Arbeiten und an der Gesellschaft teilhaben Wege aus verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit

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Transkript:

Arbeiten und an der Gesellschaft teilhaben Wege aus verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit

Impressum März 2013 Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW), Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V. (bag arbeit), Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e. V. (EFAS), Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit e. V. (IDA) Redaktion: BAGFW Fachausschuss Arbeitsmarktpolitik und Grundsicherung Antje Helbig, Arbeiterwohlfahrt (AWO) Tina Hofmann, Der Paritätische Konzeption und Gestaltung: Bettina Neuhaus, BAGFW Mira Mattmüller, Rosendahl Berlin Bilder: Holger Groß, Bettina Neuhaus

Vorwort Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind erfreulich, erreichen jedoch eine sehr große Gruppe von Menschen nicht. Menschen, die etwa aufgrund mehrerer Vermittlungshemmnisse von verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, haben nur wenige Chancen auf eine Verbesserung ihrer Situation. Verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit bedeutet soziale Isolation. Folgeprobleme wie z. B. gesundheitliche Beeinträchtigungen oder dauerhaft prekäre Verhältnisse, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen, beeinträchtigen nicht nur die betroffenen Individuen und Familien, sie werden auch zu gesellschaftlichen Belastungen. Es liegt in der Verantwortung unserer Gesellschaft, die Würde der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen zu bewahren und zu stärken. Menschen brauchen Perspektiven und eine realistische Chance auf Arbeit. Nach langer Arbeitslosigkeit wieder in Arbeit zu kommen, bedeutet endlich wieder für sich selbst sorgen und unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen leben zu können. Arbeit zu haben bedeutet in dieser Gesellschaft viel mehr, als Geld zu verdienen. Sie verschafft Status, Lebenschancen und gesellschaftliche Teilhabe. Um für vom Arbeitsmarkt und der Gesellschaft dauerhaft ausgegrenzte Personen Möglichkeiten der Erwerbsarbeit zu schaffen, muss es einen Sozialen Arbeitsmarkt geben. Dafür sprechen sich die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände sowie die Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (IDA) im Deutschen Caritasverband, der Evangelische Fachverband für Arbeit und soziale Integration e. V. (EFAS) in der Diakonie Deutschland sowie in der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit (bag arbeit) bundesweit vertretenen Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen gemeinsam aus. Auf den folgenden Seiten erläutern wir Ihnen unser Konzept für einen Sozialen Arbeitsmarkt. Sprechen Sie uns gerne an, besuchen Sie unsere Einrichtungen und überzeugen Sie sich von der Richtigkeit unserer Vorschläge! Der Soziale Arbeitsmarkt schafft Chancen! Integration in Arbeit kann gelingen, soziale Isolation muss überwunden werden! Wolfgang Stadler Ein Sozialer Arbeitsmarkt schafft Chancen und überwindet soziale Isolation. Sein Ziel ist es, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren Wolfgang Stadler, Präsident der BAGFW Für die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und die Fachverbände

Warum benötigen wir einen Sozialen Arbeitsmarkt? Rund 1 Million Menschen weisen so viele Vermittlungsrisiken auf, dass sie ohne Förderung und Unterstützung chancenlos bleiben Trotz einer vergleichsweise guten Situation auf dem Arbeitsmarkt gibt es in Deutschland ein massives Problem verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit. Hunderttausende Menschen sind seit vielen Jahren von staatlichen Fürsorgeleistungen abhängig. Sie haben kaum eine realistische Chance, einen Arbeitsplatz zu erhalten und ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu verdienen. Es gibt rund 1 Mio. Menschen, die vier und mehr Vermittlungsrisiken (z. B. gesundheitliche Einschränkungen, geringe Qualifikationen, fehlende Kinderbetreuung oder schlechte Sprachkenntnisse) aufweisen. Am Arbeitsmarkt sind sie ohne Förderung und Unterstützung chancenlos. Anzahl der Risiken Anzahl der Personen (gerundet) % der Leistungsbezieher/ innen Vermittlungswahrscheinlichkeit in % (gerundet) 0 370 000 8 24 1 1 000 000 22 12 2 1 300 000 28 6 3 970 000 21 4 4 550 000 12 2 5 280 000 6 1 6 8 140 000 3 0 Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage der Arbeitsmarktdaten 2011 und einer Untersuchung des IAB (IAB Discussion Paper, 2/2011). Viele dieser Menschen können durch Qualifizierungen oder Sprachförderung an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Für weitere Personen können mit der passenden Kinderbetreuung entscheidende Vermittlungshemmnisse aus dem Weg geräumt werden. Aber für eine spezifische Gruppe von arbeitsmarktfernen Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen reicht das alleine nicht aus. Es gibt etwa 200.000 400.000 Personen (je nach Definition), die auf die besonderen Angebote eines Sozialen Arbeitsmarktes angewiesen sind, mit denen sie trotz aller Schwierigkeiten einen Zugang zur Erwerbsarbeit erhalten. Für diese Menschen werben wir für einen Sozialen Arbeitsmarkt. 4

Was ist ein Sozialer Arbeitsmarkt? Grundlegende Idee des Sozialen Arbeitsmarktes ist es, Einfacharbeitsplätze für arbeitsmarktferne Personen bei unterschiedlichen Arbeitgebern zu erschließen. Arbeitgeber erhalten einen Lohnkostenzuschuss als längerfristigen finanziellen Ausgleich für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit dieser Personen. Die Beschäftigungen werden mit individueller Begleitung (etwa sozialpädagogischer Begleitung, Qualifizierung) unterstützt. Arbeit im Sozialen Arbeitsmarkt beruht auf der Normalität der Erwerbsarbeit in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Langzeitarbeitslosen soll es nach unserer Überzeugung freistehen, das Teilhabeangebot des Sozialen Arbeitsmarktes für sich zu nutzen oder nicht (Freiwilligkeit). Was wird damit erreicht? Der Soziale Arbeitsmarkt schafft neue Lebensperspektiven. Langzeitarbeitslose Menschen, die bislang gesellschaftlich ausgegrenzt waren, erhalten über den Schlüssel Erwerbsintegration Möglichkeiten der sozialen Teilhabe. Sie machen die Erfahrung, dass sie durch ihre Leistung 5

Geld verdienen können und dass sie gebraucht werden. Sind sie alleinstehend, reicht das Erwerbseinkommen in der Regel sogar aus, um die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Mit der Einbindung ins Arbeitsleben vervielfältigen sich soziale Kontakte und die soziale Isolation schwindet. Mit der Erfahrung, für sich selbst und für andere sorgen zu können (z. B. die Miete selbst zahlen und mehr Freizeitaktivitäten mit den eigenen Kindern unternehmen können) wachsen Selbstsicherheit und Selbstachtung. In der Gesellschaft profitieren alle davon, wenn negative Folgeerscheinungen von Langzeitarbeitslosigkeit (wie z. B. wachsende Gesundheitskosten, gesteigerte Bildungsausgaben infolge sozialer Ausgrenzung) eingedämmt und der soziale Zusammenhalt gestärkt wird. Wie soll die Umsetzung gelingen? Der Soziale Arbeitsmarkt wird durch neue Förderbedingungen im SGB II und Regelungen im Bundeshaushalt ermöglicht. 1. Längerfristige Förderung für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anbieten Sozialer Arbeitsmarkt: Einfacharbeitsplätze für arbeitsmarktferne Personen bei unterschiedlichen Arbeitgebern Jobcenter bezuschussen Lohnkosten für die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zum Ausgleich von Leistungseinschränkungen arbeitsmarktferner Personen (Nachteilsausgleich). Die Höhe wird je nach Person individuell bestimmt und kann im Einzelfall auch die vollen Lohnkosten umfassen. Weil damit meist nicht kurzfristige Leistungseinbußen, sondern dauerhafte Leistungseinschränkungen kompensiert werden müssen, besteht die Möglichkeit, die Beschäftigung prinzipiell unbefristet zu fördern. Allerdings ist es zwingend notwendig, die Fördervoraussetzungen regelmäßig zu überprüfen, damit die Förderung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz gerecht wird und Entwicklungen im Zeitverlauf (z. B. Leistungssteigerungen) berücksichtigt werden. Nur so bleibt auch der Weg in eine ungeförderte Erwerbstätigkeit offen. 2. Arbeitsbedingungen anpassen Idealerweise wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sozialen Arbeitsmarkt eine flexible Wochenarbeitszeit zwischen 15 35 Stunden ermöglicht. So werden auch Langzeitarbeitslose, die nur eine 6

Teilzeitstelle ausfüllen können, in das Arbeitsleben integriert. Langzeitarbeitslose, die seit vielen Jahren dem Arbeitsmarkt entwöhnt sind, können häufig nicht ohne weitere unterstützende Angebote in Beschäftigung gebracht werden. Deshalb sind beispielsweise sozialpädagogische Betreuung, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, zur Qualifizierung oder zur Sprachförderung erforderlich. In einem Sozialen Arbeitsmarkt sollen sich alle Arbeitgeber (der privatgewerblichen Wirtschaft, der öffentlichen Hand oder gemeinnützigen Träger) engagieren. Hier findet Inklusion direkt im Arbeitsleben statt. Zur Beschäftigung langzeitarbeitsloser Personen sind indes auch Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen gemeinnütziger Organisationen geeignet. Sie verfügen über besondere Potenziale, nämlich über die Bereitwilligkeit und Voraussetzungen dafür, Arbeitsanforderungen und -abläufe der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse an die Leistungsfähigkeit arbeitsmarktferner Personen anzupassen, ohne daraus Scheintätigkeiten resultieren zu lassen. In einem Sozialen Arbeitsmarkt sollen sich alle Arbeitgeber engagieren. Hier findet Inklusion direkt im Arbeitsalltag statt 3. Zielgruppe genau definieren Gefördert werden sollen nur Menschen, die trotz vermittlerischer Unterstützung ohne eine solche Förderung nicht in Arbeit zu integrieren wären. Wir schlagen deshalb folgende gesetzlich festzulegende Zielgruppendefinition für den Sozialen Arbeitsmarkt vor: Zu fördern sind nur Personen, die mindestens zwei Jahre lang arbeitslos waren und mindestens zwei weitere persönliche Vermittlungshemmnisse aufweisen. Die Hemmnisse sollen nicht allein zugeschriebener Art sein, wie Alter, Geschlecht oder Herkunft, sondern zum Beispiel neben einem nicht vorhandenen Schuloder Berufsabschluss auch gesundheitliche und/oder soziale Einschränkungen umfassen. 4. Finanzierung sichern Ziel des Sozialen Arbeitsmarktes ist es, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Eine maßgebliche Finanzierungsgrundlage für den Sozialen Arbeitsmarkt ist der sog. Passiv-Aktiv-Transfer. Dabei werden Finanzmittel, die derzeit in der Grundsicherung ohnehin für den Lebensunterhalt von Langzeitarbeitslosen bereitgestellt werden, eingesetzt, um Beschäftigung zu finanzieren. Der Passiv-Aktiv-Transfer macht es erforderlich, neue Finanzierungsregelungen im Bundeshaushalt zu etablieren. 7

5. Die Förderung am Leitbild eines inklusiven Arbeitsmarktes orientieren und Umsetzung im lokalen Konsens absichern Nach unserem Verständnis muss die Förderung der am stärksten benachteiligten und ausgegrenzten Personen auf einem inklusiven, d. h. inmitten des so genannten allgemeinen Arbeitsmarktes erfolgen, nicht auf einem zweiten oder gar dritten Arbeitsmarkt. Arbeitsmarktferne Personen erhalten Zugang zu unterschiedlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen bei allen Arbeitgebern. Die Förderung unterliegt nicht den Kriterien der Zusätzlichkeit, des öffentlichen Interesses und der Wettbewerbsneutralität. Überall dort, wo Wirtschaftsunternehmen soziale Verantwortung übernehmen und bereit sind, arbeitsmarktferne Personen in ihre Arbeitsprozesse zu integrieren, sollte diese Chance ergriffen werden. Ebenfalls genutzt werden sollte das große Spektrum und Potenzial gemeinnütziger Organisationen und der Beschäftigungsund Qualifizierungsunternehmen. Es ist sinnvoll, den Umfang der Förderung, die Tätigkeitsfelder und die teilnehmenden Arbeitgeber im lokalen Konsens der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsakteure abzustimmen. Denn die Absicherung der Idee eines inklusiven Arbeitsmarktes, der Beschäftigungschancen auch für arbeitsmarktfernste Langzeitarbeitslose eröffnet, braucht einen starken gesellschaftlichen Konsens und handhabbare Umsetzungsbedingungen vor Ort. 8

Der lokale Beirat der Jobcenter ist der richtige Ort für die notwendige Konsensfindung unter der Voraussetzung, dass alle relevanten Arbeitsmarktakteure hierin vertreten sind. Welche Einwände gibt es? Ein inklusiver Arbeitsmarkt braucht einen gesellschaftlichen Konsens und handhabbare Umsetzungsbedingungen vor Ort In der Diskussion um einen Sozialen Arbeitsmarkt, werden immer wieder Einwände vorgebracht: Kommt es zu einer Besten-Auslese weil potenzielle Arbeitgeber wie auch die Jobcenter selbst ein Interesse daran haben könnten, dass die Leistungsstärksten unter den Langzeitarbeitslosen gefördert werden? Nein. Die aktuelle Förderpraxis der Jobcenter konzentriert sich (im Umfeld von Haushaltskürzungen und der Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente) auf Arbeitslose, die schnell wieder in Arbeit vermittelt werden können. Angesichts des großen Bestandes unversorgter arbeitsmarktfernster Personen wird in der Praxis vieler Jobcenter die dringende Notwendigkeit gesehen, gerade diesen Personen ein Förderangebot zu unterbreiten. Die oben vorgeschlagenen engen gesetzlichen Voraussetzungen für die Zielgruppenauswahl schützen vor dem sog. Creaming-Effekt. Ist der Soziale Arbeitsmarkt finanzierbar? Ja. Der Passiv-Aktiv-Transfer ermöglicht einen starken Selbstfinanzierungseffekt, d.h. die Kosten eines Sozialen Arbeitsmarktes sind zu einem erheblichen Anteil durch eine Umwidmung ohnehin verausgabter Mittel z. B. für den Lebensunterhalt gedeckt. Trotzdem wird ein Sozialer Arbeitsmarkt zusätzliche Steuermittel benötigen, um sozialpädagogische Begleitung und Qualifizierungsmaßnahmen zu finanzieren. Durch die positiven gesellschaftlichen Effekte ist dies jedoch eindeutig gerechtfertigt. 9

Kommt es zur Verdrängung regulärer Beschäftigung? Nein. Es ist nach aller Erfahrung nicht damit zu rechnen, dass Arbeitgeber ungeförderte Arbeitsplätze abbauen, um im Gegenzug arbeitsmarktfernste Arbeitslose mit Förderzuschuss einzustellen. Wäre das im Einzelfall gegeben, dann müsste der Arbeitgeber die Zuschüsse zurückzahlen! Besteht die Gefahr, dass Langzeitarbeitslose in geförderter Beschäftigung verbleiben, obwohl sie in ungeförderten Stellen des Arbeitsmarktes tätig werden könnten? Kaum, da das Jobcenter ein finanzielles Interesse daran hat, die Menschen möglichst in ungeförderte Beschäftigung zu vermitteln. Es bestimmt daher im Vorfeld möglichst exakt die Förderhöhe und überprüft diese regelmäßig. Grundsätzlich ist der finanzielle Nutzen für das Jobcenter, zuvor ausgegrenzte Langzeitarbeitslose mit einer Förderung wieder in Arbeit zu bringen, viel höher als das Risiko, in Einzelfällen überhöhte Fördersätze zu gewähren. Was ist zu tun? Die Entscheidung für die Einführung eines Sozialen Arbeitsmarktes muss politisch auf der Bundesebene fallen. Dafür ist die Zeit gekommen. Nach langjährigen Erfahrungen mit Programmen öffentlich geförderter Beschäftigung liegen genügend Erkenntnisse vor, um verantwortliche Entscheidungen für eine Regelförderung im SGB II und eine finanzielle Absicherung im Bundeshaushalt zu treffen. Modellansätze sind nicht länger nötig. Nach jahrelanger Experimentierphase und immer wieder neuen Förderinstrumenten sind wir es den betroffenen langzeitarbeitslosen Menschen schuldig, ihnen endlich eine verlässliche Chance auf Beschäftigung zu geben. 10

Kontakt Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) Oranienburger Straße 13 14, 10178 Berlin Tel. 030 / 2 40 89-0, info@bag-wohlfahrt.de, www.bagfw.de Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V. (bag arbeit) Brunnenstr. 181, D-10119 Berlin Tel. 030 / 28 30 58 0, info@bagarbeit.de, www.bagarbeit.de Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e. V. (EFAS) Gottfried-Keller-Str. 18c, 70435 Stuttgart Tel. 0711 / 2 73 01-171, info@efas-web.de, www.efas-web.de Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (IDA) Karlstr. 40, 79104 Freiburg Tel. 0761 / 200-0, info@caritas.de, www.ida.caritas.de