Aufwendungsersatz Inhaltsübersicht 1. Grundlegend: 670 BGB 2. Begriffsbestimmung, Abgrenzung, Erstattungsfähigkeit 3. Rechtsprechungs-ABC 3.1 Annahmeverzug 3.2 "Auslöse" 3.3 Beitragspflichtiges Arbeitsentgelt 3.4 Fahrerkarte 3.5 Heimarbeitsplatz 3.6 Lackschäden 3.7 Lohnpfändung 3.8 Oder Arbeitslohn? 3.9 Schulbuch 3.10 Unfallschaden - 1 3.11 Unfallschaden - 2 3.12 Spesen 3.13 Versicherungsprämien Information Der Arbeitnehmer kommt bisweilen in die Situation, für seinen Arbeitgeber Ausgaben machen zu müssen. Die Aufwendungen dafür bekommt er regelmäßig zurückerstattet. Das BGB sieht in 670 einen Aufwendungsersatz vor. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Ersatzpflicht ausgeschlossen ist. 1. Grundlegend: 670 BGB "Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet ( 670 BGB )." Bei einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung für den Arbeitgeber folgt der Anspruch auf Aufwendungsersatz direkt aus 675, 670 BGB. Ansonsten wird 670 BGB analog angewendet. Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehören u.a.: Fahrtkosten zu auswärtigen Arbeits- oder Einsatzstellen, Kosten für Arbeitskleidung (s. dazu das Stichwort Arbeitskleidung ), Kosten für Arbeitsmaterial oder Werkzeuge, Kosten für die Unterbringung am auswärtigen Arbeits- oder Einsatzort, Spesen zur Begleichung besonderer Belastungen (z.b. erhöhte Essenskosten), Telefonkosten für Telefonate, die durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind. Zweckbestimmt und damit zu erstatten sind Aufwendungen auch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht ausdrücklich dazu bestimmt. Ausreichend dafür ist, dass der Arbeitnehmer sie nach verständigem Ermessen für subjektiv erforderlich halten durfte. Nach 669 BGB kann der Arbeitnehmer auf die zu erwartenden Aufwendungen einen Vorschuss verlangen. Soll der Arbeitnehmer eine Verbindlichkeit eingehen, hat er nach 257 BGB einen Freistellungsanspruch. Individual- und kollektivrechtlich können auch Pauschalen für den Aufwendungsersatz vereinbart werden. Zudem ist 670 BGB dispositiv. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Aufwendungsersatz kann durch eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung erweitert oder eingeschränkt werden ( BAG, 14.10.2003-1 2016 aok-business.de - PRO Online, 29.12.2016
9 AZR 657/02 ). Der Aufwendungsersatz greift natürlich auch umgekehrt: D.h. unter Umständen muss ein Arbeitnehmer Aufwendungen des Arbeitgebers ersetzen, die er in seinem Interesse oder in seinem Auftrag macht (z.b. die Kosten für ein Taxi, wenn der Arbeitgeber einen arbeitsunfähigen kranken oder betrunkenen Mitarbeiter zum Arzt oder nach Hause bringen lässt). 2. Begriffsbestimmung, Abgrenzung, Erstattungsfähigkeit Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer für einen bestimmten Zweck, die den Arbeitnehmer als Folge einer Weisung des Arbeitgebers treffen oder die er nach den Umständen des Einzelfalls zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten für erforderlich halten durfte. Aus 670 BGB wird deutlich, dass die Aufwendungen nicht objektiv erforderlich ("die er den Umständen nach für erforderlich halten darf") sein müssen. Aufwendungsersatz gehört nicht zum Arbeitsentgelt, unterliegt daher nicht der Steuerpflicht und kann nicht gepfändet werden ( 850a Nr. 3 ZPO ). Soweit keine individual- oder kollektivrechtlichen Ausschlussfristen (s. dazu BAG, 27.02.2002-9 AZR 543/00 ) greifen, tritt die Verjährung der Aufwendungsersatzes nach 195 BGB ein. Für den Arbeitgeber gemachte Aufwendungen sind ersatzfähig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: der Arbeitgeber hat die Auslagen gefordert oder der Arbeitnehmer durfte sie für erforderlich halten, die Auslagen sind im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis entstanden, die Auslagen werden nicht vom Arbeitsentgelt gedeckt, es besteht keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Auslagen selbst zu tragen. Persönliche Aufwendungen des Arbeitnehmers - z.b. für Essen und Trinken während der betriebsüblichen Arbeitszeit oder den Weg von und zu Arbeitsstätte - sind keine erstattungsfähigen Aufwendungen (s. dazu auch das Stichwort Vorstellungskosten ). Sie dienen nicht dem fremden Interesse des Arbeitgebers, sondern dem Interesse des Arbeitnehmers. Umzugskosten sind ein Problem: Ihre Ersatzfähigkeit wird man nur bejahen können, wenn der Arbeitgeber sie versprochen hat oder sie auf einer vom Arbeitgeber angeordneten Versetzung beruhen. Die Sozialpartner im Betrieb und die Tarifpartner haben die Möglichkeit, Tatbestände von Aufwendungsersatz kollektivrechtlich zu vereinbaren. Die Darlegungs- und Beweislast für den Anspruch auf Aufwendungsersatz liegt beim Arbeitnehmer. Betriebliche Regelungen über die Höhe von Aufwendungsersatz bei Geschäftsreisen und die dafür vorgesehenen Pauschalbeträge sind nicht mitbestimmungspflichtig. Erst dann, wenn für Geschäftsreisen neben dem bloßen Aufwendungsersatz weitere Beträge gezahlt werden, die Entgeltcharakter haben, greift das Mitbestimmungsrecht nach 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ( BAG, 27.10.1998-1 ABR 3/98 ). 3. Rechtsprechungs-ABC Hier sind einige der wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre zum Thema Aufwendungsersatz in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt: 3.1 Annahmeverzug Beim Arbeitgeberverzug nach 615 BGB sind nur Entgeltbestandteile mit Lohn- und Gehaltscharakter zu berücksichtigen. Aufwendungsersatz gehört nicht dazu. Eine Einsatzzulage ist damit nicht über 615 BGB 2 2016 aok-business.de - PRO Online, 29.12.2016
erstattungsfähig ( BAG, 30.05.2001-4 AZR 249/00 ). 3.2 "Auslöse" Enthalten weder der einschlägige Mantel- noch der anzuwendende Entgelttarifvertrag Regelungen darüber, ob die Fahrtzeit eines Monteuers von der Betriebs- zur Arbeitsstätte "Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit" ist, kommt es auf die allgemeinen Regeln an. Dabei ist es für die Vergütung unerheblich, dass diese Zeit arbeitszeitschutzrechtlich als Arbeitszeit zu werten ist. Ansatzpunkt ist 611 Abs. 1 BGB - mit dem Ergebnis, dass Fahrten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle vergütungspflichtige Arbeit sind. Sowohl die Arbeits- als auch die Tarifvertragspartner haben die Möglichkeit, diese Zeit anders zu vergüten als die eigentlich geschuldete Tätigkeit des Arbeitnehmers. Deckt eine so genannte "Auslöse" (= pauschalierter Aufwendungsersatz für Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten) nicht bloß den erhöhten Aufwand ab, kann sie arbeitsvertragsrechtlich durchaus Entgeltcharakter haben ( BAG, 12.12.2012-5 AZR 355/12 ). 3.3 Beitragspflichtiges Arbeitsentgelt Zu den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer Beschäftigung erzielt werden, und damit Arbeitsentgelt isd. 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind, gehören auch solche "aus selbstständigen Tätigkeiten in einer so genannten einheitlichen Beschäftigung." Soweit Aufwandsentschädigungen - hier: Prämie für geworbene Neukunden - im Einzelfall als Arbeitsentgelt zu werten sind, wären sie beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. "Eine 'einheitliche Beschäftigung' liegt nicht vor, wenn zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kein notwendiger Zusammenhang besteht, insbesondere wenn weder die selbstständige Tätigkeit als solche noch die konkrete Art und Weise ihrer Ausführung vom Bestand der Beschäftigung abhängig sind" ( BSG, 31.10.2012 - B 12 R 1/11 R - Leitsatz). 3.4 Fahrerkarte Für neu zugelassene Lkw ab 3,5 t sind ab dem 01.05.2006 digitale Tachografen vorgeschrieben. Für den Betrieb eines solchen Tachografen benötigt der Fahrer eine Fahrerkarte, auf deren Chip seine persönlichen Daten hinterlegt sind. Die Nutzung dieser Fahrerkarte ist nicht an ein bestimmtes Fahrzeug gebunden. Wegen der Kosten, die durch die Beantragung der Fahrerkarte entstehen - in diesem Fall 38,00 EUR Gebühr und 20,00 EUR für Lichtbild und Meldebescheinigung - hat der Fahrer gegen seinen Arbeitgeber auch nach 670 BGB keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz: Die Karte wird auf die Person des Fahrers ausgestellt, sie ist fünf Jahre lang gültig und ihre Benutzung nicht auf das bestehende Arbeitsverhältnis beschränkt (BAG, 30.11.1999-9 AZR 170/07). 3.5 Heimarbeitsplatz Nutzt ein Arbeitnehmer einen Raum seiner Wohnung allein zur Erfüllung der Arbeitspflicht, bringt er im Interesse seines Arbeitgebers ein Vermögensopfer. Grundsätzlich besteht in diesen Fällen ein Anspruch auf Aufwendungsersatz. So kann es dem Arbeitgeber passieren, dass er für die Nutzung des Raums als Aufwendungsersatz "Miete" zahlen muss ( BAG, 14.10.2003-9 AZR 657/02 ). 3.6 Lackschäden Im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht ist der Arbeitgeber gehalten, berechtigterweise auf sein Firmengelände mitgebrachte Sachen seiner Arbeitnehmer vor schädigenden Einwirkungen Dritter zu schützen. Immer vorausgesetzt, die Schutzmaßnahmen sind zumutbar. So muss ein Arbeitgeber nicht gegen jede nur denkbare Gefahr Vorsorge treffen. Ob und wie weit er dazu verpflichtet ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Maßgeblich für die Beurteilung sind die Grundsätze von Treu und Glauben sowie die betrieblichen und örtlichen Verhältnisse. Dabei haftet er auch unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes nicht für Schäden, die ein auf dem Betriebsgelände eingesetztes Drittunternehmen an einem Arbeitnehmer-Pkw anrichtet ( BAG, 25.05.2000-8 AZR 518/99 - hier: Farbnebel auf dem Auto eines Arbeitnehmers nach Lackierungsarbeiten). 3.7 Lohnpfändung 3 2016 aok-business.de - PRO Online, 29.12.2016
Aufwendungsersatz kann es auch umgekehrt geben - dann schuldet der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber Geld, zum Beispiel als Ausgleich von Kosten im Zusammenhang mit einer Lohn- oder Gehaltspfändung. Aber: Der Arbeitgeber hat keinen gesetzlichen Erstattungsanspruch. Und auch über eine Betriebsvereinbarung kann er die Kostenerstattung nicht regeln. Zum einen liegt kein Fall erzwingbarer Mitbestimmung ( 87 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 BetrVG ) vor, zum anderen scheitert eine freiwillige Mitbestimmung an 75 Abs. 2 BetrVG - die Betriebsvereinbarung verstößt gegen das Gebot, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern ( BAG, 18.07.2006-1 AZR 578/05 ). 3.8 Oder Arbeitslohn? Aufwendungsersatz - so deutet es der Begriff schon an - dient dazu, dass Aufwendungen ersetzt werden. Nun passiert es immer wieder, dass "Aufwendungsersatz" nur vorgeschoben wird und die Zusatzleistung des Arbeitgebers verschleiertes Arbeitsentgelt ist. Bei einem Gesamtvergleich der Vergütung nach dem "equal pay"-prinzip entscheidet, ob mit dem Aufwendungsersatz "- wenn auch in pauschalierter Form - ein dem Arbeitnehmer tatsächlich entstandener Aufwand, zb. für Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten, erstattet werden soll (echter Aufwendungsersatz) oder die Leistung Entgeltcharakter hat." Der echte Aufwendungsersatz ist kein Arbeitsentgelt - und auch "keine wesentliche Arbeitsbedingung is. von 10 Abs. 4 AÜG " ( BAG, 13.03.2013-5 AZR 294/12 - mit dem Hinweis, dass "Aufwendungsersatz" in Art. 3 Abs. 1 lit. f, i, ii der EU-Leiharbeitsrichtlinie nicht als Regelungstatbestand aufgezählt ist). 3.9 Schulbuch Erwirbt ein Lehrer zunächst auf eigene Kosten ein von der Klassenkonferenz für den Unterricht bestimmtes Schulbuch, das ihm der Arbeitgeber zu Beginn des Schuljahres nicht zur Verfügung gestellt hat, hat der Lehrer gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in entsprechender Anwendung des 670 BGB. "Der Kaufpreis für das Schulbuch ist eine Aufwendung, die der Kläger zwecks Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und damit im Interesse des beklagten Landes tätigte. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ist es einem angestellten Lehrer grundsätzlich nicht zumutbar, die Kosten für die Beschaffung von Arbeitsmitteln, die zur sachgerechten Durchführung des Unterrichts zwingend erforderlich sind, selbst zu tragen" ( BAG, 12.03.2013-9 AZR 455/11 - mit Hinweis auf OVG Rheinland-Pfalz, 26.02.2008-2 A 11288/07 - zu beamteten Lehrkräften). 3.10 Unfallschaden - 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die ohne Verschulden des Arbeitgebers an dessen Pkw entstandenen Unfallschäden zu ersetzen, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn der Arbeitgeber ohne den Einsatz des Arbeitnehmer-Pkws ein eigenes Fahrzeug hätte einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müssen ( BAG, 14.12.1995-8 AZR 875/94 ). 3.11 Unfallschaden - 2 Beschädigt ein Arbeitnehmer bei betrieblich veranlassten Arbeiten schuldhaft sein mit Billigung des Arbeitgebers eingesetztes Fahrzeug, gelten im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs des Arbeitnehmers nach 670 BGB die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung auch dann, wenn über das Fahrzeug des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber ein Mietvertrag geschlossen worden war ( BAG, 17.07.1997-8 AZR 480/95 ; zur grundlegenden Ersatzpflicht des Arbeitgebers bei Pkw-Schäden des Arbeitnehmers: BAG, 08.05.1980-3 AZR 82/79 ). 3.12 Spesen Spesen sind in der Regel Aufwendungsersatz und kein Arbeitsverdienst ( BAG, 12.12.2001-5 AZR 257/00 ). 3.13 Versicherungsprämien 4 2016 aok-business.de - PRO Online, 29.12.2016
Flugbegleiter müssen nach 1 Abs. 3, 4 Abs. 2 u. 6 Abs. 1 des "Tarifvertrags Übergangsversorgung" während ihrer Elternzeit die Versicherungsprämien für die von ihnen als betriebliche Altersversorgung abgeschlossene Kapital-Lebensversicherung selbst tragen. Finanziert ihr Arbeitgeber die Prämien vor, hat er einen tariflichen Aufwendungsersatzanspruch gegen sie ( BAG, 15.12.1998-3 AZR 251/97 ). 5 2016 aok-business.de - PRO Online, 29.12.2016