Europäische Prävalenzerhebung der Mangelernährung Ergebnisse für Deutschland

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Transkript:

Europäische Prävalenzerhebung der Mangelernährung Ergebnisse für Deutschland Sven Reuther, MScN Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik Lehrstuhl Epidemiologie-Pflegewissenschaft Institut für Pflegewissenschaft

Hintergrund Ursprung: Niederlande Seit 1998 landesweite Erhebungen von Pflegephänomenen in Krankenhäusern, Altenheimen, ambulante Pflegedienste (LPZ): Mangelernährung Dekubitus Inkontinenz Sturz Fixierung Intertrigo Ziel: Erfassung des: - Vorkommens (Prävalenz) - Prävention - Intervention - Qualitätsindikatoren

Ergebnisse für Deutschland Deutschland: Pilotstudie November 2008 nach Überarbeitung: Erhebung April 2009 Nur Altenheime Nur Mangelernährung - Vorkommen (Prävalenz) - Prävention - Intervention - Erfassung von Qualitätsindikatoren Erhebungsinstrument: zu Bewohnern zum Wohnbereich zur Einrichtung Jedes Heim erhält eigene Ergebnisse und die landesweiten Ergebnisse zum Vergleich, Aprilerhebung: Auf Wunsch Beratung der Ergebnisse MDS: Wertet Teilnahme als Bemühen um externe Qualitätsentwicklung

Ergebnisse Pilot- u. Aprilerhebung Allgemeine demografische Daten Teilnehmer BewohnerInnen 4778 Durchschnittsalter Durchschnittliche Verweildauer 65 Altenpflegeeinrichtungen aus ganz Deutschland 78 % Frauen, 22 % Männer 82 Jahre 2,2 Jahre Pflegeabhängigkeit nach PAS (15 Items) 9,7% Völlig selbständig 14,5% Überwiegend selbständig 20,4 % Beschränkt pflegeabhängig 27,1 % Überwiegend pflegeabhängig 28,2 % Völlig pflegeabhängig

Krankheitsdiagnosen der BewohnerInnen (Auswahl Mehrfachantworten möglich) Piloterhebung 2008 und Aprilerhebung Ohne Risiko Risiko Wahrsch. Mangeler n Zusa mmen Krebs 7% 7,6% 9,4% 7,8% Erkrankungen des Bewegungsapparates 41,6% 44,1% 46,6% 43,6% Demenz 44,6 % 59,4 60,9 % 53 % Schlaganfall / Hemiparese 19,1 % % 17,3 % 18,1 % 18,3 Diabetes mellitus 33,3 % 22,4 % 20,4 % % 26,8 % Gesamt 100 % (2195) 100 % (1336) 100 % (1247) 100% (4778)

Die Erfassung des Ernährungszustandes Indikatoren Gesamt = 4778 (100%) I. Weniger gegessen Über drei Tage nicht oder kaum gegessen Über eine Woche weniger gegessen als normal II. Gewichtsverluste über 6 kg in den vergangenen 6 Monaten <5% innerhalb von 3 bis 6 Monaten 5% - 10% innerhalb von 3 bis 6 Monaten >10% innerhalb von 3 bis 6 Monaten 3 % 4,7 % 12 % 6,4 % 6,1 % 3,4 % III. BMI > 25 20 25 < 20 46,1 % 39,8% 14,1%

Piloterhebung: Ergebnisse

Prävalenz der Mangelernährung/ Risiko Ernährungssituation nach LPZ Nov.08 April 09 Wahrscheinlich mangelernährt (BMI < 20 ODER BMI <25 und 3 Tage kaum gegessen oder eine Woche zu wenig ODER unbeabs. Gewichtsabnahme in 6 Monaten 6 kg oder in 1 Monat 3 kg Risiko für eine Mangelernährung (inkl. Ma +) (BMI 20 bis < 25 ODER 3 Tage kaum gegessen ODER eine Woche zu wenig) Ernährungssituation nach MUST Screening (BMI, unbeabs. Gewichtsverlust,schwere akute Krankheit) 26 % 27 % 53 % 55 % Nov. 08 April 09 Wahrscheinlich mangelernährt 11 % 11 % Risiko für eine Mangelernährung 12 % 13 % Fachlicher Blick mangelernährt 13% 13%

Gründe für zu geringe Nahrungsaufnahme In % Ursache 59 % Appetitlosigkeit 19 % Akute Erkrankung 28 % Probleme beim Schlucken 15 % Schmerz 12 % Übelkeit 21 % Probleme beim Kauen

Grad der Pflegeabhängigkeit bei wahrscheinlicher Mangelernährung

Wie wird in den Einrichtungen der Ernährungs-zustand erfasst?

Erfassung des Ernährungszustandes durch die Einrichtungen Fachlicher Blick der Pflegenden Normalgewichtig 65,8 % Übergewichtig 21,2 % Mangelernährt 13 % Gesamt 100 % Häufigkeit der In % Gewichtserfassung monatlich 78,8 % wöchentlich 13,6 % wenn sich der Zustand ändert 4,5 % unbekannt 3,0 % Gesamt 100,0%

Chance auf Mangelernährung/ Risiko Indikator Risiko auf Mangelernährung Wahrscheinliche Mangelernährung OR 95% KI OR 95% KI Demenz 1,7 1,412-2,072 1,5 1,354 1,761 Probleme beim Schlucken 1,1 0,916 1,486 2,3 1899 2,999 Unterstützung beim Essen und Trinken 1,6 1,478-1,926 2,1 1,465-2,495 Alter > 80 1,5 1,384-1,830 1,6 1,389-1,850

Qualitätsindikatoren Wohnbereich Qualitätsindikatoren Wohnbereich n=250 Anzahl der Wohnbereiche In % Ernährungszustand bei Einzug erfasst 245 98 % Risiko für Mangelernährung wird dokumentiert 247 98 % Bei Risiko protein- und kohlenhydratreiche Kost 247 98 % Einhaltung der Richtlinien wird überwacht 219 87,6 Monodisziplinäre Fallbesprechung (Piloterhebung) 92 80,7 % Multidisziplinäre Fallbesprechung 180 71,6 % PflegeexpertIn für Mangelernährung vorhanden 33 16,5 % Informationsbroschüre vorhanden 16 6,4% % Umgebungsfaktoren bei Mahlzeiten berücksichtigt 246 94,8 %

Fazit Mangelernährung und seine Risiken sind großes Problem in der stationären Altenpflege Risiko für Mangelernährung wird unterschätzt Indikatoren können nur Hinweise angeben, Validität muss vorsichtig interpretiert werden Abklärung durch die Einrichtungen Formale Qualitätskriterien sind vorhanden, Umsetzung schwierig Standard. Erfassungsinstrumente finden nur in jeder zweiten Einrichtung Verwendung (Umsetzungsproblematik!) Offensiver Umgang mit den Ergebnissen wäre zu wünschen Mangelernährung: Zusammenspiel mehrer Risikofaktoren