Vermittlung und Optimierung des Schwimmstarts Kristina Biel, Yvonne Mittag, Sebastian Fischer, Armin Kibele AG Training & Bewegung, Universität Kassel 1
Literaturüberblick Die Startzeit beträgt 10% bei den 50m Strecken und 5% auf den 100m Strecken. (Maglischo, 2003). Nach Maglischo ersetzen zum aktuellen Zeitpunkt der Grabstart (Parallelstart) und der Trackstart (Schrittstart) den Armschwungstart. 2
- kleine Vorstellungsrunde - Welche Altersklasse wird von Euch trainiert? Wie viele Trainingsgruppen betreut Ihr momentan? Welche Starttechniken erlernen die Sportler? Welche Starttechnik überwiegt in Eurer Trainingsgruppe? 3
Literaturüberblick Welches ist die effizientere Starttechnik? Schrittstart Parallelstart Welcher (1998), Zeitvorteil bei 5m Counsilmann (1988), keine Unterschiede Zatsiorsky (1979), Zeitvorteil bei 5,5m Hinrichs et al. (1999), Holthe & McLean (2001) Blanksby et al. (2002), keine Unterschiede nach einem Starttraining Zatsiorsky et al. (1979), effizientere Kraftentfaltung Vilas-Boas et al. (2003) Counsilmann (1988), effizientere Kraftentfaltung Miller et al. (2003) Krüger et al. (2003), effizientere Kraftentfaltung Benjanuvatra et al. (2004) Lyttle & Benjanuvatra (2004) Küchler (2005) 4
Erhebung von Kennwerten Reaktionszeit: - Zeitdifferenz vom Startsignal bis zum Bewegungsbeginn - ca. 0,16s-0,26s 5
Erhebung von Kennwerten Blockzeit (R.T.): - Zeitdifferenz vom Startsignal bis zum Verlassen des Blocks - ca. 0,66s-0,96s 6
Erhebung von Kennwerten Abflugwinkel Fuß/Hüfte : - Winkel zwischen der Verbindungslinie zwischen Fußspitze/Hüfte zur Horizontalen - ca. 15-40 7
Erhebung von Kennwerten Abflugwinkel KSP : - Winkel zwischen der Verbindungslinie der ersten 3 Bilder des Körperschwerpunktes in der Flugphase zur Horizontalen ca. -20 bis +15 KSP KSP KSP Einführung Kennwerte Biomechanik Beispielanalyse Ausblick 8
Erhebung von Kennwerten Abflugwinkel KSP : Körperschwerpunktsbahn 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 0 0,5 1 1,5 2 2,5 horizontale Entfernung (m) 9
Erhebung von Kennwerten Hüftwinkel beim Abflug : - Winkel zwischen der Verbindungslinie zwischen Hüfte/Knie und Schulter/Hüfte - ca. 150-180 10
Erhebung von Kennwerten Drehimpuls: - Rotationsenergie um die Breitenachse - ca. 15Nms-45Nms KSP 11
Erhebung von Kennwerten horizontales Kraftmaximum: - die maximale Kraft in horizontale Richtung - Parallelstart: Frauen ca. 600N bis 900N, Männer ca. 900N bis 1400N - Schrittstart: Frauen ca. 500N bis 800N, Männer ca. 800N bis 1100N vertikale Kraft horizontale Kraft KSP 12
Erhebung von Kennwerten horizontale Abfluggeschwindigkeit: - horizontale Geschwindigkeit des Körperschwerpunktes nach dem Verlassen des Blockes ca. 3,5m/s bis 5,5m/s Geschwindigkeit KSP mittlere Geschwindigkeit KSP KSP Einführung Kennwerte Biomechanik Beispielanalyse Ausblick 13
Welche sind nun die wichtigen Kriterien? Reaktionszeit Blockzeit Abflugwinkel Fuß/Hüfte Abflugwinkel KSP Hüftwinkel horizontales Kraftmaximum horizontale Abfluggeschwindigkeit Drehimpuls 1. horizontales Kraftmaximum 1. horizontale Abfluggeschwindigkeit 2. Drehimpuls 3. Blockzeit 4. Reaktionszeit 5. Abflugwinkel Fuß/Hüfte 6. Abflugwinkel KSP 7. Hüftwinkel Als Grundlage für die Bewertung der wichtigen Einflussgrößen dient die Veröffentlichung aus der Zeitschrift Leistungssport 4/2007 Biomechanische Leistungsdiagnostik zum Startsprung im Schwimmen von Kibele et al. (2007). 14
Datenerhebung für Trainer? Filmanalysesoftware: VIANA Analyse von Geschwindingkeit/ Beschleunigung möglich Wie funktioniert das Programm eine Demonstration 15
Datenerhebung für Trainer? 16
Biomechanische Prinzipien 1. Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges Je länger eine konstante Kraft auf eine Masse wirkt, desto höher ist die Endgeschwindigkeit. (Hochmuth, 1981) Beispiel Kugelstoßen: Stoßen aus dem Stand Angleittechnik Drehstoßtechnik 17
Biomechanische Prinzipien 1. Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges Je länger eine konstante Kraft auf eine Masse wirkt, desto höher ist die Endgeschwindigkeit. (Hochmuth, 1981) Beispiel Kugelstoßen: Stoßen aus dem Stand Angleittechnik Drehstoßtechnik 18
Biomechanische Prinzipien 1. Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges Je länger eine konstante Kraft auf eine Masse wirkt, desto höher ist die Endgeschwindigkeit. (Hochmuth, 1981) Beispiel Kugelstoßen: Stoßen aus dem Stand Angleittechnik Drehstoßtechnik 19
Biomechanische Prinzipien 1. Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges Je länger eine konstante Kraft auf eine Masse wirkt, desto höher ist die Endgeschwindigkeit. (Hochmuth, 1981) Beispiel Schwimmen: langer Beschleunigungsweg - Belastung auf dem hinteren Bein kurzer Beschleunigungsweg - Belastung auf dem vorderen Bein 20
Biomechanische Prinzipien 1. Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges Je länger eine konstante Kraft auf eine Masse wirkt, desto höher ist die Endgeschwindigkeit. (Hochmuth, 1981) langer Beschleunigungsweg - Belastung auf dem hinteren Bein Vorteile: - höhere horizontale Abfluggeschwindigkeit - höhere horizontale Geschwindigkeit bei 5m (Unterwasser) kurzer Beschleunigungsweg - Belastung auf dem vorderen Bein Vorteile: - kürzere Blockzeiten Als Grundlage dient die Veröffentlichung Front- or rear-weighted track start or grab start: Which is the best for female swimmers?, Welcher et al., Sports Biomechanics, 01/2008. 21
Biomechanische Prinzipien 2. Prinzip der Impulserhaltung Der Gesamtimpuls einer Drehbewegung entspricht dem Produkt aus Massenträgheitsmoment J und Winkelgeschwindigkeit ω. Dieses bleibt in der Bewegung konstant. Das heißt, es gilt: J 1 ω 1 = J 2 ω 2 Beispiel Pirouette im Eiskunstlauf Für das Massenträgheitsmoment gilt: J = m*r² (Masse * Radius²) Bei großer Trägheit ist die Winkelgeschwindigkeit klein, bei geringer Trägheit ist die Winkelgeschwindigkeit groß. 22
Biomechanische Prinzipien 2. Prinzip der Impulserhaltung Der Gesamtimpuls einer Drehbewegung bleibt konstant. Beispiel Schwimmen 23
Biomechanische Prinzipien 2. Prinzip der Impulserhaltung 24
Biomechanische Prinzipien 3. Prinzip der Anfangskraft Um in einer Bewegung eine möglichst hohe Endgeschwindigkeit zu erreichen, wird sie durch eine Gegenbewegung eingeleitet. Diese Gegenbewegung wird abgebremst, wodurch bereits eine positive Kraft für die Beschleunigung vorhanden ist. Bei einem flüssigen Bewegungsübergang und einem optimalen Verhältnis von Brems- und Beschleunigungsstoß wird der Beschleunigungsstoß dabei insgesamt größer. (Hochmuth, 1981) Beispiel Strecksprung 25
Biomechanische Prinzipien 3. Prinzip der Anfangskraft 26
Analyse eines Startsprunges Welche Rückmeldung gebt Ihr dem Schwimmer, um seine Startleistung zu verbessern? Parameter Start 1 Blockzeit (s) 0,96 Horizontales Kraftmax. (N) Abfluggeschwindigkeit (m/s) 562 4,37 27
Analyse eines Startsprunges Parameter Start 1 Start 2 Blockzeit (s): 0,96 0,88 horizontales Kraftmaximum (N): 562 593 hori. Abfluggeschwindigkeit (m/s): 4,37 4,46 28
Analyse eines Startsprunges Welche Rückmeldung gebt Ihr dem Schwimmer, um seine Startleistung zu verbessern? Parameter Start 1 Blockzeit (s) 0,74 Horizontales Kraftmax. (N) Abfluggeschwindigkeit (m/s) 635 3,98 29
Analyse eines Startsprunges Parameter Start 1 Start 2 Blockzeit (s): 0,74 0,76 horizontales Kraftmaximum (N): 635 707 hori. Abfluggeschwindigkeit (m/s): 3,98 4,61 30
Wie sieht die Zukunft aus? Der neue Startblock OSB11 Eine verlängerte Standfläche und eine zusätzliche verstellbare Fußstütze soll beim Schrittstart einen stärkeren Abdruck ermöglichen. Ab 2010 wird das neue Modell zugelassen. 31
Eine Vergleichsstudie Wie effektiv ist der neue Startblock bezüglich der Startleistung beim Schrittstart? Kann durch die Fußstütze eine höhere Abfluggeschwindigkeit erzielt werden? Sollte der Schrittstart gegenüber dem Parallelstart bevorzugt werden? 32
Eine Vergleichsstudie Standardblock OSB 11 Anstellwinkel: 5 Standfläche: 50 x 50cm Swiss Timing (2008) Anstellwinkel: 9 Standfläche: 74 x 50cm Zusätzliche variable Fußstütze 33
Eine Vergleichsstudie 7 männliche Schwimmer des Bundessonderstützpunktes Warendorf Schrittstarts auf beiden Blockvarianten Parallelstarts auf OSB11 zum Vergleich der Starttechniken auf dem neuen Block Pro Person: je 3 Starts OSB11 Schrittstart OSB11 Parallelstart Standardblock Schrittstart Reihenfolge randomisiert 34
Eine Vergleichsstudie Kennwerte 7,5m Zeit (t7,5) Kriterium für die Startleistung Blockzeit (BZ) Zeit vom Abfußen bis 7,5m (tdiff) horizontale Abfluggeschwindigkeit (v Abflug ) 35
- Ergebnisse - t7,5 BZ tdiff v Abflug Schrittstart Standardblock 2,63s 0,78s 1,85s 4,52m/s Schrittstart OSB 11 2,43s 0,74s 1,69s 4,71m/s Mittlerer Zeitgewinn von 0,2s auf 7,5m bzgl. des Standardblocks Verkürzung der Blockzeit um 0,04s Zeitgewinn nach dem Abfußen bis 7,5m von 0,16s Erhöhung der Abfluggeschwindigkeit um 0,19m/s Zweiseitige t-tests liefern signifikante Unterschiede mit mittleren bis starken Effekten 36
- Ergebnisse - t7,5 BZ tdiff v Abflug Schrittstart OSB 11 2,43s 0,74s 1,69s 4,71m/s Parallelstart OSB 11 2,54s 0,82s 1,72s 4,54m/s Zeitgewinn von 0,11s auf 7,5m im Vergleich zum Parallelstart Verkürzung der Blockzeit um 0,08s Zeitgewinn nach dem Abfußen bis 7,5m von 0,03s Erhöhung der Abfluggeschwindigkeit um 0,17m/s signifikante Unterschiede für t7.5, BZ und v Abflug mit mittleren bis starken Effekten 37
- Ergebnisse - Bei der getrennten Betrachtung der Sportler nach ihrer bevorzugten Starttechnik zeigt sich, dass die bisherigen Parallelstarter mit dem Schrittstart auf dem neuen Startblock gleiche Startleistungen erbringen. Da sie mit dem Schrittstart jedoch kürzere Blockzeiten und auch höhere Abfluggeschwindigkeiten erzielen, ist anzunehmen, dass sie diesen Zugewinn in der Eintauch- und Unterwasserphase wieder verlieren, wodurch sich die Startleistung nicht verbessert. Bei den bisherigen Schrittstartern ist auf dem neuen Startblock eine deutliche Steigerung zu sehen, die nicht nur auf die verkürzte Blockzeit und die höhere Abfluggeschwindigkeit, sondern auch auf ein effizientes Eintauchen zurück zu führen ist. 38
-Fazit- Auf dem neuen Startblock werden kürzere Blockzeiten und höhere Abfluggeschwindigkeiten erreicht. Schrittstarter konnten sich deutlich gegenüber dem Standardblock steigern. Aufgrund der 7,5m-Zeiten ist anzunehmen, dass der Zugewinn von den Parallelstartern nicht umgesetzt werden konnte. Sie erreichen dennoch gleiche Startleistungen. Die Umstellung zum Schrittstart beim Einsatz des neuen Startblocks ist sinnvoll. Das Eintauch- und Umlenkverhalten muss optimiert werden, um von den Vorteilen des neuen Startblocks profitieren zu können. 39
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und Euer Interesse. 40