Recht haben Recht kriegen?! Neue gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen und ihre Auswirkungen auf psychisch kranke Menschen Ute Lewitzka Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus E-mail: ute.lewitzka@uniklinikum-dresden.de
Der rasante medizinische Fortschritt in den letzten Jahrzehnten ermöglicht medizinische Interventionen, die nicht in jedem Krankheitsfall erforderlich und zum Wohle des Patienten sind.
Vorsorgliche Willensbekundungen Patientenverfügung Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung
Wie war es bisher?
Patientenverfügung Willensäußerung einer einwilligungsfähigen Person zu medizinischen und pflegerischen Maßnahmen, die sie im Falle der Einwilligungsunfähigkeit in den von ihr beschriebenen Situationen wünscht oder ablehnt. Einwilligung in eine Maßnahme Ablehnung einer Maßnahme Bitten/Anweisungen für den Arzt (bedingt) allgemeine Wertvorstellungen Aber: Kein Anspruch auf aktive Handlungen Anderer.
Patientenverfügung Anweisungen zum Handeln bzw. zum Unterlassen von Behandlungen sollten mit Informationen zum Wertesystem, zum Lebens-und Krankheitsverlauf, zum sozialen Umfeld und zu Ängsten und Hoffnungen des Patienten/Betroffenen erläutert werden, denn diese Anweisungen müssen meist vom Arzt in einer bestimmten Situation interpretiert werden.
Selbstbestimmung und Patientenverfügungsdebatte 1 Sorgen: Der rasante medizinische Fortschritt in den letzten Jahrzehnten ermöglicht medizinische Interventionen, die nicht in jedem Krankheitsfall erforderlich und zum Wohle des Patienten sind (patient knows best) Angst: vor Paternalismus der Ärzte und Macht des medizinischen Apparates Wünsche: Allgemeine Erfahrung in der modernen Gesellschaft, dass Gefühl von Selbstbestimmung zum relativen Wohlbefinden (auch der Patienten) beiträgt; Grundsätzlich: intrinsischer Wert, den die meisten Menschen (in westlichen Gesellschaften) ihrer eigenen und anderer Leute Selbstbestimmung zuschreiben.
Selbstbestimmung und Patientenverfügungsdebatte Aber 1: Ärztlicher standesethischer Code ( Verpflichtung ) zum Verzicht auf Sterbensverlängerung (BÄK 2004) Empirische Gründe sprechen dagegen, die Debatte als Konflikt zwischen Autonomie der Betroffenen und Paternalismus seitens der Ärzte und Pflegenden zu führen. Denn es sind (in einer aktuellen Studie (Sahm 2006)) die Patienten und gesunde Kontrollpersonen, die die Verbindlichkeit von PV niedriger einschätzen als die Professionellen (Ärzte, Pflegende)
Selbstbestimmung und Patientenverfügungsdebatte Aber 2: Autonomie in Krankheit geschwächt, Autonomie nicht ohne (mehr) Heteronomie. Mehrzahl von Befragten gegen starre Befolgung von PV- Anweisungen; Interpretation ausdrücklich gewünscht. Grundsätzlich Zustimmung zu allen ärztlichen Maßnahmen, insbesondere invasiven, nötig (sonst Körperverletzung 223 StGB)
Prinzipien der Medizinethik Respekt vor der Selbstbestimmung (Autonomie) des Patienten Fürsorge: Salus aegroti suprema lex Schadensvermeidung: Primum nil nocere Gerechtigkeit Vertrauenswürdigkeit und Verschwiegenheit Wahrhaftigkeit (Verantwortung für Wahrheit)
Voraussetzungen der Selbstbestimmung des Patienten bezüglich medizinischer Maßnahmen Indikation Information Verständnis (informed consent) Freiwilligkeit Einwilligungsfähigkeit
PV Klinisch-kritische Aspekte Aus dem Selbstbestimmungsrecht folgt nur ein Abwehrrecht des Patienten, kein Anspruch auf aktive Handlungen anderer. Was nicht indiziert ist, kann vom Arzt nicht gefordert werden. Kommunikation v o r Opposition und Machtfrage. (Kommunikativer Imperativ im Verhältnis Arzt-Patient) Sorge, die Arzt-Patient-Beziehung werde durch Vorausklärungen ausgehöhlt. Arzt sieht sich weniger in kreativer therapeutischer Rolle, sondern als Vollzieher des (Maßnahmen ablehnenden) Patientenwillen Empirischer Hinweis darauf, dass Behandlungen auf Intensivstationen sich durch PV nur geringfügig verkürzen. Amerikanische Studie mit Hinweis auf Schlechterversorgung von Patienten mit PV.