Gesellschaftliche Naturverhältnisse zwischen Krise und Vision. Eine Fallstudie im Biosphärenreservat Mittelelbe. Dr. Tanja Mölders

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Transkript:

Gesellschaftliche Naturverhältnisse zwischen Krise und Vision. Eine Fallstudie im Biosphärenreservat Mittelelbe Dr. Tanja Mölders Leuphana Universität Lüneburg

Gliederung 1. Ausgangspunkte: Problem-, Frage- und Zielstellung der Untersuchung 2. Theoretische Orientierungen: Klärung von Begriffen und Forschungsperspektiven 3. Gegenstand der Untersuchung: Das Konzept Biosphärenreservate und das Biosphärenreservat Mittelelbe 4. Vorgehen: Methoden der empirischen Sozialforschung 5. Ergebnisse der empirischen Untersuchung: Gesellschaftliche Naturverhältnisse im Biosphärenreservat Mittelelbe 6. Schlussfolgerungen: Denk- und Handlungsräume für eine nachhaltige Regionalentwicklung 7. Diskussion: Drei (selbst-)kritische Fragen 1

1. Ausgangspunkte Problemstellung Krise gesellschaftlicher Naturverhältnisse Frage nach Naturverständnissen Biosphärenreservate als Versuch nachhaltige Entwicklung in konkreten Regionen zu realisieren Fragestelllung Hält das Konzept Biosphärenreservate tatsächlich eine gesellschaftliche Strategie zur Verbindung von des Schutzes und der Nutzung von Natur bereit und leistet so einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung als Vision gesellschaftlicher Naturverhältnisse? Zielstellung 1. Erhellung gesellschaftlicher Naturverhältnisse in Biosphärenreservaten 2. Beitrag zur Entwicklung einer sozial-ökologischen Forschungsperspektive 2

2. Klärung von Begriffen und Forschungsperspektiven Soziale Ökologie Wissenschaft von den gesellschaftlichen Naturverhältnissen inter- und transdisziplinäre Wissenschaft SÖF als Förderschwerpunkt des BMBF Feministische Perspektiven Kritische Orientierung Visionäre Orientierung 3 beispielhafte Themenfelder a. Feministische (Natur-)Wissenschaftskritik b. Feministische Dechiffrierungen von Natur(schutz)konzepten c. Feministische Perspektiven auf das Kategorienpaar Produktion - Reproduktion 3

2. Klärung von Begriffen und Forschungsperspektiven a) Feministische (Natur-)Wissenschaftskritik wissenschaftliche Erkenntnisse als Ergebnis sozialer Tätigkeiten Kritik an naturwissenschaftlichen Paradigmen: Universalität, Wertneutralität und Objektivität wissenschaftliches Wissen als vergeschlechtlichtes Wissen Vision: Situiertes Wissen (Haraway 2005) 4

2. Klärung von Begriffen und Forschungsperspektiven b) Feministische Dechiffrierung von Natur(schutz)konzepten Dechiffrierung des wertneutralen und sachrationalen Selbstverständnisses des Naturschutzes strukturelle Ebene: wenig(er) Frauen im professionellen Naturschutz konzeptionelle Ebene: Frage nach schützenswerter Natur als gesellschaftliche Frage Vision: Naturschutz als Aushandlungsprozess um den Schutzgegenstand 5

2. Klärung von Begriffen und Forschungsperspektiven c) Feministische Perspektiven auf das Kategorienpaar Produktion Reproduktion Trennung von Produktion (männlich) und Reproduktion (weiblich) Strukturprinzip der Ökonomie: nur die ökonomisch in-wert-gesetzten Tätigkeiten gelten als Arbeit (Erwerbsarbeit vs. Haus-, Pflege- und Sorgearbeit) aus der biologischen Reproduktionsfähigkeit der Frauen wird eine soziale Reproduktionspflicht abgeleitet auch Naturproduktivität wird aus dem ökonomischen Raum externalisiert Vision: Kategorie (Re)Produktivität (Biesecker & Hofmeister 2006) 6

3. Gegenstand der Untersuchung UNESCO-Biosphärenreservate Zentrales Element im zwischenstaatlichen Umweltprogramm Der Mensch und die Biosphäre (MAB) der UNESCO zunächst: Schutz bedeutender Naturlandschaften dann: Anpassung an das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung Herausforderung: Verbindung von Schutz- und Nutzenkonzepten Aktuell 564 Biosphärenreservate in 109 Staaten 15 davon in Deutschland 7

3. Gegenstand der Untersuchung Biosphärenreservate in Deutschland Quelle: http://commons.wikimedia.org 8

3. Gegenstand der Untersuchung Das Biosphärenreservat Mittelelbe 1979: Ausweisung des Steckby-Lödderitzer Forst als Biosphärenreservat 1988: Erweiterung um die Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft 1997: länderübergreifende Erweiterung zum Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe 2006: Erklärung zum Biosphärenreservat Mittelelbe in Sachsen- Anhalt (126.000 ha) 9

3. Gegenstand der Untersuchung Grafische Umsetzung: Ulrich Berger 10

4. Vorgehen Datenerhebung Teilstandardisierte Interviews sechs Sondierungsgespräche sieben ExpertInnen-Interviews Datenauswertung thematisch Näherung am Beispiel von Tätigkeitsfeldern und Projekten systematische Analyse: Was wird im Biosphärenreservat Mittelelbe, von wem, vor welchem Hintergrund als Natur verstanden und welche Umgangsweisen mit Natur werden praktiziert? 11

5. Ergebnisse der empirischen Untersuchung Der Elbebiber als inszenierte Natur natürliches Vorkommen Biber als Fische Stadtbiber Biber im Dessau-Wörlitzer Gartenreich Naturschutzkonflikt: Biber oder Bachforelle 12

5. Ergebnisse der empirischen Untersuchung Vertragsnaturschutz und Regionalvermarktung Vertragsnaturschutz als Programm insb. zur Grünlandextensivierung (re)produktionstheoretische Interpretation: Unterschutzstellung von Landschaftsproduzenten Landnutzung ist entweder ökonomisch rentabel oder ökologisch Regionalvermarktung als Versuch die nachhaltige Gestaltung von Natur in die (lokale) Ökonomie hineinzuholen 13

6. Schlussfolgerungen 1. Naturverständnisse Natur als vergesellschafteter Akteur 2. Ökonomieverständnisse Das Ökonomische neu erfinden 3. Bedingungen von Politik Aushandlungsräume eröffnen 4. Das Konzept Biosphärenreservate und das Biosphärenreservat Mittelelbe im konkreten und machbaren Tun einen Beitrag zur Realisierung einer nachhaltigen Regionalentwicklung leisten 14

7. Diskussion 1. (Wie) Kann sozialwissenschaftliche Forschung, die nach der gesellschaftlichen Konstruktion von Natur fragt, Eingang finden in den (ehren-)amtlichen Naturschutz? 2. (Wie) Kann der (ehren-)amtliche Naturschutz Ausgangspunkt einer differenzierten Auseinandersetzung mit Ökonomie sein? 3. (Wie) Können theoretisch anspruchsvolle, gesellschaftskritische Konzepte im Rahmen (ehren-)amtlicher Naturschutzmaßnahmen zum Tragen kommen? 15

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!