Stand: 16.01.2014 Festrede des Inspekteurs der Marine Vizeadmiral Axel Schimpf beim Nautischen Essen des Nautischen Vereins Stralsund Global Commons Perspektiven maritimer Sicherheit am 31. Januar 2014 im Hotel Baltic, Stralsund Es gilt das gesprochene Wort Sperrfrist: 31.01.2014 Sprechzeit: ca. 30
<Anrede>, Vorweg möchte ich Ihnen, lieber Herr Kapitän Kabiersch, herzlich für die Einladung zu diesem Nautischen Essen danken. Als Freund maritimer Gespräche bin ich dieser sehr gerne gefolgt und freue mich, mit Ihnen gemeinsam den Blick seewärts zu richten und einige Gedanken zur maritimen Dimension unserer Sicherheit und zur Deutschen Marine mit Ihnen zu teilen. Bei einem Anlass wie diesem liegt es mir immer besonders am Herzen, die Gemeinsamkeiten zwischen ziviler und militärischer Seefahrt und unsere gemeinsamen Aufgaben hervor zu heben. Denn das, was die Stralsunder Kapitäne, Schiffbaumeister und andere an der Schifffahrt interessierte Bürger schon bei der Gründung des Nautischen Vereins Stralsund im Jahre 1868 bewegte, gilt auch heute noch unverändert: Die wirksame Wahr- 1
nehmung und Förderung aller maritimen Angelegenheiten lässt sich nur durch eine enge Zusammenarbeit möglichst vieler Persönlichkeiten, Organisationen und Institutionen aus den verschiedenen Bereichen der Schifffahrt, des Schiffsbaus, der Hafenwirtschaft und der maritimen Sicherheit erreichen. Schließlich ist die See unsere gemeinsame Domäne, unser gemeinsames Interesse, unser gemeinsames Erbe aber auch unsere gemeinsame Zukunft! Hier an der Küste, insbesondere in den Hansestädten Mecklenburg-Vorpommerns, ist den Menschen die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von einem funktionierenden Welthandel über See seit jeher bewusst. Sie wissen aus eigenem Erleben: Immer wenn der freie Austausch von Waren, Rohstoffen, Menschen und Ideen über die Meere ungehindert möglich war, stand es gut um Ihre Städte. Das lässt 2
sich noch heute an den prächtigen historischen Altstädten der Hansestädte Stralsund, Rostock und Wismar deutlich erkennen. Doch nicht überall in unserem immer noch recht kontinental geprägten Land ist dieses Bewusstsein so ausgeprägt wie hier. Dabei herrscht inzwischen allgemein Einigkeit darüber, dass das Meer Länder, Menschen und Märkte nicht trennt, sondern verbindet. Denn nirgends, meine Damen, meine Herren, wird die Wirkung der Globalisierung des 21. Jahrhunderts so deutlich, wie auf den Weltmeeren, die man getrost als die Hauptschlagadern des Welthandels bezeichnen kann. Täglich werden auf einer Vielzahl von Schifffahrtsrouten rund 23 Millionen Tonnen Güter transportiert. Dadurch gelangt 90% von so ziemlich allem, was die Bevölkerung auf dieser Welt kauft und konsumiert über See an den Verbraucher. 3
Gerade für einen exportorientierten Industriestaat wie Deutschland, stellt der weltweite Güteraustausch über die See das Rückgrat unserer Wirtschaft und damit unseres Wohlstandes dar. Sichtbar wird dies immer wieder an einem ganz einfachen Bild: noch vor wenigen Jahren wurde bei den abendlichen Nachrichten ein Bild von den Industrieanlagen im Ruhrgebiet gezeigt, wenn die Konjunkturdaten verlesen wurden. Heute sind Hafenanlagen mit Containerschiffen als plakatives und für jeden verständliches Zeichen dafür zu sehen, dass eigene Konjunktur und Export über den Seeweg eng miteinander verzahnt sind! Doch das Meer dient nicht nur als Transportweg für Rohstoffe und Waren. Es beherbergt zunehmend auch kritische Infrastrukturen für die Energieversorgung wie Pipelines, Öl- oder Gasplattformen sowie Windparks. Oder denken wir an das Internet: Alle reden von der Cloud und assoziieren damit eher 4
Luft, Weltraum, Satelliten, aber kaum einem ist bewusst, dass 95% des Datenverkehrs im Internet durch Glasfaserkabel auf dem Meeresgrund übertragen wird. Und, wir wissen auch, dass der Meeresboden als Quelle der Rohstoffförderung zunehmend an Bedeutung gewinnt, weil neue Technologien den Zugang und damit die Förderung von Ressourcen in immer größeren Wassertiefen ermöglichen. (Tiefseebergbau) Im englischen Sprachraum wird die Hohe See treffend als Teil der Global Commons, der allgemein zugänglichen Räume, der Räume in gemeinsamem Besitz bezeichnet. Das sind alle Bereiche, zu denen potenziell jedermann Zugang und innerhalb derer jeder Handlungsfreiheit nach geltendem internationalem Recht hat. 5
Grundsätzlich zählen dazu neben der Hohen See (den maritime commons ) der internationale Luftraum, der Weltraum und der (virtuelle) Cyberraum. Die essentielle Bedeutung aller dieser Räume für die gesamte Weltwirtschaft (und die Sicherheit) wird besonders deutlich, wenn man sich die enorme Dynamik und die komplexen Zusammenhänge des internationalen Systems vor Augen führt: Die globalen Handelsströme von Rohstoffen und Waren, die über die Weltmeere oder durch den Luftraum bewegt werden, sind eng verknüpft mit den Informations-, Daten- und Geldströmen im virtuellen Raum, dem Cyberspace. Die Waren werden über das Internet bestellt, bezahlt und bereits weiterverkauft, während Sie noch auf dem Containerschiff unterwegs sind. Die just in time Logistik ist perfektioniert aber auch anfällig und verwundbar. 6
(Beispiel: Manipulation Strichcode/ Container in falsche Häfen Auswirkung Cyberangriff ) Im Weltraum wiederum befinden sich die Satelliten, auf die sich nicht nur die Schifffahrt verlässt, sei es zur Navigation, zur Kommunikation oder zur Wetterprognose. All das greift ineinander. Daher schafft die Handlungsfreiheit innerhalb dieser Räume, den Global Commons insgesamt und auf dem Meer im Besonderen erst die wesentliche Voraussetzung für die internationalen Ströme von Handel, Finanzen, Menschen und Ideen und ist damit letztendlich auch von vitalem Interesse für unsere Sicherheit. Mit anderen Worten: Die Globalisierung, unser gesamtes Weltwirtschaftssystem und damit unser Wohlstand und der aller anderen Industriestaaten basieren ganz entscheidend auf dem für alle freien 7
Zugang zum Meer und der ungehinderten und friedlichen Nutzung des Meeres. So bedarf es für die Global Commons, in diesem Fall die Maritime commons eines Ordnungsrahmens, eines gemeinsamen Verständnisses mit Blick auf die Nutzung und mit Blick auf Regelwerke, die sich aus dem internationalen Recht ergeben. Und, wir brauchen auch Instrumentarien, um Regeln durchzusetzen und Regelverstöße zu ahnden. Manchmal muss man für freie, friedliche Zugänge zu bzw. für die friedliche Nutzung von diesen Commons auch kämpfen können, und, das meine ich natürlich nicht ausschließlich im militärischen Sinn. Aber, gerade für die Maritime Commons bietet die Marine ein breites Handlungsspektrum an, von Diplomatie bis Kampf. Dabei können wir nur Teil größerer, gemeinsamer Ansätze sein, aber wir haben durchaus Alleinstellungsmerkmale, auf die zurückgegriffen werden kann. 8
Die umrissene strategische Bedeutung des Meeres, insbesondere der Hohen See als Teil der Global Commons, ist auch der Grund, warum der freie und ungehinderte Welthandel sowie der freie Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen unmissverständlich als nationales Sicherheitsinteresse Deutschlands in den Verteidigungspolitischen Richtlinien (2011) festgeschrieben sind. Die Bewertung einer gestiegenen Bedeutung der See für die internationale Sicherheit setzt sich auch in der sogenannten Strategic Community insgesamt weiter durch. Daher hat auch die NATO 2011 eine spezifisch Maritime Sicherheitsstrategie veröffentlicht und passt diese gerade jetzt erneut an. Und konsequenter Weise arbeitet auch die EU derzeit an einer eigenen Maritimen Sicherheitsstrategie. Die Sicherheit im maritimen Umfeld wird durch eine Vielzahl von Risiken beeinträchtigt. Mit Blick auf ma- 9
ritime Handelsströme und sichere Seewege ist die Bedrohung durch Piraterie sicherlich das prominenteste Beispiel. Aber natürlich gibt es auch andere Sicherheitsrisiken wie regionale Konflikte und Krisen um Gebietsansprüche und Zugänge zu wichtigen Rohstoffen, aus denen sich regionale Instabilitäten ergeben können. Und, auch internationaler Terrorismus, Drogen-, Waffen- bzw. Menschenschmuggel in Verbindung mit organisierter Kriminalität oder Proliferation können Auswirkungen auf die maritime Sicherheit und damit auch negative wirtschaftliche Folgen haben. Das konkrete Gefahrenpotential reicht dabei von Handwaffen im Bereich der maritimen Kriminalität bis hin zu militärischen Waffen mit hoher Zerstörungskraft wie z.b. Minen (einfach und billig), Uboote und Flugkörper, also Mittel aus dem gesamten Spektrum des klassischen militärischen Bedrohungspotentials. 10
Dazu kommt, dass die maritimen Räume, durch die sich maritime Handelsströme bewegen (die maritime Wertschöpfungskette ), sehr komplex und vor allem über die ganze Welt verteilt sind. Denn Seewege verlaufen nicht nur auf der Hohen See. Auch Hoheitsgewässer, Küstenmeere, Anschlusszonen, Ausschließliche Wirtschaftszonen, Meerengen, Wasserstraßen und Häfen sind zu betrachten. In all diesen unterschiedlichen Bereichen gelten jeweils andere rechtliche Regelungen und überall sind verschiedene Akteure, Institutionen und Organisationen mit jeweils eigenen Interessen und auch Zuständigkeiten anzutreffen. (So sind z.b. allein in unseren Territorialgewässern die Verantwortlichkeiten für Maritime Sicherheit auf fünf Ministerien und auf 30 Behörden aus fünf Bundesländern verteilt.) Allein diese Vielfalt macht die Komplexität maritimer Räume deutlich und unterstreicht, dass die Sicher- 11
heit im maritimen Umfeld ganzheitlich und überregional besser ausgedrückt: global betrachtet werden muss. Wenn man im Sinne einer Risikovorsorge den möglichen Bedrohungen präventiv begegnen möchte, muss man wissen, von welchen Akteuren in welcher Region welche Bedrohung ausgeht. Und man muss um die Zusammenhänge in der Region wissen: Welche tieferen Ursachen haben die Bedrohungen, wer verfolgt welche Interessen und warum? Mit anderen Worten: Ein übergreifendes Lagebild ist eine zwingende Voraussetzung, um die umfassende Sicherheit in der breiten Vielfalt an maritimen Räumen zu gewährleisten. Maritime Domain Awareness, oder auch Maritime Situational Awareness ist daher seit vielen Jahren ein zentrales Thema, welches angesichts kurzfristi- 12
ger Lageentwicklungen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ähnlich wie bei der Unterscheidung von Safety und Security, drückt der englische Begriff Awareness meines Erachtens wesentlich besser aus, worauf es dabei eigentlich ankommt. Es geht nämlich nicht allein um das Wissen um die Räume, sondern vor allem um das Bewusstsein für die Situation, für die Bedrohung und für die Zusammenhänge in den maritimen Räumen. Dabei muss auch klar sein, dass das maritime nicht am Strand endet. Denn Akteure und Ereignisse an Land oder an den Schnittstellen können ebenso Auswirkungen auf das maritime Umfeld haben, wie umgekehrt. Diese Verflechtungen und Wechselwirkungen machen auch deutlich, dass in unserem Verständnis von vernetzter Sicherheit ein Denken in rein maritimen Dimensionen ebenso zu kurz greift 13
wie ein Denken in rein militärischen Kategorien. Multinationale und ressortübergreifende Kooperation und Partnerschaft sind unabdingbar. Wie beschrieben, sind die Maritime Commons und die Handelsströme global. Somit ist auch der Raum, in dem die Bundesrepublik Deutschland von maritimer Sicherheit abhängig ist, global. In der Deutschen Bucht, wie auch in der Ostsee habe ich überhaupt keine Sorgen. Das Lagebild ist nahezu komplett und die Deutsche Marine unterstützt wo sie kann (und darf). Aber, wenn wir uns den Indischen Ozean, das Mittelemeer, oder, ganz aktuell den Golf von Guinea ansehen, so geht der Blick in der Regel in Richtung Marine. Wir können und wollen auch hier die wenigsten Probleme alleine lösen, aber, wir sind bereit, uns einzubringen. Als Teil unserer gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge trägt die Marine in erster Linie zum militäri- 14
schen Krisen- und Konfliktmanagement im Bündnisrahmen bei. Das bestimmende Merkmal von Streitkräften ist deren (glaubwürdige) Befähigung zum Kampf. (Das wird vor dem Hintergrund der maritimen Einsatzrealität der letzten Jahre leicht vergessen ) Andererseits ist die besondere Eigenschaft von Seestreitkräften aber auch, dass sie durch Präsenz und vielfältige, skalierbare Handlungsoptionen zu einem stabilen und sicheren Umfeld beitragen und Bedingungen schaffen können, unter denen sich die maritime Wirtschaft wertschöpfend und ungestört entfalten kann. Mit Blick auf die gegenwärtige Einsatzrealität trägt die Deutsche Marine auf vielfältige häufig aber e- her unspektakuläre und daher von der Öffentlichkeit nur selten wahrgenommene Weise erheblich zu regionaler Stabilität und damit auch zu sicheren 15
Seewegen bei. Dazu zähle ich explizit auch den UNIFIL-Einsatz, der schon alleine durch die Präsenz Deutscher Seestreitkräfte eine nicht zu unterschätzende politisch stabilisierende Wirkung entfaltet. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Lage in Syrien derzeit von besonderer Bedeutung. Aber auch der (fast vergessene) Einsatz im Rahmen der Operation Active Endeavour (OAE) (wird gerade im DEU BT behandelt und mit Anpassungen verlängert) hat nicht nur zu einer Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten in der Seeraumüberwachung beigetragen, sondern sich vor allem auch als Instrument der NATO zur Vertrauensbildung und Kooperation mit den Ländern der Mittelmeerregion insgesamt außerordentlich bewährt. In der Öffentlichkeit sicherlich am ehesten bekannt ist der Beitrag unserer Marine zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika. Dort haben die militärischen Sicherungsmaßnahmen der EU-Operation 16
ATALANTA sowie verschiedener anderer internationaler Akteure, aber auch verbesserte Eigenschutzmaßnahmen der Handelsschiffe, dazu beigetragen, dass die Zahl der Piraterievorfälle vor der Küste Somalias deutlich zurückgegangen ist. Die maritime Sicherheitslage in der gesamten Region hat sich durch die militärische Präsenz erheblich verbessert. Es herrscht aber auch Einigkeit darüber, dass wir die Piraterie auf See zwar mit sicherheitspolitischen Instrumenten nicht nur militärischen eindämmen können, die Wurzeln des Problems aber an Land zu finden sind. Diese Bewertung ist auch die Grundlage für den umfassenden strategischen Ansatz der EU für ihr vielfältiges Engagement in dieser Region. Neben der Teilnahme an der Operation ATALANTA hat die Bundeswehr daher bis Ende letzten Jahres auch ihren Beitrag zur Ausbildung somalischer Sicherheits- 17
kräfte im Rahmen der Missionen EUTM SOM geleistet und unterstützt auch weiterhin in einem ressortübergreifenden Ansatz die Mission EUCAP NES- TOR zur Ertüchtigung der Nachbarstaaten von Somalia bei der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben. Meine Damen, meine Herren, unsere Marine hat in den Einsätzen der vergangenen Jahre sehr erfolgreich zur Sicherung der Seewege sowie zur regionalen Stabilisierung beigetragen. Daran besteht kein Zweifel. Diese Erfolge dürfen aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die sogenannten Maritime Security Operations, also die Einsätze zum Schutz vor Piraten, zur Seeraumüberwachung oder zur Ausbildungsunterstützung, nur ein Aspekt des Spektrums möglicher Einsätze von Seestreitkräften darstellen. Ein sehr wichtiger Aspekt aber eben nur ein Teil dessen, was die Marine zu leisten im Stande sein muss. 18
In bestimmten Situationen, in einem Umfeld mit Potential zur Eskalation, stehen wir u.u. ganz alleine da und wir müssen uns auf uns selbst verlassen können. Deshalb ist und bleibt eben auch die Befähigung zum Kampf ein bestimmendes Merkmal von Seestreitkräften. Seestreitkräfte sichern nicht nur vitale Handelsrouten (Seewege) und damit Wohlstand und Entwicklung, sie ermöglichen durch die freie Nutzung der See im Sinne der Global Commons auch den unmittelbaren Zugang zu und die Handlungs- /Operationsfreiheit in weit entfernten Regionen der Welt, um eine Vielzahl von nationalen oder internationalen Zielen zu unterstützen. Sie bieten daher vielfältige militärische Handlungsoptionen und diplomatische Flexibilität, auch ohne eine (ggf. nicht gewollte) militärische Präsenz an Land etablieren zu müssen. 19
In diesem Verständnis, meine Damen, meine Herren, haben wir alles das, worauf unsere Marine eingestellt sein muss, konzeptionell erfasst und umfassend wie auch vorausschauend angelegt. An den gerade dargestellten Herausforderungen der Global Commons haben wir uns auch im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr orientiert. Insofern ist unsere Marine zukunftsfähig aufgestellt. Sie bündelt die maritimen Fähigkeiten der Bundeswehr und stellt damit heute und in Zukunft ein vielfältiges Fähigkeitsspektrum zur Verfügung. Breit, flexibel und skalierbar! Auf, über und unter Wasser! Die laufende Neuausrichtung der Bundeswehr, meine Damen, meine Herren, bedeutet natürlich auch für unsere Marine ohne Zweifel die tief greifendste und weitreichendste Reform seit ihrer Aufstellung. Und als solche ist sie auch bei weitem noch nicht abgeschlossen. 20
Doch das neue Gesicht der Marine ist bereits klar erkennbar. Die wesentlichen Entscheidungen sind getroffen und zu einem Großteil auch schon erkennbar umgesetzt: Seit über einem Jahr arbeiten wir sehr erfolgreich in einer neuen flacheren Führungsstruktur. Mit der Aufstellung des Marinekommandos in Rostock liegt die Führung der gesamten Marine erkennbar in einer Hand. Mit der Konzentration der Marineflieger in Nordholz in Verbindung mit der Aufstellung des Marinefliegerkommandos und dem Aufbau des Marineunterstützungskommandos sind darüber hinaus auch die großen Standortverlagerungen weitgehend abgeschlossen. (Einzig der Umzug des Maritime Operations Center als Anteil des Marinekommandos steht noch aus bis die infrastrukturellen Voraussetzungen in Rostock geschaffen sind.) Gegenwärtig konzentrieren wir uns bereits auf die Optimierung des inneren Gefüges der Marine. Mit 21
Aufbau der beiden Einsatzflottillen hatten wir schon im vergangenen Jahrzehnt begonnen, unsere Strukturen noch konsequenter auf Einsatzerfordernisse auszurichten. Dies wird mit der Weiterentwicklung der Flottillen- und Geschwader- bzw. Bataillonsstrukturen fortgesetzt. Im Ergebnis wird mit etwa 70% aller Dienstposten der Marine der personelle Schwerpunkt eindeutig auf den Einsatzstrukturen liegen. Wichtig war uns, dass die Organisation der Marine zukunftsfähig ausgestaltet ist; dass bereits in den Strukturen die Voraussetzungen für das Bereitstellen von neuen maritimen Fähigkeiten für die Bundeswehr geschaffen sind und dass wir mit unserer Ausrichtung die Streitkräftegemeinsamkeit und Multinationalität fördern. 22
Strukturell ist die Marine also für die Zukunft gut aufgestellt. Und ich denke, auch materiell sind wir mit den laufenden Rüstungsprojekten gut positioniert: Wir konnten im letzten Jahr unseren dritten Einsatzgruppenversorger BONN in Dienst stellen und kurz vor Weihnachten die erste Fregatte der neuen Klasse F125, die BADEN WÜRTTEMBERG taufen. Darüber hinaus rechnen wir dieses Jahr noch mit dem Zulauf zweier weiterer Uboote der Klasse 212A (2. Los) und die Arbeiten für die Entwicklung ein neues Mehrzweckkampfschiff (MKS 180) laufen. Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass der Umbau von einer Wehrpflicht- zu einer Freiwilligenarmee gerade unsere Marine vor besondere Herausforderungen im Bereich des Personals gestellt hat (ca. 40% des Nachwuchses wurden über die Wehrpflicht gewonnen). Mehr denn je gilt es, in 23
Konkurrenz zum (allgemein bekannten) zivilen Arbeitsmarkt die weitgehend unbekannten Besonderheiten der Marine, vor allem das Arbeitsumfeld der Seefahrt an Bord unserer Schiffe und Boote authentisch zu vermitteln und praktisch erlebbar zu machen. Die ersten Ergebnisse dieser Anstrengungen stimmen mich vorsichtig optimistisch. Es zeigt sich, dass das Interesse an der Marine durchaus vorhanden ist und Seefahrt auch ein Attraktivitätsfaktor ist. Denn, die Stärken der Marine liegen nun einmal auch oder gerade im Teamgeist, in der Kameradschaft an Bord und in der Zeit auf See. Und, dies lässt sich eben nicht allein über Hochglanz-Werbebroschüren vermitteln. Die große Herausforderung besteht allerdings darin, das Interesse für unsere Marine auch abseits der Küste zu wecken, dort, wo die Marine nicht mit 24
Stützpunkten präsent ist, wo den Menschen die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von einem funktionierenden Welthandel über See nicht jeden Tag wie selbstverständlich vor Augen geführt wird. Dafür, meine Damen, meine Herren, möchte ich Sie gerne als Verbündete gewinnen. Gerade eine Gemeinschaft wie diese, der Nautische Verein Stralsund, bietet meines Erachtens ein ideales Forum, um über die maritime Kompetenz in Dialog zu treten. Sie bringen sich aktiv in die Diskussion der die Schifffahrt betreffenden Themen und Herausforderungen ein und sind somit seit jeher ein guter Anwalt der maritimen Gemeinschaft. Die Bedeutung unserer Arbeit für die deutsche Wirtschaft insgesamt und auch, oder gerade für die Sicherheit, den Wohlstand und damit auch für den sozialen Frieden unseres Landes muss immer wieder verdeutlicht werden. Denn für unseren Wohlstand ist 25
der freie und ungehinderte Handel über die Weltmeere Grundvoraussetzung. Dieser wiederum kann nur durch die friedliche Nutzung der See gewährleistet werden. Und dafür brauchen wir eben auch eine starke Marine. Dieses Bewusstsein nachhaltig zu fördern, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Vielen Dank! 26