Lösungsvorschläge und Materialien für die Fälle 11 bis 13 A. Vorüberlegungen Zu Fall 11 --> Es wird nur nach einem Mord gefragt = keine KV prüfen! --> Man sollte wenigstens auf die Heimtücke und den sonstigen niedrigen Beweggrund eingehen. B. Kurzgutachten T könnte sich eines Mordes nach 212 I, 211 I, II Alt. 4, 5 StGB strafbar gemacht haben, indem er den O erschoss. I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Tod eines anderen Menschen (+) b. Handlung (+) c. Kausalität (+) d. Objektive Zurechnung (+) e. Qualifizierende Umstände/ Mordmerkmale der 2. Gruppe/ Objektive Mordmerkmale Fraglich ist jedoch, ob der T Mordmerkmale verwirklicht hat. In Betracht kommt vorliegend nur eine heimtückische Tötung im Sinne des 211 II Alt. 5 StGB. Welche Voraussetzungen man an eine heimtückische Begehungsweise zu stellen hat, ist umstritten. Nach allgemeiner Ansicht muss der Täter jedoch zumindest bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausgenutzt haben. Arglos ist das Opfer, wenn es sich im Zeitpunkt der ersten Angriffshandlung keines Angriffs von Seiten des Täters versieht. Im vorliegenden Fall saß der O friedlich beim Kartenspiel und ging davon aus, dass T nur am Tresen steht und nichts macht. Auf Grund dieser Arglosigkeit müsste der O aber auch wehrlos gewesen sein. Wehrlos wäre er, wenn er auf Grund der Arglosigkeit keine oder nur eine reduzierte Möglichkeit zur Verteidigung besitzt. Da der O an dem Tisch saß und von keinerlei Angriff des T ausging, konnte er einem Angriff nur schwer ausweichen oder sich gar wehren. Mithin war der O auch auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos. Somit liegen die nach allgemeiner Ansicht nötigen objektiven Voraussetzungen zur Bejahung einer heimtückischen Begehungsweise vor. Fraglich ist jedoch, ob weitere Anforderungen zu stellen sind. Diese Frage ist ausgehend von einem Urteil des BVerfG umstritten. In diesem wies das BVerfG darauf hin, dass die zwingende lebenslange Freiheitsstrafe im Rahmen des 211 StGB nur bei einer restriktiven Auslegung der Norm verfassungsrechtlich zu halten sei. In welcher Form dies zu geschehen hat, gab das Gericht allerdings nicht vor. 1
Nach einer Ansicht (h.l.) muss der Täter einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch begehen. Dabei soll die Ausnutzung eines bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen Täter und Opfer ausreichen. Zwar dürfte zwischen einem Onkel und seinem Neffen grundsätzlich ein solches Vertrauensverhältnis bestehen. Von einem solchen bei der Vorgeschichte der Tat auszugehen, erscheint jedoch nicht angezeigt. Hiernach wäre die Heimtücke somit zu verneinen. (a.a. gut vertretbar) Nach einer zweiten Ansicht (Rsp.) muss der Täter zusätzlich in feindseliger Willensrichtung handeln. Hierdurch sollen Mitnahmesuizide und Handlungen zum vermeintlich Besten des Opfers aus dem Tatbestand ausgeschieden werden. Vorliegend wollte der T seine und die Ehre seiner Frau wieder herstellen. Eine Handeln zum Besten des O ist nicht ersichtlich. Mithin würden die Vertreter dieser Ansicht die Heimtücke bejahen. (Wenn man möchte, kann man hier noch die Lehre von der positiven und negativen Typenkorrektur einbauen.) Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist der Streit zu entscheiden. Mag für die erste Ansicht zunächst sprechen, dass der Heimtücke, schon begrifflich das Tükische innewohnt, so darf man nicht übersehen, dass durch eine solche Anforderung jeder Täter auf Tatbestandsebene ausgegrenzt wird, der keine persönliche Beziehung zum Opfer hat, also vor allem auch Auftragskiller. Dass ein solches Ergebnis nicht gewollt sein kann, liegt auf der Hand. Mithin ist der zweiten Ansicht zu folgen. Die objektiven Anforderungen der Heimtücke liegen vor. 2. Subjektiver Tatbestand a. Vorsatz Fraglich ist jedoch, ob der T vorsätzlich im Hinblick auf die objektiven Tatumstände gehandelt hat und auch die subjektive Komponente der Heimtücke vorliegt. Unter Vorsatz... (+) In subjektiver Hinsicht setzt die Heimtücke ein bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers voraus. Dabei ist erforderlich, dass der Täter diese Lage erkannt hat und bewusst zur Erleichterung der Tat einsetzt. Laut Sachverhalt wartete der T so lange, bis er sich sicher gewesen ist, dass der O mit keiner Gefahr rechnet und greift ihn bewusst erst dann an um diese Situation auszunutzen. Auch die subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke liegen vor. b. Mordmerkmale der 1 und 3. Gruppe? Fraglich ist, ob der T weitere Mordmerkmale verwirklicht hat. In Betracht kommt, dass der T aus einem sonstigen niedrigen Beweggrund handelte. Dies würde vorliegen, wenn seine Motivation sich nicht nur als verwerflich darstellt, sondern sittlich auf tiefster Stufe stehend, ja gerade zu verachtenswert erscheint. Vorliegend beging der T die Tat aus Rache. Rache kann ein sonstiger niedriger Beweggrund sein, wenn diese ihrerseits auf einer verachtenswerten Motivation beruht. Hier wollte der T die Vergewaltigung seiner Frau und seine eigene Bedrohung durch O rächen. Ein solches Verhalten kann man zwar nicht gutheißen, allerdings ist es auch nicht mit einem solchen Unwert zu belegen, dass es die Anwendung dieses Mordmerkmales rechtfertigen würde. 2
Das Verhalten des T stand nicht sittlich auf tiefster Stufe. Daher handelte der T nicht aus einem sonstigen niedrigen Beweggrund. Der subjektive Tatbestand liegt vor. II. RW / Schuld (+) III. Ergebnis T hat sich eines Mordes nach 212 I, 211 I, II Alt. 5 StGB strafbar gemacht, indem er den O erschoss. Fraglich ist jedoch, ob man nicht im Wege der Rechtsfolgenlösung zu einer Strafmilderung nach 49 I Nr. 1 StGB gelangen kann. Die Rechtsprechung erkennt eine solche, bei besonderen Umständen, welche eine Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen lassen, an. Im vorliegenden Fall würde man auf Grund der Vorgeschichte zu einem solchen Vorgehen tendieren. Problematisch hieran ist jedoch, dass einem solchen Vorgehen schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen. Zwar läge ein Fall der täterbegünstigenden Analogie vor, welche an sich zulässig ist, andererseits setzt die Rechtsprechung aber eigenes Recht indem sie die Anwendung des 49 StGB deutlich über dessen eindeutige Wortlautgrenze erstreckt. Ein solches Vorgehen ist nicht tolerabel. Mithin ist dieser Ansatz abzulehnen. C. Anmerkungen Zur restriktiven Auslegung der Mordmerkmale siehe auch: --> Rolf Schmidt/ Klaus Priebe, Strafrecht BT I, 5. Auflage 2006, S. 16 ff. --> Rengier, Strafrecht BT II, 9. Auflage 2008, S. 12 ff. (insbesondere: S. 13 18 und S. 21-31) Man könnte sich im Rahmen der Arglosigkeit auch fragen, ob der O überhaupt noch arglos sein kann, wenn er vorher Straftaten begeht. Dementsprechend könnte man die Heimtücke auch bereits im Objektiven Tatbestand verneinen. Zu Fall 12 A. Vorüberlegungen (tauchen in der Klausur nicht auf) Es wird nur nach Tötungsdelikten gefragt, also prüfen Sie auch nur diese. Es ist also die Strafbarkeit nach: 211, 212, 216, 218, 222 StGB zu untersuchen. Eine Strafbarkeit nach den 216 oder 218 f. StGB kommt eindeutig nicht in Betracht. Als Mordmerkmale sind: sonstiger niedriger Beweggrund, Heimtücke und Grausamkeit auf jeden Fall anzusprechen. B. Strafbarkeit des A im Ausgangsfall/ Kurzgutachten I. 212 I StGB? 3
aa. Erfolg (+) bb. Handlung (+) cc. Kausalität (+) dd. Objektive Zurechnung (+) b. Subjektiver Tatbestand Vorsatz bzgl. a. (+) 2. Rechtswidrigkeit (+) Notwehr 32 I StGB? [muss man nicht ansprechen] a. Notwehrlage (-) b. Ergebnis (-) 3. Schuld (+) 4. Ergebnis : 212 I StGB (+) II. 212 I, 211 I, II Alt. 4, 5, 6 StGB (Ich bin hier von dem Verständnis der Literatur bzgl. des Verhältnisses von Totschlag und Mord zueinander ausgegangen.) aa. obj. Vor. des 212 I StGB verwirklicht? (+) s.o. bb. objektive Mordmerkmale (2.Gruppe) 1.) Heimtücke (Alt. 5)? (+/-) arg- und wehrlos (+) weitere Anforderungen nötig? 1. A.: verwerflicher Vertrauensbruch (-) 2. A.: feindselige Willensrichtung (+) Streitentscheid: (+ / -) (Im VK habe ich die erste A. abgelehnt und somit Heimtücke obj. (+) ) 2.) grausam (Alt. 6)? (eher (-)) (weitere Ausführungen s.u.) b. Subjektiver Tatbestand aa. Vorsatz bzgl. Grundtatbestand (s.o. (+)) bb. Vorsatz bzgl. der objektiven Mordmerkmale? (+) = bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit cc. Subjektive Mordmerkmale? sonstiger niedriger Beweggrund (Alt. 4)? (eher (-) a.a. vert.) 2. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) 3. Ergebnis : 212 I, 211 I, II 5. Alt. StGB (+) Im Ergebnis ist noch auf die Rechtsfolgenlösung des BGH einzugehen, wobei umstritten ist, ob diese überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Selbst wenn man dies bejahen sollte, dürfte keine Fallgestaltung vorliegen, in welcher angezeigt ist, über eine Strafmilderung nachzudenken. 4
C. Strafbarkeit des A in der Abwandlung I. 212 I StGB (+) II. 212 I, 211 I, II Alt. 4, 6? aa. obj. Vor. des 212 I StGB verwirklicht? (+) bb. objektive Mordmerkmale? grausam (Alt. 6)? (eher (-); a.a. vertretbar) b. Subjektiver Tatbestand. aa. Vorsatz bzgl. obj. Vor. des Grundtatbestandes (+) bb. subjektive Mordmerkmale? sonstige niedrige Beweggründe (Alt. 4) (-) s.o. 2. Ergebnis : 212 I, 211 I, II Alt. 4, 6 StGB (-) D. Ergebnis und Konkurrenzen A hat sich im Ausgangsfall eines Mordes gemäß 212 I, 211 I, II 5. Alt. StGB strafbar gemacht. Die Strafbarkeit wegen Totschlag tritt zurück. In der Abwandlung hat sich der A eines Totschlags strafbar gemacht. E. Allgemeine Hinweise (tauchen in der Klausur nicht auf) Denken Sie bitte immer daran, dass die Mordmerkmale restriktiv auszulegen sind. Die Annahme eines Mordmerkmals führt grundsätzlich (siehe z.b. Rechtsfolgenlösung ) zwingend zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Sie dürfen auch nicht einfach stur heruntersubsumieren. Achten Sie auf den Einzelfall. So mag es einleuchten den durchgeknallten Auftragskiller, welcher aus dem Hinterhalt Menschen erschießt wegen Mordes (Heimtücke/ Habgier) zu bestrafen. Andererseits müssten Sie aber auch eine Frau, die Ihren schlafenden Mann erschießt, wegen Mordes (Heimtücke nach der Rsp.) bestrafen. Dies mag einleuchten, solange Sie dies z.b. macht um sich Ihrem Liebhaber ganz zuzuwenden. Erschießt Sie jedoch Ihren schlafenden Mann, der Sie 20 Jahre regelmäßig geschlagen, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen hat, weil Sie Angst hat Ihm offen entgegen zu treten und zu töten, so sollte klar sein, dass man dies nicht gutheißen kann. Ich hätte auch keine Bedenken in einem solchen Fall einen Totschlag zu bejahen. Sie sollten jedoch ins Grübeln geraten und dies auch in der Klausur zum Ausdruck bringen, wenn es um die Annahme eines Mordmerkmales geht. Natürlich können Sie auch in diesem Fall ein Mordmerkmal bejahen, sollten es aber ausdiskutieren. Im Hinblick auf das Mordmerkmal grausam sollte man sich Folgendes vor Augen halten: Wenn ein Mensch durch eine Gewalttat stirbt, so ist dies überwiegend sehr blutig und unverständlich für 5
Außenstehende. Aber ein Schuss in den Kopf muss nicht zwangsläufig ein Mord sein. Es bedarf mehr als eines Ekels beim Betrachter oder beim Lesen um das Merkmal zu bejahen. Es müssen wirklich ganz heftige Sachen geschehen um von einer grausamen Tötung sprechen zu können. Wenn man einer Person einen großen Stein auf den Kopf wirft, ist dieser meist sofort tot. Dies stellt nicht mehr Schmerz und Qual dar als ein Schuss in den Kopf. Gleiches gilt für den Schnitt durch die Kehle. Auch reicht es nicht, wenn das Opfer bei den Vorbereitungen seiner Tötung zuschauen muss. Zwar sind diese Entscheidungen meist Sache des Einzelfalles, hier liegen jedoch nach meiner Meinung recht eindeutig keine grausamen Tötungen im Sinne des 211 II Alt. 6 StGB vor. Wenn Sie es ausführlich begründen und gut argumentieren, können Sie natürlich auch das Gegenteil vertreten. Grausam wäre es zum Beispiel jemanden bewusst verhungern zu lassen. Weitere interessante Beispiele lassen sich gewissen Kinofilmen (z.b.: Sieben / Saw usw.) entnehmen. Auch im Hinblick auf den sonstigen niedrigen Beweggrund muss man mit Bedacht vorgehen. Er liegt vor, wenn die Motivation des Täters sittlich auf dem tiefsten Stand, ja geradezu verächtlich ist. Natürlich könnte man auf die Idee kommen, dass es total krank ist jemanden zu töten, weil er mit der eigenen Frau geschlafen hat. Andererseits würde wohl jeder von Ihnen zustimmen, wenn ich sage, dass die Motivation einen anderen Menschen zu töten immer verwerflich und unverständlich ist. Darüber hinaus wäre der Täter ja nicht straffrei nur weil Sie das Mordmerkmal ablehnen. Um eine halbwegs klare Linie zu finden, mag es hilfreich sein sich zu fragen, ob es auch nur im Entferntesten nachvollziehbar ist, was der Täter da gemacht hat. Wenn man dies bejaht, so sollte man dieses Mordmerkmal ablehnen. Wenn ich mir in diesem Fall die eben genannte Frage stelle, so muss ich sagen, dass die Reaktion übertrieben, aber nicht völlig unverständlich ist. Deshalb würde ich dieses Mordmerkmal hier verneinen. Anders wäre es, wenn der B der Frau des A nur eine rote Rose geschickt hätte. Siehe zum letzten Punkt auch: Rengier, Strafrecht BT II, 9. Auflage 2008, S. 21: Allgemein lässt sich als Leitlinie formulieren: Die niedrige Gesinnung wird typischerweise durch eine hemmungslose (krasse) Eigensucht oder rücksichtslosen Egoismus gekennzeichnet; wo die Motivation irgendwie menschlich begreiflich oder nachvollziehbar ist oder... einer gewissen Berechtigung nicht entbehrt, wird die Niedrigkeit der Beweggründe zweifelhaft. 6
Zu Fall 13 Lösungsskizze Strafbarkeit des T 212 I, 211 I, II Alt. 3, 5, 6, 7 StGB aa. obj. Vor. des 212 I StGB verwirklicht? (+) s.o. bb. objektive Mordmerkmale (2.Gruppe) 1.) Heimtücke (Alt. 5)? (+/-) arg- und wehrlos (+) weitere Anforderungen nötig? 1. A.: verwerflicher Vertrauensbruch (-) 2. A.: feindselige Willensrichtung (+) Streitentscheid: (+ / -) --> wir sagen (+) Strafbarkeit des A 2.) grausam (Alt. 6)? (-) 3.) mit gemeingefährlichen Mitteln (Alt. 7)? (-) b. Subjektiver Tatbestand aa. Vorsatz bzgl. Grundtatbestand (s.o. (+)) bb. Vorsatz bzgl. der objektiven Mordmerkmale? (+) = bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit cc. Subjektive Mordmerkmale? Habgier (Alt. 3) (+) 2. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) 3. Ergebnis: 212 I, 211 I, II Alt. 3, 5 StGB (+) Im Ergebnis ist noch auf die Rechtsfolgenlösung einzugehen (s.o.). --> Siehe Übersicht Beteiligungsformen! --> Er könnte den T angestiftet haben. Die Tatbeiträge des A reichen nicht um eine Mittäterschaft zu bejahen. 7