, während Esteraseblocker (Eserin oder Physostigmin) eine vorübergehende Linderung der Symptome bewirken. 6

82 I Allgemeine Physiologie der Zelle I Ursachen. Bei manchen Patienten finden sich Thymustumoren, deren Entfernung eine Besserung bewirkt. Bei Versuchstieren, die mit nikotinischen Azetylcholinrezeptoren immunisiert worden waren, wurden Myasthenia-gravis-typische Symptome beobachtet. Durch Transfusion der Antikörper konnten die typischen Symptome auf gesunde Tiere übertragen werden. Auch bei vielen Myasthenia-gravis-Patienten findet man Antikörper gegen nikotinische Azetylcholinrezeptoren. Die Antikörper stören die Rezeptorfunktion und rufen lokale Umbauvorgänge der Endplatten hervor, infolge deren es zur weiteren Rezeptorverarmung kommt. Autoantikörper gegen glutamaterge Rezeptorkanäle findet man bei einer seltenen Epilepsieform, der Rasmussen-Enzephalitis. Therapie. Neben Cholinesterasehemmern wie Neostigmin oder Pyridostigmin werden bei Myasthenia gravis zusätzlich bei Bedarf immunsuppressive Substanzen (z. B. Glukokortikoide) gegeben. Cholinesterase. Die Bedeutung der Cholinesterase für die Übertragung an der Endplatte wird sichtbar, wenn man diese durch einen Cholinesterasehemmer ausschaltet.. Abb. 5.5 zeigt die Wirkung eines solchen, nämlich des Eserins (oder Physostigmins): Das Endplattenpotenzial dauert länger als normal und wird vergrößert, weil Azetylcholin in höherer Konzentration und für längere Zeit mit den Rezeptoren reagieren kann. Im Falle der. Abb. 5.5 ist dies ein»therapeutischer Effekt«, denn das Eserin wurde auf den kuraregelähmten Muskel appliziert. Die resultierende Vergrößerung des Endplattenpotenzials ließ dieses die Erregungsschwelle wieder erreichen und hob damit die Lähmung auf. Entsprechend werden Cholinesterasehemmer zur Aufhebung der Muskelrelaxation in der Anästhesie eingesetzt, aber auch bei Krankheitsbildern wie der Myasthenia gravis. Cholinesterasehemmer werden jedoch auch vielfach als Insektizide verwendet und geben Anlass zu Vergiftungen. Einige für militärische Zwecke entwickelte Kampfstoffe sind Cholinesterasehemmer; der Kontakt führt zu krampfartig verlängerten cholinergen synaptischen Übertragungen, vor allem im vegetativen Bereich. Abtransport des Überträgerstoffes. An vielen Synapsen wird der Überträgerstoff durch Transportmechanismen in den Membranen der umliegenden Zellen aus dem synaptischen Spalt entfernt. Transportmechanismen sind besonders wichtig bei Adrenalin, Noradrenalin, GABA und Glutamat. An azetylcholinergen Synapsen wird zwar nicht das Azetylcholin transportiert, aber das Abbauprodukt Cholin. Dieser Transport zurück in die Nervenendigung verringert den Bedarf an Resynthese des Überträgerstoffs. Wie das abbauende Enzym Cholinesterase sind die Aufnahmemechanismen für Überträgerstoffe in die Zellen Angriffspunkte für wichtige pharmakologische Beeinflussungen der synaptischen Übertragung. Überträgerstoffdiffusion. Freigesetzter Überträgerstoff diffundiert mit Zeitkonstanten im Bereich von 100 μs aus dem synaptischen Bereich. Auch die Diffusion beendet also die synaptische Übertragung relativ schnell. Der Aufwand für zusätzliche Abbau- und Transportmechanismen deutet die Wichtigkeit der Kontrolle der Überträgerstoffkonzentration an. In Kürze Synaptische Überträgerstoffe Klassische Überträgerstoffe (Neurotransmitter) sind Azetylcholin, γ-amino-buttersäure (GABA), Glyzin, Glutamat, Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin, Serotonin und andere kleine Moleküle. Daneben gibt es Peptidüberträgerstoffe wie z. B. Enkephaline oder Substanz P, die als synaptische Modulatoren relativ langsame synaptische Effekte bewirken. Sie beeinflussen Intensität und Dauer der Wirkung der klassischen Überträgerstoffe und sind meistens mit klassischen Transmittern in den präsynaptischen Endigungen kolokalisiert. Die Spezifität der Rezeptoren für den Überträgerstoff ist nicht absolut, es gibt für praktisch alle Rezeptoren weitere Substanzen, die an sie binden und beispielsweise als Pharmaka Einsatz finden: 4 4 Agonisten wirken wie die Überträgerstoffe. Antagonisten behindern die Wirkung der betreffenden Überträgerstoffe. Abbau und Aufnahme von Überträgerstoffen Die Wirkung der Überträgerstoffe an den Rezeptoren wird zeitlich begrenzt durch spaltende Enzyme (wie z. B. Cholinesterase an der Endplatte), durch aktiven Transport entweder in die präsynaptische Nervenendigung (Wiederaufnahme des Transmitters) oder in benachbarte Gliazellen sowie durch Diffusion in das Interstitium. 5.3 Interaktionen von Synapsen Räumliche und zeitliche Summation Synaptische Ströme und Potenziale mehrerer Synapsen an einer Nervenzelle summieren sich, wenn sie gleichzeitig an verschiedenen Synapsen oder wenn sie nacheinander während der Dauer eines synaptischen Potenzials entstehen. Die Endplatte ist ein extremer Synapsentyp. Jede Muskelfaser hat in der Regel nur eine Endplatte, und die Erregung des motorischen Axons erzeugt jeweils ein überschwelliges Endplattenpotenzial, sodass auf jedes Aktionspotenzial im motorischen Axon eine Muskelzuckung folgt. An den meisten Synapsen, vor allem des ZNS, sind dagegen die einzelnen synaptischen Potenziale weit unterschwellig, oft kleiner als 1 mv. Dafür haben die postsynaptischen Zellen viele, oft viele tausend erregende Synapsen, deren Effekte sich summieren, und ebenso zahlreiche hemmende Synapsen, die der Erregung entgegenwirken. Diese Synapsen stammen von einer Vielzahl

83 5 Kapitel 5 Synaptische Übertragung Der Beginn des efferenten Axons wurde in. Abb. 5.6 A als Summationsort jedoch nicht willkürlich ausgewählt. Bei den meisten Nervenzellen sind nämlich Zellkörper und Dendriten unerregbar, oder sie haben eine hohe Erregungsschwelle. Das Axon ist dagegen gut erregbar, sodass am Ausgang des Axons (Axonhügel genannt) in der Regel zuerst Aktionspotenziale ausgelöst werden. Aufgrund der relativ hohen Na + -Kanaldichte am Axonhügel entscheidet also die Summation von Potenzialänderungen an dieser Stelle, ob aus den lokalen synaptischen Potenzialen eine fortgeleitete Erregung wird.. Abb. 5.6. Räumliche und zeitliche Summation an einem Neuron. A Räumliche Summation: An zwei Dendriten einer Nervenzelle liegen die Synapsen I und II, die jeweils erregende synaptische Ströme bzw. Potenziale, EPSC bzw. EPSP, erzeugen. Die jeweiligen Ströme (rot) breiten sich elektrotonisch aus und treten u. a. am Axonhügel aus. Bei gleichzeitiger Aktivierung von Synapse I und Synapse II summieren sie sich, z. B. am Axonhügel, zu»summen-epsc I + II«und»Summen-EPSP I + II«. B Zeitliche Summation: Erfolgen EPSC an einer Synapse mit kurzem Abstand, summieren sich die EPSP teilweise. Ein erstes EPSC bzw. EPSP würde sich wie gestrichelt gezeichnet fortsetzen. Ein mit 1 ms Verzögerung ausgelöstes zweites EPSC und EPSP an der gleichen Stelle addiert sich zum ersten, und beide EPSP zusammen erreichen eine fast doppelt so große Depolarisation wie das erste EPSP alleine anderer Neurone, deren Axone auf die betrachtete Zelle konvergieren. Räumliche Summation. In. Abb. 5.6 A sind aus tausenden von erregenden Synapsen auf einer Nervenzelle zwei herausgezeichnet worden, um ihr Zusammenwirken zu demonstrieren. An den beiden Synapsen fließt kurz Strom in die Zelle ein, das EPSC, welches eine lokale Potenzialänderung, das EPSP, erzeugt (. Abb. 5.3 A). Ein Teil des Stroms fließt erst in einiger Entfernung von den Synapsen aus, z. B. am Übergang des Zellkörpers zum Axon, am Axonhügel, wie in. Abb. 5.6 A dargestellt. Das einzelne EPSP ist als elektrotonisches Potenzial am Axonhügel etwas kleiner, die von den beiden gleichzeitig aktivierten Synapsen ausgehenden Ströme summieren sich jedoch und erzeugen zusammen ein vergrößertes EPSP. Weil sich hier die gleichzeitige Aktivierung von räumlich getrennten Synapsen addiert, wird der Vorgang auch als räumliche Summation bezeichnet. Axonhügel als Summationsort. Die Summation von EPSP findet natürlich an jeder Stelle der Zelle nach den Gesetzen der elektrotonischen Ausbreitung von Potenzialänderungen statt. Zeitliche Summation. Eine weitere Form der synaptischen Summation ist in. Abb. 5.6 B verdeutlicht. Hier handelt es sich um Aktivität von räumlich beieinander liegenden Synapsen oder auch der gleichen Synapse, wenn diese mit einem geringen zeitlichen Abstand, bis zu einigen Millisekunden (ms), erregt werden. In diesem Fall sind die synaptischen Ströme praktisch abgelaufen, bis die zweite Erregung beginnt. Die synaptischen Potenziale haben jedoch einen langsameren Verlauf, nach der Aufladung durch den synaptischen Strom wird die Membrankapazität mit der Zeitkonstante des Elektrotonus (. Abb. 4.21) entladen. Beginnt vor voller Entladung ein neuer synaptischer Strom, so addiert sich die durch ihn verursachte Depolarisation auf die noch bestehende auf. Dies wird zeitliche Summation genannt. An einer realen Nervenzelle mit vielen Synapsen und hochfrequenter Aktivierung werden beide Prozesse, räumliche und zeitliche Summation, gleichzeitig ablaufen und ein schwankendes Depolarisationsniveau aufbauen, das die Frequenz der Bildung von Aktionspotenzialen im Axon bestimmt. Aktionspotenziale in Dendriten Dendriten können auch aktiv, durch Öffnen von Na + - oder Ca 2+ -Kanälen, auf Depolarisation antworten und dadurch lokal Potenzialänderungen modifizieren oder an Synapsen plastische Änderungen auslösen. Retrograde Aktionspotenzialleitung. Im vorigen Kapitel haben wir den Axonhügel als den Ort kennengelernt, an dem in der Regel zuerst Aktionspotenziale ausgelöst werden. Vom Axonhügel aus werden die Aktionspotenziale, wie besprochen, über das Axon aktiv weitergeleitet. Gleichzeitig erfolgt aber vom Axonhügel aus auch eine sog. retrograde Leitung der Aktionspotenziale in den Dendritenbaum. Die in. Abb. 5.6 gezeigten Dendriten können mehrere Millimeter lang und stark verzweigt sein (. Abb. 5.7 B). In. Abb. 5.7 A wurde an einer Pyramidenzelle des ZNS im Soma durch einen Strompuls ein Aktionspotenzial ausgelöst. Es erscheint etwas verzögert und verkleinert auch im Dendriten. Werden die Na + -Kanäle im Dendriten ausgeschaltet, so ist die Antwort auf das Soma-Aktionspotenzial im Dendriten stark verkleinert. Dieser Dendrit war also erregbar und hat die Leitung des Aktionspotenzials, ähnlich wie ein Axon, aktiv unterstützt. Die retrograde Leitung der Aktionspotenziale in den Dendritenbaum spielt bei plastischen Veränderungen von Synapsen eine Rolle (. Abb. 5.18 und dazugehöriger Text).

84 I Allgemeine Physiologie der Zelle I. Abb. 5.7. Aktive Dendriten. A Links: Somatisch (blau) und dendritisch am Soma (blau), einer 920 μm apikal am Dendriten (rot) und einer Stimulationspipette in der Schicht 2/3. Darunter: Bei Stimulation werden am Den- (rot) abgeleitete Aktionspotenziale einer neokortikalen Pyramidenzelle ausgelöst durch einen Strompuls durch die Pipette am Soma. Die Aktionspotenziale werden vom Soma in den Dendriten geleitet und erscheinen sen, die stark verkleinert im Soma erscheinen. Nur geringfügig stärkere Stidriten unterschwellige EPSP mit einer Amplitude von etwa 20 mv gemes- daher dort mit einer gewissen Verzögerung. Rechts: Nach Einwaschen mulation ruft am Dendriten deutlich größere, 0 mv überschreitende Potenzialänderungen hervor. C Auch bei direkter Strominjektion über die eines Na + -Kanal-Blockers (QX-314) über die dendritische Pipette (100 s später) ist die Amplitude des Aktionspotenzials am Soma unverändert, am Ableitpipette am Dendriten erscheinen bei Überschreiten einer Schwelle Dendriten aber reduziert. Folglich wurde die Leitung des Aktionspotenzials zum Dendriten durch Na + -Kanäle unterstützt. (Mod. nach Stuart u. Sak- werden. Folglich wurden im Dendriten Ca 2+ -Aktionspotenziale ausgelöst. Aktionspotenziale die durch Kadmium (Block der Ca 2+ -Kanäle) blockiert mann 1994) B Oben: Neokortikale Pyramidenzelle mit einer Ableitpipette (Mod. nach Schiller et al. 1997) Ca 2+ -Aktionspotenziale.. Abb. 5.7 B und C belegen, dass auch in Dendriten Aktionspotenziale ausgelöst werden können. Reizpulse wurden am Dendriten eingespeist und bei Überschreiten einer Schwelle relativ lange Aktionspotenziale ausgelöst. Diese erscheinen im Soma als unterschwellige langsame Depolarisationen (. Abb. 5.7 B). Werden dendritische Ca 2+ -Kanäle durch Kadmiumionen blockiert (. Abb. 5.7 C) wird die Reaktion des Dendriten auf den Depolarisationspuls fast elektrotonisch, und entsprechend ist das zum Soma geleitete Signal gegenüber der Kontrolle stark verkleinert und verlangsamt dieser Dendrit konnte also Ca 2+ -Aktionspotenziale bilden. Was im Experiment durch Strompulse ausgelöst wird, passiert entsprechend auch bei synaptischer Aktivität z. B. auch durch Zusammentreffen von EPSP und retrograd geleiteten Aktionspotenzialen. Dadurch können massive lokale Erhöhungen der Ca 2+ -Konzentration in Dendriten entstehen und Umbauvorgänge hervorgerufen werden (7 Abschn. 5.6). Wie ein Dendrit auf Depolarisation reagiert, hängt von der lokalen Ausstattung mit Na + -, Ca 2+ - oder K + -Kanälen ab. Variable lokale Kanalexpression ermöglicht Neuronen des ZNS, auf verschiedene synaptische Eingänge angepasst zu reagieren. Post- und präsynaptische Hemmung Post- und präsynaptische Hemmung behindern Erregungen, letztere auch die Überträgerstoffausschüttung. Postsynaptische Hemmung. Zu den Interaktionen von Synapsen an einer Zelle gehört auch die synaptische Hemmung.. Abb. 5.3 B zeigte, dass während der Hemmung erregende synaptische Potenziale kurzgeschlossen werden. Die hemmenden synaptischen Potenziale (IPSP) hyperpolarisieren häufig zusätzlich die Membran und behindern damit eine Depolarisation zur Erregungsschwelle. Dichte hemmender Synapsen am Zellkörper. Auch die IPSP und die IPSC an einer Nervenzelle summieren sich untereinander und mit den EPSP räumlich und zeitlich, und die komplexe Summe aus vielen EPSP und IPSP bestimmt schließlich die Frequenz der Aktionspotenziale im Axon. Dabei kann auch die räumliche Verteilung der erregenden und hemmenden Synapsen wichtig sein. Häufig liegen in hoher Dichte hemmende Synapsen am Zellkörper, nahe dem Ausgang des Axons, und können dort kontrollieren, in welchem Ausmaß die hauptsächlich an den Dendriten lokalisierten EPSP depolarisierend auf das Axon einwirken.