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Transkript:

Aktualisierte Auflage 2009 Rückenbeschwerden Rücken stärken Schmerzen lindern Ein Ratgeber für Betroffene

Rückenbeschwerden

Rücken stärken Schmerzen lindern Ein Ratgeber für Betroffene

Impressum 4 Herausgeber Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.v. Maximilianstr. 14 53111 Bonn Redaktion Susanne Walia Fachliche Beratung Dr. med. Wolfgang Brückle, Rheuma-Klinik Bad Nenndorf; Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle; Christel Kalesse, Deutsche Rheuma-Liga Projektabwicklung Susanne Walia, Sabine Neumann Gestaltung diller. corporate, Köln Druck Medienhaus Plump 2. Auflage 10.000 Exemplare, 2009 Drucknummer: A 27/BV/11/09 Mit freundlicher Unterstützung von Abbott Immunology Bildnachweis Corbis; Thomas Diller, Köln; Getty Images; Jupiter Images; wdv, Bad Homburg Medizinische Illustrationen Stephan Spitzer, Frankfurt/Main

Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, es ist»ein Kreuz mit dem Kreuz«: 80 % der deutschen Bevölkerung hatten schon einmal in ihrem Leben Rückenschmerzen, wahrscheinlich auch Sie, die Sie diese Broschüre lesen. In hausärztlichen Praxen gehören Rückenschmerzen zu den häufigsten Gründen, weshalb der Arzt konsultiert wird. Lange Arbeitsunfähigkeitszeiten und Frühberentungen aufgrund chronischer Beschwerden führen zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten. 5 Dabei scheint die herkömmliche medizinische Versorgung das Problem Rückenschmerz nicht lösen zu können, sondern verschlimmert es möglicherweise sogar. Bettruhe und passive Maßnahmen sind out:»bleib aktiv und beweg Dich!«lautet deshalb der Rat, der sich aus aktuellen internationalen Recherchen und medizinischen Leitlinien ergibt. Denn 80 bis 90 % aller Rückenschmerzen klingen innerhalb von vier bis sechs Wochen spontan wieder ab. Sie kommen aber nach einiger Zeit bei vielen Betroffenen häufig verstärkt wieder. Die Annahme, dass nur eine Ursache, wie z. B. langes Sitzen, Rückenschmerzen verursacht, ist falsch. Die Schmerzen werden durch viele Faktoren beeinflusst, bei denen soziale, psychische und sogar arbeitsplatzbezogene Elemente eine Rolle spielen. Den Rückenschmerzen liegt somit ein komplexes Ursachengeflecht zugrunde. Daher sind Schonen und Vermeiden körperlicher Aktivität bei Rückenschmerzen absolut falsch. Aber gerade das tun Viele und sie werden darin noch von manchen Ärzten unterstützt. Zu viel Diagnostik, Schonung, Schmerzvermeidung und passive Behandlungen verlängern die Rückenschmerzen. Alltagsaktivitäten hingegen so schnell wie möglich wieder aufzunehmen und schnellstmöglich zur Normalität zurückzukehren, verringern sie. Die Allroundpille bei unspezifischen Rückenschmerzen heißt Bewegung und Verhaltensänderung, dadurch werden Chronifizierung und Verschlimmerung der Beschwerden verhindert. Nur 20 % der Rückenschmerzen gehen auf eine organische Ursache zurück. Hier sind fachärztliche Diagnostik und Therapie dringend notwendig. Die vorliegende Broschüre geht auf die genannten Zusammenhänge ein und hält viele praktische Tipps für Sie bereit. Die Deutsche Rheuma-Liga bietet in ihren Verbänden viele Angebote für die Bewegungstherapie bei Rückenschmerzen, bedienen Sie sich ihrer. Ihre Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga

Inhaltsverzeichnis Seite 6 Vorwort Einleitung 1 Ein sensibles Bollwerk Rücken + Schmerzen = Rückenschmerzen? 1.1 Ein Wunderwerk der Statik Wie funktioniert der Rücken? 1.2 Wenn der Körper um Hilfe ruft Was ist»schmerz«? 5 7 9 10 14 2 Vielfältige Ursachen Wann der Rücken schmerzen kann 2.1 Wenn der Fluss zum reißenden Strom wird Rückenbeschwerden innerhalb des rheumatischen Formenkreises 2.2 Es muss nicht immer Rheuma sein Rückenschmerzen ohne rheumatische Ursachen 2.3 Nicht den Kopf hängen lassen! Auch die Seele kann schmerzen 17 18 21 23 3 Mir kann geholfen werden! Therapieangebote bei Rückenschmerzen 3.1 Viel zu sehen? Diagnosemöglichkeiten bei Rückenschmerzen 3.2 Schmerz lass nach! Welche Medikamente helfen bei Rückenschmerzen? 3.3 Rücken stärken, Schmerzen lindern Weitere Therapiemaßnahmen bei Rückenschmerzen 3.4 Nicht alles schlucken! Seelenballast abwerfen 3.5 Das war doch noch nicht alles? Operative Eingriffe und therapeutische Alternativen 25 26 27 28 30 31 4 So helfe ich mir selbst! Vorbeugen und Gegenstrategien entwickeln 4.1 Auch das will gelernt sein Richtiges Sitzen, Stehen, Liegen und Heben 4.2 Fit für den Beruf?! Den Arbeitsalltag rückenfreundlich gestalten 4.3 Wie mache ich das am besten? Rückenschonend den Alltag bewältigen 4.4 Gezielte Förderung Funktionstraining und Rückenschule 4.5 Nicht nur schonen bewegen! Übungen für einen starken Rücken 4.6 Bewegung macht Spaß und fit! Empfehlungen für die Freizeit 4.7 Ich bin stark! Lernen, mit dem Schmerz zu leben 33 34 37 38 39 40 42 44 Stichwortverzeichnis Das Netzwerk der Deutschen Rheuma-Liga Anschriften der Deutschen Rheuma-Liga Weitere Publikationen der Deutschen Rheuma-Liga 45 46 48 50

Einleitung Der Mensch zeichnet sich gegenüber anderen Lebewesen durch seinen aufrechten Gang aus ein Privileg jedoch, für das wir oftmals einen hohen Preis zahlen: Rückenschmerzen. Wer kennt dieses Problem nicht?! Mal mehr, mal weniger plagt es fast jeden hin und wieder. 80 bis 90 Prozent der Bundesbürger leiden zumindest zeitweilig unter Rückenschmerzen, sagen Experten. Oft beginnt die Rückenschmerzkarriere schon bei Kindern, die ihre schlecht sitzenden, viel zu schweren Ranzen zur Schule tragen. Als Erwachsener dann»verschleißt«man sich den Rücken durch Fehlbelastung im Beruf, mangelnde Bewegung in der Freizeit oder plagt sich im Rahmen einer rheumatischen Erkrankung mit Wirbelsäulenbeschwerden. Rückenschmerzen müssen kein unausweichliches Schicksal sein! Sie sind keine unheilbare Krankheit, auch wenn sich Heilung und selbst Schmerzlinderung oft schwierig gestalten. Viel lässt sich durch Vorbeugung in Form von rückenfreundlichem Verhalten im Alltag und mit ausreichender,»richtiger«bewegung tun. Bei den entzündlich bedingten Wirbelsäulenproblemen steht man als Betroffener der Krankheit und den damit verbundenen Schmerzen allerdings oft recht hilflos gegenüber. Nur bedingt lässt sich die Erkrankung durch Medikamente und therapeutische Maßnahmen»in den Griff bekommen«. Die vorliegende Broschüre geht dem Phänomen Rückenschmerz in Theorie und Praxis nach. Welche Ursachen kann es haben, wenn der Rücken schmerzt? Warum kann ein solch solides Gerüst überhaupt erkranken? Therapeutische Maßnahmen werden vorgestellt, die hilfreich sein und die Beschwerden lindern können. Doch der wichtigste Faktor bei der Behandlung von Rückenschmerzen sind die Betroffenen selbst. Nur wer sich aktiv am Behandlungskonzept beteiligt, kann für Erfolge sorgen, die auch von Dauer sind! 7

1 Kapitel 8

Ein sensibles Bollwerk Rücken + Schmerzen = Rückenschmerzen? Der menschliche Rücken ist ein faszinierendes Werk der Evolutionsarchitektur. Komplex und funktionell doch leider nicht ganz perfekt sorgt das Zusammenspiel von Wirbelsäule, Muskeln, Bändern und Nerven dafür, dass wir aufrecht gehen und uns bewegen können. Das nehmen wir als selbstverständlich hin und widmen diesem komplizierten Gebilde erst dann die gebührende Aufmerksamkeit, wenn der Rücken einmal»streikt«. Doch wer verstanden hat, wie der Körper funktioniert, geht in der Regel auch bewusster damit um. Ebenso ist der Schmerz für viele ein Mysterium.»Es tut weh«doch warum sendet der Körper Warnsignale aus? Der erste Abschnitt dieser Broschüre beschäftigt sich mit der»theorie«des komplexen Themas Rückenschmerz und möchte dadurch mehr Verständnis für die»praxis«wecken. 1 9 Kapitel 1.1 Ein Wunderwerk der Statik Wie funktioniert der Rücken? 1.2 Wenn der Körper um Hilfe ruft Was ist»schmerz«?

Ein Wunderwerk der Statik Wie funktioniert der Rücken? Kapitel 1.1 10»Der Rücken«ein einziger Begriff bezeichnet ein komplexes Kunstwerk der Natur, das aus einer Vielzahl von Wirbeln, Gelenken und Muskeln besteht. Doch keines der Einzelteile lässt sich isoliert von den anderen betrachten. Nur das perfekte Zusammenspiel aller Komponenten macht die Stellung des Rückens im Körper aus. Spielt eine tragende Rolle: Die Wirbelsäule Der Name sagt es bereits: Wie eine»säule«in der Mitte unseres Körpers übernimmt die Wirbelsäule eine tragende Rolle. Sie hält uns aufrecht und trägt den Kopf. Auch wenn es immer wieder heißt, man solle sich»gerade halten«die Wirbelsäule ist keine gerade Säule, sondern verläuft von der Seite aus gesehen in einer Doppel-S-Form. Das Doppel- S besteht von oben nach unten betrachtet aus einer Vorwärtskrümmung der Halswirbelsäule (HWS), einer Wölbung der Brustwirbelsäule (BWS) nach hinten, dann wieder einer Krümmung der Lendenwirbelsäule (LWS) nach vorne. Den Abschluss bildet das nach hinten gebogene Kreuzbein (Abbildung 1). Fachsprachlich werden die Wölbungen nach vorne als Lordose, die Krümmungen nach hinten als Kyphose bezeichnet. Die Wirbelsäule besteht im Einzelnen aus: sieben Halswirbeln (cervikalen Wirbeln), C1 bis C7 zwölf Brustwirbeln (thorakalen Wirbeln), Th1 bis Th12 fünf Lendenwirbeln (lumbalen Wirbeln), L1 bis L5 fünf Kreuzbeinwirbeln (sakrale Wirbel), S1 vier bis fünf Steißbeinwirbeln Die Kreuz- und Steißbeinwirbel sind jeweils miteinander verwachsen und somit starr. Die Wirbel: Hüter des Rückenmarks Jeder einzelne Wirbel besteht, von hinten nach vorne gesehen- also vom Rücken zum Bauch -, aus dem Dornfortsatz (Wirbeldorn), dem Wirbelbogen, in dem das Rückenmark verläuft, sowie den Wirbelgelenken und dem Wirbelkörper. Die nach hinten gerichteten Dornfortsätze lassen sich als»rückgrat«gut ertasten. Die mit dem Wirbelbogen verwachsenen Wirbelgelenke ermöglichen und begrenzen zugleich Bewegung zwischen den einzelnen Wirbeln. Aus knöchernen Aussparungen zwischen den einzelnen Wirbeln treten die Rückenmarksnerven (Spinalnerven) aus dem Wirbelkanal aus. Die Wirbel von Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule unterscheiden sich in ihrer Größe und Form teils deutlich voneinander. So werden sie in Richtung Hals immer dünner und auch flacher. Die Stabilität der Wirbel nimmt also von unten nach oben ab. Doch keine Angst, die Wirbelsäule ist verblüffend stabil: So könnte die Lendenwirbelsäule tatsächlich ein Gewicht von etwa 1,5 Tonnen tragen! Wirbel sind Knochen, also»lebende«organe unseres Körpers und erneuern sich ständig. Anderenfalls würde ja auch ein Knochenbruch nicht heilen. Ein Wirbel benötigt rund drei Jahre, bis er sich einmal vollständig erneuert hat. Stehaufmännchen Die Bandscheiben Als»Puffer«sitzen die Bandscheiben zwischen den einzelnen Wirbeln und verbinden sie gleichzeitig. Ausnahmen bilden der erste und zweite Halswirbel (fachsprachlich: Atlas und Axis), die direkt aufeinander sitzen. Die

Ein Wunderwerk der Statik Bandscheiben weisen jeweils einen unterschiedlichen Durchmesser und eine unterschiedliche Stärke auf. Sie sind perfekt den Wirbeln angepasst, denen sie zugeordnet sind. Sie wirken wie Stoßdämpfer, die jede unserer Bewegungen abfedern. Eine Bandscheibe besteht aus einem weichen Gallertkern und dem Faserring, einem festen, faserartigen Bindegewebe, das den Kern umschließt (Abbildung 2 und 3). Eine Besonderheit zeichnet den Stoffwechsel der Bandscheibe aus: Sie verfügt nicht über Blutgefäße, die sie versorgen. Stattdessen erfolgt die»ernährung«über den stetigen Wechsel von Belastung und Entlastung. Bei Belastung, etwa im Sitzen oder Stehen, wird die aufgenommene Flüssigkeit herausgedrückt. Bei Entlastung, im Liegen, kann neue, nährstoffreiche Flüssigkeit einströmen ähnlich wie bei einem Schwamm. Im Tagesverlauf werden die Bandscheiben»ausgedrückt«und damit auch dünner. Nachts, im Schlaf, gleicht sich der Flüssigkeitsverlust wieder aus, die Bandscheiben saugen sich regelrecht wieder voll. Daher sind wir morgens nach dem Aufstehen auch stets etwa zwei Zentimeter größer als abends. Der ständige Wechsel von Be- und Entlastung ist für die Versorgung der Bandscheiben lebensnotwendig. Muskulatur und Bänder: Die halten zusammen! Selbstverständlich sind Wirbel und Bandscheiben nicht einfach lose aufeinander geschichtet. Ein Stützwerk aus Muskeln und Bändern verbindet, stabilisiert und bewegt auch die einzelnen Bausteine. Zwei besonders kräftige, so genannte Längsbänder ziehen sich über die Vorder- und die Hinter- Der Aufbau der Wirbelsäule Abbildung 1 Halswirbelsäule (HWS); cervikale Wirbel C1 - C7 Brustwirbelsäule (BWS); thorakale Wirbel Th1 - TH12 Lendenwirbelsäule (LWS); lumbale Wirbel L1 - L5 Kreuzbein S1 und Steißbein 1.1 11 Kapitel

Ein Wunderwerk der Statik 1.1 Kapitel 12 seite der Wirbel. Etwa 300 Muskeln bilden den aktiven Teil des Rückens, sie halten uns aufrecht und sorgen für Beweglichkeit. Die einzelnen Muskeln haben je nach Funktion unterschiedliche Längen und verlaufen längs und quer. Sie»verspannen«also die Wirbelsäule, etwa wie die Takelage bei einem Segelboot. Die Rückenmuskeln verlaufen in mehreren Schichten über dem Skelett. Besonders hervorzuheben sind hier die tiefen Muskeln, die direkt an der Wirbelsäule sitzen und sie aufrecht halten. Die oberflächlichen Muskeln, die von der Wirbelsäule zu Kopf, Schulter und Oberarm ziehen, unterstützen vor allem die Dreh- und Hebebewegungen in diesem Bereich. Genauso wichtig wie die Rückenmuskeln sind die Bauchmuskeln. Sie unterstützen als»positiver Gegenspieler«die Rückenmuskulatur. Ist die Bauchmuskulatur schwach und untrainiert, ergibt sich ein Ungleichgewicht, das zu Haltungsschäden und Rückenschmerzen führt. Iliosakralgelenke Verbindende Problemzonen Die fünf miteinander verwachsenen Wirbel des Kreuzbeins liegen zwischen den beiden Beckenschaufeln und sind mit ihnen über die Kreuz-Darmbein-Gelenke (fachsprachlich: Iliosakralgelenke) verbunden. Diese gelten als starre Gelenke, da sie eher dem Zusammenhalten als der Beweglichkeit dienen. Die Iliosakralgelenke sind vergleichsweise häufige»störfelder«im Rückenbereich, da sie beim Gehen und Stehen hohen Belastungen ausgesetzt sind. Querschnitt durch eine Bandscheibe Abbildung 2 Außenhülle Faserring Gallertkern Was sind Muskeln? Ein Muskel besteht aus einem Bündel von Muskelfasern, das von Bindegewebe zusammengehalten wird. Jede einzelne Faser hat einen Durchmesser von höchstens einem Zehntel Millimeter. Die feste Bindegewebshülle (fachsprachlich: Faszie) geht in eine Sehne über, mit der der Muskel an Knochen und Gelenken befestigt ist. Bei einem so genannten Muskelkater entstehen in den Muskelfasern winzige Verletzungen, die aber von selbst wieder abheilen. Doch dieser Regenerationsprozess ist mit den typischen Schmerzen verbunden. Wenn ein Muskel»arbeitet«, bedeutet das, dass er sich zusammenzieht. Um sich zu bewegen und nicht in einer Stellung zu verharren ist ein»gegenspieler«, also ein zweiter Muskel nötig, der die Bewegung zur Ausgangsposition zurück ausführt.

Ein Wunderwerk der Statik Bandscheiben Abbildung 3 Gleichmäßige Druckbelastung der Bandscheibe bei aufrechter Haltung Wirbelkörper Faserring Gallertkern in Normalposition 1.1 13 Druckbelastung beim Vorbeugen Kapitel Nach hinten verlagerter Gallertkern Was macht Gelenke beweglich? Gelenke bezeichnen bewegliche Verbindungen zwischen Knochen. Genau betrachtet sind sie technisch ausgereifte Gebilde, die im gesunden Zustand durch perfekte Passform bestechen. Bei einem Kugelgelenk, etwa dem Schulter- oder Hüftgelenk, bilden die beiden Verbindungsflächen jeweils eine Positiv- und Negativform und lassen sich wie bei einem Puzzle genau zusammenfügen. Um ein Scheuern der Knochen aufeinander zu vermeiden, sind die Gelenkflächen mit einem Knorpelgewebe überzogen; so wird die Reibung möglichst gering gehalten. Eine Gelenkkapsel umgibt das Gelenk. Die Innenschicht der Gelenkkapsel heißt Gelenkinnenhaut. Sie gibt Gelenkflüssigkeit ab, die für die Ernährung des Knorpels sorgt und ihn geschmeidig hält. Gelenkbänder stabilisieren die Gelenke.

Weitere Publikationen der Deutschen Rheuma-Liga Die Deutsche Rheuma-Liga gibt eine Vielzahl von Publikationen heraus. Einige haben wir für Sie nachfolgend aufgeführt. Alle Publikationen können bei Ihrem Landesverband oder einem der Mitgliedsverbände (siehe Adressen S. 48/49) bezogen werden bitte kreuzen Sie die von Ihnen gewünschten Titel an. 14 A 4 Faltblatt Bewegungsübungen»Rückenbeschwerden«Merkblatt 1.1 Was ist Rheuma? Merkblatt 1.2 Rheumatoide Arthritis Merkblatt 1.3 Degenerative Gelenkerkrankungen (Arthrose) Merkblatt 1.4 Bechterew'sche Krankheit Merkblatt 1.5 Weichteilrheumatismus Merkblatt 1.6 Gicht Merkblatt 1.7 Osteoporose Merkblatt 1.8 Arthritis psoriatica Merkblatt 1.12 Fibromyalgie Ich interessiere mich für weitere Angebote der Deutschen Rheuma-Liga Name, Vorname Straße, Haus-Nr. Alter (freiwillige Angabe für statistische Zwecke) PLZ, Ort Datum Unterschrift

Die Autorin Karen-Katrin Gutsche hat ihren Magisterabschluss in Anglistik, Germanistik und Literaturwissenschaften an der Universität in Kiel erhalten. Sie lebt und arbeitet jetzt als freie Journalistin und Autorin im Rheinland und ist selbst betroffen von einer chronisch rheumatischen Erkrankung. Info-Telefon 01804 60 00 00 (20 ct. pro Anruf aus dem deutschen Festnetz; max. 60 ct. pro Anruf aus den Mobilfunknetzen) Konto-Nr. 5 999 111 BLZ 370 606 15 Deutsche Apotheker- und Ärztebank www.rheuma-liga.de Der Alltag schmerzt. Ihre Spende hilft.

Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.v. Maximilianstr. 14 53111 Bonn Telefon 0228 7 66 06-0 Fax 0228 7 66 06-20 email bv@rheuma-liga.de www.rheuma-liga.de Spendenkonto Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.v. Deutsche Apotheker- und Ärztebank Köln Konto-Nr. 5 999 111 BLZ 370 606 15