Eckpunkte für ein Bundesgleichstellungsgesetz für behinderte Menschen der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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Transkript:

Eckpunkte für ein Bundesgleichstellungsgesetz für behinderte Menschen der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN erarbeitet vom rechtspolitischen Sprecher MdB Volker Beck 1. Begriffsbestimmungen a) Definition von Behinderung Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden heißt es in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Im Gleichstellungsgesetz für Behinderte muss definiert werden, was unter Behinderung und was unter Benachteiligung (hierzu b) zu verstehen ist. Behinderung muss so definiert werden, dass der gesellschaftliche Bezug deutlich wird ( behindert ist man nicht, behindert wird man ). Wir schlagen daher die Übernahme der Formulierung im Entwurf des Forums behinderter Juristinnen und Juristen vor: (1) Behinderung ist die Beeinträchtigung im Alltag aufgrund einer Schädigung. (2) Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, 1. wenn wegen der Schädigung die Anforderungen der natürlichen und sozialen Umwelt bei der Teilhabe am Leben der Gemeinschaft oder bei der selbstbestimmten Lebensgestaltung nicht oder nur eingeschränkt erfüllt werden können (Aktivitätseinschränkung) oder 2. bei einer Maßnahme, Struktur oder Verhaltensweise anderer, die geeignet ist, wegen einer Schädigung die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft oder bei der selbstbestimmten Lebensgestaltung zu erschweren, einzuschränken oder zu verhindern (Partizipationseinschränkung). (3) Schädigung ist die nicht nur vorübergehende Einschränkung einer körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten. b) Definition des Begriffs der Benachteiligung Definiert werden muss auch, was eine Benachteiligung im Sinne des Gesetzes ist. In Anlehnung an die Definition des Forums behinderter Juristinnen und Juristen schlagen wir hierzu folgende Definition vor: Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit Behinderung in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit, der gleichen Teilhabe am Leben der Gemeinschaft oder in ihrer selbstbestimmten Lebensführung durch einen Träger öffentlicher Gewalt unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden, ohne dass hierfür zwingende Gründe vorliegen.

c) Definition von Barrierefreiheit Das Prinzip der Barrierefreiheit muss in vielen einzelnen Gesetzen verankert werden (hierzu Punkte 3, 4 und 5). Es ist deshalb sinnvoll, eine allgemeine Definition von Barrierefreiheit einzuführen, die dann in den einzelnen Gesetzen Anwendung finden kann. Wir schließen uns auch hier dem Vorschlag des Forums behinderter Juristinnen und Juristen an: Barrierefreiheit ist die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der gestalteten Lebensbereiche für alle Menschen ohne Benachteiligung, ohne generelle Zugangsbeschränkungen für einzelne Personengruppen und unabhängig von einer Behinderung. Der Zugang und die Nutzung müssen auch für Menschen mit Behinderung selbstbestimmt, unabhängig, in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe erfolgen können, soweit dies nicht technisch unmöglich ist. Betroffene und ihre Organisationen müssen in Fragen der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Barrierefreiheit einbezogen werden. 2. Förderung der Gleichstellung Die Behörden des Bundes, sowie die Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts werden durch das Gleichstellungsgesetz für Behinderte im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs verpflichtet a.) die Benachteiligung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zu beseitigen und zu verhindern, sowie b.) das Recht behinderter Menschen zur gleichberechtigten Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu gewährleisten und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. 3. Verkehr a) Pflicht zum Einsatz behindertengerechter Fahrzeuge im öffentlichen Personenverkehr Die Betreiber des öffentlichen Personenverkehrs (Nah- und Fernverkehr) müssen gesetzlich verpflichtet werden, nur noch (ex nunc) barrierefrei zugängliche Verkehrsmittel einzusetzen. Die Technik hierzu ist seit langem vorhanden. Insbesondere die Deutsche Bahn AG weigert sich nach wie vor, fahrzeuggebundene Einstiegshilfen vorzusehen. Die Verpflichtung soll nur für Fahrzeuge gelten, die künftig angeschafft werden. Eine Umrüstung bereits vorhandener Fahrzeuge soll weiterhin freiwillig sein. Die Verpflichtung kann im Schwerbehindertengesetz (künftig: SGB IX), im Personenbeförderungsgesetz, im Allgemeinen Eisenbahngesetz und in anderen Gesetzen verankert werden.

b) Barrierefreie Verkehrsinfrastruktur für den öffentlichen Personenverkehr Der Grundsatz der Barrierefreiheit muss auch für die Verkehrsinfrastruktur (Bahnhöfe, Haltestellen, Fahrscheinautomaten und -verkaufsstellen etc.) gelten. Insbesondere im Allgemeinen Eisenbahngesetz kann der Bund eine Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung der Eisenbahninfrastruktur vorschreiben. Auch dies soll nur für künftige Neubauten oder wesentliche Umgestaltungen gelten. Zugleich soll klargestellt werden, dass auf Barrierefreiheit verzichtet werden kann, wenn diese nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand hergestellt werden kann, wobei dann immer noch diejenige technische Lösung zu wählen ist, die dem Grundsatz der Barrierefreiheit möglichst nahe kommt. c) Barrierefreie Gestaltung der Bundesfernstraßen Im Bundesfernstraßengesetz (dieses gilt für Autobahnen und Bundesstraßen) muss der Grundsatz der Barrierefreiheit der Bundesfernstraßen (betrifft dann z.b. auch Übergänge in Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen oder die Tank- und Rastanlagen an Autobahnen) verankert werden. Auch dies gilt nur für künftige Neubauten oder wesentliche Umgestaltungen und sollte seine Grenze im technisch möglichen finden. 4. Barrierefreie Gebäude a) Pflicht zur barrierefreien Gestaltung öffentlich zugänglicher Räume (Gaststätten, Verkaufsstätten etc.) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Baurecht ist eingeschränkt, insbesondere besteht keine Gesetzgebungsbefugnis im Bauordnungsrecht. Der Bund muss aber im Gaststättengesetz verankern, dass Gaststättenkonzessionen nur vergeben werden, wenn die Räume, in der die Gaststätte betrieben wird, barrierefrei sind. Für bestehende Betriebe kann ein Bestandsschutz vorgesehen werden und unzumutbare Aufwendungen für eine barrierefreie Gestaltung sollen nicht verlangt werden. Das gleiche wird durch Änderung der Gewerbeordnung auch für Verkaufsstätten vorgesehen. b) Zuschüsse für den (sozialen) Wohnungsbau nur, wenn ein festzulegender Prozentsatz von Wohnungen barrierefrei gebaut wird Der Bund fördert den sozialen Wohnungsbau mit. In einigen Bundesländern ist bereits vorgesehen, dass in Häusern mit mehr als drei Wohnungen mindestens die Wohnungen eines Stockwerks barrierefrei sein müssen. Die Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau werden deshalb daran gebunden, dass dies zukünftig auch bei öffentlich gefördertem Wohnraum der Fall ist.

5. Bildung/Ausbildung a) Verankerung des Grundsatzes der Barrierefreiheit im Hochschulrahmengesetz Im Hochschulrahmengesetz müssen die Hochschulen verpflichtet werden, die besonderen Belange behinderter Studierender zu berücksichtigen und sicher zu stellen, dass diese in ihrem Studium nicht benachteiligt werden. Demnach haben die Hochschulen zukünftig ihre Lehrveranstaltungen, sowie alle Studien- und Prüfungsleistungen behinderten Studierenden in einer Form anzubieten, dass sie von diesen weitestgehend ohne fremde Hilfen genutzt werden können. Hierbei können neben einer stufenweisen barrierefreien Umgestaltung der Hochschulen besonders auch die neuen Technologien für seh- und hörgeschädigte Menschen verstärkt zum Einsatz kommen und flexible Lösungen, wie zum Beispiel die Verlegung von Veranstaltung in barrierefreie Räume für Gehbehinderte gewählt werden, wenn dies nötig ist. b) Verpflichtung der Ausbildungsstellen zur behindertengerechten Ausbildung Auch im Berufsbildungsgesetz muss der Grundsatz der barrierefreien Ausbildungsangebote aufgenommen werden und es behinderten Menschen auf diese Weise erleichtert werden, ihre Ausbildung gleichberechtigt vor Ort zu absolvieren. 6. Gleichstellung behinderter Frauen und Männer Im Rahmen des Bundesgleichstellungsgesetzes für Behinderte muss sichergestellt werden, dass die Benachteiligungen behinderter Frauen gegenüber behinderten Männern abgebaut werden. Die besonderen Bedürfnisse behinderter Frauen müssen bei allen Maßnahmen der Träger der öffentlichen Gewalt durch die Verankerung eines Frauenförderungsgrundsatzes berücksichtigt und bei Erhebungen und Berichten geschlechtsdifferenziert berücksichtigt und dargestellt werden. Zudem soll durch die Verwendung einer geschlechtsneutralen Sprache bei der Gesetzesformulierung sichergestellt werden, dass behinderte Frauen nicht benachteiligt werden. In Gremien, die im Zusammenhang mit der Umsetzung oder Weiterentwicklung des Bundesgleichstellungsgesetzes für Behinderte geschaffen werden, sind behinderte Frauen paritätisch zu berücksichtigen. 7. Zivilrechtliche Benachteiligungsverbote a) Verbot der Diskriminierung im Rechtsverkehr In das Bürgerliche Gesetzbuch werden Verbote der Diskriminierung im Rechtsverkehr eingefügt. Insbesondere darf der Abschluss eines Vertrages bei Massengeschäften des täglichen Lebens nicht wegen einer Behinderung des Vertragspartners verweigert werden. Die Ausübung von Rechten ist unzulässig, wenn hierdurch behinderte Menschen diskriminiert würden.

b) Unwirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die behinderte Menschen benachteiligt werden Im Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) werden die bestehenden Klauselverbote erweitert. Danach sind Klauseln in AGB unwirksam, durch die behinderte Menschen wegen der Behinderung benachteiligt werden. c) Schadensersatz-, Schmerzensgeld- und Unterlassungsansprüche bei Diskriminierungen In den einzelnen Gesetzen werden Ansprüche auf Schadensersatz und auf Ersatz des immateriellen Schadens (Schmerzensgeld) bei Verstößen gegen die Diskriminierungsverbote sowie auf Unterlassung künftiger Diskriminierungen verankert. 8. Gleichberechtigung am Arbeitsplatz Durch die Erweiterung des bereits in 611a BGB existierenden Diskriminierungsverbots zugunsten von Frauen auf den Personenkreis der Behinderten wird dem Misstand Rechnung getragen, dass es zur Zeit keine Vorschrift gibt, die es Arbeitgebern verbietet, behinderte Menschen bei der Einstellung oder Beförderung aufgrund einer Behinderung zu benachteiligen. So muss analog zum Diskriminierungsverbot für Frauen sicher gestellt werden, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder Kündigung, nicht wegen einer Behinderung benachteiligen darf. 9. Gebärdensprache, Kommunikation und Information Die Deutsche Gebärdensprache wird als eigenständige Sprache anerkannt und die Verwendung lautsprachbegleitender Gebärden wird als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt. Dadurch haben gehörlose und hörbehinderte Menschen ein Recht mit Behörden und Gerichten in Gebärdensprache oder mit Hilfe lautsprachbegleitender Gebärden mit Behörden und Gerichten zu kommunizieren. In den Verwaltungs- und Gerichtsverfahrensgesetzen wird daher die Möglichkeit für hörgeschädigte Menschen verankert, in der Gebärdensprache zu kommunizieren. Die Anbieter von Telekommunikationseinrichtungen werden verpflichtet, diese durch geeignete Dienstleistungen auch für Gehörlose gleichberechtigt nutzbar zu machen. Um die Zugänglichkeit von Büchern, Zeitschriften und Broschüren für blinde und sehbehinderte Menschen in einer für sie wahrnehmbaren Form sicher zu stellen, wird im Urheberrecht verankert, dass eine zustimmungsfreie Vervielfältigung und Verbreitung von urheberrechtsgeschützten Werken ermöglicht wird, wenn das Werk in ein Medium übertragen wird, das Blinden und Sehbehinderten deren

Wahrnehmung gleichberechtigt ermöglicht. Bei der Entwicklung zukünftiger Publikationstechnologien, wie z.b. beim elektronischen Buch oder im Internet soll von vorne herein sicher gestellt werden, dass Formate gewählt werden, die für alle Menschen barrierefrei nutzbar sind und ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu Informationen gewähren. 10. Durchsetzungsinstrumente a) Beschwerdestelle und Berichtspflicht Um Befürchtungen einer Prozessflut entgegen zu wirken und eine Anlaufstelle für behinderte Menschen, die von Benachteiligungen betroffen sind und für Einrichtungen, die sich über ihre Pflichten im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes informieren wollen, zu schaffen, wird beim Büro des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange Behinderter eine Informations- und Beschwerdestelle zur Gleichstellung Behinderter eingerichtet. Diese prüft eingehende Diskriminierungsfälle, informiert über die rechtlichen Rahmenbedingungen und erstellt einen Bericht zur Gleichstellung Behinderter, der von der Bundesregierung mindestens einmal pro Legislaturperiode dem Deutschen Bundestag vorgestellt wird. In einer geschlechtsdifferenzierten Darstellung wird das Parlament mittels dieses Berichtes über die Erfahrungen mit dem Gleichstellungsgesetz für Behinderte und über weitere notwendige Maßnahmen zum Abbau von Benachteiligungen informiert b) Verbandsklagerecht gegen Benachteiligungen Bei Verstößen gegen Vorschriften, die Benachteiligungen verbieten, sollen auch Organisationen und Verbände von behinderten Menschen notfalls gerichtlich dagegen vorgehen können. c) Beweiserleichterungen für den Nachweis von Diskriminierungen Im Gesetz wird eine Beweiserleichterung verankert. Wenn im Streitfall Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die eine Benachteiligung aufgrund einer Behinderung vermuten lassen, muss die Gegenseite beweisen, dass keine Benachteiligung vorliegt. Onlinedokument erstellt von Webmaster für die Web-Site von NETZWERK ARTIKEL 3 e.v., Berlin, 15.10.2000