Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich

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Transkript:

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich Ute Stoltenberg, Leuphana Universität Lüneburg Leuphana Universität Lüneburg Institut für integrative Studien (infis), Projekt F.B.E. Leuchtpol Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zielt darauf ab, Menschen zu ermutigen und zu befähigen, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung denken und handeln zu können. 1983 hat die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung als Antwort auf die Herausforderungen einer zunehmenden Verflechtung von globalen Umweltveränderungen, ökonomischer Globalisierung, kulturellem Wandel und einem wachsenden Nord-Süd- Gefälle die Aufgabe einer nachhaltigen Entwicklung formuliert. Darunter wird eine Entwicklung [verstanden], die die Bedürfnisse der heutigen Generationen befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können (Hauff 1987). Dahinter steht die Einsicht, dass das Verhältnis von Mensch und Natur und der Menschen untereinander in dieser Einen Welt neu gestaltet werden müssen: Biodiversität Trinkwasser Natürliche Ressourcen Klima Boden Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen + Gerechtigkeit in dieser einen Welt Geschlechtergerechtigkeit Kulturelle Vielfalt Lebensqualität Frieden Ernährung Menschenwürde Abb. 1: Nachhaltige Entwicklung eine Aufgabe in vielen Lebensbereichen Es sind neue Umgangsweisen mit natürlichen Lebensgrundlagen zu entwickeln, die wir für alle unsere Tätigkeiten und Produkte benötigen: Ressourcenschonung, Vermeidung von Belastungen und Störungen der Ökosysteme. Und es sind Formen des Zusammenlebens in dieser Einen Welt zu entwickeln, die allen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, nicht zuletzt durch Gerechtigkeit im Zugang zu den natürlichen Lebensgrundlagen und durch die Wahrung kultureller Vielfalt und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Unter Bezug auf die weltweite Diskussion darüber kann man das ethische Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung als Zusammenhang dieser Wertorientierungen verstehen. Und so orientiert sich Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in ihren Zielen, Inhalten und Methoden auch daran, ob sie für diese Werte sensibilisieren, Fragestellungen unter ihnen betrachten und Gestaltungsmöglichkeiten daran ausrichten. Nachhaltige Entwicklung ist ein ethisches Leitbild Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 1

Handeln im Sinne nachhaltiger Entwicklung orientiert sich an dem Zusammenhang von: Menschenrechten und Menschenwürde + Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen + Gerechtigkeit im Zugang zu ihnen und hinsichtlich ihrer Verteilung in dieser einen Welt Abb. 2: Ethische Prinzipien einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung Nachhaltige Entwicklung ist kein fertiges Programm, sondern ein gesellschaftlicher Such-, Lern- und Gestaltungsprozess. Das notwendige Umdenken, das Denken in globalen Wirkungszusammenhängen, das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge ist eine Aufgabe für alle Menschen, die sich an der Gestaltung ihres eigenen Lebens beteiligen wollen, in Verantwortung gegenüber der Natur mit allen Kreaturen, die uns das Leben auf dieser Erde ermöglichen vom Kindergarten bis hin zu Erwachsenen in den verschiedenen gesellschaftlichen Tätigkeitsfeldern. Verschiedene Bildungsansätze, beispielsweise Umweltbildung und entwicklungspolitische Bildung, haben sich in der Vergangenheit bereits mit Teilaspekten verschiedener Fragen nachhaltiger Entwicklung beschäftigt. Das Konzept einer Bildung für nachhaltige Entwicklung stellt diese bisher weitgehend getrennt diskutierten Teilaspekte unter eine neue, ganzheitliche Perspektive. Es werden Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ebenen unseres Handelns und der möglichen Sichtweisen darauf hergestellt und unter den Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung betrachtet. Das Verhältnis von Mensch und Natur und der Menschen untereinander wird in allen gesellschaftlichen Handlungsfeldern mitbestimmt und gestaltet. Um diese Komplexität besser verstehen zu können, wurden Modelle wie das Nachhaltigkeitsviereck entwickelt. Es kann auch herangezogen werden, um Probleme nicht-nachhaltiger Entwicklung zu analysieren und darauf basierend Lösungsansätze zu entwickeln. Man kann den jeweiligen Feldern wichtige Akteure zuordnen und ihre unterschiedlichen Positionen einbeziehen. Wenn das Lernen in ernsthaften Situationen ermöglicht werden soll, muss die Komplexität von Problemstellungen erhalten bleiben. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung ist kein zusätzlicher neuer Inhalt, sondern eine neue Orientierung für Bildungsprozesse Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 2

ökonomische Dimension sustainable Development / nachhaltige Entwicklung ökologische Dimension Nachhaltige Entwicklung kann man mit Hilfe von vier Dimensionen, die untereinander vernetzt sind, verstehen soziale Dimension kulturelle Dimension Abb. 3: Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung Am Beispiel eines Themenfelds lässt sich nachvollziehen, wie man damit arbeiten kann: ökonomisch: Grundlage der Produktion von Nahrungsmitteln Basis für menschliche Aktivitäten, die oft im Konflikt stehen (Grün gegen Bauen und Wohnen; Straßen) ökologisch: Böden bilden das Habitat für Pflanzen, Tiere und Bodenorganismen und tragen zur biologischen Vielfalt bei sind Speicher und Transformatoren für Nährstoffe stellen Puffer, Filter oder Transformatoren für Schadstoffe dar beeinflussen Austausch von Strahlung und Wärme Bildung für eine nachhaltige Entwicklung stellt Wissen, Erfahrungen und Methoden zur Verfügung, die notwendig sind, um sich mit wichtigen Fragen von Gegenwart und Zukunft auseinanderzusetzen sozial: Boden unter der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung kulturell: Boden und Bodenstrukturen prägen soziale Strukturen Bodenbesitz und Bodennutzung bestimmen den Lebensunterhalt gesunde Böden als Voraussetzung für Gesundheit (Wasser; Nahrungsmittel; Emissionen) die Art und Nutzung des Bodens ist Bestandteil der Kultur und hat Auswirkungen auf Wirtschafts- und Lebensweise, auf Religion und Weltsicht traditionelles Wissen über den Umgang mit Böden ist Quelle für nachhaltige Entwicklung Bodenvergessenheit als Folge von Versiegelung und mangelnder Berührung mit Böden Boden als Erfahrungsort für Kinder Abb. 4: Arbeit mit dem Nachhaltigkeitsviereck am Beispiel Boden Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 3

Zur Bearbeitung komplexer Fragestellungen greift Bildung für eine nachhaltige Entwicklung auf naturwissenschaftliches und sozialwissenschaftliches Wissen und natur- und sozialwissenschaftliche Denkweisen und Methoden zurück. Sie trägt auch der Erfahrung Rechnung, dass wissenschaftliches Wissen nicht ausreicht, um alltags- und zugleich zukunftstaugliche Klärungen und Lösungen herbeizuführen. Alltagswissen, Expertenwissen, traditionelles Wissen, Kinderwissen und das Wissen verschiedener Kulturen können durch Kooperation und partizipative Arbeitsweisen in Bildungsprozesse einbezogen werden. Ziel einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung ist nicht ein Wissenskanon, sondern eine Persönlichkeit, die sich ermutigt und fähig fühlt, das eigene Leben mitzugestalten, und die über Wissen und Kompetenzen verfügt, dies im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu tun. Deshalb sind die Förderung von Wahrnehmungsfähigkeit, Kreativität, Selbst tätig keit, kooperativem Arbeiten, unterschiedlichen Ausdrucksformen für Erfahrungen, Erleben und Bewerten ebenso Elemente von Bildungsprozessen wie eine systematische Suche nach inhaltlichen Zusammenhängen und Erklärungen mithilfe von Medien. Angesichts der Komplexität der Aufgabe ist klar, dass dabei der Umgang mit Nichtwissen, Risiko abwägung und Vorsorge im Handeln wichtige Prinzipien sind, die im Hinblick auf Bildungs prozesse lineares, kurzfristiges und regional beschränktes Denken ablösen müssen. Mit dem Bildungsziel Gestaltungskompetenz erwerben (de Haan/Harenberg 1999; de Haan 2003; 2008) wird zum Ausdruck gebracht, dass es nicht nur darum geht, handlungsfähig zu werden, sondern so zu handeln, dass damit eine nachhaltige Entwicklung mit gestaltet wird. Die von de Haan aufgeführten zehn Teilkompetenzen, die miteinander vernetzt oder voneinander abhängig sind, geben auch Hinweise auf die Methoden, mit denen sie gefördert werden können: 1. Bei der Kompetenz Weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufbauen geht es darum, national oder kulturell unterschiedliche Sichtweisen, Perspektiven unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen (z.b. Politik, Ökonomie) sowie auch unterschiedliches Wissen nutzen zu können, um Probleme nicht-nachhaltiger Entwicklungen analysieren und nachhaltige Lösungswege entwickeln zu können. 2. Die Kompetenz Vorausschauend zu denken und zu handeln, beinhaltet die Fähigkeit, die Zukunft als offen und gestaltbar zu begreifen, mit Zukunftsprognosen umgehen und darauf basierend selbst zukunftsbezogene Handlungen und Lösungen entwickeln zu können. 3. Mit der Kompetenz Interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln ist die Fähigkeit gemeint, Probleme unter der Berücksichtigung unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen und Denkmuster analysieren und beleuchten zu können und diese im Prozess der Entwicklung von Lösungsansätzen zu verknüpfen. 4. Die Kompetenz Gemeinsam mit anderen planen und handeln können bezeichnet die Fähigkeit, Handlungsprozesse unter Einbeziehung der Vorläufigkeit und Unvollständigkeit des Wissens gemeinsam mit anderen zu planen und zu handeln. Gemeinsame Aushandlungsprozesse und gesellschaftliche Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung stehen dabei im Vordergrund. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung fördert den Erwerb von Kompetenzen, die Menschen ermutigen und befähigen, sich an der Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft verantwortlich zu beteiligen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 4

5. Mit der Kompetenz Selbstständig planen und handeln können wird der individuelle Aspekt des Planens und Handelns betont. Es geht unter anderem um persönliches Engagement und die Gestaltung des eigenen Lebens vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung. 6. Weiterhin beschreibt die Kompetenz An Entscheidungsprozessen partizipieren können die Fähigkeit, aktiv an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen teilhaben zu können. Eine nachhaltige Entwicklung ist nur durch die Unterstützung der Be völkerung möglich. Und man darf ein individuelles Interesse an der Mitgestaltung des eigenen Lebens voraussetzen. 7. Die Kompetenz Sich motivieren können, aktiv zu werden kann man erwerben, wenn man erfährt, dass man selbst etwas tun kann: So kann die Bereitschaft entstehen, sich mit dem Konzept einer nachhaltigen Entwicklung zu befassen und es auf den eigenen Lebensstil zu beziehen. 8. Bei der Kompetenz Andere motivieren können, aktiv zu werden geht es darum, weitere Personen ebenfalls dazu zu motivieren. 9. Die Kompetenz Empathie und Solidarität für Benachteiligte stellt eine Grundlage für die Wahrnehmung und Bekämpfung von sozialer Ungerechtigkeit und damit verbundenen Problemen dar. Sie betont das Prinzip der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit, das dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung zu Grunde liegt. 10. Die Kompetenz Leitbilder und die anderer reflektieren können ist die Fähigkeit, sich selbst, das eigene Handeln sowie eigene und gesellschaftliche Leitbilder als kulturell bedingt zu begreifen. Auf dieser Grundlage kann man eigene und fremde Leitbilder am ethischen Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung messen und ihre Fragwürdigkeit oder ihr Potential für eine nachhaltige Entwicklung erkennen. Die folgende Grafik fasst zentrale Elemente einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zusammen: Orientierung am ethischen Leitbild: Menschenwürde und Menschen- / Kinderrechte + Sicherung der natürlichen Lebensgrundlage + Gerechtigkeit Handeln in globaler Verantwortung Orientierung an den Strategien für eine nachhaltige Entwicklung Die Orientierung an zukunftsbedeutsamen Arbeitsweisen und Methoden Berücksichtigung der vier Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung (Nachhaltigkeits-Viereck) Abb. 5: Zentrale Elemente einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 5

Um Individuen den Erwerb von Gestaltungskompetenz zu ermöglichen, sollten Inhalte von Bildungsprozessen solche Fragen und Problemfelder betreffen, die für Gegenwart und Zukunft unter der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung bedeutsam sind. Sie sollten auch die Auseinandersetzung mit Werthaltungen ermöglichen, die mit dem ethischen Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung verbunden sind. Dazu gehören Themenfelder wie der Umgang mit den Umweltmedien Wasser, Luft, Boden Ernährung und Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung Gesundheit (in Abhängigkeit von sozial, ökonomisch, ökologisch und kulturell befriedigenden Umständen) Biodiversität kulturelle Vielfalt Konsum Energie Mobilität Klimawandel Bildung für eine nachhaltige Entwicklung erfordert eine Auseinandersetzung mit zukunftsrelevanten Fragen und Inhalten Die Themenfelder stehen natürlich in engem Zusammenhang sie werden ausgehend von einer bedeutsamen Fragestellung oder Aufgabe behandelt. Das Aufgreifen ernsthafter Problemstellungen ermöglicht es Lernenden, die Erfahrung zu machen, etwas im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung bewirken zu können. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich muss die besonderen Bedürfnisse, Lernwege und Lebenssituationen der am Bildungsprozess Beteiligten und somit auch aktuelles Fachwissen über frühkindliche Bildung berücksichtigen. In der Studie Bildungspläne im Elementarbereich ein Beitrag zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung? (Stoltenberg 2009) wurden erste Kriterien für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich formuliert. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich berücksichtigt die Bedürfnisse der am Bildungsprozess Beteiligten Eine wichtige Orientierung für die Auseinandersetzung mit Fragestellungen einer nachhaltigen Entwicklung in Kindertagesstätten ist jeweils die Frage, wie erfahrbar und bewusst gemacht werden kann, dass alle unsere Handlungen und Erzeugnisse auf natürlichen Lebensgrundlagen beruhen (Retinität). Wirkungszusammenhänge, wie beispielsweise der Zusammenhang zwischen einem T-Shirt und der Natur können gemeinsam entdeckt und analysiert werden. Das Prinzip der Retinität sollte in der Gestaltung von Bildungsprozessen immer wieder erkennbar sein. Im Konzept einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung werden die Strategien für eine nachhaltige Entwicklung als eine didaktische Orientierung genutzt. Besser (Effizienzstrategie): Ressourcen wie z.b. Energieträger oder Wasser) können effizienter genutzt werden, so dass der Stoff- und Energieverbrauch verringert wird. Anders (Konsistenzstrategie): Ressourcen sollten nur in der Menge und Geschwindigkeit genutzt werden, in der sie die Natur wieder herstellt (z.b. bei der Holznutzung). Die Zeiten der Natur sollen beachtet werden. Besser Anders Weniger Gerechter sind Strategien für eine nachhaltige Entwicklung, die man im Alltag leben kann Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 6

Weniger (Suffizienzstrategie): Umweltbelastende Praktiken (z.b. Auto fahren, Verwendung von Weichspülern) kann man einschränken oder durch umweltschonende ersetzen. Gerechter (Gerechtigkeitsstrategie): Alle Menschen werden an der Gestaltung ihres eigenen und des gesellschaftlichen Lebens beteiligt. Der Zugang zu den Ressourcen wird gerecht verteilt. Armut wird bekämpft und soziale Gerechtigkeit gefördert. Im Elementarbereich können die Prinzipien eines nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen und die Gerechtigkeitsstrategie erfahrbar gemacht werden. Orientiert an den zu fördernden Teilkompetenzen sollten Lernprozesse in Kindertagesstätten so organisiert sein, dass Kindern nicht Wissen vorgegeben, sondern sie an der Entstehung von Wissen beteiligt werden. Wissen wird hier als Zusammenhang von Sachwissen, Orientierungswissen und Handlungswissen verstanden. Das bedeutet, dass die Lernanlässe auch die Gelegenheit geben sollten, die Bedeutung des neuen Sachwissens zu erfassen, seinen Kontext sichtbar zu machen und zu zeigen, was für einen Nutzen das neue Wissen hat. Das schließt die Entwicklung der Fähigkeit zum Bewerten und Beurteilen ein; nicht lineares Denken, sondern Querdenken, Denken in Alternativen, spekulatives Denken, phantastisches und phantasievolles Denken gefördert wird. Kinder lieben es, sich der Herausforderung zu stellen: Was wäre wenn...? (auch in Rollenspielen!) Kinder können ermutigt werden, unterschiedliche Vorschläge zur Lösung eines Alltagsproblems (wie können wir zum Zoo gelangen?) zu machen und deren Vor- und Nachteile zu erörtern. Risikoabwägungen können zu einem selbstverständlichen Bestandteil solcher Prozesse werden. Im Spiel und beim Erkunden ihrer Welt machen Kinder, wenn man ihnen die Zeit und den Raum dafür einräumt, eigene Erfahrungen mit alternativen Er klärungsmustern für Phänomene und Problemstellungen. Kinder können so unkonventionelles, aber aus ihrer Perspektive sachangemessenes Denken entwickeln, überprüfen und weiterentwickeln (wie z.b. in dem Reggio-Film Il ritratto di Leone nachvollzogen werden kann); Empathie und der Sinn für den Wert von Vielfalt gefördert wird (Konzepte zu einer interkulturellen Bildung im Kindergarten können in diesen Kontext einbezogen werden); Partizipation als Lebensform praktiziert und als Anspruch und Verantwortung kommuniziert wird. Man kann nicht erwarten, dass Kinder bei Eintritt in das sechste oder achte Lebensjahr plötzlich Interesse oder Kompetenzen für Partizipation entwickeln. Diese müssen von Anfang an aufgebaut, geübt und erfahren werden; Lernen in Ernstsituationen möglich ist. Wenn echte Aufgaben bewältigt werden, kann sich die Überzeugung der Selbstwirksamkeit festigen; schon bei Kindern der Möglichkeitssinn geweckt wird: indem die Begrenztheit eigener Erfahrungsmöglichkeiten (in der Familie, dem Freundeskreis, der dominanten Kultur, der sozialen und materiellen Über- oder Unterversorgung etc.) durchbrochen wird. Dazu sind Themenfelder und Perspektiven geeignet wie: Wie machen es andere? Was könnte man anders machen? Was wäre wenn...? Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 7

Entsprechend müssen auch Methoden und Arbeitsweisen genutzt werden, die es speziell Kindern ermöglichen, Gestaltungskompetenz zu erwerben. Partizipation Lernen an alltäglichen, ernsthaften Aufgaben KiTa als Erfahrungs-, Lern- und Gestaltungsort nutzen Die KiTa unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten überdenken und neu gestalten Förderung von Fantasie und Ausdrucksmöglichkeiten Kreativität und alternatives Denken üben Arbeit in Projekten In Projekten besondere Fragen aufgreifen (z.b. den Weg zur KiTa) Vielfältige Methoden und Arbeitsweisen ermöglichen Kontexte für individuelles und kooperatives Lernen und für Erfahrungen mit der Gestaltung des Alltags im Sinne nachhaltiger Entwicklung Die regionale Bildungslandschaft als Potential nutzen Aufbau und Nutzen von Kooperationen Spiel Durch Spiel Nachhaltigkeitsprinzipien kennen lernen (durch die Bereitstellung bestimmter Materialien, durch Förderung kooperativer Spiele ) Entdeckendes Lernen Fragen der Kinder so aufgreifen, dass Ihnen die Bedeutung natürlicher Lebensgrundlagen, von Biodiversität, kultureller Vielfalt, Gerechtigkeit und Menschenwürde erfahrbar wird Abb. 6: Arbeitsweisen und Methoden einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 8

Eine Kultur der Partizipation ermöglicht es den Kindern, an ernsthaften und alltäglichen Aufgaben zu lernen. Im Kontexten entdeckenden Lernens können Kinderfragen und Alltagserfahrungen aufgegriffen werden und Prinzipien, die einer nachhaltigen Entwicklung zu Grunde liegen (Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, Menschenwürde, Gerechtigkeit) und die Möglichkeit, den Prinzipien entsprechend zu handeln, für Kinder erfahrbar gemacht werden. In Kontexten des Spielens können Kinder gemeinsam mit Erziehern und Erzieherinnen Prinzipien der Nachhaltigkeit kennen lernen und reflektieren. Durch Philosophieren mit Kindern können in einem gemeinsamen Prozess alternatives und antizipiertes Denken sowie auch Fantasie und Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder gefördert werden. In Projekten können sich die Kinder aktiv mit besonderen Fragen einer nachhaltigen Entwicklung auseinandersetzen und ihre Fähigkeiten, zu beobachten und methodisch zu denken (weiter-)entwickeln. Kindertageseinrichtungen selbst können als Erfahrungs-, Lern- und Gestaltungsorte im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung genutzt werden. Dies kann seinen Ausdruck unter anderem in einer gelebten Kultur der Partizipation von Kindern und Erwachsenen, in der Wertschätzung der Kompetenzen aller, im Energiesparen sowie durch saisonales und regionales Essen oder Abfallvermeiden, finden. Darüber hinaus kann durch Kooperationen mit dem Gemeinwesen die regionale Bildungslandschaft der Kindertagesein richtung als Lern- und Gestaltungsort genutzt werden. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 9

Quellen de Haan, Gerhard/Seitz, Klaus (2000): Kriterien für die Umsetzung des internationalen Bildungsauftrags. Teil 1. In: 21. Das Leben gestalten Lernen. Heft 1, S. 58-62. de Haan, Gerhard/Seitz, Klaus (2001): Kriterien für die Umsetzung des internationalen Bildungsauftrags. Teil 2. In: 21. Das Leben gestalten Lernen. Heft 2, S. 63-66. de Haan, Gerhard (2003): Bildung als Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung Kriterien, Inhalte, Strukturen, Forschungsperspektiven. In: Kopfmüller, Jürgen (Hrsg.): Den globalen Wandel gestalten. Forschung und Politik für einen nachhaltigen globalen Wandel. Berlin. S. 93-112. de Haan, Gerhard (2008): Gestaltungskompetenz als Kompetenzkonzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Bormann, Inka/de Haan, Gerhard (Hrsg.): Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Operationalisierung, Messung, Rahmenbedingungen, Befunde. Wiesbaden. S. 23-43. Michelsen, Gerd (2007): Grundlagen einer nachhaltigen Entwicklung. Lüneburg. Michelsen, Gerd (2006): Von der Umweltbildung zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung: Historische Entwicklung, Inhalte und Selbstverständnis. In: Tiemeyer, Ernst/ Wilbers, Karl (Hrsg.): Berufliche Bildung für nachhaltiges Wirtschaften. Bielefeld: Bertelsmann, S. 17-32. Stoltenberg, Ute (2002): Nachhaltigkeit lernen mit Kindern. Wahrnehmung, Wissen und Erfahrungen von Grundschulkindern unter der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung. Bad Heilbrunn. Stoltenberg, Ute (2005): Nachhaltigkeitskommunikation, bezogen auf Bildungs institutionen für Kinder unter sechs Jahren. In: Michelsen, Gerd/ Godemann, Jasmin (Hrsg.): Handbuch Nachhaltigkeitskommunikation. München. S. 775-786. Stoltenberg, Ute (2009): Bildungspläne im Elementarbereich ein Beitrag zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung? Eine Untersuchung im Auftrag der AG Elementar pädagogik des Deutschen Nationalkomitees für die UN-Dekade Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Bonn: UNESCO. Lüneburg, im August 2009 Bildung für eine nachhaltige Entwicklung > Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich 10