AG Strafrecht - Modul S II Sommersemester 2016

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Transkript:

AG Strafrecht - Modul S II Sommersemester 2016 Sajanee Arzner Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Europäisches Strafrecht und neuere Rechtsgeschichte von Prof. Dr. Martin Heger Kommode Raum 129 Email: sajanee.arzner@rewi.hu-berlin.de 1

FALL 8 & 9 2

Sachverhalt Fall 8 - A möchte das Fahrrad des B benutzen - B möchte das nicht - A zieht B von seinem Fahrrad und fährt davon - anschließend gibt A das Fahrrad zurück 3

Lösungsskizze Fall 8 A. Strafbarkeit wegen Raubes gemäß 249 I Indem A den B an dessen Kleidung vom Fahrrad zog und mit dem Fahrrad davonfuhr, könnte er sich wegen Raubes gemäß 249 I strafbar gemacht haben. 4

I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache (+) Fahrrad im Eigentum des B; mit Wegfahren Gewahrsam des B gebrochen b) Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels? Gewalt gegen eine Person: Durch jedenfalls mittelbare Einwirkung auf einen anderen ausgeübter körperlich wirkender Zwang zur Überwindung eines tatsächlichen oder erwarteten Widerstandes Hier: (+) Ergreifen des B und Herunterziehen vom Fahrrad (Abgrenzung zum listigen Diebstahl: Bloße Ausnutzung eines Überraschungsmoments mit List im Vordergrund: Handtaschen-Fälle) 5

c) Finale Verknüpfung zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme (+) 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz (+) b) Zueignungsabsicht (-) kein Enteignungsvorsatz, da A mit Rückführungswillen handelte (keine wesentliche Wertminderung, keine Einverleibung eines inkorporierten Wertes) II. Ergebnis 249 I (-) 6

B. Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung gemäß 253 I, 255 Durch dieselbe Handlung könnte sich A wegen räuberischer Erpressung gemäß 253 I, 255 strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Einsatz eines qualif. Nötigungsmittels Personengewalt (+) in Form von vis absoluta (willensbrechende Gewalt) 7

b) Nötigungserfolg: Genügt jedes Handeln, Dulden, Unterlassen oder Vermögensverfügung erforderlich? 8

Lit. Verlangt Vermögensverfügung des Opfers v Freiwilliger und notwendiger Mitwirkungsakt auf Opferseite v Freiwillig: Fehlt bei vis absoluta immer (willensbrechende Gewalt) v Notwendig: das Opfer muss sich in einer Schlüsselposition zum Vermögen sehen, Schlüssel zum Tresor Fall v Nicht: Bloße Duldung der Wegnahme (das ist kein Mitwirkungsakt) v 249 253, 255 Exklusivitätsverhältnis v Abgrenzung: nach der inneren Willensrichtung Hier: vis absoluta à kein freiwilliger notwendiger Mitwirkungsakt gegeben à Vermögensverfügung ausgeschlossen 9

Rspr: es reicht jeder Nötigungserfolg (jedes Handeln, Dulden, Unterlassen, das sich vermögensmindernd auswirkt) jeder Raub enthält auch eine räub. Erpressung (sind beide verwirklicht, ist der Raub allerdings spezieller) Unterscheidung nach dem äußerem Erscheinungsbild: Geben oder Nehmen? (Auch wenn äußerlich ein Nehmen vorliegt, ist räuberische Erpressung aber mitverwirklicht) 10

Stellungnahme Ø für Rspr: - Strafbarkeitslücken vermeiden - Wortlaut enthält keine Einschränkung - Vergleich mit 240 I Ø für Lit: - nicht straflos ( 240 I, ggf. 223 einschlägig): Strafrecht nur fragmentarischer Schutz - parallele Struktur zum Betrug als Selbstschädigungsdelikt: dort unstreitig Vermögensverfügung gefordert (trotz uneindeutigen Wortlauts) - Gesetzgeberische Entscheidung, Gebrauchsanmaßung außer in den Fällen des 248 b straflos zu lassen ( 248 b wäre sonst auch 11 überflüssig!)

-> bessere Argumente für Lit. Ansicht -> Vermögensverfügung erforderlich, die nicht gegeben ist II. Ergebnis 253 I, 255 (-) 12

C. Strafbarkeit wegen Nötigung gemäß 240 I Durch dieselbe Handlung könnte sich A wegen Nötigung gemäß 240 I strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand - Personengewalt (+) - Nötigungserfolg (+) Dulden der Wegnahme durch B 13

2. Subjektiver Tatbestand (+) II. Rechtswidrigkeit - allg. Rechtfertigungsgründe (-) - 240 II Zweck (unrechtmäßige Ingebrauchnahme) und Mittel (Personengewalt) sind verwerflich III. Schuld (+) IV. Ergebnis 240 I (+) 14

D. Strafbarkeit wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs gemäß 248b I Indem A mit dem Fahrrad des B davonfuhr, könnte er sich wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs gemäß 248b I strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand - Fahrrad = taugliches Tatobjekt des 248b - Ingebrauchnahme gegen den Willen 15

2. Subjektiver Tatbestand (+) II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) III. Ergebnis 248b I (+) Konkurrenzen 240 I - 52-248b I) ( 223 ff.: (-) zu wenig Anhaltspunkte 316a: auch wenn räub. Erpressung bejaht wurde, nicht gegeben, da Fahrrad kein Kraftfahrzeug) 16

Sachverhalt Fall 9 - E verlangt eine Teilerlass und Stundung seiner Schulden von G - ansonsten werde er seine Geschäftsbeziehungen zu G abbrechen - G lässt sich hierauf nicht ein 17

Lösungsskizze Fall 9 A. Strafbarkeit wegen versuchter Erpressung gemäß 253 I, III, 22, 23 I Indem E den Abbruch seiner Geschäftsbeziehungen zu G ankündigt, falls G nicht bereit sei, ihm seine Schulden teilweise zu erlassen und zu stunden, könnte E sich wegen versuchter Erpressung gemäß 253 I, 18 III, 22, 23 I strafbar gemacht haben.

Vorprüfung (+) G hierauf nicht eingegangen, Versuch gemäß 253 III strafbar I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Tatentschluss a) Vorsatz bzgl. der Drohung mit einem empfindlichen Übel Drohung: Inaussichtstellen eines künftigen Übels auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder Einfluss zu haben vorgibt Empfindlich: geeignet einen besonnen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen hier: Drohung mit dem Unterlassen künftiger Geschäfte 19

P: Drohung mit einem Unterlassen tatbestandsmäßig? v e.a.: (+) wenn es eine Rechtspflicht zum Handeln gibt hier: (-) keine Rechtspflicht des E v a.a.: immer eine tatbestandliche Drohung, wenn als Druckmittel eingesetzt hier: (+) Streitentscheid für a.a.: gleiches Schutzbedürfnis des Opfers (entscheidend für das Opfer ist allein der Motivationsdruck) vermeidet Zufälligkeiten: Strafbarkeit hängst sonst von der ggf. zufälligen Formulierung ab 20

b) Vorsatz bzgl. Empfindlichkeit: + c) Vorsatz bzgl. Vermögensverfügung (+) E wollte, dass G eine Vermögensverfügung in Gestalt der Stundung und Teilerlasses vornimmt d) Vorsatz bzgl. Vermögensschaden (+) e) stoffgleiche und rechtswidrige Bereicherungsabsicht (+) keinen Anspruch auf Teilerlass/Stundung 21

2. Unmittelbares Ansetzen (+) II. Rechtswidrigkeit - allg. Rechtfertigungsgründe (-) - 253 II: Mittel = Drohung mit Abbruch der Geschäftsbeziehungen, Zweck = Stundung bzw. Teilerlass Verknüpfung ist verwerflich, wenn sie sozial unerträglich und in besonders hohem Maße zu missbilligen ist 22

hier: es steht E frei, den Lieferanten zu wechseln à Vertragsfreiheit -> nicht missbilligenswert -> nicht verwerflich isd 253 II (a.a. vertretbar) III. Ergebnis 253 I, III, 22, 23 I (-) (B. 240 I, III, 22, 23 I (-) ebenfalls fehlende Verwerflichkeit, 240 II) 23