Jodmangel in Deutschland Derzeitiger Stand, Versorgungsprobleme, Zielvorgaben, Handlungsbedarf

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Transkript:

PROPHYLAXE Jodmangel in Deutschland Derzeitiger Stand, Versorgungsprobleme, Zielvorgaben, Handlungsbedarf Arbeitskreis Jodmangel Obwohl die Jodversorgung in Deutschland heute deutlich besser ist als noch vor einem oder zwei Jahrzehnten, bestehen immer noch Defizite mit gravierenden Folgen für die individuellen Betroffenen wie für das Gesundheitswesen. Wo sollte zur weiteren Verbesserung der Situation angesetzt werden, und welche Maßnahmen versprechen Erfolg? Jod wird von der Schilddrüse für die Bildung von Schilddrüsenhormonen benötigt, die eine Vielzahl von Körperfunktionen beeinflussen (s. Tab. 1). Das Spurenelement muss deshalb kontinuierlich mit der Nahrung zugeführt werden. Fehlt es über längere Zeit, produziert die Schilddrüse zu wenig Hormone. Schwerwiegende gesundheitliche Störungen können die Folge sein (s. Tab. 2). Der Europäische Ernährungsbericht 4 bescheinigt Deutschland einen deutlichen Erfolg auf dem Weg zur Verbesserung der Jodversorgung, der in erster Linie durch die breite Verwendung von Jodsalz in der Nahrungskette erreicht wurde. Die mittlere Jodaufnahme der deutschen Bevölkerung bleibt jedoch in allen Altersgruppen weiterhin deutlich unter der Schilddrüsenhormone beeinflussen normales Wachstum und eine dem Alter entsprechende organische und geistige Entwicklung bei Feten, Kindern und Jugendlichen; steuern den Energie-/Grundumsatz und regulieren die Körpertemperatur; nehmen Einfluss auf den normalen Stoffwechsel von Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten; unterstützen die Abwehrleistung des Organismus; sind für Fruchtbarkeit von Mann und Frau von Bedeutung; tragen wesentlich zum normalen Schwangerschaftsverlauf bei. Tab. 1: Funktionen der Schilddrüsenhormone im Organismus. bedarfsgerechten Menge. Gemäß den WHO-Kriterien besteht in Deutschland derzeit immer noch ein Jodmangel Grad I. Dies ent- Jodmangel die Situation in Deutschland In Deutschland liegt wie fast im gesamten Mitteleuropa ein ernährungsbedingter Jodmangel vor, weil die Böden kein oder nur winzige Spuren von Jod enthalten. Somit enthalten auch die pflanzlichen Lebensmittel, die auf diesen Böden wachsen, kein Jod oder nur winzige Mengen. Jodreich sind lediglich Seefische und andere Meerestiere. Nach dem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Jodversorgung weltweit vom Dezember 4 sind 27% der 6- bis 12-Jährigen in Deutschland unzureichend mit Jod versorgt. Das entspricht etwa 1,3 Millionen Kindern. Etwa 33% der Erwerbstätigen haben auch heute noch krankhafte Schilddrüsenveränderungen im Sinne einer vergrößerten Schilddrüse und/oder Knoten (Ergebnisse der Papillon-Studie von 4). Folgen eines mehr oder weniger ausgeprägten Jodmangels Fetus Kinder/Jugendliche Erwachsene Schwangere/Stillende Senioren Störung der Gehirnreifung, Hördefekte Wachstumsdefizite angeborener Kropf Kropfbildung, Schilddrüsenunterfunktion Lern-, Merk- und Konzentrationsschwierigkeiten, irreversible intellektuelle Defizite Kropf und Folgeerscheinungen Müdigkeit, Antriebsschwäche, Leistungsminderung erhöhte Infektanfälligkeit, Kälteempfindlichkeit Haarausfall, trockene Haut depressive Störungen verminderte Fruchtbarkeit bei Mann und Frau erhöhtes Risiko für Fehl- und Totgeburten und für Komplikationen des Schwangerschaftsverlaufes erhöhtes Risiko für mütterliche und kindliche Schilddrüsenunterfunktion und Kropf knotige Veränderung der Schilddrüse: Risiko bösartiger Veränderungen (kalte Knoten); autonome Hyperthyreosen (heiße Knoten) mit Beschwerden wie Schlafstörungen, Nervosität, Gereiztheit, Gewichtsabnahme, hoher Blutdruck Notwendigkeit von Radiojodtherapie oder Schilddrüsenoperation Tab. 2: Wie kann sich Jodmangel in den unterschiedlichsten Lebensphasen äußern? 39

Verwendung von Jodsalz und Jodsalz mit Fluorid Anteile 5 Jodsalz + Jodsalz mit Fluorid 8,5% (4: 79,5%) Jodsalz mit Fluorid 66,9% (4: 63,1%) % 1 9 8 7 6 5 3 1 BERUF + POLITIK 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 199 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 1 2 3 4 5 Abb. 1: Entwicklung der Marktanteile von Jodsalz und Jodsalz mit Fluorid am gesamten Speisesalzabsatz in Haushaltsgebinden in Deutschland. spricht einer Jodaufnahme von 5 1 µg/tag. Folgen des Jodmangels Der Jodmangel in Deutschland belastet weiterhin nicht nur die Betroffenen, sondern auch das Gesundheitswesen ganz enorm: Jodmangelbedingte Schilddrüsenerkrankungen sind nach wie vor die häufigsten endokrinen Erkrankungen. Schilddrüsenerkrankungen als Folge des Jodmangels gehören zu den 15 häufigsten Diagnosen bei Allgemeinmedizinern und Internisten. 1% der Bevölkerung Deutschlands müssen Schilddrüsenmedikamente gegen Schilddrüsenerkrankungen einnehmen. Etwa 6. Bundesbürger müssen sich jährlich einer Radio-Jod-Therapie unterziehen. Etwa 1. Bundesbürger müssen jährlich an der Schilddrüse operiert werden. 6. Babys werden jährlich noch mit einer Schilddrüsenvergrößerung geboren. Diagnose und Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen erfordern in Deutschland jährliche Aufwendungen von etwa einer Milliarde Euro. Vorbeugung gegen Jodmangel Der naturbedingte Jodmangel in der Nahrung kann wie folgt ausgeglichen werden: durch regelmäßigen Verzehr von Seefisch und anderen Meerestieren sowie von Milch und Milchprodukten (Grundversorgung); durch Verwendung von Jodsalz in der gesamten Nahrungskette (Haushalt, Gemeinschaftsverpflegung, Lebensmittelwirtschaft); durch Einnahme von Jod in Tablettenform (bei erhöhtem Bedarf, für Risikogruppen u.a.). Einsatz von Jodsalz Jodsalz ist seit Jahren das am häufigsten verwendete Haushaltssalz in Deutschland. Erhebungen und Befragungen zufolge wird Jodsalz derzeit verwendet in etwa 85% der Privathaushalte (hier kommt entweder Jodsalz, Jodsalz mit Fluorid oder Jodsalz mit Fluorid + Folsäure zum Einsatz; rund 8% der verkauften Haushaltspackungen entfallen auf diese Salze; s. Abb.1); 7 8% der Gastronomiebetriebe (nur Jodsalz); 6 8% der Bäcker- und Fleischerbetriebe (nur Jodsalz); etwa 5% der Lebensmittelindustrieunternehmen (jedoch z.t. nur in einzelnen Produkten der Jodsalzanteil beträgt hier erst 35%). Jodsalz darf seit 1989 in allen Bereichen der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung, in der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie sowie in Privathaushalten verwendet werden. Darüber hinaus steht seit 1993 jodiertes Pökelsalz für die Wurst- und Fleischwarenherstellung zur Verfügung. Jodsalz sollte nach dem Motto eingesetzt werden: Wenn Salz dann Jodsalz. Am besten und schnellsten greifen die in die Wege geleiteten Jodpro- 391

phylaxemaßnahmen bei Kindern. Das belegen verschiedene regionale Studien in den alten wie neuen Bundesländern. Am deutlichsten kommen die Erfolge der Jodsalzprophylaxe in der Greifswalder Studie zum Ausdruck. Danach stieg die Jodausscheidung im Urin, die als Maßstab für die Jodzufuhr gilt, bei 11- bis 17-Jährigen von 47 µg/l im Jahr 1989 auf 1 µg/l im Jahr an. Gleichzeitig ging die Kropfhäufigkeit von rund 36% im Jahr 1991/92 auf ca. 9% im Jahr zurück. Bei den 6- bis 1-Jährigen fand sich nur noch bei 4% eine Schilddrüsenvergrößerung. Dies spricht für eine normale Jodversorgung in dieser Altersgruppe (s. Abb. 2). Ähnlich erfreuliche Ergebnisse liefern andere regionale Untersuchungen aus Berlin, Leipzig und Würzburg. Auch hier entsprechen die gemessenen Schilddrüsengrößen im Durchschnitt den empfohlenen Normen der Weltgesundheitsorganisation. Eine bundesweite Untersuchung bei etwa 3.1 6- bis 12-jährigen Schülern (Hampel, Rostock) ergab 1999, dass 73% der untersuchten Kinder gemäß den WHO-Vorgaben ausreichend mit Jod versorgt waren. % wiesen jedoch noch einen Jodmangel Grad I auf, weitere 7% schwere Joddefizite. Diese regionalen Ergebnisse sind zwar nicht repräsentativ für die Jodversorgung von allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland, sie machen aber deutlich, dass zumindest der jüngere Teil der Bevölkerung bereits von der verbesserten Jodversorgung profitiert (s. Tab. 3). Leider gibt es seit dem Jod-Monitoring 1996 keine bundesweiten und repräsentativen Untersuchungen zur Jodversorgung und Kropfhäufigkeit. Repräsentative Daten dürften voraussichtlich erst wieder in etwa zwei Jahren vorliegen, wenn eine bundesweite Studie des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland abgeschlossen ist. Im Rahmen dieser Studie werden über 11. Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 6 und 18 Jahren untersucht. Neben der Messung der Jodausscheidung werden dabei auch die Schilddrüsenhormone und die Größe der Schilddrüse durch Ultraschall bestimmt. Derzeitige Jodmangel- Risikogruppen Schwangere und Stillende Schwangere brauchen pro Tag 23 µg Jod, Stillende sogar 26 µg/tag. Viele Frauen erreichen diese Zufuhrempfehlungen nicht, folglich geht auch heute noch etwa ein Drittel der Schwangeren mit einem Kropf in die Schwangerschaft. Schwangere sollten deshalb zusätzlich Jod in Tablettenform aufnehmen. Durch die bessere Grundversorgung mit Jod über die Nahrung reichen heute im Regelfall 1( 15) µg Jod pro Tag. Die früher empfohlene ergänzende Zufuhr von µg Jod/Tag ist nur noch in Einzelfällen erforderlich. Jugendliche in der Pubertät, Singlehaushalte und Sportler Eine weitere Risikogruppe sind Jugendliche in der Pubertät, die ebenfalls einen erhöhten Jodbedarf haben. Auch Singlehaushalte, in denen Entwicklung von Jodversorgung und Kropfhäufigkeit µg/l Urin 1 Jodausscheidung % Kropfhäufigkeit 1 8 35 3 25 6 15 1 5 1989 1991/92 1995/96 1998 1991/92 1995/96 1998 Abb. 2: Anstieg der Jodausscheidung im Urin und Rückgang der vergrößerten Schilddrüsen bei 11- bis 17-Jährigen 1991 (Greifswalder Studie). 392

Erfolge der Jodprophylaxe bei verschiedenen Altersgruppen Altersgruppe Neugeborene Schulkinder 1 Erwachsene 2 (Erwerbstätige) derzeitiger Stand Rückgang der Häufigkeit des angeborenen Kropfes bei Neuge - borenen von gebietsweise bis zu 14 auf weniger als 1%. Doch bei ca. 1% der neugeborenen Kinder besteht noch ein Jodmangel mit verminderter Schilddrüsenhormonproduktion. Jodversorgung (gemessen an Jod-Harnausscheidung) im Mittel ausreichend, aber immer noch ein hoher Prozentsatz von Kindern, die einen Jodmangel Grad I (bis 47%) haben oder noch schwerere Joddefizite. Trotz verbesserter Jodversorgung hat noch etwa ein Drittel der Erwerbstätigen Veränderungen an der Schilddrüse (Kropf oder Knoten). Erwachsene sind somit noch am stärksten von den Folgen des Jodmangels betroffen. Handlungsbedarf Verbesserung der Jodversorgung vor allem bei Schwangeren und Stillenden notwendig Beibehaltung des erreichten Standes und weitere Verbesserung Nachhaltige Verbesserung der Jodversorgung auf breiter Basis notwendig 1 Ergebnisse regionaler Untersuchungen in Greifswald, Würzburg, Berlin, Erlangen und weiteren 138 Städten bundesweit 2 Ergebnisse der Papillon-Studie 4, Schilddrüsenultraschalluntersuchungen von über 96. Erwerbstätigen im Alter von 18 bis 65 Jahren Tab. 3: Was wurde bisher erreicht? Was ist noch zu tun? nicht regelmäßig gekocht, sondern überwiegend Fastfood konsumiert wird, zählen zu den Risikogruppen. Große Fastfood-Hersteller stehen der Jodsalzverwendung leider noch ablehnend gegenüber. Auch Freizeitund Leistungssportler, die mit dem Schweiß vermehrt Jod ausscheiden, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Vegetarier und Personen mit Speisesalzrestriktion Auch diese Personengruppen, insbesondere Veganer, sind stark jodmangelgefährdet und sollten das Joddefizit entweder mit jodhaltigen Kochsalzersatzmitteln oder Jodtabletten ausgleichen. Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status Epidemiologische Studien zum Zusammenhang von sozialer Lage und Gesundheitszustand ergaben, dass Personen mit niedrigerer Bildung, einem niedrigen beruflichen Status und/oder einem niedrigen Einkommen überproportional häufig einen beeinträchtigten Gesundheitszustand und eine geringere Lebenserwartung aufweisen als Personen mit höherem sozioökonomischen Status. Da dieser Zusammenhang auch für die Jodversorgung gilt, kann davon ausgegangen werden, dass Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status im Durchschnitt stärker vom Jodmangel betroffen sind als Personen mit höherem sozioökonomischen Status. Zielvorgaben Der Jodmangel ist ein naturbedingtes Phänomen und muss daher konsequent und nachhaltig ausgeglichen werden, um die Bevölkerung vor gesundheitlichen Folgen zu schützen. Als Mittel der Wahl empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation die Jodsalzprophylaxe, d.h. die bedarfsgerechte Anreicherung des Speisesalzes mit Jod. In Deutschland werden gegenwärtig etwa mg Jod pro kg Speisesalz zugesetzt. Jodsalz wird bereits in mehr als 5 Ländern der Welt zur Kropfvorbeugung eingesetzt. Jodsalz sollte der WHO zufolge konsequent und dauerhaft verwendet werden in mehr als 9% der Privathaushalte und allen Bereichen (mehr als 95%) der Lebensmittelherstellung und des Speisenangebots. In Deutschland wird ein Anteil von 7% angestrebt (gegenwärtig 35%). Ziel sollte sein, dass Jugendliche und Erwachsene täglich so viel Jod aufnehmen, dass die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) genannten Zufuhrempfehlungen für die verschiedenen Altersgruppen erreicht werden (s. Tab. 4 auf S. 396) und es zu keinen Vergrößerungen von Schilddrüsen mehr kommt. Handlungsbedarf zur Optimierung der Jodversorgung Die Nachhaltigkeit der Jodmangelprävention und die Realisierung der WHO-Kriterien für eine optimale Jodversorgung sind durch mehrgleisiges Vorgehen zu erreichen: 394

Empfohlene Jodzufuhr pro Tag nach Altersgruppen tägliche Altersgruppe Jodmenge µg Säuglinge 8 Kinder, 1 9 Jahre 1 1 Kinder, 1 12 Jahre 18 Jugendliche, 13 18 Jahre Erwachsene bis 5 Jahre Erwachsene über 5 Jahre 18 Schwangere 23 Stillende 26 Tab. 4: Wie viel Jod für wen? D.A.CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Erforderliche Maßnahmen auf EU-Ebene (ganzheitliche Lösung) Universelle Salzjodierung in Europa und einheitliche Festlegung der Jodierungshöhe auf mg/kg Salz (Ablösung einzelstaatlicher Maßnahmen und Sonderregelungen), dadurch auch Aufhebung der EU- Handelshemmnisse für Lebensmittel mit Jodsalz und breitere Verwendung von Jodsalz in der Lebensmittelindustrie. Verbot/Ausschluss einer Jod-Direktanreicherung von Lebensmitteln (z.b. Getreideprodukte, Süßwaren etc.) in der entsprechenden EU-Verordnung zum Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und anderen Stoffen zu Lebensmitteln. Erforderliche Maßnahmen in Deutschland Beibehaltung/Realisierung einer guten Jod-Grundversorgung über Lebensmittel: Seefisch, Milch und Milchprodukte sowie über Lebensmittel, die mit Jodsalz hergestellt sind (Brot, Wurst, Fleischwaren etc.). Stabilisierung und weiterer Ausbau der Jodsalzverwendung auf mehr als 9% in Privathaushalten, auf etwa 7% in der Lebensmittelindustrie und auf das Gesamtsortiment im Lebensmittelhandwerk (Bäcker, Fleischer). Gezielte Aufklärung und Beratung der Gesamtbevölkerung, insbesondere von Risikogruppen wie Schwangeren, Stillenden, Eltern von Kindern im Pubertätsalter, aber auch Abbau von Jod-Ängsten und Verunsicherungen, die gelegentlich ausgelöst werden. Änderung der derzeitigen rechtlichen Regelungen der Schwangeren-/Müttervorsorge; Gewährleistung der Verordnungsfähigkeit von Jodtabletten zu Prophylaxezwecken bei Schwangeren, Stillenden (Standard- Supplementation mit Jodtabletten: 1 ( 15) µg pro Tag). Durchführung einer Jod-Anamnese bei Schwangeren und Stillenden durch den Frauenarzt (Vermeidung einer Doppel- oder Mehrfachzufuhr mit Jod über verschiedene Zufuhrmöglichkeiten). Regelmäßiges (alle fünf Jahre) Jod-Monitoring (Erfassung der Jod-Harnausscheidung und Sonographie der Schilddrüse) zur Ermittlung des Jodversorgungszustandes. Aktuelle Empfehlungen zur Jodversorgung Die Empfehlungen für eine optimale Jodversorgung basieren auf vier Säulen: 1. Vollwertige Ernährung: Regelmäßiger Verzehr (2x/Woche) von Seefisch und anderen maritimen Produkten (aber: Warnung vor Algen- und Seetangprodukten). Täglicher Verzehr von Milch und Milchprodukten. 2. Ausschließliche Verwendung von Jodsalz bzw. Jodsalz mit Fluorid oder Jodsalz mit Fluorid + Folsäure im Haushalt. 3. Bewusster Einkauf von Lebensmitteln und Fertigprodukten mit Jodsalz: Bei Bäcker und Metzger nachfragen. Zutatenverzeichnis z.b. von Konserven, Tiefkühlware, Fertiggerichten beachten. Verpackte Ware muss deklariert sein, wenn sie Jodsalz enthält. 4. Einsatz von Jodtabletten: Bei Situationen mit erhöhtem Bedarf (Wachstum, Schwangerschaft, Stillzeit). Bei Verzicht auf Seefisch und/oder Milch- und Milchprodukte (Geschmacksgründe; Fisch-, Kuhmilch - allergie; Laktoseintoleranz; streng vegetarische Ernährung). Bei eingeschränkter Verfügbarkeit von Lebensmitteln und Speisen mit Jodsalz. Bei (streng) salzarmer Ernährung (Bluthochdruck; Nierenerkrankungen o.ä.). Weitere Hinweise online auf der Home page des Arbeitskreises Jodmangel, www.jodmangel.de Bitte lesen Sie zum Thema Jodversorgung bei Schwangeren den Beitrag auf S. 398 396