07.02 Straßenverkehrslärm an der Straßenrandbebauung (Ausgabe 1997)

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Transkript:

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie 07.02 Straßenverkehrslärm an der Straßenrandbebauung (Ausgabe 1997) Problemstellung In Berlin sind zur Zeit rund 1,28 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen, deren Nutzung nicht nur zu einer erheblichen Verlärmung des Straßenraumes führt, sondern darüber hinaus auch die Wohn- und Aufenthaltsqualität in den an den Hauptnetzstraßen gelegenen Gebäuden und auf den Grundstücken sowohl am Tage als auch in der Nacht nachhaltig vermindert. Besonders gravierend sind diese Auswirkungen bei Straßen mit Verkehrsmengen über 50.000 Kfz/24 Std. (z. B. Sachsendamm, Schöneberger Ufer, Frankfurter Allee, Grunerstraße und Seestraße). Diese Straßen umfassen zwar nur 1,7 % der Gesamtlänge des ca. 1.200 km langen übergeordneten Straßennetzes (Hauptnetz), übernehmen jedoch ca. 19 % aller Fahrleistungen. Durch technisch - konstruktive Veränderungen an den Fahrzeugen wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Pegelminderungen bei den Antriebsgeräuschen erzielt. Die nach EU-Recht zulässige Geräuschemission von Kraftfahrzeugen lag 1983 ungefähr 10 db über der heutigen Grenze, d. h. 10 Fahrzeuge aktueller Bauart sind - bezogen auf die Antriebsgeräusche - nicht lauter als ein Fahrzeug, das 1983 seine Zulassung erhielt. Trotzdem ist es insgesamt auf Berliner Straßen nicht leiser geworden. Ursache ist die erhebliche Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs aber auch die Tatsache, daß bei der Minderung der Reifen- / Fahrbahngeräusche kaum Fortschritte erzielt wurden. Die Einführung von Tempo 30-Zonen für 70 % aller Straßen erbrachte dort zwar eine tendenzielle Reduzierung der Verkehrslärmbelastung, in den Hauptverkehrsstraßen hat der Lärm jedoch zugenommen. Spürbare Entlastungen hat es auch an Abschnitten des Straßenbahnnetzes gegeben, wo die Gleiskörper rekonstruiert worden sind. Insgesamt stellt der Lärm des übergeordneten Straßennetzes - verglichen mit anderen Verursachern wie Eisenbahn- und Luftverkehr, Industrie und Gewerbe sowie Sport- und Freizeitlärm sowohl von seinem Ausmaß als auch von der Zahl der Betroffenen her die problematischste Belastung dar. Unter Lärm ist jede Art von Geräusch zu verstehen, das unerwünscht ist, stört oder belästigt und das physische, psychische und soziale Wohlbefinden beeinträchtigt. Je nach Dauer und Intensität der Einwirkung kann Lärm zu einer Vielzahl von Problemen führen. Dazu gehören u. a.: Verminderung der Konzentrationsfähigkeit, Störung der Kommunikation, Störung von Schlaf und Erholung, negative Beeinflussung des vegetativen Nervensystems (Bluthochdruck, Herz-Kreislauf- Beschwerden, Störungen der Verdauungsorgane), Beeinträchtigung bzw. Schädigung des Hörvermögens, Risikoerhöhung für Herz-/Kreislauferkrankungen. 1

Abb. 1: Schallpegel bestimmter Lärmquellen und ihre möglichen Wirkungen Lärm ist subjektiv bewerteter Schall und folglich abhängig von der jeweiligen Einstellung zum vorhandenen Geräusch, der augenblicklichen Befindlichkeit, der gerade ausgeübten Tätigkeit, der Höhe des gegenwärtigen Ruheanspruchs usw.. Schwer skalierbar ist auch die Lästigkeit eines Geräusches. Neben den vorgenannten subjektiven Parametern spielen u. a. auch eine Rolle: der Informationsgehalt des Geräusches, die Zeit des Auftretens, der zeitliche Verlauf, der frequenzmäßige Verlauf, Impuls- und Tonhaltigkeit, der Übertragungsweg, die spezifische Quelle. Physikalisch gesehen entsteht Schall durch schwingende Körper, d. h. durch Druckschwankungen innerhalb von elastischen Medien (Gase, Flüssigkeiten, feste Körper). Die Anregung von Druckschwankungen kann durch Schlag, Reibung oder strömende Gase (Prinzip aller Musikinstrumente) ausgelöst werden. Die entstandenen Druckschwankungen breiten sich im Umgebungsmedium Luft mit hoher Geschwindigkeit (330 m/s) aus und können bei ausreichender Intensität vom Ohr wahrgenommen werden, wenn die Zahl der Schwingungen pro Sekunde (gemessen in Hertz [Hz]) mehr als 16 und weniger als 20.000 beträgt. Der vom menschlichen Ohr wahrnehmbare Bereich der Druckschwankungen in der Luft (Schwingungsamplitude oder Lautstärke) liegt zwischen 20 µpa (Hörschwelle) und 200.000.000 µpa (Schmerzgrenze). Mikropascal (µpa) ist die Maßeinheit für den Druck. Zur Vermeidung des Umgang mit derartig großen Zahlen wurde ein logarithmischer Maßstab eingeführt, die sog. Dezibel (db) - Skala. Dabei entsprechen 20 µpa, also der Hörschwelle, 0 db und 200.000.000 µpa (Schmerzgrenze) 140 db. Die Dezibelskala, die den Schalldruckpegel beschreibt, ist damit keine absolute Maßeinheit, wie z. B. das Gramm oder das Meter, sondern sie gibt nur das Verhältnis zur Hörschwelle wieder, d. h. sie sagt aus, um wieviel ein bestimmtes Geräusch die Hörschwelle übersteigt. 2

Geräusche bestehen in der Regel aus einem Gemisch von hohen, mittleren und tiefen Frequenzanteilen. Das menschliche Ohr nimmt diese Frequenzanteile mit einer unterschiedlichen Empfindlichkeit wahr. Um diese Eigenschaften des Ohres nachzubilden, sind Meßgeräte mit Bewertungsfiltern ausgestattet. Das Bewertungsfilter A zeigt für die üblichen Umweltgeräusche die beste Übereinstimmung zwischen Ohr und Meßgerät. Die korrigierten Schalldruckpegel werden deshalb in db(a) angegeben. In unserer Umwelt vorhandene Geräusche, z. B. auch der Verkehrslärm, sind selten gleichförmig, sondern schwanken sowohl kurzzeitig als auch in ihrem Tages- und Wochengang (vgl. Karte Verkehrsmengen 07.01.). Zur Beurteilung und zum Vergleich von Geräuschen benutzt man deshalb zweckmäßigerweise einen Einzahlwert, der als Mittelwert des Schalldruckpegelverlaufes gebildet wird. Mit anderen Worten: ein innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes schwankendes Geräusch wird durch ein Dauergeräusch mit konstantem Pegel und gleicher Energie ersetzt. Der Mittelungspegel wird deshalb auch als (energie-) äquivalenter Dauerschallpegel bezeichnet. Der Mittelungspegel ist also nicht als arithmetisches Mittel zu verstehen, sondern entspricht physikalisch gesehen dem energetischen Mittel. Bei diesem Verfahren werden Lärmspitzen besonders berücksichtigt. Für Rechenoperationen mit Schalldruckpegeln gelten die Logarithmengesetze. So erhöht z. B. die Verdoppelung einer Zahl gleichlauter Schallquellen (Fahrzeuge) den Schalldruckpegel um 3 db (entspricht 10 log 2); eine Verdreifachung um 5 db (entspricht 10 log 3), eine Verzehnfachung um 10 db (10 log 10). Ein Geräusch mit einem um 10 db(a) höheren Pegel wird etwa doppelt so laut empfunden. In gleicher Weise wirken sich auch Vervielfachungen der Einwirkzeiten von Geräuschen innerhalb eines bestimmten Beurteilungszeitraumes (Tag bzw. Nacht) aus. Das heißt, eine Verlängerung der Geräuscheinwirkung, z. B. von 10 auf 20 Minuten oder von 2 auf 4 Stunden, erhöht den Mittelungspegel um 3 db. Eine Verkürzung der Einwirkungsdauer eines Geräusches von 600 auf 60 Minuten entspräche dann einer Pegelsenkung von 10 db. Im Vergleich mit Grenz- oder Richtwerten wird üblicherweise der sog. Beurteilungspegel angegeben. Dieser unterscheidet sich vom Mittelungs- bzw. äquivalenten Dauerschallpegel durch bestimmte Zuoder Abschläge, die die unterschiedliche Lästigkeit der Geräusche berücksichtigen. Bei Straßenverkehrslärm ist die erhöhte Lästigkeit der Brems- und Anfahrgeräusche im Bereich von Lichtsignalanlagen durch einen Zuschlag zu berücksichtigen. Der empirisch belegten geringeren Lästigkeit des Schienenverkehrslärms wird durch einen Abschlag, dem sog. Schienenbonus, entsprochen. Die gesetzlichen Regelungen für die Begrenzung der Straßenverkehrslärmimmission an bestehenden Straßen sind derzeit noch unbefriedigend. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) sowie die Verkehrswege- Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImSchV) gelten nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von Straßen- und Schienenwegen. Bestehende Verkehrslärmsituationen werden von diesen Vorschriften nicht reglementiert. Nach der 16. BImSchV gelten folgende Immissionsgrenzwerte: Tab. 1: Grenzwerte der 16. BImSchV (Verkehrslärmschutz - VO) 3

Bei vorhandenen Straßen und Stadtautobahnen in der Baulast des Bundes ergeben sich dagegen Lärmsanierungsmöglichkeiten nach den Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes-VLärmSchR 97 durch eine freiwillige Verpflichtung des Bundesministers für Verkehr. Lärmsanierung, insbesondere durch Schallschutzfenster, ist hiernach dann möglich, wenn der Beurteilungspegel einen der folgenden Richtwerte übersteigt: Tab. 2: Sanierungsrichtwerte für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes Die nach diesen Richtlinien möglichen Lärmsanierungsmaßnahmen sind in Berlin weitgehend umgesetzt. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Schallschutzmaßnahmen im Bereich des Straßenverkehrs auch über straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen nach 45 StVO möglich. Regelungen für diesen Sachverhalt sind in den Vorläufigen Richtlinien des Bundesministeriums für Verkehr für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm enthalten. Die Tag-/Nacht - Richtwerte liegen hiernach bei 70/60 db(a) für Wohngebiete und ähnlich schutzwürdige Einrichtungen sowie 75/65 db(a) für Kern-, Dorf-, Misch- und Gewerbegebiete. Datengrundlage Die in den Karten dargestellten Straßenverkehrslärmbelastungen basieren auf Zählergebnissen der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr im Straßenhauptnetz für das Jahr 1993. Die daraus resultierende durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) bildete die Grundlage für die Berechnung. Zu den Verkehrsmengen des Hauptnetzes siehe auch Karte 07.01. Die Verkehrsbelegung des Straßenbahnnetzes ergab sich aus den Fahrplänen sowie den üblichen Leerfahrten. Methode Die Berechnung der Lärmemissions- und -immissionsdaten wurde nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen - RLS 90 im Rahmen eines Gutachtens vorgenommen. In die Berechnung der Lärmbelastung gehen u. a. Fahrgeschwindigkeit, LKW-Anteil, Oberflächen und Beschaffenheit der Fahrbahnen (ein Fahrzeug verursacht auf einer Asphaltdecke ca. 5 db weniger Lärm als auf Kopfsteinpflaster), die Entfernungen zwischen Fahrbahn und Gebäuden (Entfernungsverdopplung bedeutet Pegelminderung um 3 db), Höhe und Art der Straßenrandbebauung (offene / geschlossene Bebauung) sowie Reflexionsbedingungen ein. Die Lärmbelastung durch den Straßenbahnverkehr wurde nach der Berechnungsvorschrift Schall 03 ermittelt. Entsprechend wurde bei der Bildung des Mittelungspegels ein Abschlag von 5 db(a) (Schienenbonus) berücksichtigt. Obwohl in ihren Beiträgen einzeln erfaßt, sind in der Karte Kfz- und Straßenbahnlärm als Gesamtbelastung dargestellt. Die Länge des gesamten Berliner Straßennetzes beträgt rund 5.200 km. Davon gehören 1.228 km, also etwa ein Viertel, zum übergeordneten Straßennetz. 4

1.150 km des Hauptnetzes (das entspricht 2.300 km Straßenseiten) wurden in rund 7.000 Straßenabschnitte aufgeteilt und die verkehrlichen und schalltechnisch relevanten Parameter aufgenommen. Für die bebauten Straßenabschnitte (insgesamt 1.800 km Straßenseiten) wurden die erhaltenen Ergebnisse in der Karte dargestellt. Für die Straßenabschnitte ohne Randbebauung wurde die Lärmimmission im Normabstand von 25 m berechnet, aber in der Karte nicht dargestellt, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Die zugrunde liegenden Daten (u. a. Kfz - Belegungen, LKW - Anteile, Nahverkehrspläne, Art und Zustand des Straßenbelages topographische und bauliche Angaben) sind zusammen mit allen akustischen Informationen in einer Datenbank abgelegt und über ein geographisches Informationssystem für eine breitgefächerte Nutzung abrufbar. Die Lärmkarte selber enthält dabei zwangsläufig nur einen Teil der vorhandenen Daten. So ist es z.b. bei dem Maßstab 1 : 50.000 nicht möglich, den Einfluß von Lichtsignalanlagen, der für die Bildung des Beurteilungspegels notwendig ist, korrekt darzustellen. Entsprechend RLS 90 wären bis zu einem Abstand von 100 m Zuschläge von 1 bis 3 db vorzusehen. Man erhält dann den Beurteilungspegel, für den die o. g. Richt- bzw. Grenzwerte gelten. In den übrigen Bereichen ist der Beurteilungspegel gleich dem dargestellten Mittelungspegel. Nicht berücksichtigt sind in der Karte auch Geräuschanteile von kreuzenden Nebenstraßen. Für konkrete Standorte, z. B. für Bau- oder Planungsvorhaben, lassen sich diese Korrekturen auch nachträglich anbringen. Detaillierte Auskünfte und Informationen können dazu im Referat V B der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie eingeholt werden. Diese Auskünfte sind jedoch entsprechend der Umweltgebührenordnung kostenpflichtig. Die in der Lärmkarte dargestellten Pegelklassen mit einer Klassenbreite von 5 db(a) geben die Lärmimmission in 3,5 m Höhe vor den vom Straßenverkehrslärm betroffenen Gebäudefassaden in einem für den jeweils betrachteten Straßenabschnitt repräsentativen Abstand zwischen Gebäudefassade und nächstgelegener Fahrspurachse wieder. Außerdem sind die Einerstellen der gerundeten Mittelungspegel neben den Straßenabschnitten als Ziffern dargestellt. In einigen Bereichen, in denen sich viele Straßenabschnitte konzentrieren, mußte aus Gründen der Übersichtlichkeit auf einige Ziffern verzichtet werden. Die Straßenverkehrslärmimmissionen der Karte beziehen sich auf den Tag (6 00-22 00 Uhr). Intern liegt auch eine Karte für den Nachtzeitraum vor. Die Pegel liegen etwa 10 db unter den Tageswerten, in einigen Fällen ist die Differenz aber auch deutlich geringer. Kartenbeschreibung Aus der vorliegenden Karte wird deutlich, daß der Verkehr der Hauptnetzstraßen eine sehr hohe Lärmbelastung verursacht. In Tabelle 3 sind für die einzelnen Pegelklassen die Längen der davon betroffenen bebauten Straßenseiten bzw. ihr prozentualer Anteil an der Gesamtlänge dargestellt. Am Tage treten Belastungen von 65 bis 70 db(a) am häufigsten auf: etwa 760 km, das sind 42 %, liegen in diesem Pegelbereich. Extreme Belastungen über 80 db(a) wurden für eine Abschnittslänge von 1 km (0,1 %) ermittelt. Legt man einen Wert von 65 db(a) zugrunde, der nach Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung als Schwelle für ein erhöhtes Herzinfarktrisiko angesehen werden kann (vgl. Ising et al. 1997), sind 1.270 km bebaute Straßenseiten, also 70 %, über Gebühr belastet. Für die Nacht ergibt sich folgende Situation: Der Schwerpunkt liegt im Pegelbereich 55 bis 60 db(a), nämlich 658 km bzw. ca. 36 %. Pegel über 75 db(a) treten nur vereinzelt auf. Mit über 55 db(a) sind 1.478 km, also ca. 82 %, belastet. 5

Tab. 3: Lärmimmissionen (Mittelungspegel) Tag und Nacht im übergeordneten Straßennetz nach km bebauter Straßenseite Hohe Straßenverkehrslärmbelastungen entstehen nicht allein durch hohe Verkehrsstärken, sondern z. B. auch durch enge Straßen mit beidseitig geschlossener Randbebauung. Eine erhebliche Pegelerhöhung (bis 5 db) bewirken gepflasterte oder stark beschädigte Fahrbahnoberflächen. In den östlichen Bezirken bestimmt zur Nachtzeit häufig die Straßenbahn den Pegel. Tabelle 4 gibt einen Überblick über besonders hoch belastete Straßenabschnitte. Tab. 4: Hochbelastete Berliner Straßenabschnitte (Im allgemeinen gelten die Pegelwerte nicht für die gesamte Straße, sondern nur für bestimmte Abschnitte.) Aus der Höhe des Mittelungspegels in einer Straße läßt sich noch nicht abschließend bewerten, ob es sich dabei um einen Lärmschwerpunkt für die Bevölkerung handelt. Zur Interpretation der Belastungsdaten ist die Zahl der betroffenen Anwohner bedeutsam. Auch für die Festlegung von LKW - Nachtfahrverboten, für die Auswahl von Umleitungsstrecken und Routen für den Schwerlastverkehr sowie für Prioritäten von Lärmminderungsmaßnahmen usw. ist eine Abwägung auf der Basis der Zahl direkt betroffener Anwohner unverzichtbar. Aus diesem Grunde wurde für jeden der schalltechnisch untersuchten Straßenabschnitte die Zahl der direkt vom Straßenverkehrslärm betroffenen Anwohner - unter Berücksichtigung einer bestimmten Aufenthaltswahrscheinlichkeit in den zur Straße gelegenen Räumen - abgeschätzt. Diese Betroffenenpotentiale im Nahbereich der untersuchten Straßen sind in Tabelle 5 für die einzelnen Pegelklassen zusammengefaßt. 6

Tab. 5: Betroffenenpotentiale in den Gebäuden des übergeordneten Straßennetzes (Betroffene im 1 ½-fachen des mittleren Bebauungsabstands, der Basis für die Berechnung der Lärmimmissionen für die einzelnen Straßenabschnitte gewesen ist) Geht man bei der Interpretation dieser Tabelle wiederum von der Grenze von 65 db(a) tags für ein erhöhtes Herzinfarktrisiko aus, so zeigt sich, daß 70 % der betroffenen Anwohner, das sind etwa 168.000, zu stark belastet sind. Etwa 24.500 Anwohner, also 10 %, sind sogar nachts mit Pegeln über 65 db(a) belastet. Hier besteht vorrangig Handlungsbedarf. Um dieser Gefährdung zu begegnen, wären Pegelminderungen bis zu 15 db(a) erforderlich. Eine solche Entlastung kann - wenn überhaupt - nur langfristig erreicht werden. Zwar läßt die technische Entwicklung noch eine Verringerung des Antriebs- und des Rollgeräusches erwarten, das wird sich wegen der hohen Lebensdauer der Kraftfahrzeuge aber auch wegen der begrenzten finanziellen Mittel für eine Rekonstruktion und Modernisierung der Straßenbeläge erst in fernerer Zukunft bemerkbar machen. Eine radikale Verringerung des Kfz-Verkehrs - die Halbierung führt zu einer Pegelminderung von 3 db(a) - ist nicht zu erwarten. Maßnahmen wie Geschwindigkeitsreduzierung, Nachtfahrverbote für LKW, Benutzervorteile für lärmarme LKW, Verbesserung des ÖPNV-Angebots, Förderung der Attraktivität des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs können insgesamt zu einer Lärmentlastung beitragen. Die Effekte sind jedoch vergleichsweise gering und z. T. kaum quantifizierbar. Zum Schutz der Gesundheit betroffener Anwohner in hochbelasteten Straßen empfiehlt es sich darüberhinaus, den Einbau von Fenstern mit hoher Schalldämmung (ggf. mit integriertem Lüftungselement) zu forcieren. Das ist auch Aufgabe der Eigentümer und Vermieter von Wohnungen. Literatur [1] Ising, H., Babisch, W., Günther, T., Kruppa, B. 1997: Risikoerhöhung für Herzinfarkt durch chronischen Lärmstreß, Zeitschr. f. Lärmbekämpfung Bd. 44 (1997) S. 1. [2] IVU (Gesellschaft für Informatik, Verkehrs- und Umweltplanung GmbH) und ACCON Berlin 1997: Verkehrslärmkarte Berlin, Berechnungsgrundlagen, Methodik, Ergebnisse, Gutachten im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie V, März 1997, Berlin. [3] Umweltbundesamt (Hrsg.) 1993: Umweltdaten kurzgefaßt, Berlin. 7

Gesetze und Verordnungen [4] Der Bundesminister für Verkehr 1990: Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen RLS-90, Allg. Rundschreiben Straßenbau Nr. 8/1990, Bonn. [5] Der Bundesminister für Verkehr 1997: Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes VLärmSchR 97, Allg. Rundschreiben Straßenbau Nr. 26/1997, Bonn. [6] Verkehrslärmschutzverordnung vom 12.6.90, 16. VO zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes, BGBL 1990 Teil I S. 1036. [7] Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung vom 4.2.97, 24. VO zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, BGBL 1997 Teil I S. 172. [8] Vorläufige Richtlinien des Bundesministeriums für Verkehr für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien StVO). Karten [9] SenStadtUmTech (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie) (Hrsg.) 1995: Umweltatlas Berlin, aktualisierte und erweiterte Ausgabe 1995, Karte 07.01 Verkehrsmengen, 1 : 50 000, Berlin. 8