Mündlicher Sprachgebrauch I: Kommunikation im Klassenzimmer

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Transkript:

Ludwig Maximilians Universität München Institut für deutsche Philologie Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur Einführung in die Didaktik des Deutschen als Erst und Zweitsprache (LA Realschule) Wintersemester 2011/2012 Dozent: Wolfgang Melchior M.A. Referentinnen: Sabrina Hoermann, Sandra Lindner 18.11.2011 1. Definitionen Mündlicher Sprachgebrauch I: Kommunikation im Klassenzimmer 1.1 Diskurstypen (nach Ehlich und Rehbein, 1980) a) homileischer Diskurs Kommunikation im Alltag (vor allem unter Freunden) Gleichberechtigung der Kommunikationspartner Vertrauensverhältnis zwischen den Kommunikationspartnern Zweck: Absichtsloses und Zweckfreies Erzählen von Geschichten und Erlebnissen, Verarbeitung von Erfahrungen, Überwindung des Alleinseins, Selbstmitteilung b) institutioneller Diskurs Kommunikation im Unterricht rigide Rederechtverteilung zwischen Lehrern und Schülern ( schulische Zwangskommunikation) Distanz zwischen den Kommunikationspartnern Zweck: Weitergabe von Wissen in die nächste Generation c) diskursiv refkletierender Unterricht als Versuch einer Synthese von homileischen und institutionellem Diskurs Versuch einer besseren Alternative der Unterrichtsführung Aktive Kontfrontation mit dem Unwissen der Schüler Abkehr vom eigentlichen Plan durch einen Exkurs Problematisierung von Konzepten des Lernens ( Warum sollte ich irgendjemandem glauben, dass...? ) Methodisch erkenntnistheoretische Metaüberlegungen und spezifische Vernetzungsleistungen 1.2 Unterrichtskonzepte a) Offener Unterricht (Selbstorganisiertes Lernen / SOL) Maximale Selbstbestimmung der Lernenden über Ort, Ablauf, Sozialform, Methode, Dauer und Bedeutung der Arbeit (eigenständiges Arbeiten) Lehrer als Berater, nicht mehr in der leitenden Funktion

Vorteile: Verbesserung des Lernens und Nachhaltigkeit aus kognitionspsychologischen Gründen, sowie Steigerung der kommunikativen Kompetenzen Beispiele: Freiarbeit (offenste Form), Gruppenarbeit, Erzählkreis, Lernzirkel, Lerntheke b) Geschlossener Unterricht (fragend entwickelnder Unterricht) Lehrer als Leiter der Unterrichtskommunikation Konzept des Lehrers, wobei er mit gezielten Fragen (offene Fragen: mehrere Antworten sind möglich / geschlossene Fragen: nur eine Antwort ist möglich) die Schüler zu einem bestimmten Lernziel bringen möchte Vorteil: Schüler haben das Gefühl, selbst auf die Lösung gekommen zu sein Je eingeschränkter die Wahlmöglichkeiten, desto geschlossener der Unterricht Beispiel: Frontalunterricht, Vortrag c) Erzählkreis moderne didaktische Unterrichstform, die versucht Kommunikationsformen des Alltags in den Unterricht einzufügen Funktionalisierung eines sprachlichen Handlungsmusters des Alltags für schulische Zwecke Problem: - Kriterien des homileischen Diskurses sind nicht gegeben - unkontrollierte Antworten der Schüler - unterschiedliche / keine Ergebnisse (Qualität / Quantität) 1.3 Körpersprache neben der mündlichen Sprache in der Kommunikation a) Funktionen von Körpersprache Unterstützung des Gesagtem (Verschärfung, Abschwächung) Ersetzen der gesprochenen Frage Aufzeigen der Einstellung des Zuhörers Regelierung von Dialogabläufen Verdeutlichung der Stimmungen der Gesprächspartner b) Paraverbalität Mimik, Gestik und Körperhaltung einer Person während einer Kommunikation c) Nonverbalität Mimik, Gestik und Körperhaltung einer Person, ohne dass eine Kommunikation stattfindet d) Double mind Nichtübereinstimmen von nonverbalem Verhalten und dem Gesagten Beispiel: Zurechtweisen eines Schülers wegen unerlaubtem Schneeballwerfen durch den Lehrer in einem fröhlich heiteren Tonfall und einem Lächeln

2. Wichtige Kommunikationsmodelle 2.1 Das Organon Modell nach Bühler (1934) Jedes Zeichen hat bei der Kommunikation drei Funktionen: In Bezug auf den Sender: Ausdrucksfunktion In Bezug auf den Empfänger: Appellfunktion In Bezug auf den Gegenstand: Darstellungsfunktion 2.2 Das Vier Ohren Modell von Friedrich Schulz von Thun (1977) Selbstkundgabe: Vermittlung von Gefühlen, Wünschen, oder Meinungen des Senders Beziehungsseite: Verhältnis Sender und Empfäner zueinander Sachebene: Mitgeteilte Daten und Fakten Appellseite: Geforderte Handlng des Empfängers

2.3 Fünf Axiome der Kommunikation nach Watzlawick (1969) 1) Mann kann nicht nicht kommunizieren. 2) Jede Kommunikation hat einen Inhalts und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt. 3) Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bestimmt. (actio-reactio-actio) 4) Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler (=verbal) und analoger (=nonverbal) Modalitäten. 5) Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch, oder komplementär. 2.4 Sprechakttheorie nach Austin und Searle Theorie nach Searle: 1) Äußerungsakt: Hervorbringen von Äußerungen gemäß den phonologischen und grammatikalischen Regeln einer Sprache 2) Propositionaler Akt: Bezug auf ein Objekt in der Welt und dessen Eigenschaft 3) Illokutiver Akt: Konventionelle Sprechhandlung mit einer Intention 4) Perlokutiver Akt: Handlungsauslösender und wirkungsorientierte Akt (vgl. Austin: lokutiver Akt illokutiver Akt perlokutiver Akt) 2.5 Situationsmodell nach Geissner neun Faktoren, die eine Kommunikation beeinflussen Die Faktoren Wer, Mit wem und Worüber sind jeweils nur zu einem Teil beteiligt Bibliographie Beste, Gisela: Sprechen und Zuhören, Mündlichkeit. Mündliche Kommunikation im Unterrichtsgespräch, in: Kämper-van den Boogaart, Michael (Hg.): Deutschdidaktik. Leitfaden für die Sekundarstufe I und II, 3. überarb. Aufl., Berlin: Cornelsen 2008, S. 273f. Fienemann, Jutta u. Rainer v. Kügelgen: Formen mündlicher Kommunikation in Lehr- und Lernprozessen, in: Bredel, Ursula u.a.: Didaktik der deutschen Sprache, Bd. 1, 2. durchges. Aufl., Paderborn u.a. 2007, S. 133-147. Wagner, Roland W.: Mündliche Kommunikation in der Schule, Paderborn u.a.,s.20 28 und S.95