C E L E N U S K l i n i k e n Lindauer Psychotherapiewochen 2012 Klinische Vorlesung (2. Woche) ERSCHÖPFUNG, STRESS, RESILIENZ ULRICH T. EGLE DORIS CH. KLINGER
ERSCHÖPFUNG, STRESS, RESILIENZ! AGENDA I. Grundlagen der Stressverarbeitung II. Stress und Resilienz: Was hält uns gesund, was macht uns krank? III. Körperliche Erkrankung >> z.b. Typ-2-Diabetes mellitus IV. Chronic Fatigue und Fibromyalgie-Syndrom V. Prävention und Therapie
C E L E N U S K l i n i k e n Lindauer Psychotherapiewochen 2012 Klinische Vorlesung (2. Woche) ERSCHÖPFUNG, STRESS, RESILIENZ TEIL I: GRUNDLAGEN DER STRESSVERARBEITUNG ULRICH T. EGLE
WOHER KOMMT BURN-OUT? Orden für a.o. Leistungen im globalisierten Kapitalismus? Langzeitfolge einer verwöhnenden Kindheit? B U R N O U T Mobbing?! Folge des gehäu4en Au4retens bestimmter Persönlichkeitsstörungen Folge der gesellscha4 lichen Entwicklung zum feminisierten Mann?
SOZIALWISSENSCHAFTLICHE ANSÄTZE FÜR BURNOUT Burnout als Vehikel, die Anpassung zwischen Individuum und Organisationsroutinen auf den Begriff zu bringen >> Reflex vs Intention Der flexible Mensch (Richard Sennett: The Corrosion of Character, 1998) Nach den Losungen der neuen Ordnung ist Abhängigkeit eine Sünde Der flexible Mensch ist entwurzelt (Oskar Negt, 2012) >> Beziehungslosigkeit als Grundprinzip der modernen Gesellscha4 >> mangelnde Unterstützung im privaten Bereich finanzielle und personelle Kürzungen bzw. Rationalisierungsmaßnahmen fortschreitende berufliche Spezialisierung sowie stetig steigende Ansprüche allgemeiner Wertewandel und Wertepluralismus Verlust von Zeitrhythmen ( Blackberry-Syndrom) und Ritualen schlechtes Image bestimmter Berufstätigkeiten in der Öffentlichkeit Die wahrha' selbständige Person erweist sich als keineswegs so unabhängig, wie es kulturelle Stereotypien voraussetzen. Im Erwachsenenleben ist eine im gesunden Sinne selbständige Person in der Lage, sich auf andere zu stützen, wenn die Situation es erfordert (John Bowlby, 1973)
ARBEITS- UND ORGANISATIONSBEZOGENE EINFLUSSFAKTOREN FÜR BURNOUT nach Körner 2003 Übermaß an Verantwortlichkeit eingeschränkter Tätigkeits- und Handlungsspielraum Mangel an sozialer Unterstützung Rollenkonflikte und Rollenambiguität unmotivierte, aggressive bzw. problembeladene Klientel Organisationsgröße und Arbeitsstrukturen, z. B. Anonymität und mangelnde Transparenz in großen Institutionen mangelndes Feedback sowohl seitens der Klienten als auch seitens der Organisation Mangel an Einflussmöglichkeiten auf das Arbeitsergebnis psychische Belastung bzw. Überlastung durch Faktoren wie Arbeitszeit, Frustrationen, problematische Interaktionen, sich wiederholende belastende Inhalte der sozialen Arbeit Unterforderung, Eintönigkeit der Arbeit geringe Aufstiegsmöglichkeiten/ Gratifikationsprobleme
INDIVIDUELLE BEDINGUNGSFAKTOREN FÜR BURNOUT nach Körner 2003 Berufsbezogene Motivation, Handlungsziele und Einstellungen Perfektionsstreben Überidentifikation mit den Klienten hohe soziale Motivation Idealismus, Enthusiasmus, Engagement hohes Verantwortungsbewusstsein Opferbereitscha4 finale Berufsorientierung, d. h. Berufswahl um des Helfens willen, geringe instrumentelle (pragmatisch-existenzielle) Berufsorientierung
INDIVIDUELLE BEDINGUNGSFAKTOREN FÜR BURNOUT nach Körner 2003 Persönlichkeitsmerkmale geringes Selbstbewusstsein Verhaltenstyp: Workaholic ( Aktionismus ) externale Kontrollüberzeugungen (positive oder negative Ereignisse werden nicht als Ergebnis des eigenen Handelns wahrgenommen) passive, indirekte bzw. defensive Bewältigungsstile geringe Empathie-Fähigkeit erhöhtes Angstniveau Aggressivität emotionale Labilität
KASUISTIK 43-j. Wirtscha4sprofessor mit Burnout-Symptomatik sowie Panikattacken, Schwankschwindel, nicht einstellbarem Hypertonus und ausgeprägter Schlafstörung (< 4 Std./Nacht) eloquent, Gespräch kontrollierend, konfliktscheu, intellektualisierend 14-15 Std. Arbeitstag bei 7-Tage Woche: zahlreiche Vorträge, Mitarbeit in verschiedenen Gremien In den letzten 5 Jahren insgesamt 25 Tage Urlaub Beruflicher Werdegang: Ø Abitur mit 1,0 > Studiensti4ung des Deutschen Volkes Ø Promotion in Jura/Internat. Recht mit 25 Jahren Ø Anschließend Stipendium für Masterstudium in Wirtscha4swissenscha4en in Harvard mit anschließender Lehrtätigkeit dort Ø Berufung auf Lehrstuhl einer deutschen Privatuniversität mit 34 Jahren Ø Dekan mit 38 Jahren Ø zusätzlich Lehrau4räge in Paris und Bosten Berater mehrerer DAX-Konzern-Vorstände
KASUISTIK cont. Kindheitsentwicklung Ø Einzelkind Ø Vater Physiker in der Forschung, Mutter erfolgreiche Schauspielerin Ø konfliktreiche Ehe der Eltern mit lautstarken Auseinandersetzungen Ø Trennung der Eltern als Pat. 4 J. alt Ø Mutter wechselnde Partnerbeziehungen mit Künstlern Ø Pat. als Kind viel allein zuhause Ø Mutter o4 jähzornig (Alkohol/Drogen) > Misshandlung Ø Mutter hohe Erwartungshaltung an Sohn (Delegation) > verbale Entwertungen häufig Ø kath. Pfarrer als außerfamiliäre Vertrauensperson Ø ab 13. Lj. in kath. Internat > häufiger Misshandlungen Ø als Kind schüchtern, bei Peers respektiert, aber wenig integriert Ø Vater emigrierte in USA > viele Jahre wenig Kontakt Ø erst ab 15. Lj. Jährlich mehrere Wochen bei Vater in USA
KASUISTIK cont. Familiäre Situation Ø seit 5 J. verheiratet mit emotional kühler Investmentbankerin ( 6 J.), Wochenendbeziehung (über 400km) Ø Mehrfach kurze Affairen im beruflichen Umfeld Ø Ehe kinderlos ( bisher keine Zeit ) Ø keine Hobbys, wenig gemeinsame Aktivitäten Ø Zusammenhalt v.a. über beruflichen Erfolg > Konkurrenzverhalten Ø keine umschriebenen gemeinsamen Ziele eruierbar Ø kein Verständnis für Burnout seitens Ehefrau ( er braucht halt mal kleine Auszeit, ist ja kein Beinbruch ) Therapieziele Ø Drei Wochen gebe ich mir und Ihnen Zeit, dann habe ich einen wichtigen Vortragstermin in Seattle kriegen Sie das hin?
POTENTIELLE AUSWIRKUNGEN VON UNGÜNSTIGEN FRÜHEN UMWELTBEDINGUNGEN AUF DAS WEITERE LEBEN B U R N O U T? ungünstige (frühe) Umweltbedingungen
E G L E! u. e g l e @ k l i n i k k i n z i g t a l. d e STRESSREGULATION: SYMPATIKUS/PARASYMPATHIKUS
STRESSREGULATION: HPA-ACHSE (Sapolsky 1988, McEwen et al 1990) Glukokortikoide (Cortisol) Hypophyse CRH Stress Regulation von Gehirn- und peripheren Funktionen (Stressantwort) Nebennierenrinde Glukokortikoide (Cortisol)
STRESS UND ALLOSTASE (Sapolsky 1996; McEwen 2003) Eustress Hypothalamus CRH/AVP LC-NE HPA Cortisol. DHEA Amygdala, Hippocampus, Cortex präfrontalis BD-NF Synaptogenese Adrenalin Noradrenalin adaptives Verhalten Lernen
S T R E S S n Zustand bedrohter biologischer Homöostase (Chrousos & Gold 1992) n Stress aktiviert genetisch determinierte neuronale, hormonelle und behaviorale Programme ( Stress-System ) >> Herstellung der biologischen Homöostase/Allostase
NORMALE STRESSREAKTION (ALLOSTASE) (McEwen 1998)
ALLOSTASE-SYSTEM (McEwen 1998-2012) HPA-Achse Sympatikus/Parasympathikus Cortisol Dihydroxyepiandrostenol (DHEA) Zytokine Oxytocin Neuropeptid Y Auswirkungen auf Ø Ø Ø Ø ZNS (Kognition, Alterung, Affekt, Diabetes) Stoffwechsel (Diabetes, Fettsucht) kardiovaskuläres System (Arteriosklerose, endotheliale Zellschädigung) Immunsystem (Suppression bzw. verstärkte Reaktion)
S T R E S S n Zustand bedrohter biologischer Homöostase (Chrousos & Gold 1992) n n n n Stress aktiviert genetisch determinierte neuronale, hormonelle und behaviorale Programme ( Stress-System ) >> Herstellung der biologischen Homöostase/Allostase Körperliche Schädigungen aktivieren das Stress-System ebenso wie psychosoziale Belastungen Das genetisch determinierte Stress-Verarbeitungssystem rei4 erst in den ersten Lebensjahren aus. Frühe Stresserfahrungen (Bindungsstörung, childhood adversities ) >> eingeschränkte Funktion des Stressverarbeitungssystems >> lebenslang dysfunktionale Stressverarbeitung (Hofer 1996, Meaney et al 1997, 2001, Francis et al 1999)
u. e g l e @ k l i n i k k i n z i g t a l. d e E G L E! u familiäre Gewalt Ø körperliche Misshandlung Ø sexueller Missbrauch u emotionale Vernachlässigung Ø chronisch krankes Elternteil Ø Elternteil psychisch krank/sucht Ø krankes Geschwister Ø Rollenumkehr/Parentifizierung Ø Ein-Eltern-Familie u schlechte sozioökonomische Bedingungen
STRESS UND ALLOSTASE (Sapolsky 1996; McEwen 2003) Eustress Hypothalamus CRH/AVP LC-NE HPA Cortisol, DHEA Amygdala, Schädigung von Hippocampus Hippocampus, und medialem Cortex präfrontalis Cortex präfrontalis BD-NF Synaptogenese CRH/AVP Glukocorticoide Disstress Adrenalin Noradrenalin adaptives Verhalten Lernen
körperlicher Stress psychischer Stress
eingeschränkte Stressdämpfung korreliert negativ mit Symptomstärke Ø anhaltende Dendritenzunahme Ø erhöhte Dendritenverästelung Volumenverlust korreliert negativ mit Symptomstärke med. Prä- frontalcortex Hippo- campus Ø reversibler Dendritenabbau Ø reduzierte Dendritenverästelung Dis- stress Ø reduzierte Neurogenese Ø reversibler Dendritenabbau Amygdala verstärkte Stressantwort korreliert positiv mit Symptomstärke
DAUERSTRESS IN KINDHEIT/ERWACHSENENALTER AUSWIRKUNGEN AUF GEHIRN, HORMON- UND IMMUNSYSTEM Karatsoreos & McEwen 2011 n bei Kindern u u u u u u Einschränkung von Größe und Funktion des Präfrontalkortex Vergrößerung der Amygdala Verkleinerung (?) des Hippocampus eingeschränkte Aufmerksamkeit, erhöhter Aktivitätslevel, eingeschränkte Affektregulation und Selbstregulation im Verhalten HPA: höhere basale Cortisolspiegel, flacheres Cortisolprofil, bei Stimulation: ACTH-Antwort nicht auslösbar, normale Cortisolreaktion auf CRH-Test (erhöhte ACTH-Antwort bei Depressiven+Misshandelten) Immunsystem: erhöhte Entzün dungsparameter, geringere HSV- Reaktion n bei Erwachsenen u u u u u u Einschränkung der Größe des Präfrontalkortex Verkleinerung der Amygdala Verkleinerung des Hippocampus, Defizite im deklarativen Gedächtnis Depression, Substanzmissbrauch, PTBS HPA: höhere CRH-Spiegel unterdrückte ACTH- und Cortisol- Antwort auf DEX/CRH-Test Immunsystem: erhöhte Entzündungsparameter, erhöhte T- zytotoxische/t-helfer-ratio, stärkere Typ-IV Hypersensitivität
STRESS UND ALLOSTASE (Sapolsky 1996; McEwen 2003) Eustress Hypothalamus CRH/AVP LC-NE HPA Amygdala, HYPERTROPHIE Hippocampus, Cortex DER präfrontalis AMYGDALA BD-NF Synaptogenese CRH/AVP Glukocorticoide Glukocorticoide Disstress Adrenalin Noradrenalin adaptives Verhalten Lernen Somatisierung!
PATHOLOGISCHE STRESSVERARBEITUNG (McEwen et al 2006) physiol. Antwort physiol. Antwort wechselnde Belastungen gehäu4e normale Stressantwort Zeit verlängerte Stressantwort Somatisierung Depression keine Erholung Allostatische Belastung physiol. Antwort physiol. Antwort fehlende Adaptation normale Adaptation Zeit inadäquate Stressantwort CFS/Burnout FMS Zeit Zeit
Does cellular aging relate to patterns of allostasis? An e`xamination of basal and stress reactive HPA axis activity and telomere length A. Janet Tomiyama a,b,c,d, Aoife O'Donovan e,f, Jue Lin g, Eli Puterman e, Alanie Lazaro e, Jessica Chan e, Firdaus S. Dhabhar h, Owen Wolkowitz e, Clemens Kirschbaum i, Elizabeth Blackburn g, Elissa Epel e, a Physiology & Behavior 106 (2012) 40 45 ( )*+,-.%/*#'#)/#!""01112 3#45#)67*#/#',%$5)8#)!9)!/#)! :,'%&%;%&#)#)/#) ( +9<!=><>>>!?@!$9)8! ( -#$%&#'?*)/#)/#!A'%-#*)#!!!!!!B!"CD=!5)/!"CDEF poor health, or are at least associated with poor health. Speci cally, we found a flatter diurnal cortisol slope and greater overnight output of cortisol were related to shorter telomere length. Flattened slopes have previously been linked to chronic and acute psychological stress [36], cardiovascular disease outcomes [37], mortality from breast cancer [38], and both all-cause and cardiovascular mortality [39]. Our study suggests that the flattened diurnal cortisol rhythm may also be related to accelerated cellular aging. Urinary cortisol provides an integrated measure of cortisol during
Childhood Adversity Heightens the Impact of Later-Life Caregiving Stress on Telomere Length and Inflammation Janice K. Kiecolt-Glaser, Ph.D., Jean-Philippe Gouin, M.A., Nan-ping Weng, M.D., Ph.D., William B. Malarkey, M.D., David Q. Beversdorf, M.D., and Ronald Glaser, Ph.D. Departments of Psychiatry (J.K.K-G,), Psychology (J.K.K-G, J-P. G.), Medicine (W.B.M.), Psychosom Med. 2011 January ; 73(1): 16 22. Method In this community sample of 132 healthy older adults (mean age = 69.70, SD=10.14), including 58 dementia family caregivers and 74 noncaregivers, blood samples were analyzed for interleukin 6 (IL-6), tumor necrosis factor-alpha (TNF-α), and telomere length, a measure of cell aging. Depressive symptoms were assessed by the Center for Epidemiological Studies Depression Scale (CES-D). Results After controlling for age, caregiving status, gender, body mass index, exercise, and sleep, the presence of multiple childhood adversities was related to both heightened IL-6 (.37 ±.03 vs..44 ±.03 log10 pg/ml) and shorter telomeres (6.51 ±.17 vs. 5.87 ±.20 Kb), compared to the absence of adversity; the telomere difference could translate into a 7 15 year difference in lifespan. Abuse was associated with heightened IL-6 and TNF-α levels, and, for TNF-α, this relationship was magnified in caregivers compared to controls. Moreover, abuse and caregiving status were significantly and independently associated with higher levels of depressive symptoms. Conclusions Adverse childhood events are related to continued vulnerability among older adults, enhancing the impact of chronic stressors. Childhood adversities cast a very long shadow.