Retail Outlook 2014 Fakten und Trends



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Transkript:

Economic Research Swiss Issues Branchen Januar 2014 Retail Outlook 2014 Fakten und Trends

Impressum Herausgeber Giles Keating Head of Research and Deputy Global CIO +41 44 332 22 33 giles.keating@credit-suisse.com Oliver Adler Head Economic Research +41 44 333 09 61 oliver.adler@credit-suisse.com Titelbild istockphoto.com/vesilvio Druck galledia ag Burgauerstrasse 50 9230 Flawil Redaktionsschluss 18. Dezember 2013 Abb. 11 und Abb. 27 nachträglich aktualisiert Bestellungen Direkt bei Ihrem Kundenberater oder bei jeder Credit Suisse-Geschäftsstelle Einzelexemplare (kostenlos) über www.credit-suisse.com/publikationen oder Fax +41 44 333 56 79 Interne Bestellungen via MyShop mit Mat.-Nr. 1515301 Besuchen Sie uns im Internet www.credit-suisse.com/research Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright 2014 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten Autoren Autoren Credit Suisse AG Patricia Feubli +41 44 334 74 19 patricia.feubli@credit-suisse.com Damian Künzi +41 44 333 32 84 damian.kuenzi@credit-suisse.com Autoren Fuhrer & Hotz Excellence in Retailing Marco Fuhrer +41 41 766 14 18 m.fuhrer@fuhrer-hotz.ch Martin Hotz +41 41 766 14 14 hotz@fuhrer-hotz.ch Swiss Issues Branchen

Inhalt Editorial 4 Management Summary 5 Branchenkonjunktur 2013: Nachfrageseite 7 Detailhandelsumsätze 7 Einflussfaktoren 7 Detailhandelsumsätze nach Warengruppen 9 Exkurs: Multi-/Cross-Channel Retailing 10 Branchenkonjunktur 2013: Angebotsseite 12 Marktgeschehen Food 12 Marktgeschehen Non-Food: Fokus Bekleidung/Schuhe 13 Preise im Detailhandel 14 Einkaufstourismus 16 Exkurs: Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten 18 Nachwuchsförderung im Detailhandel 23 Überblick 23 Herausforderung 1: Steigende Qualifikationsanforderungen 24 Herausforderung 2: Positionierung im «War for Talents» 27 Aussichten Detailhandel 2014 34 Top-down 34 Bottom-up 36 Swiss Issues Branchen 3

Editorial Geschätzte Leserinnen und Leser Seit 2009 kommentiert die Studienreihe «Retail Outlook» Jahr für Jahr die aktuellen Entwicklungen im Schweizer Detailhandel. Diese vergangenen fünf Jahre waren geprägt von einer Achterbahnfahrt bei den Umsätzen, einer drastischen Preiserosion und dem Einkaufstourismus als Massenphänomen. Der Konsumboom der 2000er-Jahre, der von einem starken Wachstum der Verkaufsflächen begleitet wurde, ist in weite Ferne gerückt. Die diesjährige Umfrage unter den Führungskräften der Branche, die Fuhrer & Hotz seit Beginn durchführen, zeigt allerdings, dass sich die Unternehmen für die neue Realität im Detailhandel fit getrimmt haben. Trotz des schwierigen Umfeldes erreichte oder übertraf eine stattliche Mehrheit der Befragten 2013 ihre Gewinnziele. Nach den Turbulenzen dürfte der Detailhandel allmählich in ruhigeres Fahrwasser geraten. Dies bestätigt die Umfrage unter den Anbietern, die das Detailhandelsjahr 2014 insgesamt mit spürbarem Optimismus angehen. Jeder vierzehnte Beschäftigte in der Schweiz arbeitet im Detailhandel. Die Branche ist damit einer der grössten Arbeitgeber im Land und erfüllt als gewichtiger Lehrlingsausbilder eine zentrale gesellschaftliche Funktion. Die Bedeutung der Mitarbeitenden kann in dieser kundenbezogenen und arbeitsintensiven Branche nicht genügend hoch eingestuft werden. Deshalb sind die steigenden Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeitenden und der Kampf um Fachkräfte Herausforderungen, die in den Augen der Detailhändler hohe Priorität geniessen und vom diesjährigen Retail Outlook als Schwerpunktthema aufgegriffen werden. Mit den geeigneten Massnahmen von einer breit aufgestellten Nachwuchsförderung über innovative Marketingmassnahmen der Unternehmen bis hin zu branchenübergreifenden Imagekampagnen wird es dem Detailhandel gelingen, diese Herausforderung zu meistern. Ich wünsche Ihnen eine spannende und anregende Lektüre. Albert Angehrn Leiter Large Swiss Corporates Swiss Issues Branchen 4

Management Summary Umsätze 2013: Lebensmitteldetailhandel positiv, Non-Food schwach Branchenkonjunktur 2013: Nachfrageseite (S. 7 9) Umsätze 2014: Zeichen stehen auf Grün Aussichten 2014 Top-down (S. 34 35) Branchenvertreter gehen 2014 mit Zuversicht an Aussichten 2014 Bottom-up (S. 36 40) Detailhandel gewinnt an preislicher Wettbewerbsfähigkeit Preise im Detailhandel (S. 14 15) Einkaufstourismus auf dem Höhepunkt Einkaufstourismus (S. 16 18) Der Detailhandel hat 2013 ein harziges Geschäftsjahr durchlebt, das geprägt war von einer preisbedingt positiven nominalen Umsatzentwicklung im Lebensmitteldetailhandel und einer schwachen Entwicklung im Non-Food-Segment. Dies erstaunt, da sich viele Einflussfaktoren 2013 positiv entwickelten. Die Kaufkraft stieg wie auch die Konsumentenstimmung leicht an. Letztere notierte Ende 2013 wieder knapp über dem langjährigen Durchschnitt. Die Nettozuwanderung war mit geschätzten 80'000 Personen die stärkste seit dem Rekordjahr 2008. Das schlechte Frühlingswetter lastete allerdings auf den witterungssensiblen Warengruppen Bekleidung und Schuhe sowie Garten und Do-it-yourself. Die starke Preiserosion der Jahre 2011 und 2012 dürfte zudem zu vorgezogenen Käufen von langlebigen Non-Food-Gütern wie Möbel oder Elektronik geführt haben, was das Nachfragepotenzial 2013 schmälerte. Beide Warengruppen verzeichneten deutlich rückläufige Umsätze. Wir rechnen 2014 mit einem höheren realen Umsatzwachstum als im Vorjahr (rund 2%). Die nominalen Umsätze dürften um rund 1.5% zulegen. Die meisten Einflussfaktoren stehen auf Grün. Der Einkaufstourismus dürfte voraussichtlich auf sehr hohem Niveau stagnieren und als Bremsfaktor wegfallen. Die besseren Wirtschaftsaussichten im In- und Ausland sprechen dafür, dass sich die Konsumentenstimmung weiterhin verbessern wird, wenn auch mit zwischenzeitlichen Rückschlägen. Wir rechnen 2014 mit einer ähnlich hohen Nettomigration wie 2013, was dem Schweizer Detailhandel wiederum Zehntausende neue Konsumenten zuführt. Zudem fallen einige bremsende Faktoren des Jahres 2013 (schlechtes Frühlingswetter, vorgezogene Einkäufe) womöglich weg, und die Fussballweltmeisterschaft hat durchaus das Potenzial, die Konsumentenstimmung kurzfristig zu erhöhen. Die im Rahmen der jährlichen Umfrage von Fuhrer & Hotz befragten Entscheidungsträger im Detailhandel und der Zulieferindustrie gehen das Jahr 2014 mit viel Zuversicht an. 74% der Unternehmen planen einen höheren Umsatz und 55% einen höheren Gewinn. Dass im sehr anspruchsvollen Geschäftsjahr 2013 eine stattliche Mehrheit der Händler und Hersteller die Budgetziele erreichte oder übertraf, deutet darauf hin, dass sich die Branchenvertreter auf die «neue Realität» im Detailhandel eingestellt haben. Die Verkaufsflächenplanung sendet widersprüchliche Signale aus. Sowohl der Anteil Händler, die 2014 eine Ausdehnung der Verkaufsflächen vorsehen, wie auch jene, die eine Reduktion planen, hat zugenommen. Bei den Marketingbudgets legen die Branchenvertreter wie bereits in den Vorjahren den Fokus auf die Verkaufsförderung. Die Preise gingen 2013 im gesamten Detailhandel um gut 1% zurück, deutlich weniger stark als in den Jahren zuvor. Das Potenzial für Preissenkungen geht seit Einführung der Wechselkursuntergrenze von Jahr zu Jahr zurück. 2014 rechnen wir deshalb nur noch mit einem leichten Preisrückgang von rund 0.5%. Der Schweizer Detailhandel gewann seit Einführung der Wechselkursuntergrenze aufgrund der anhaltenden Inflationsdifferenz deutlich an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nachbarländern. Die Lebensmittelpreise stagnierten in der Schweiz seit 2006, während sie beispielweise in Deutschland um 2.6% pro Jahr zulegten. Hinzu kam die im Vorjahresvergleich leichte Abwertung des Schweizer Frankens 2013. Trotz Konvergenz sind die Preisunterschiede im Lebensmittelbereich aus strukturellen Gründen hoch. 2013 kosteten Schweizer Lebensmittel schätzungsweise 37% mehr als im Durchschnitt der umliegenden Euro-Länder. Im Bereich Non-Food ist der Detailhandel wettbewerbsfähiger. Bei der Unterhaltungselektronik und Einrichtungsgegenständen (Möbel, Heimtextilien etc.) befindet sich der hiesige Detailhandel preislich bereits auf Augenhöhe mit den umliegenden Ländern. Der Einkaufstourismus nahm 2013 auf sehr hohem Niveau höchstens marginal zu, wie das Wachstum der deutschen Ausfuhrbescheinigungen um 2.5% in den ersten neun Monaten impliziert. Der gezielte Einkaufstourismus ins grenznahe Ausland dürfte sich somit 2013 auf über CHF 4.5 Mrd. belaufen haben (ohne Online-Einkäufe und Einkäufe auf Ferien- und Geschäftsreisen). Der grenznahe Einkaufstourismus hat sich strukturell erhöht und dürfte mittelfristig trotz leichter Abschwächung nicht mehr auf das Niveau von vor der Frankenaufwertung zurückfallen. Swiss Issues Branchen 5

Die Schweizer Konsumenten kaufen zusätzlich zum grenznahen Einkaufstourismus für einen stattlichen Betrag auf Ferien- und Geschäftsreisen ein, geschätzte CHF 3.8 Mrd. im Jahr 2012. Der Schweizer Detailhandel profitiert aber im Gegenzug stark von ausländischen «Einkaufstouristen». Wir schätzen allein die Ausgaben der ausländischen Touristen für Uhren auf über eine Milliarde Schweizer Franken im Jahr 2012. Konsumenten profitieren am stärksten von liberalen Öffnungszeiten Exkurs: Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten (S. 18 22) Steigende Anforderungen an Mitarbeitende: Nachwuchsförderung zentral Nachwuchsförderung im Detailhandel (S. 23 33) Mit Produktivitätsfortschritten Lohnnachteile bekämpfen Nachwuchsförderung im Detailhandel (S. 23 33) Kaum ein anderes Thema des Detailhandels findet politisch eine so hohe Aufmerksamkeit wie die Ladenöffnungszeiten. Während sich die Auseinandersetzung hauptsächlich um ideologische Fragen dreht, leuchten wir anhand eines Simulationsmodells gewisse ökonomische Folgen aus. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kunden am stärksten von längeren Ladenöffnungszeiten profitieren. Die Konsumenten verbringen im Vergleich zum restriktiven Ausgangsszenario mehr Zeit mit Einkaufen, wobei der Effekt mit jedem Liberalisierungsschritt abnimmt. Die Einkäufe verteilen sich bei einer Liberalisierung stärker über den Tag. Die Einkaufsstunden nehmen in den Randstunden zu, wobei die Frequenzspitzen am späteren Nachmittag gebrochen werden. Das Modell zeigt, dass einzelne grosse Einkaufszentren am Stadtrand sowie Standorte in Wohnquartieren überdurchschnittlich von längeren Ladenöffnungszeiten profitieren. Ob der Detailhandel in der Summe von längeren Öffnungszeiten profitiert, ist allerdings fraglich. Den möglichen Mehrausgaben der Konsumenten, die sich nicht beziffern lassen, stehen höhere Betriebskosten des Detailhandels gegenüber. Der Detailhandel ist mit 320'000 Beschäftigten, rund 8% davon Lernende, einer der grössten Arbeitgeberbranchen und Lehrlingsausbilder der Schweiz. Die Mitarbeitenden sind für den Erfolg in dieser kundenbezogenen und arbeitsintensiven Branche zentral. Die Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeitenden nehmen laufend zu. Grund sind zum einen die stetigen technischen und organisatorischen Veränderungen in dieser enorm kompetitiven Branche, die von den Mitarbeitenden hohe Flexibilität verlangen. Zum anderen nimmt die Mündigkeit der Konsumenten zu und verlangt vom Beratungspersonal ein profundes Know-how zu den Produkten. Bereits die Hälfte der Konsumenten informiert sich vor dem Besuch eines Ladens im Internet. Gemäss unserer Umfrage unter Branchenvertretern steigt die Diskrepanz zwischen den Qualifikationen der Bewerber und den gestellten Anforderungen. Dies widerspiegelt sich insbesondere bei der Rekrutierung von Fachkräften mit Berufslehre. 13% der Unternehmen im Handel bekunden Mühe, solche Fachkräfte zu finden, mehr als im Durchschnitt des dritten Sektors. Um mit den steigenden Qualifikationsanforderungen Schritt zu halten, sind Massnahmen im Bereich Ausund Weiterbildung gefragt. Weitere Ansatzpunkte wären, qualifizierte Mitarbeitende mit gezielter Förderung an den Betrieb zu binden und ältere Mitarbeitende im Kontext der demografischen Alterung der Kundschaft als Potenzial zu erkennen. Dass der Detailhandel Fachkräfte nur mit Mühe findet, hat auch mit gewissen Nachteilen im branchenübergreifenden «Attraktivitätswettbewerb» zu tun. Die befragten Branchenvertreter identifizieren das tiefe Lohnniveau als Hauptproblem, gefolgt von unattraktiven Arbeitszeiten an Randstunden und einem unvorteilhafte Image der Branche in der Öffentlichkeit. Der Medianlohn ist nur im Gastgewerbe tiefer als im Detailhandel. Der Anteil Tieflohnstellen (Stundenlohn unter CHF 22) an der Gesamtbeschäftigung ist mit 14% aber relativ tief, was mit der geringen Streuung der Löhne zu tun hat. Der Detailhandel kann aufgrund des Kostendrucks und der ausländischen Konkurrenz nicht beliebig die Löhne erhöhen. Langfristig ist die Erhöhung der Produktivität die einzige nachhaltige Option, das Lohnniveau anzuheben. In der Vergangenheit gab der Schweizer Detailhandel die Produktivitätsfortschritte grösstenteils in Form von Lohnerhöhungen an die Mitarbeitenden weiter. Aufgrund des technologischen Fortschritts (z.b. Self-Scanning, RFID-Technologie, Online-Handel) sind weitere Produktivitäts- und Lohnsteigerungen zu erwarten, allerdings auf Kosten der Beschäftigung. Um das in unserer Befragung angemerkte unvorteilhafte Image anzugehen, sind die einzelnen Detailhändler und die Gesamtbranche aufgefordert, deutlich mehr in die Unternehmermarke bzw. die Imageförderung des Handels zu investieren. Swiss Issues Branchen 6

Branchenkonjunktur 2013: Nachfrageseite Detailhandelsumsätze Harziges Detailhandelsjahr 2013 Der Detailhandel hat 2013 ein harziges Geschäftsjahr durchlebt, das geprägt war von einer preisbedingt positiven nominalen Umsatzentwicklung im Lebensmitteldetailhandel und einer schwachen Entwicklung im Non-Food-Segment. Insgesamt resultierte ein Umsatzplus von rund 0.5% (vgl. Abb. 1). Mit Ausnahme des Jahres 2008 verzeichnete der Detailhandel in den vergangenen zehn Jahren stets sinkende Preise, ein Trend, der sich 2013 fortsetzte. Die Preise gingen um gut 1% zurück und trieben einen Keil zwischen die nominalen und die realen Umsätze. Letztere legten 2013 um gut 1.5% zu. Die schwachen Umsätze im Non-Food-Segment 2013 lassen sich mit den klassischen Einflussfaktoren der Nachfrage, die wir unten genauer beschreiben, nur unzureichend begründen. Aus unserer Sicht liegen zwei Erklärungen nahe: (1) Die starken Preissenkungen der Jahre 2011 und 2012 ermunterten die Konsumenten zum (vorzeitigen) Kauf von dauerhaften Gütern (z.b. Möbel oder Haushaltsgeräte). Folglich ging das Nachfragepotenzial bei jenen Gütern trotz leicht besserer Konsumentenstimmung 2013 zurück. (2) Das schlechte Frühlingswetter drückte insbesondere in den wettersensitiven Segmenten Bekleidung und Baumärkte/Garten auf die Kauflaune der Konsumenten und führte aufgrund von Promotionen und Abbau von Lagerbeständen zu sinkenden Preisen. Abbildung 1 Detailhandelsumsätze und Preisentwicklung Veränderung zum Vorjahr in Prozent 5% 4% 3% 2% 1% 0% -1% -2% -3% Preise im Detailhandel Detailhandelsumsätze nominal Detailhandelsumsätze real 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013* Quelle: Bundesamt für Statistik; *Werte 2013 von Credit Suisse geschätzt Einflussfaktoren Kaufkraft Die zusätzliche Kaufkraft floss nur begrenzt in den Detailhandel Die Kaufkraft der Konsumenten stieg 2013 leicht an. Die Nominallöhne legten um knapp 1% zu, während die Konsumentenpreise stagnierten und die steigenden Krankenkassenprämien das verfügbare Einkommen nur noch um 0.1% reduzierten deutlich weniger als in den Jahren zuvor. Hauseigentümer profitierten zudem von den weiterhin enorm tiefen Zinsen. Der Referenzzinssatz, der sich als Durchschnitt aller Hypotheken in der Schweiz berechnet, sank auf ein Rekordtief. Die zusätzliche reale Kaufkraft floss allerdings nur begrenzt in den Detailhandel. Während der gesamte private Konsum, der z.b. auch Ausgaben für Dienstleistungen, Transport oder Swiss Issues Branchen 7

Ferien enthält, real um über 2% wuchs, stiegen die realen Umsätze im Detailhandel nur um rund 1.5% an. Konsumentenstimmung Konsumentenstimmung wieder knapp oberhalb des langjährigen Durchschnitts Die Konsumentenstimmung ist seit dem letzten Tiefpunkt Ende 2011 langsam und mit zwischenzeitlichen Rückschlägen angestiegen und notierte Ende 2013 wieder knapp über dem langjährigen Durchschnitt (vgl. Abb. 2). Das Ausbleiben der Krisenmeldungen aus dem Euroraum trug sicherlich zur allmählichen Erholung der Konsumentenstimmung bei. Die schwache Umsatzentwicklung im Detailhandel 2013 «korrigierte» die atypische Entwicklung des Jahres 2012, als sich die Umsätze von der Konsumentenstimmung abkoppelten. Während die Angst vor Arbeitslosigkeit 2013 am stärksten auf die Konsumentenstimmung drückte, trugen die sinkenden Preise im Detailhandel dazu bei, dass die Konsumenten ihre Sparmöglichkeiten nach wie vor sehr positiv beurteilten. Abbildung 2 Detailhandelsumsätze und Konsumentenstimmung Konsumentenstimmung: Index; Detailhandelsumsätze: Veränderung zum Vorjahr in Prozent 4 3 2 Konsumentenstimmung: alter Index (standardisiert) Konsumentenstimmung: neuer Index (standardisiert) Detailhandelsumsätze real (Dreiquartalsdurchschnitt, rechte Skala) 7.5% 6% 4.5% 1 3% 0 1.5% -1 0% -2-1.5% -3 2003 2005 2007 2009 2011 2013-3% Quelle: Bundesamt für Statistik, Staatssekretariat für Wirtschaft, Credit Suisse Einwanderung Reisst der Migrationsstrom ab, leidet der Detailhandel Starke Verschiebung bei den Herkunftsländern Der Schweizer Detailhandel ist derzeit nachfrageseitig gesättigt; die Ausgaben pro Person nehmen kaum noch zu. Die starke Zuwanderung war folglich in den vergangenen Jahren der mit Abstand wichtigste Wachstumstreiber des Detailhandels. 2013 ist die ständige Wohnbevölkerung zum siebten Jahr in Folge um über 1% gewachsen, dank einer Nettozuwanderung von geschätzten 80'000 Personen. Dabei handelt es sich um die stärkste Zuwanderung seit dem Rekordjahr 2008. Der Detailhandel hat sich an die Einwanderung gewöhnt und ist beim Umsatzwachstum bis zu einem gewissen Grad von ihr abhängig geworden. Die verschiedenen politischen Bemühungen, die Einwanderung zu begrenzen, sind deshalb für die Branche mittelfristig ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Hinter den relativ konstanten Migrationszahlen der letzten Jahre verbirgt sich eine spürbare Verschiebung nach Herkunftsländern. Die Zuwanderung aus Deutschland hat deutlich nachgelassen, während immer mehr Arbeitskräfte aus den krisengeschüttelten südeuropäischen Ländern in die Schweiz strömen. Dabei handelt es sich nur noch teilweise um die klassischen Bauarbeiter. Die meisten Zuwanderer der «Südstaaten» gehen mittlerweile hochqualifizierten Tätigkeiten bei Finanzdienstleistern, in der IT- und der Beratungsbranche nach. Da die Qualifikation und das damit verbundene Einkommen die wichtigsten Einflussfaktoren für die Konsumausgaben sind, Swiss Issues Branchen 8

gehen wir nicht davon aus, dass sich der Strukturwandel bei der Einwanderung auf die Detailhandelsumsätze auswirken wird. Sollte die Einwanderung aus dem Süden anhalten, dürften sich mittelfristig höchstens sanfte Änderungen im Sortiment der Detailhändler ergeben salopp gesagt mehr Pecorino und weniger Weisswürste im Supermarkt. Detailhandelsumsätze nach Warengruppen Deutliche Zweiteilung in Gewinner- und Verliererbranchen Das schwache Umsatzwachstum im ganzen Detailhandel im Jahr 2013 verdeckt deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Subbranchen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt offenkundige Gewinner- und Verliererbranchen eine Aufteilung, die sich 2013 weiter akzentuierte (vgl. Abb. 3). Auf der Gewinnerseite steht mit der Warengruppe Lebensmittel (2% nominales Umsatzwachstum 2013) der wichtigste Umsatzpfeiler der Branche. Während die Preiserhöhungen dem Lebensmitteldetailhandel zu einem guten Ergebnis verhalfen, erhöhten sich die nominalen Umsätze der Warengruppe Gesundheit, Schönheit und Körperpflege trotz massivem Preisrückgang um rund 3%. Der Uhren- und Schmuckdetailhandel profitierte derweil vom ungebremsten Touristenboom der ausgabefreudigen Gäste aus Asien und den Golfstaaten. Trotz dem rekordhohen Umsatzwachstum im Vorjahr (+14%) vermochte diese Subbranche die Umsätze um weitere rund 5% zu steigern. Abbildung 3 Detailhandelsumsätze nach Warengruppen Nominal, Index 2002 = 100 140 130 120 Total Lebensmittel, Tabak Bekleidung, Schuhe Uhren, Schmuck Gesundheit, Schönheit, Körperpflege Elektronik Möbel Kultur 110 100 90 80 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013* Quelle: Bundesamt für Statistik; *Werte 2013 von Credit Suisse geschätzt Vielen Non-Food-Branchen macht die Preiserosion zu schaffen Der Bekleidungs- und Schuhdetailhandel befand sich 2013 zum dritten Jahr in Folge auf der Verliererseite (nominaler Umsatzrückgang von über 3%). Die zweitgrösste Detailhandelsbranche kämpfte mit einer stagnierenden realen Nachfrage und insbesondere der ausgeprägten Preiserosion (vgl. Kapitel «Preise», S. 14). Ähnlich erging es vielen anderen Non-Food-Subbranchen, die hauptsächlich Güter des nicht-täglichen Bedarfs anbieten; die Möbelverkäufe gingen beispielsweise um 4% zurück. Der allmähliche Niedergang des stationären Detailhandels mit Tonträgern und Büchern (Warengruppe «Kultur» in Abb. 3) akzentuierte sich 2013 mit einem Umsatzrückgang um 6%. Die Branche leidet stark unter der ausländischen (Internet-) Konkurrenz und der Digitalisierung. Swiss Issues Branchen 9

Exkurs: Multi-/Cross-Channel Retailing «Cross-Channel-Retailing» fordert den Detailhandel Die zunehmende Verknüpfung und die konzeptionelle Verschmelzung von stationären und virtuellen Einkaufskanälen (sogenanntes Multi- und Cross-Channel Retailing) fordern den Handel und treiben ihn an, wie wir bereits im vergangenen Retail Outlook gezeigt haben. Mit Blick auf die hohen Wachstumsraten im Online-Handel stellt sich die Frage, wie die verschiedenen Konsumententypen die beiden Ebenen «online» und «stationär» für den Einkauf und die vorgelagerte Informationsbeschaffung derzeit nutzen und wie sich dies in Zukunft verändern wird. Abbildung 4 Customer Journey nach Kundentypen Anteil Antworten in Prozent; n = 1003 Abbildung 5 Entwicklung der Anteile der Online-Ausgaben «Wie wird sich der wertmässige Anteil Ihrer Ausgaben, den Sie über das Internet abwickeln, über die kommenden fünf Jahre verändern?» Antworten in Prozent; n = 1003 Online Durchführung des Kaufs Offline Offline Kaufvorbereitung (Produktinformation und Preisvergleich) 10% 15% Kanalwechsler «Digitaler Konvertit» «Treuer Offliner» 25% «Treuer Onliner» 50% Online Kanalwechsler «Research online, purchase offline (RoPo)» kleiner als heute etwa gleich gross grösser als heute Bücher/Medien 8% 52% 41% (Unterhaltungs-)Elektronik & Computer 10% 55% 35% Mode/Bekleidung 10% 61% 29% Lebensmittel (exkl. Frischprodukte) 18% 58% 23% Gesundheit und Kosmetik 13% 65% 22% Lebensmittel (Frischprodukte) 19% 60% 20% Schuhe 16% 67% 17% Sportausrüstung/Outdoor 16% 68% 16% Möbel und Haushaltswaren 16% 68% 16% Schmuck, Uhren 19% 68% 13% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: Bison Schweiz/Fuhrer & Hotz Quelle: Bison Schweiz/Fuhrer & Hotz «Laden plus Online» statt «Laden versus Online» Online wächst am stärksten bei Büchern und Medien Aus der Multicrosschannel-Studie 2013 1 von Fuhrer & Hotz und Bison geht hervor, dass die Bevölkerung unabhängig von Produkten und Branchen ihre Einkäufe zu 75% bevorzugt in einem realen Laden tätigt. Die meisten von ihnen, oder in der Gesamtbetrachtung die Hälfte aller Schweizer Konsumenten, informieren sich aber vorab online über die entsprechenden Angebote und Preise (vgl. Abb. 4). Die damit verbundenen sogenannten «Web-to-store»-Effekte sind heute wesentlich grösser als die Abflüsse ins Internet über «Store-to-Web»-Effekte. Letztere kommen dadurch zustande, dass sich Konsumenten im Laden informieren, dann aber übers Web einkaufen und somit den physischen Verkaufspunkt gewissermassen als Showroom «missbrauchen». Eine Detailbetrachtung macht deutlich, dass diese sogenannten «Digitalen Konvertiten» primär aus Männern jeden Alters bestehen. Rund zwei Fünftel der Bevölkerung bezeichnen sich derweil als kanaltreu und wickeln den gesamten Einkaufsprozess vorzugsweise ausschliesslich Offline (25%) oder Online (15%) ab. Der Blick in die Zukunft macht deutlich, dass die Digitalisierung im Handel insbesondere bei Büchern/Medien und bei Elektronik-Kleingeräten weiter fortschreiten wird (vgl. Abb. 5). Die Konsumenten beabsichtigen, den wertmässigen Anteil ihrer Online-Ausgaben in den kommenden fünf Jahren insbesondere in jenen Produktkategorien zu erhöhen. Aber auch im Bekleidungsbereich sowie bei Gesundheits- und Kosmetikartikeln muss mit einer überdurchschnittlich starken Abwanderung ins Netz gerechnet werden. In den sechs übrigen untersuchten Marktsegmenten scheinen sich derweil die jeweiligen anteilsmässigen Mehr- und Minderausgaben im Internet in etwa die Waage zu halten. 1 Basierend auf einer repräsentativen Befragung im März 2013 in der Deutsch- und Westschweiz Swiss Issues Branchen 10

Die Ansprüche an die Verknüpfung von Online und Offline steigen Nicht zuletzt aufgrund des zunehmenden Einflusses der digitalen Medien und des mobilen Internets über Handys, Tablets etc. erwartet der Grossteil aller Konsumenten von ihren bevorzugten Händlern sogenannte Multicrosschanneling-Dienstleistungen. Dazu gehört beispielsweise die Möglichkeit, bei einem Händler online bestellte Produkte auf Wunsch im Laden abholen zu können («click and collect»). Vor diesem Hintergrund nehmen auch die Erwartungen an den Internet-Auftritt eines Retailers entsprechend zu (vgl. Abb. 6). Abbildung 6 Notwendige Informationen für einen Internet-Auftritt aus Konsumentensicht Anteil Antworten in Prozent, Mehrfachantworten möglich, n = 1003 Öffnungszeiten der Filiale 83% Preise der in der Filiale angebotenen Produkte Verfügbarkeit der Produkte im Geschäft (Geographische) Lage der Filiale Auflistung der angebotenen Produkte in Filiale Weitere Informationen zu den Produkten Online-Shop Anfahrtsweg (mit ÖV und Auto) Telefon und Namen der Ansprechpersonen Möglichkeit für «click and collect» 74% 71% 68% 67% 65% 64% 63% 61% 61% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: Bison Schweiz/Fuhrer & Hotz Die Kunden wollen online die Preise abrufen können Händler arbeiten intensiv an Cross-Channel-Lösungen Abgesehen von den Ladenöffnungszeiten möchten die Konsumenten in erster Linie die im stationären Handel aktuell gültigen Preise online abrufen und sich einen Überblick verschaffen, in welcher Verkaufsstelle der gewünschte Artikel vorrätig ist. Zudem sollen weitergehende Angaben wie beispielsweise eine genaue Beschreibung des Anfahrtswegs einen möglichst bequemen Einkauf sicherstellen. Falls in dieser Phase der Online-Kaufvorbereitung die Kundenerwartungen nicht erfüllt werden, droht die Gefahr der Abwanderung. Im besten Fall, und sofern angeboten, wird der Einkauf dann im jeweiligen Web-Shop vollzogen. Im schlechtesten Fall deckt sich der Konsument bei der Konkurrenz ein. Gerade was die konsumentenseitig gewünschte maximale Preistransparenz angeht, wird der Handel in den nächsten Jahren zunehmend gefordert werden. Dies vor allem unter dem Einfluss der zunehmenden Verbreitung von Preisfinder-Apps auf Smartphones, über die der Konsument mühelos und jederzeit also auch im Laden selbst nach günstigeren Angeboten in einer bestimmten Umgebung Ausschau halten kann. Viele Schweizer Händler haben den Ernst der Lage erkannt und arbeiten derzeit mit hoher Intensität an der bestmöglichen Verknüpfung von stationärem Angebot mit der Online-Welt. Swiss Issues Branchen 11

Branchenkonjunktur 2013: Angebotsseite Marktgeschehen Food Orange Riesen: die «Supermarktschweiz» ist gebaut Convenience: Migrolino mit Aufholbedarf beim Umsatz Erfolgsgeschichten Denner und Volg, Anbieter aus der Romandie im Krebsgang Aldi und Lidl: Der grosse Wachstumsschub ist vorerst Geschichte Der Lebensmitteldetailhandel ist in der Schweiz dabei, nach der rasanten Expansion von Aldi und Lidl ein neues Gleichgewicht zu finden. Angesichts der nachfrageseitigen Sättigung des Marktes und der bereits dichten und flächendeckenden Versorgung ist die «Supermarktschweiz» aus Sicht von Coop und Migros grösstenteils gebaut. Der Fokus liegt nicht auf Expansion, sondern auf der Optimierung der bestehenden Filialstruktur und des Sortiments. Coop und Migros kamen bisher mit einem blauen Auge davon. Die beiden Grossverteiler büssten zwar angesichts des Wachstums von Aldi und Lidl sowie der erfolgreichen Expansion von Denner und Volg Marktanteile ein, die Umsätze im Kerngeschäft gingen aber trotz Preiserosion nur geringfügig zurück. Dass die Grossverteiler dennoch unter Druck stehen, zeigt sich an der seit 2008 rückläufigen Flächenproduktivität in den meisten Ladenkategorien. Die Migros musste besonders stark Federn lassen. Bei den äusserst produktiven Kleinflächen (M-Migros) ging die Produktivität von 15'500 CHF Jahresumsatz pro Quadratmeter (2008) auf 12'800 CHF (2012) zurück (vgl. Abb. 7). Die Produktivität der grössten Flächen (MMM-Migros) war ebenfalls im Sinkflug, während Coop nach der Übernahme und Neupositionierung der Carrefour-Standorte die Flächenproduktivität bei den Megastores halten konnte. Die beiden Grossverteiler pflegen angesichts der Stagnation des Kerngeschäfts die Wachstumsnischen intensiv. Im nach wie vor boomenden Biomarkt plant Migros eine Expansion mit der Bio-Supermarktkette Alnatura von derzeit drei Filialen auf 20 bis 30 Standorte in der Schweiz. Convenience ist ebenfalls ein Wachstumsgeschäft. Migros hat mit seinem Konzept Migrolino bezüglich Standorte deutlich zum Leader Coop Pronto aufgeholt mittels einer aggressiven Expansionsstrategie. Der Rückstand von Migrolino ist aber beim Umsatz noch gross. Coop Pronto erzielte 2012 mit 252 Filialen (Stand Ende 2012) einen Umsatz von CHF 957 Mio. Migrolino verbuchte derweil mit 194 Standorten einen Umsatz von CHF 224 Mio. Das Onlinegeschäft mit Lebensmitteln hat grosses Wachstumspotenzial, kam aber in den vergangenen Jahren etwas ins Stocken. Der Marktführer Le Shop fand allerdings nach der Stagnation im Jahr 2012 auf einen soliden Wachstumspfad zurück, mit einem Wachstum von 7% in den ersten drei Quartalen 2013 (Vorjahresvergleich). Coop@home wuchs 2012 mit 13% zwar solide neuere Zahlen liegen nicht vor, verfügte aber noch über einen deutlichen Umsatzrückstand zu Le Shop (CHF 96 Mio. gegenüber CHF 150 Mio., 2012). Zwischen den dominanten orangen Riesen und den expandierenden Discountern halten sich alternative Anbieter erstaunlich gut. Denner setzte seine jahrelange Erfolgsgeschichte fort und gewann bis 2012 und vermutlich auch 2013 laufend Marktanteile. Denner stieg mit dem Format Denner Express sehr spät in das Convenience-Segment ein und expandierte behutsam; Ende 2013 waren erst zwölf Filialen in Betrieb. Für Denner lockern sich 2014 die Fesseln, welche die Wettbewerbskommission bei der Übernahme durch die Migros 2007 anlegte. Dadurch ergeben sich für Denner und Migros insbesondere Synergien in der gemeinsamen Warenbeschaffung. Der Dorfladenspezialist Volg wächst ebenfalls seit Jahren schneller als der Markt. Der Markt in den Ostschweizer Stammlanden ist allerdings bereits dicht besetzt, weshalb Volg in der bisher noch nicht erschlossenen Westschweiz expandiert. Bis Ende 2013 waren zehn Filialen in der Romandie geplant, als mittelfristiges Ziel hat sich Volg gar 50 bis 60 Filialen gesteckt. Dies ist insbesondere deshalb realistisch, weil sich die angeschlagene Distribution Suisse, welche die Ketten PAM und Proxi betreibt und 2012 noch 150 freie Detaillisten belieferte, auf drastischem Schrumpfkurs befindet. Im Jahr zuvor belieferte Distribution Suisse noch 192, 2005 gar 338 freie Detaillisten. Nach dem Konkurs der Walliser Groupe Magro im April 2013, welche zehn Casino-Supermärkte in der Schweiz betrieb, droht nun auch die letzte verbliebene namhafte Westschweizer Lebensmittelkette marginalisiert zu werden. Die Discounter Aldi und Lidl sind zu einer festen Grösse im Schweizer Detailhandel geworden. Mit einem geschätzten Umsatz von CHF 1'700 Mio. bei Aldi und CHF 700 Mio. bei Lidl dürften die beiden Discounter 2013 einen Marktanteil von knapp 5% erreicht haben. Nach der rasanten Swiss Issues Branchen 12

Expansion kommen die beiden Anbieter allmählich in eine Phase, bei der sich die Prioritäten und die Ressourcen vermutlich von der Expansion in die Optimierung der Organisation, des Sortiments und der Kommunikation verschieben. 2013 eröffneten die Discounter lediglich sieben neue Filialen, drei neue Standorte bei Lidl und vier neue Filialen bei Aldi. Noch nie wurden in einem Jahr so wenige neue Filialen der beiden Discounter eröffnet. Bei Lidl dürfte allerdings das Tempo wieder anziehen. Lidl lag mit 91 Filialen Ende 2013 noch deutlich hinter Aldi (166 Standorte) zurück. In der Westschweiz war die Expansion bisher erschwert, weil das geplante Verteilzentrum in Sévaz durch Einsprachen jahrelang blockiert war. Mitte Oktober 2013 konnten die Baumaschinen aber schliesslich auffahren. Abbildung 7 Flächenproduktivität nach Ladenkategorien Umsatz in CHF pro Jahr und pro Quadratmeter; Zahlen von Migros und Coop sind aufgrund unterschiedlicher Erhebungsart nicht direkt vergleichbar Abbildung 8 Bekleidung/Schuhe: Nachfrage und Angebot Index 2001 = 100; *Strukturbruch 2011: Beschäftigungszahlen 2011 sind nur mit grossem Vorbehalt mit den Zahlen 2008 vergleichbar 16'000 Coop A-Supermärkte Coop B-Supermärkte Coop C-Supermärkte Coop Megastores Migros MMM Migros MM Migros M 110 108 106 104 Ausgaben Bekleidung/Schuhe pro Haushalt Beschäftigung Detailhandel Beschäftigung Bekleidungs-/Schuhdetailhandel 14'000 102 100 12'000 98 96 10'000 94 92 8'000 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 90 2001 2005 2008 2011* Quelle: GfK, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Marktgeschehen Non-Food: Fokus Bekleidung/Schuhe Anfang einer Konsolidierungswelle? Entkoppelung von Angebot und Nachfrage Der Modemarkt Schweiz sorgte 2013 für Schlagzeilen. Der Branchenriese Charles Vögele kämpfte um eine Repositionierung am Markt, der bisher erfolgsverwöhnte Schweizer Umsatzprimus H&M musste hierzulande den stärksten Umsatzrückgang von allen Märkten weltweit hinnehmen, 2 und schliesslich kündigte Globus im Oktober 2013 die Übernahme des Modehauses Schild an. Hinzu kamen die sinkenden Umsätze (vgl. Abschnitt «Detailhandelsumsätze nach Warengruppen», S. 9), was vielerorts die Frage aufwarf, ob wir am Anfang einer grösseren Konsolidierungswelle stehen. Die Ereignisse, die den Markt 2013 prägten, sind keine neuen Phänomene. Der Bekleidungs- und Schuhdetailhandel ist seit Jahren ein äusserst dynamischer Markt, mit vielen Markteintritten und -austritten, einer zersplitterten Marktstruktur mit unzähligen Anbietern sowie einer Nachfrage, die sensibel auf Modeströmungen, Witterung und Preise reagiert. Trotzdem dürfte der Konsolidierungsdruck in kommender Zeit steigen, wofür hauptsächlich folgende Trends verantwortlich sind: Tendenz zum «Overstoring»: Die Branche ist angebotsseitig dicht besetzt. 2011 hatte die Schweizer Bevölkerung die Wahl zwischen 7750 Kleider- und Schuhgeschäften, die insgesamt 27'000 Personen beschäftigten. Es gibt damit in der Schweiz mehr Schuh- und Kleidergeschäfte als Supermärkte und Dorfläden (total 4840 Läden 2011, ohne Lebensmittel- Fachgeschäfte). Problematisch ist die unterschiedliche Entwicklung von Angebot und Nachfrage. Die Ausgaben eines durchschnittlichen Haushalts für Kleider und Schuhe gingen in den vergangenen zehn Jahren insgesamt zurück (vgl. Abb. 8). Trotzdem wuchsen seit 2005 die Zahl der Geschäfte und der Beschäftigten in der Branche deutlich stärker als im gesamten Detailhandel. Allein in den Boomjahren 2005 bis 2008 kamen per Saldo 275 Standorte und 2400 2 Umsatzrückgang von 4% in CHF zwischen 1. Dezember 2012 und 31. August 2013, trotz drei neuer Läden Swiss Issues Branchen 13

Beschäftigte hinzu, und zahlreiche neue Shoppingcenter setzten beim Branchenmix trotz «Overstoring» stark auf das Segment Bekleidung/Schuhe. Erhebliche Investitionen in Online-Lösungen stehen an Wachstum des Online-Geschäfts: Der Schweizer Fashion-Retail wurde vom Phänomen Zalando, das in der Schweiz bereits über eine Million Kunden zählen soll, überrollt, steht aber selber bei der Entwicklung von Multichannel-Lösungen grösstenteils noch in bescheidenen Anfängen. Die Entwicklungen im Ausland zeigen, dass der Umsatzanteil des Online-Kanals deutlich zunehmen wird. Dies stellt die klassischen Händler vor grosse Herausforderungen und sorgt für entsprechenden Konsolidierungsdruck: (1) Die zügige Entwicklung eines überzeugenden Multichannel-Angebots ist überlebenswichtig, bedingt aber erhebliche Investitionen in IT- Lösungen, Logistik und Personalschulung. (2) Der Druck auf den stationären Handel nimmt zu, wobei die Reduktion der Verkaufsflächen für viele Händler zu einer relevanten Option werden dürfte (siehe Abschnitt «Bottom-up», S. 36). Preise im Detailhandel Der Detailhandel gab Wechselkursvorteile an die Konsumenten weiter Im Zuge der Frankenaufwertung und des boomenden Einkaufstourismus wurde der Preis in den vergangenen Jahren zum dominierenden Thema im Schweizer Detailhandel. Die Diskussionen um die Preisunterschiede, insbesondere zum Ausland, beruhigten sich 2013 aber spürbar. Die gross angekündigten Preissenkungsrunden, die 2011 beinahe im Wochentakt durch die Medien gingen, scheinen vorerst Geschichte zu sein. Was sind die Gründe? Erstens beruhigte sich die Lage an der Währungsfront seit der Einführung der Wechselkursuntergrenze. Wie wir im Retail Outlook 2013 ausführten, gaben die Detailhändler die wechselkursbedingten Einsparungen bei Importprodukten inzwischen vermutlich grösstenteils an die Konsumenten weiter. Das Potenzial beim sogenannten «Exchange-rate-pass-through», also der Weitergabe von Wechselkursvorteilen durch die ganze Wertschöpfungskette bis zum Konsumenten, nahm stetig ab. Abbildung 9 Preisentwicklung nach Warengruppen Veränderung zum Vorjahr in Prozent 4% 0% -4% -8% -12% -16% -20% Total Detailhandel Lebensmittel Bekleidung, Schuhe Gesundheit, Körperpflege, Schönheit Elektronik 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013* Quelle: Bundesamt für Statistik, *Werte 2013 von Credit Suisse geschätzt Sinkende Preise im Non- Food-Segment, aber nachlassende Dynamik Im gesamten Detailhandel gingen die Preise 2013, wie im letzten Retail Outlook prognostiziert, um rund 1% zurück, wobei die Unterschiede zwischen Food und Non-Food erheblich ausfielen. Die Preise für Lebensmittel (ohne alkoholische Getränke) stiegen erstmals seit 2008 wieder an (+1%), nach einem vierjährigen Preisrückgang von insgesamt 5% (vgl. Abb. 9). Im Non-Food- Detailhandel, der einen höheren Anteil von Importgütern aufweist, gingen die Preise mit über 2% noch relativ stark zurück. Aber auch hier zeigt die nachlassende Dynamik, dass die Preiserosion allmählich ausläuft. Am stärksten fielen die Preise für Elektronikartikel ( 7%). Der technologische Fortschritt sorgt in dieser Branche für stetig fallende Preise. Die Rückgänge fielen Swiss Issues Branchen 14

aber 2013 erstmals seit 2007 nicht mehr im zweistelligen Prozentbereich aus. Die Preiserosion im Bekleidungssegment fand ebenfalls Boden, die Preise gingen 2013 weniger stark, um geschätzte 4%, zurück. Einzig in der Warengruppe Gesundheit, Schönheit und Körperpflege verstärkte sich 2013 der Preisrückgang auf gut 4%. Frankenabwertung und Inflationsdifferenz machen Detailhandel wettbewerbsfähiger Preisunterschiede bleiben aus strukturellen Gründen hoch Ein zweiter Grund, weshalb das Preisthema an Brisanz verloren hat, sind die schwindenden Preisdifferenzen zum Ausland. Aufgrund des Wechselkursschocks büsste der Schweizer Detailhandel 2010 und insbesondere 2011 schlagartig an internationaler Wettbewerbsfähigkeit ein, was den Einkaufstourismus dramatisch anheizte. Seit der Einführung der Wechselkursuntergrenze beruhigte sich die Situation. Die Preisrückgänge im einheimischen Detailhandel bei gleichzeitiger Inflation in den Nachbarländern trugen das ihre dazu bei, dass die Schweizer Anbieter laufend konkurrenzfähiger wurden. Im Lebensmitteldetailhandel beispielsweise stagnierten die Preise in der Schweiz seit 2006 (vgl. Abb. 10). Im selben Zeitraum legten die Preise in den Nachbarländern deutlich zu, um 2.6% pro Jahr in Deutschland, 1.9% in Frankreich, 2.5% in Italien und gar 3.2% in Österreich. Zusammen mit der leichten Abwertung des Schweizer Franken 2013 näherten sich deshalb die österreichischen Lebensmittelpreise, umgerechnet in Schweizer Franken, wieder an das Niveau von Anfang 2006 an. Damals war der grenznahe Einkaufstourismus noch deutlich weniger ausgeprägt als heute, wie die Zahl der Ausfuhrbescheinigungen impliziert (vgl. Abb. 12). Die Unterschiede der Lebensmittelpreise zwischen der Schweiz und den anderen Nachbarländern schliessen sich ebenfalls, aber weniger schnell als im Falle von Österreich. Abbildung 10 darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotz Konvergenz die Preisunterschiede im Lebensmittelbereich aus strukturellen Gründen insbesondere der Marktabschottung bei Agrargütern hoch bleiben werden. 2013 war das Preisniveau von Lebensmitteln (ohne alkoholische Getränke) in der Schweiz schätzungsweise noch 37% höher als der Durchschnitt der umliegenden Euro-Länder (vgl. Abb. 11). 3 Im Bereich Bekleidung und Schuhe, der zweitgrössten Warengruppe des Detailhandels, wurde der Schweizer Detailhandel aufgrund der starken Preiserosion deutlich wettbewerbsfähiger, hält aber nach wie vor einen Preisnachteil von geschätzten 17%. Bei der Unterhaltungselektronik und Einrichtungsgegenständen (Möbel, Heimtextilien etc.) ist der hiesige Detailhandel preislich aber bereits auf Augenhöhe mit den umliegenden Ländern. Abbildung 10 Währungsbereinigte Preisentwicklung Lebensmittel und alkoholfreie Getränke Harmonisierte Konsumentenpreisindizes, umgerechnet in CHF, gleitender 3-Monats-Durchschnitt, Index Jan. 2006 = 100 Abbildung 11 Vergleich Preisniveau Schweiz und umliegende EU-Länder Durchschnittlicher Preisunterschied für vergleichbaren Warenkorb, in Prozent. Ländergewichtung entspricht geschätzter Aufteilung der Schweizer Auslandsausgaben auf die EU-Nachbarländer 120 115 110 105 100 95 90 85 Schweiz Österreich Frankreich Deutschland Italien Einführung Wechselkursuntergrenze 80 01/2006 01/2008 01/2010 01/2012 Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke Alkoholische Getränke und Tabakwaren Bekleidung und Schuhe Einrichtungsgegenstände Haushaltsgeräte Unterhaltungselektronik 2011 2012 2013* -10% 0% 10% 20% 30% 40% 50% Quelle: Eurostat, Datastream, Credit Suisse Quelle: Eurostat, Bundesamt für Statistik, Schweizerische Nationalbank, GfK Schweiz; *Werte 2013 von Credit Suisse geschätzt 3 Basis: Preisniveauindizes des Jahres 2012 von Eurostat, von uns mit der Preis- und Wechselkursentwicklung auf das Jahr 2013 hochgerechnet. Swiss Issues Branchen 15

Einkaufstourismus Einkaufstourismus im Zenit? Wie bei den Preisen hat sich auch die Diskussion um den Einkaufstourismus deutlich beruhigt. Das Thema war 2013 nur noch eine mediale Randnotiz, und vom Aktivismus des Detailhandels von Werbekampagnen gegen den Einkaufstourismus bis zu politischen Vorstössen blieb wenig übrig. Nach dem starken Wachstum stellte sich allmählich ein neues Gleichgewicht ein, mit dem sich der einheimische Detailhandel schmerzhaft arrangieren musste. Wir gehen davon aus, dass der Einkaufstourismus 2013 auf sehr hohem Niveau stagnierte oder höchstens leicht zulegte. Darauf deutet die Zahl der Ausfuhrbescheinigungen hin, die sich Schweizer Einkaufstouristen zwecks Rückerstattung der Mehrwertsteuer am deutschen Zoll abstempeln liessen (vgl. Abb. 12). Die Zahl dieser sogenannten «grünen Zettel» nahm in den ersten neun Monaten 2013 um 2.5% zu, nach einem fulminanten Wachstum von 22% im Jahr 2012 und 39% 2011. Für die anderen Nachbarländer liegen leider keine Zahlen vor. Im grenzüberschreitenden Postund Kurierverkehr liess sich bereits eine Trendwende beobachten (vgl. Abb. 13). Im ersten Halbjahr 2013 gingen die Schweizer Mehrwertsteuereinnahmen aus Warensendungen aus dem Euro- und US-Dollar-Raum um 7% zurück. Weil diese Statistik auch Warensendungen an Geschäftskunden umfasst, lässt sich allerdings nicht eruieren, ob auch Privatkunden weniger Güter im ausländischen Online- und Versandhandel bestellten. Die Trendwende ist aber ein Indiz dafür, dass der ausländische Versandhandel, sei es «Business-to-business» oder «Business-to-customer», preislich leicht an Attraktivität eingebüsst hat. Abbildung 12 Ausfuhrbescheinigungen im Reiseverkehr Deutschland Schweiz Anzahl abgestempelte Ausfuhrbescheinigungen in Millionen Abbildung 13 MwSt.-Einnahmen aus dem Post- und Kurierverkehr Schweizer Mehrwertsteuereinnahmen aus dem Paket-, Brief- und Kurierverkehr, nur EUR- und USD-Raum, Wachstum zum Vorjahr in Prozent 16 14 12 Hauptzollamt Singen (Bad Säckingen bis Konstanz) Hauptzollamt Lörrach (Lörrach bis Rheinfelden) 12% 8% 11% 9% 10 8 6 4 2 0 8.8 9.2 7.1 5.0 4.9 3.8 4.0 4.1 4.7 3.9 4.6 2.4 2.4 2.3 2.5 3.0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013* 4% 0% -4% -8% 1% -2% -7% 2009 2010 2011 2012 2013* Quelle: Hauptzollämter Singen und Lörrach; *Werte 2013 von Credit Suisse auf Basis der ersten neun Monate auf das Jahr hochgerechnet Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse *Wert 2013 bezieht sich auf Wachstum Januar bis Juni 2013 im Vergleich zur selben Periode des Vorjahrs Nur die Hälfte der Auslandsausgaben fällt auf Einkäufe im grenznahen Ausland Dank einer umfragebasierten Studie der GfK Schweiz 4 liegen erstmals detaillierte Zahlen zu den Auslandeinkäufen der Schweizer Bevölkerung vor. So flossen 2012 insgesamt CHF 8.9 Mrd. in den ausländischen Detailhandel. Die Konsumenten gaben CHF 4.5 Mrd. für gezielte Einkäufe im grenznahen Ausland aus (davon 2 Mrd. für Food- und 2.5 Mrd. für Non-Food-Artikel) und kauften für geschätzte CHF 0.6 Mrd. bei ausländischen Online-Shops und Versandhändlern ein. Damit liegen die Ergebnisse der GfK-Studie nur leicht höher als die Schätzung, die wir im vergangenen Retail Outlook für gezielte Einkäufe im Ausland errechneten. Hinzu kommen bei den Auslandsausgaben «Gelegenheitseinkäufe» auf Ferien- und Geschäftsreisen, die sich 2012 gemäss GfK auf CHF 3.8 Mrd. beliefen. Aufgrund des minimalen Wachstums gehen wir davon aus, dass das Volumen des grenznahen Einkaufstourismus 2013 nur leicht höher als der Vorjahreswert von CHF 4.5 Mrd. ausfiel. 4 GfK Switzerland: Auslandeinkäufe 2012, abrufbar unter www.igdhs.ch/de/themen/auslandeinkaufe (Stand Dez. 2013) Swiss Issues Branchen 16

«Umgekehrter Einkaufstourismus»: Wenn der Schweizer Detailhandel vom Ausland profitiert Angesichts der beachtlichen Dimension der Schweizer Auslandsausgaben knapp CHF 9 Mrd. vergisst der einheimische Detailhandel gerne, dass er ebenfalls vom Einkaufstourismus profitiert, nämlich vom entgegengesetzten. Neben den Personen, die im grenznahen Ausland wohnen und gezielt in der Schweiz einkaufen (insbesondere Grenzgänger) 5, profitieren einige Branchen des Detailhandels massiv von ausländischen Touristen, allen voran der Uhrendetailhandel. 6 Wir schätzen, dass der Detailhandel im Jahr 2012 Uhren im Wert von gut CHF 2 Mrd. absetzte. 7 Der Umsatzanteil der ausländischen Touristen ist nicht bekannt, wird aber auf die Hälfte bis zwei Drittel geschätzt. Kein anderer Schweizer Detailhandelszweig ausser vielleicht Souvenirläden ist so stark vom Tourismus abhängig wie der Uhrenhandel. Dies widerspiegelt die regionale Struktur der Branche. Die Beschäftigten im Uhrendetailhandel konzentrieren sich gemessen in Relation zur ansässigen Bevölkerung an den Schweizer Hotspots des gehobenen Tourismus wie Gstaad, Zermatt, Interlaken, Luzern, Genf, Zürich, Davos, dem Engadin oder dem Tessin (vgl. Abb. 14). Wenn wir zum Umsatz von über einer Milliarde Franken für Uhren noch alle weiteren Detailhandelsausgaben der ausländischen Touristen hinzurechnen von Kleidern, Sportartikeln, Nahrungsmitteln bis Souvenirs, kommt ein stattlicher Milliardenbetrag zusammen, der die Auslandsausgaben der Schweizer relativiert. Abbildung 14 Detailhandel mit Uhren und Schmuck: regionale Versorgungsdichte Retail Provision Index (RPI): blau = überdurchschnittliche Versorgungsdichte, rot = unterdurchschnittliche Versorgungsdichte, 2008 > 1.6 1.0 0.5 0.0-0.5-1.0 < -1.6 1 Credit Suisse, Economic Research Quelle: Credit Suisse: Retail Outlook 2011 (S. 22 ff.), Bundesamt für Statistik, Geostat Der Schweizer Detailhandel sollte sich nicht zu früh freuen Da der Schweizer Detailhandel aufgrund der Inflationsdifferenz (siehe vorheriges Kapitel) nach und nach preislich attraktiver wird, dürfte sich das Ausmass des Einkaufstourismus mittelfristig leicht abschwächen. Insbesondere jene Einkaufstouristen, die weite Anfahrten ins grenznahe Ausland in Kauf nehmen, dürften als erste auf den zeitraubenden Einkauf jenseits der Grenze verzichten. Trotzdem muss der Schweizer Detailhandel realistisch bleiben. Das Ausmass des Einkaufstourismus hat sich strukturell erhöht und wird mittelfristig keinesfalls auf das Niveau 5 Die Einkaufstourismusstudie 2009 von Coop kommt beim gezielten grenznahen Einkauf von Ausländern in der Schweiz zu folgendem Schluss: «Grob geschätzt kann von einem Zustrom an Kaufkraft in der Grössenordnung von 450 Mio. CHF ausgegangen werden.» 6 Zahlen für den gesamten Detailhandel liegen nicht vor und lassen sich kaum zuverlässig abschätzen. 7 Für mehr Details siehe Credit Suisse Economic Research (2013): Schweizer Uhrenindustrie, Perspektiven und Herausforderungen, Oktober 2013 Swiss Issues Branchen 17

zurückfallen, das wir vor der starken Frankenaufwertung gesehen haben. Einkaufsgewohnheiten ändern sich erfahrungsgemäss nur äusserst langsam, und viele Einkaufstouristen dürften mittlerweile auch Vorteile jenseits des tieferen Preises, beispielsweise ein attraktives Sortiment, bei den ausländischen Anbietern schätzen gelernt haben. Exkurs: Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten Ladenöffnungszeiten als politischer Evergreen Kaum ein anderes Thema des Detailhandels findet politisch eine dermassen hohe Aufmerksamkeit wie die Ladenöffnungszeiten. Kein Jahr zieht ins Land, ohne dass sich irgendwo in der Schweiz der Souverän zu den Ladenöffnungszeiten an der Urne äussern durfte. Die vielbeachtete Abstimmung vom 22. September 2013 zu den Tankstellenshops betraf zwar kein Ladenschlussgesetz, sondern das Arbeitsgesetz. Letztlich brachten Befürworter und Gegner der Vorlage aber altbekannte Argumente auf, die wir bereits von unzähligen Urnengängen zu Ladenschlussgesetzen her kennen (Stichwort: «24-Stunden-Gesellschaft»). Die konsequente Bekämpfung jeglicher Liberalisierungsschritte dürfte auch in Zukunft zu heissen Diskussionen und Abstimmungskämpfen führen. Folgende beiden Vorlagen sind derzeit auf nationaler Ebene in der Pipeline: Motion Lombardi: Die Motion verlangt eine nationale Teilharmonisierung des kantonalen und zum Teil sogar kommunalen Flickenteppichs bei den Ladenöffnungszeiten. Künftig soll jedes Geschäft in der Schweiz das Recht erhalten, von Montag bis Freitag zwischen 6 Uhr und 20 Uhr und samstags zwischen 6 Uhr und 19 Uhr zu öffnen. Bundesrat, National- und Ständerat stimmten der Motion zu. Eine Gesetzesvorlage ist in Arbeit und dürfte früher oder später auch das Stimmvolk beschäftigen. Ein Referendum ist aufgrund der bisherigen Erfahrungen sehr realistisch. Motion Abate: Die Motion verlangt eine Änderung der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz und möchte die Definition von «Tourismusgebieten» lockern. In Regionen, die als Tourismusgebiete gelten, dürfen die Kantone Sonntagsarbeit im Detailhandel zulassen. Die Aufweichung des Sonntagsarbeitsverbots über den Verordnungsweg schützt die Vorlage vor einer Volksabstimmung. Bundesrat, National- und Ständerat stimmten der Motion zu. Viele ideologische, wenige ökonomische Fragen Modellbasierte Ansätze hilfreich, um mögliche Auswirkungen einer Liberalisierung abzuschätzen Interessanterweise drehen sich die Argumente in den Abstimmungskämpfen hauptsächlich um ideologische Fragen: Die Befürworter von Liberalisierungen schwingen die Fahne der unternehmerischen Freiheit und sehen Ladenschlussgesetze als unnötigen Staatseingriff in einen funktionierenden Markt. Die Gegner argumentieren vor allem mit dem Wohl der Angestellten im Detailhandel, sehen die Sonntagsruhe in Gefahr und interpretieren jede noch so kleine Liberalisierung als Schritt Richtung «24-Stunden-Gesellschaft». Ökonomische Fragen werden in der politischen Diskussion selten vorgebracht, obwohl diese interessant sind: Welche Standorte im Detailhandel profitieren von Liberalisierungen von Ladenöffnungszeiten? Gewinnen die Konsumenten (mehr Zeit zum Einkaufen) einseitig zulasten der Detailhändler (höhere Betriebskosten)? Dies hat auch damit zu tun, dass die ökonomischen Fragen schwierig zu beantworten sind. Man findet sowohl in der Theorie wie in der Empirie zum Teil widersprüchliche Aussagen zu den Folgen von liberalisierten Ladenöffnungszeiten. Eine Möglichkeit, sich den Auswirkungen liberalisierter Öffnungszeiten quantitativ anzunähern, sind simulations- und modellbasierte Ansätze. Diese Variante ist attraktiv, weil man sich als Entscheidungsträger aus dem Detailhandel, aber auch aus der Politik, a priori ein Bild über die Folgen machen kann, wenn man virtuell an den Stellschrauben des Systems dreht. Wir präsentieren nachfolgend die Ergebnisse einer Simulation, welche die auf Mobilitätsmodellierung spezialisierte Senozon AG für uns durchgeführt hat, um gewisse Gesetzmässigkeiten daraus herzuleiten. Swiss Issues Branchen 18

Das Senozon Mobilitätsmodell der Schweiz Das Mobilitätsmodell ist ein detailliertes räumliches und zeitliches Abbild der Schweiz im Computer, wobei die gesamte Infrastruktur sowie die Bevölkerung in statistisch hoher Auflösung repräsentiert werden. So sind zum Beispiel gut 2 Millionen Gebäude modelliert, ebenso Strassenabschnitte, Haltestellen, Bahnhöfe, Busse, Trams und Züge mitsamt dem gesamten Fahrplan. Die rund 8 Millionen Einwohner der Schweiz sind als synthetisches Abbild repräsentiert und agieren als autonome Individuen in der Simulation, die ihren typischen Werktag bestreiten: Sie gehen zur Arbeit oder zur Ausbildung, gehen Einkaufen oder verbringen ihre Freizeit an unterschiedlichen Orten. Dazu nutzen sie das gegebene Verkehrsangebot (Auto, öffentlicher Verkehr, das Fahrrad oder zu Fuss). Ganz nach dem Motto «Carpe Diem» optimiert jede Person dabei ihren Tag: Sie maximiert ihre Zeit für Aktivitäten (zum Beispiel Einkaufen) und minimiert dabei Zeiten und Kosten für die Wege. Damit die Simulation das typische Mobilitätsverhalten der Bevölkerung in hohem Masse widerspiegelt, basiert das Modell auf sehr detaillierten und qualitativ hochwertigen Eingangsdaten wie zum Beispiel der Gebäude- und Wohnungsstatistik, der Statistik der Bevölkerung und der Haushalte und dem Mikrozensus Mobilität und Verkehr des Bundesamts für Statistik. Diese werden teils jährlich nachgeführt, um das Modell auf dem aktuellsten Stand zu halten. Zur Validierung der Simulation werden zudem Drittdaten (z.b. Querschnittszählungen an Strassenabschnitten oder Reisezeitverteilungen nach sozioökonomischen Gruppen) mit den Modellresultaten verglichen. Somit liefert das Senozon Mobilitätsmodell der Schweiz räumlich, zeitlich, demografisch und soziodemografisch hoch aufgelöste Mobilitäts- und Aktivitätsinformationen für die Standortanalyse und -bewertung sowie für die Verkehrs- und Standortplanung. Drei Szenarien und ihre Effekte auf die Shoppingstunden Die Kunden profitieren deutlich von einer Liberalisierung Wir wählten für die Simulation die Agglomeration Lausanne aus. Diese ist als exemplarische Übungsanlage deshalb geeignet, weil sie über relativ restriktive Ladenöffnungszeiten verfügt. 8 Folglich lassen sich in diesem Grossraum die Auswirkungen einer Liberalisierung besonders gut aufzeigen. Die Simulation zeigt den durchschnittlichen Effekt von längeren Ladenöffnungszeiten auf die Shoppingstunden zwischen Montag und Freitag. Die Shoppingstunden messen die Zeit, die die Konsumenten mit Einkaufen verbringen. 9 Im restriktiven Ausgangsszenario «Basis» sind alle Geschäfte ausser Tankstellenshops lediglich zwischen 8 und 19 Uhr geöffnet. 10 Das zweite Szenario «Lombardi» simuliert den Fall, dass die Motion Lombardi nationales Gesetz wird und alle Läden von den neuen Freiheiten Gebrauch machen, sprich unter der Woche von 6 bis 20 Uhr offen halten. Das dritte, selbstverständlich unrealistische Szenario «24h» zeigt als Gedankenexperiment die Situation im Falle von komplett liberalisierten Ladenschluss- und Arbeitsgesetzen, in der alle Läden rund um die Uhr geöffnet sind. Das Modell zeigt auf, wie sich die Shoppingstunden der Konsumenten in den drei Situationen geografisch und über den Tag verteilen. Die Zahl der Einkäufe bleibt dabei in allen Szenarien gleich. Gesamtresultat: Die Simulation zeigt auf, dass sich die Shoppingstunden bei einer Liberalisierung insgesamt erhöhen. Die Konsumenten erhalten dank längerer Öffnungszeiten mehr Zeit zum Einkaufen und nutzen diese auch. Die Shoppingstunden erhöhen sich im Szenario «Lombardi» gegenüber der restriktiven Ausgangssituation um 1.2%. Das Szenario «24h» erhöht hingegen die Shoppingstunden nur noch um 0.5% gegenüber dem Szenario «Lombardi». Die Tatsache, dass in der Simulation eine «sanfte» Liberalisierung (drei zusätzliche Stunden gegenüber Ausgangssituation) deutlich mehr Shoppingstunden generiert als ein weiterer radikaler Liberalisierungsschritt (acht zusätzliche Stunden gegenüber Szenario «Lombardi»), zeigt den abnehmenden Grenznutzen von Liberalisierungsschritten für den Konsumenten. Die Erhöhung der Shoppingstunden zeigt aber insgesamt klar auf, dass die Konsumenten von einer 8 Diese sind im Kanton Waadt nicht kantonal, sondern sogar kommunal geregelt. In der Stadt Lausanne dürfen die Geschäfte von Montag bis Freitag zwischen 6 und 19 Uhr, am Samstag bis 18 Uhr offen halten. 9 Von den Shoppingstunden lässt sich nicht auf Umsätze schliessen. 10 Es handelt sich selbstverständlich um eine Vereinfachung der Realität. Gewisse Geschäfte öffnen bereits heute früher als 8 Uhr oder haben länger als 19 Uhr geöffnet (z.b. Bahnhofshops). Bei der Zeitspanne handelt es sich aber um typische Ladenöffnungszeiten im Raum Lausanne und sie bildet die heutige Situation relativ gut ab. Tankstellenshops sind im Modell bis 22 Uhr geöffnet. Swiss Issues Branchen 19

Liberalisierung profitieren. Dieses Resultat wird von der Literatur sowohl theoretisch 11 wie auch empirisch bestätigt. Abbildung 15 Shoppingstunden Ausgangssituation «Basis», Montag bis Freitag Durchschnittliche Shoppingstunden Abbildung 16 Szenario «Lombardi»: Veränderung Shoppingstunden gegenüber Szenario «Basis» Durchschnittliche Veränderung Shoppingstunden Montag bis Freitag in Prozent; dargestellt sind nur Hexagone mit Veränderungen >140h Quelle: Senozon AG Quelle: Senozon AG Mikrolage bei einer Liberalisierung entscheidend Geografische Effekte: In der Ausgangslage zeigt die geografische Aufteilung der Shoppingstunden ein Einkaufsmuster, das typisch ist für Montag bis Freitag (vgl. Abb. 15). Die Konsumenten frequentieren für ihre täglichen Einkäufe insbesondere die Innenstadt und die Einkaufsmöglichkeiten in den Quartieren. Die peripheren Lagen, wo sich unter anderem grosse Einkaufszentren befinden, werden zwischen Montag und Freitag unterdurchschnittlich stark besucht und leben vor allem vom Samstagsgeschäft. Wie wirkt sich nun eine Liberalisierung auf dieses geografische Muster aus? Eine Liberalisierung bewirkt in der Innenstadt wenig. Sowohl im Szenario «Lombardi» (vgl. Abb. 16) als auch im Szenario «24h» (nicht abgebildet) bleibt die Anzahl Shoppingstunden in etwa gleich. Ausserhalb der Innenstadt gibt es Standorte, die profitieren und solche, die verlieren. Bei diesen Veränderungen stellen wir aber nur wenige spezifisch geografische Muster fest. Gewisse periphere Lagen westlich der Stadt Lausanne, wo sich zum Teil grössere Einkaufszentren befinden, profitieren von längeren Shoppingstunden. Dies ergibt sowohl theoretisch wie auch vom Modell her Sinn: Die Konsumenten nehmen abends umso eher einen längeren Anfahrtsweg in Kauf, um ein peripheres Shoppingangebot aufzusuchen, je länger dieses offen ist. Die Ergebnisse zeigen in den Wohnquartieren ausserhalb der Innenstadt ein heterogenes Muster. Ob ein Geschäft gewinnt oder verliert, hängt unter anderem von kleinräumigen Unterschieden bei der Erreichbarkeit mit dem Auto und dem öffentlichen Verkehr ab. Die Erfahrung aus der Praxis bestätigt dies: Bei Einkaufsmöglichkeiten, die sich nahe am Wohnort der Konsumenten befinden, sind die Mikrolage und die Marktpositionierung eines Geschäfts entscheidend, ob es von einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten profitieren kann. 11 Siehe beispielsweise: Thum, Weichenrieder (1999): Ist Ladenschlußregulierung volkswirtschaftlich effizient? Working Paper, Center for Economic Studies der Ludwig- Maximilians-Universität Swiss Issues Branchen 20