Grundlagen der Sprachdidaktik * WS 2004/05 1 Grundlagen der Sprachdidaktik Teil 01: Das Konzept des integrativen Sprachunterrichts Integration Die innere Systematik der Fächer ist aus der Geschichte der Wissenschaften entstanden. Diese Systematik entspringt keiner naturgegebenen Logik, sondern den Besonderheiten der Wissenschaftsgeschichte. Man spricht hier auch von einem selbstorganisierenden Prozess der Geschichte. Diese Fachsystematik hat z.b. mit der Untergliederung in die Lernbereiche Eingang in die Sprachdidaktik gefunden: Mündliche Kommunikation Textproduktion Umgang mit Texten Reflexion über Sprache Rechtschreiben Lernbereiche in den Richtlinien und Lehrplänen, Beispiel: 5./6. Schuljahr Aufgabenschwerpunkt Sich mit anderen verständigen, auf sie einwirken und eine eigene Position beziehen etwas sachbezogen darstellen sich mitteilen und sich ausdrücken kreativ mit Sprache umgehen Mündliche Kommunikation und Textproduktion Anforderungen Kontakte herstellen Gesprächsregeln entwickeln und beachten über Konflikte in der Klasse sprechen und Lösungen erwägen seine Meinung äußern und im Gespräch mit der anderer vergleichen im Gespräch einen Sachverhalt erschließen und in Stichworten festhalten Gesprächsbeiträge anderer Teilnehmer wiedergeben einen einfachen Vorgang bzw. einen Gegenstand, einen Weg mündlich und schriftlich beschreiben eigene Erlebnisse erzählen und für andere aufschreiben einen persönlichen Brief schreiben Wünsche, Gefühle, Empfindungen äußern eine Geschichte spannend erzählen nach Vorgaben Geschichten und Szenen erfinden Spielszenen gestalten und aufführen mit Sprache spielen
Grundlagen der Sprachdidaktik * WS 2004/05 2 standardisierte Textformen und Gesprächssituationen beherrschen orthographisch richtig schreiben Texte lesen sich auf Texte einlassen und sich mit Texten auseinandersetzen Texte untersuchen Kommunikationssituationen des Schulalltags mündlich beherrschen (z.b. sich vorstellen, sich entschuldigen, nachfragen) Beschriften von Briefumschlägen, Heften, Verfassen einer Einladung, Abfassung einer Postkarte und eines privaten Briefes den Rechtschreibwortschatz sichern und wortbezogene Regeln erarbeiten satzbezogene Regelungen erarbeiten Selbständigkeit im Rechtschreiben erwerben Textproduktion (Umgang mit Texten) Texte flüssig und sinnerfassend lesen Texte unter Nutzung optischer Gliederungshilfen und Markierungen flüssig und deutlich vorlesen audiovisuelle Texte bewusst wahrnehmen Texten Informationen entnehmen Leseanregungen aufgreifen und weitergeben das eigene Textverstehen darlegen Textaussagen auf eigene Erfahrungen und Vorstellungen beziehen unterschiedliche Texte zu einem Thema lesen sich mit Jugendbüchern auseinandersetzen Texte durch unterschiedliche Verfahren erschließen (z.b. Lesehilfen, Worterklärungen, Umschreibungen u.a.) Aufbau und Gliederung von Büchern untersuchen gemeinsame Merkmale und Verwendungszwecke von Texten finden grundlegende Merkmale von Gedichten, Märchen, Sagen, Fabeln erschließen in visuell und auditiv vermittelten Texten Bild-, Ton- und Textebene unterschieden und ihren Zusammenhang untersuchen Texte produktiv verwenden literarische Texte gestaltend vortragen Texte sammeln, collagieren und montieren Texte nachgestalten bzw. umformen mit Texten und Textmustern spielerisch umgehen Über Bedingungen und Konsequenzen sprachlichen Handelns nachdenken Einsichten in verschiedene Aspekte des Zeichensystems Sprache gewinnen Reflexion über Sprache bei der Untersuchung sprachlicher Äußerungen die beteiligten Personen und die Situation berücksichtigen einfache Sprachhandlungen in verschiedenen Formen identifizieren (z.b. verschiedene Möglichkeiten, Fragen oder Wünsche zum Ausdruck zu bringen) Wirkungen der eigenen Sprachhandlungen bedenken, z.b. um niemanden zu verletzen zwischen sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichen sowie zwischen gesprochener und geschriebener Sprache unterscheiden und die Unterschiede reflektieren Gliederungsmöglichkeiten des Wortschatzes kennen lernen (Wortfeld, Wortfamilie, Synonymie etc.)
Grundlagen der Sprachdidaktik * WS 2004/05 3 sprachliche Formen in ihren Funktionen untersuchen operationale Verfahren bei der Untersuchung sprachlicher Formen nutzen die beschreibenden Fachausdrücke aus der Grundschule aufnehmen, festigen und dabei die lateinische Terminologie verwenden weitere Wortarten (bestimmter und unbestimmter Artikel, Personal- und Possessivpronomen) sowie Flexionsformen und ihre Funktion im Satz kennen lernen den Zusammenhang von Zeitstufen und Tempusformen untersuchen (Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur u. ihre Konjugationsformen) Satzglieder (Subjekt, Prädikat, Objekt) ermitteln die Verschiebeprobe zur Ermittlung von Satzgliedern und zur Veränderung der Reihenfolge von Satzgliedern im Satz anwenden die Weglassprobe zur Bestimmung notwendiger Satzglieder einsetzen die Ersatzprobe anwenden, um einzelne Satzglieder u. Teile von Satzgliedern durch andere auszutauschen durch die Umformungsprobe die Bauform eines Satzes verändern durch die Erweiterungsprobe Satzglieder und Sätze durch ergänzende Elemente erweitern Hieraus folgt zweierlei: Die Vermittlung von Wissen, wie es in der Systematik der Fächer organisiert ist, muss ein Lernziel sein, da dies nun einmal die Form des gesellschaftlichen Wissens ist. Einen Ausgangspunkt für schulische Lernprozesse wird diese Struktur allerdings nur bedingt sein (z.b. im sog. wissenschaftspropädeutischen Arbeiten). Schulische Lernprozesse sollten von solchen Sachverhalten ausgehen, für die die Lernenden kognitive und motivationale Anknüpfungspunkte haben, zumindest sollten solche Anknüpfungspunkte vermittelbar sein. Das zu vermittelnde Wissen sollte hier integriert werden Thematische Integration Thematischen Schwerpunkt Sprache und Literatur nicht in isolierten Formübungen Formen und Funktionen in inhaltlichen Zusammenhängen untersuchen Lebensweltlicher Bezug Ein Thema - mehrere Lernbereiche
Grundlagen der Sprachdidaktik * WS 2004/05 4 Funktionaler Bezug Die wichtigste Voraussetzung für die thematische Integration ist, dass der funktionale Bezug insbesondere sprachlicher aber auch literarischer Formen aufgezeigt wird. Nur dann entsteht ein überzeugender Zusammenhang zwischen dem Thema - das sich kognitiv und motivational immer leichter erschließt - und dem sprachlich-literarischen Aspekt. Z.B. im Bereich der Grammatik muss damit eine Antwort auf die Frage gegeben werden: Was leisten die grammatischen Phänomene für die Kommunikation sowie das Verstehen und Formulieren von Texten? Operationale Einführung nicht statisches (deklaratives) Wissen (Begriffsbestimmungen, Regeln) sondern Verfahren, mit denen Begriffe und Regeln erarbeitet werden Insbesondere grammatische Begriffe werden nicht über fertige Definitionen eingeführt, sondern über grammatische Operationen (Proben): Ersatzprobe Erweiterungsprobe Frageprobe Verschiebeprobe Weglassprobe Orthographisch Sachverhalte, die grammatisch fundiert sind: Konstantschreibung Groß-/Kleinschreibung
Grundlagen der Sprachdidaktik * WS 2004/05 5 Getrennt-/Zusammenschreibung Interpunktion Operationen können auch in der Textarbeit angewandt werden Verbesserung von Texten Überprüfung der Wirkung von Texten Die gezeigten Proben führen nicht 'automatisch' zu 'richtige Lösungen'. Sie setzen immer einen kompetenten Sprecher voraus, der schon können muss, was er wissen will. Sie sind deshalb für den Einsatz im Zweitsprachunterricht nur bedingt geeignet. Diese vermeintliche Schwäche ist zugleich die Stärke der operationalen Einführung: Die Lernenden gelangen unter Einsatz der eigenen Kompetenz zu Lösungen und Einsichten. Arbeitsformen größere Unterrichtsvorhaben, nicht Abarbeitung kleinschrittiger Aufgaben fächerübergreifende Arbeit alternative Arbeitsformen, die in kürzerer Zeit und mit geringerem Planungsaufwand zu bewältigen sind (systematische Übung) Die Abfolge der Lernschritte kann mit dem Begriff des induktiven Arbeitens bezeichnet werden. Hier sollen die Lerner aus der Analyse vorliegender Fälle selbst Regeln erarbeiten. In einem deduktiven Vorgehen würde dagegen zunächst eine Regel vermittelt werden, die dann anschließend auf einzelne Fälle angewandt wird. So könnte ein Ablauf der Lernschritte aussehen: Hinführung Materialsammlung Sichtung Systematisierung / Regelsuche Veröffentlichung Übung und Festigung Differenzierung individuelles Lerntempo individuellen Lernstil Muster führen dazu, dass ein großer Teil der Lernenden in seinen Entwicklungsmöglichkeiten benachteiligt wird Einige Differenzierungsmöglichkeiten: bei dem Schwierigkeitsgrad der Aufgaben (kognitive Komplexität, Vertrautheit / kognitive Anschließbarkeit).
Grundlagen der Sprachdidaktik * WS 2004/05 6 bei der zeitlichen Länge, bei dem Ausmaß der Selbststeuerung (Verhältnis zwischen induktiventdeckendem und deduktiv-übendem Lernen), bei dem thematischen Rahmen, bei der Sozialform des Lernens (Einzel- oder Gruppenarbeit),... Neue Medien sowohl Arbeitsmedium als auch Lerngegenstand Schreiben und Rechtschreiben Umgang mit Texten Sprachreflexion (Mündliche Kommunikation) Gefahr des Selbstzwecks