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Transkript:

Der Radiologe Zeitschrift für diagnostische und interventionelle Radiologie, Radioonkologie, Nuklearmedizin Organ des Berufsverbandes der Deutschen Radiologen e.v. (BDR) Elektronischer Sonderdruck für P. Papanagiotou Ein Service von Springer Medizin Radiologe 2010 50:784 790 DOI 10.1007/s00117-009-1949-1 Springer-Verlag 2010 zur nichtkommerziellen Nutzung auf der privaten Homepage und Institutssite des Autors P. Papanagiotou K.I. Schmidt M. Alexandrou H. Körner W. Reith Wertigkeit der MR-Spektroskopie bei infektiösen und entzündlichen Hirnerkrankungen www.derradiologe.de

Leitthema: MR-Spektroskopie im ZNS Radiologe 2010 50:784 790 DOI 10.1007/s00117-009-1949-1 Online publiziert: 20. September 2010 Springer-Verlag 2010 P. Papanagiotou K.I. Schmidt M. Alexandrou H. Körner W. Reith Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar Wertigkeit der MR-Spektroskopie bei infektiösen und entzündlichen Hirnerkrankungen Während die Magnetresonanztomographie (MRT) die anatomische Darstellung zum Ziel hat, ermöglicht die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) die nichtinvasive Untersuchung des Stoffwechsels verschiedener Körperregionen [1]. Insbesondere bei entzündlichen und infektiösen Hirnerkrankungen hat die MRS ihren Stellenwert. Die typischen MRS-Charakteristika der häufigsten entzündlichen Erkrankungen des Gehirns werden im Folgenden dargestellt. Multiple Sklerose Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung von Gehirn und Rückenmark. Schubförmig oder chronisch progredient kommt es im Zentralnervensystem infolge einer Demyeli- Abb. 1 8 36-jährige MS-Patientin. Die T2-gewichtete Sequenz zeigt einen großen Herd links paraventrikulär (a). Die große MS-Läsion zeigt eine leichte KM-Aufnahme, was für einen akuten Herd spricht (b). Die MR-Spektroskopie dieser Läsion mit einer TE von 135 ms zeigt ein normales Verhältnis von Cho/NAA und einen pathologischen Laktatpeak (c, d). Bei einer Messung mit einem TE von 30 ms sind auch Glutamat (bei 2,0 und 2,4 ppm) und Myoinositol (bei 3,56 ppm) nachweisbar (e). MS Multiple Sklerose, KM Kontrastmittel, TE Echozeit, Cr Kreatin, CR2 Kreatin, 2. Messpunkt, Cho Cholin, NAA N-Acetyl-Aspartat, Lac Laktat, Ins Inositol, GLX Glutamin und Glutamat 784 Der Radiologe 9 2010

Zusammenfassung Abstract nisierung der weißen Substanz und axonaler Schädigungen zu einer Vielzahl neurologischer Symptome [1, 2]. Mit der MRT lassen sich bei der Mehrzahl der MS-Patienten Plaques als pathologische Signalsteigerungen in den T2- gewichteten Sequenzen abgrenzen. Nach Kontrastmittelgabe können frische von älteren Läsionen unterschieden werden [2]. In der MR-Spektroskopie (MRS) bei MS sind 2 Metaboliten vom besonderem Interesse: Der erste ist N-Acetyl-Aspartat (NAA), ein Marker der Neuronenfähigkeit. Der zweite Metabolit, Myoinositol, ist in den astroglialen Zellen lokalisiert und gilt als Marker der Aktivität der glialen Zellen [3]. Bei MS zeigen sich in den verschiedenen Stadien der Erkrankung unterschiedliche Veränderungen in der MRS. Da NAA die axonale Schädigung reflektiert, sind bei akuten MS-Herden NAA und das Verhältnis NAA/Kreatin reduziert. Cholin (Cho), Laktat und Lipide hingegen sind erhöht. Die Erhöhung von Cho wird durch den akuten Zellmembranabbau verursacht. Die Anwesenheit von Makrophagen, die anaerobe Glykolyse betreiben, führt zur Erhöhung von Laktat. Durch die erhöhte Aktivität der glialen Zellen ist Myoinositol erhöht. Eine Reduktion von Kreatin (Cr) kann bei akuten Herden auftreten [4, 5]. Nach der Akutphase können sich die Laktatwerte bis zu 3 Monaten erhöhen, es folgt eine Reduktion je nach Anwesenheit der Makrophagen. In den folgenden Monaten reduzieren sich langsam die Cho- Werte. Die Signalintensität von NAA bleibt reduziert, zeigt aber eine partielle Erholung, ohne dass die Normwerte erreicht werden (. Abb. 1, 2; [6, 7]). Pathologische Veränderungen in der MRS können nicht nur bei den auf den T2-gewichteten Sequenzen sichtbaren MS- Läsionen auftreten, sondern auch im bildgebend normalen Hirnparenchym. Hier zeigt sich eine Reduktion von NAA und eine Erhöhung von Myoinositol [8]. Akute disseminierte Enzephalomyelitis Die akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) wird generell als monophasische, demyelinisierende Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS) angesehen. Am häufigsten sind Kinder im jungen und mittleren Alter betroffen. Bei der Mehrzahl der Patienten geht der klinischen Symptomatik eine Infektion oder, weit seltener, eine Impfung voraus. Die neurologischen Symptome sind unspezifisch und je nach Größe und Lokalisation der Läsionen sehr variabel [9, 10]. Im MRT erscheinen multiple Läsionen verschiedener Größe und Form, v. a. in der weißen Substanz der Hemisphären, dem Kleinhirn und Hirnstamm. Die Läsionen sind in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens und können kontrastmittelaffin sein [11]. Die MRS bei ADEM zeigt in der akuten Phase eine leichte Reduktion der Verhältnisse NAA/Cr und NAA/Cho. Diese können aber auch normal sein. In der subakuten Phase zeigt sich eine deutliche Erniedrigung von NAA, während Cho leicht erhöht ist. Im Verlauf der Erkrankung normalisiert sich langsam das Verhältnis NAA/Cr. Ein Laktatpeak ist in den meisten Fällen vorhanden (. Abb. 3, 4; [12, 13]) Pyogener zerebraler Abszess Hirnabszesse sind fokale Eiterungen des zerebralen Parenchyms, die als punktuelle perivaskuläre Entzündung mit Umgebungsödem (Zerebritis) entstehen und sich zu einer Ansammlung von Eiter in einer gut vaskularisierten Kapsel entwickeln [14]. Etwa 50% der Hirnabszesse resultieren aus weitergeleiteten Infektionen hirnnaher Organsysteme (chronische Otitis, Sinusitis, dentale Infektionen), während sich die anderen zu 25 30% hämatogen ausbreiten [15, 16]. In der MRT kommt ein Abszess hypointens in den T1-gewichteten Bildern und hyperintens in der T2-Wichtung zur Darstellung. Typischerweise ist nach Kontrastmittelgabe eine ringförmige Aufnahme mit perifokalem Ödem nachweisbar [17]. Es ist wichtig, eine frühe Diagnose eines Abszesses zu stellen, um die passende Behandlung in die Wege zu leiten. Die In-vivo-MR-Spektroskopie und diffusionsgewichtete Sequenzen ( diffusion-weighted imaging, DWI) werden z. Z. routinemäßig zur Differenzialdiagnose Radiologe 2010 50:784 790 DOI 10.1007/s00117-009-1949-1 Springer-Verlag 2010 P. Papanagiotou K.I. Schmidt M. Alexandrou H. Körner W. Reith Wertigkeit der MR- Spektroskopie bei infektiösen und entzündlichen Hirnerkrankungen Zusammenfassung Die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) ist eine nichtinvasive Methode, die die Messung der Konzentration zerebraler Metaboliten erlaubt. Die Wertigkeit der MRS bei den wichtigsten infektiösen und entzündlichen Hirnerkrankungen werden in diesem Review diskutiert. Schlüsselwörter Magnetresonanzspektroskopie (MRS) Zerebraler Abszess Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) Multiple Sklerose (MS) Value of MR spectroscopy in infectious and inflammatory brain diseases Abstract Proton magnetic resonance spectroscopy (MRS) is a non-invasive method for measuring cerebral metabolite concentrations in various pathologic conditions. This review discusses the MRS findings in the most common infectious and inflammatory brain diseases. Keywords Magnetic resonance spectroscopy (MRS) Cerebral abscess Acute disseminated encephalomyelitis (ADEM) Multiple sclerosis (MS) Der Radiologe 9 2010 785

Leitthema: MR-Spektroskopie im ZNS peak, der bei 1,33 ppm auftritt, ist dagegen immer vorhanden. Acetat (bei 1,9 ppm) und Succinate (bei 2,4 ppm) sind spezifische Marker und in jeweils 88 und 35% der Abszesse nachweisbar. Bei 0,9 ppm ist ein sehr sensitiver Peak, der Aminosäuren wie Alanin, Leucin und Valin entspricht [20], nachweisbar. Diese können bei Abszessen in 80% der Fälle nachgewiesen werden [21]. Es ist bekannt, dass die Abszesshöhlen eine große Menge an Neutrophilen und Protein enthalten. Proteolytische Enzyme werden durch den Abbau der Neutrophilen freigesetzt. Diese Enzyme hydrolysieren die Proteine in Aminosäuren, die bei 0,9 ppm in der MRS bei pyogenen Abszessen erfasst werden können [22]. Da aber bei 0,9 ppm auch ein Lipidpeak auftreten kann, ist es oft schwierig, Lipide von den Aminosäuren zu unterscheiden. Dies gelingt, wenn die spektroskopische Messung mit 2 verschiedenen Echozeiten durchgeführt wird (TE 135 und 270 ms). Im Spektrum bei einer TE von 270 ms kommen die Aminosäuren als positiver Peak bei 0,9 ppm zur Darstellung. Dieser Peak zeigt sich negativ und kann somit von Lipiden, deren Peak auch bei 135 ms positiv bleibt, differenziert werden (. Abb. 5, 6; [23]) In der MRS-Bildgebung der tuberkulösen Abszesse sind ein Laktat- und ein Lipidpeak nachweisbar. Im Gegensatz zu den pyogenen Abszessen sind keine weitere Metaboliten wie Acetat, Succinate oder Aminosäuren vorhanden [24]. Abszess vs. Tumor Abb. 2 8 Akuter MS-Herd, 42-jähriger Patient mit bekannter MS und neu aufgetretener Parese des linken Arms. Als Ursache der Parese zeigt sich eine signalgesteigerte Läsion in der FLAIR-Sequenz rechts frontal (a c). Nach KM-Gabe kräftige randständige Aufnahme mit umgebendem Ödem (d, e). In der MRS Reduktion von NAA bei leichter Cho-Erhöhung. Ein Laktatpeak ist ebenfalls nachweisbar (f, g). MS Multiple Sklerose, FLAIR fluid attenuated inversion recovery, KM Kontrastmittel, MRS MR-Spektroskopie, Cr Kreatin, CR2 Kreatin, 2. Messpunkt, Cho Cholin, NAA N-Acetyl-Aspartat, Lac Laktat fokaler intrakranieller Pathologien eingesetzt. In der DWI kommt ein Abszess typischerweise diffusionsgestört zur Darstellung. Die Berücksichtigung der DWI zusammen mit der In-vivo-MRS hat gezeigt, dass die Spezifität der Diagnose fokaler ringförmig kontrastmittelaffiner Läsionen steigt [18, 19]. Bakterielle Abszesse sind komplett nekrotische Läsionen, sodass in der MRS normale Hirnmetaboliten wie NAA, Cho und Cr nicht vorhanden sind. Ein Laktat- Bildgebend ist es nicht immer möglich, einen zerebralen Abszess von einem malignen Tumor, wie einer Metastase oder einem Glioblastom, zu unterscheiden. Sowohl Metastasen als auch nekrotische oder zystische Gliome können eine ähnliche Bildmorphologie in der MRT wie ein Abszess aufweisen: hypointens in den T1- gewichteten Sequenzen, hyperintens in der T2-Wichtung, ringförmige KM-Aufnahme und perifokales Ödem. In der MRS sind NAA-, Cho- und Cr- Peaks nicht vorhanden. Laktat ist in beiden Entitäten fast immer präsent. Die MR-Spektroskopie kann zur Differenzierung beitragen, wenn im Spektrum Acetat, Succinate oder Aminosäuren vorhanden sind. Diese finden sich bei Abszessen und sind bei zystischen oder nekrotischen Tumoren nicht nachweisbar. Acetat und Succinate sind in jeweils 88% und 35% der Abszesse nachweisbar, Aminosäuren in 80% [20, 21]. Metastasen zeigen im Gegensatz zu Abszessen typischerweise ein Lipidpeak. Dieser zeigt sich als positiver Peak bei 0,9 ppm bei einer TE von 135 ms (. Abb. 7; [25]) 786 Der Radiologe 9 2010

Abb. 3 7 30-jähriger Patient mit einem Krampfanfall. In der MRT zeigte sich in den T2-gewichteten Sequenzen eine Raumforderung rechts temporal mit leichtem Ödem (a). Eine ringförmige KM- Aufnahme ist in der T1-gewichteten Sequenz nach KM-Gabe nachweisbar (b). Die MRS zeigt eine Erniedrigung von NNA und einen pathologischen Laktatpeak (c, d). Cho ist nicht erhöht, sodass die Diagnose eines Tumors unwahrscheinlich ist. Es handelt sich um einen ADEM-Herd. KM Kontrastmittel, MRS MR-Spektroskopie, ADEM akute disseminierte Enzephalomyelitis, Cr Kreatin, CR2 Kreatin, 2. Messpunkt, Cho Cholin, NAA N-Acetyl-Aspartat, Lac Laktat Abb. 4 7 15-jähriger Patient mit ADEM. In der FLAIR-Sequenz zeigen sich multiple große rundliche Signalsteigerungen im Marklager (a). Nach KM-Gabe zeigen die Veränderungen eine inhomogene Aufnahme (b). In der MRS (TE 135 ms) sind eine Reduktion von NAA sowie ein Laktatpeak nachweisbar (c, d). ADEM akute disseminierte Enzephalomyelitis, FLAIR fluid attenuated inversion recovery, KM Kontrastmittel, MRS MR-Spektroskopie, TE Echozeit, Cr Kreatin, CR2 Kreatin, 2. Messpunkt, Cho Cholin, NAA N-Acetyl-Aspartat, Lac Laktat Der Radiologe 9 2010 787

Leitthema: MR-Spektroskopie im ZNS Abb. 5 9 35-jährige Patientin mit einer frontalen Raumforderung rechts. Die Läsion zeigt in der FLAIR-Sequenz ein perifokales Ödem (a) und nach KM-Gabe eine ringförmige Anreicherung (b). In der MRS der Läsion, die einem zerebralen Abszess entspricht, sind eine deutliche Erniedrigung von NAA, Cho und Cr sowie ein Laktatpeak nachweisbar (c, d). Bei 2,4 ppm ist ebenfalls ein Peak zu erkennen, der Succinaten entspricht (Pfeil). FLAIR fluid attenuated inversion recovery, KM Kontrastmittel, MRS MR-Spektroskopie, Cr Kreatin, CR2 Kreatin, 2. Messpunkt, Cho Cholin, NAA N-Acetyl-Aspartat, Lac Laktat Abb. 7 8 67-jähriger Patient mit einer Raumforderung rechts okzipital. Die Läsion zeigt nach KM-Gabe eine ringförmige Aufnahme und weist ein perifokales Ödem auf. Differenzialdiagnostisch kommen ein Abszess sowie auch ein maligener Tumor in Betracht (Gliom oder Metastase, a). Die MRS zeigt eine Reduktion von NAA sowie auch von Cho. Es zeigen sich ebenfalls zwei Lipid-Peaks, so dass die Diagnose einer Metastase wahrscheinlicher wäre (b). Die Biopsie bestätigte die Diagnose einer Metastase eines Bronchialkarzinoms. KM Kontrastmittel, MRS MR-Spektroskopie, Cr Kreatin, CR2 Kreatin, 2. Messpunkt, Cho Cholin, NAA N-Acetyl-Aspartat 788 Der Radiologe 9 2010

Abb. 6 7 48-jähriger Patient mit mehreren zerebralen Abszessen. Die FLAIR-Sequenz zeigt eine rundliche Signalsteigerung rechts okzipital mit deutlichem perifokalen Ödem (a). Nach KM-Gabe ist eine ringförmige Aufnahme nachweisbar (b). Die Läsion kommt in der Diffusion mit hohem Signal zur Darstellung (c). In der sagittalen T1-gewichteten Sequenz nach KM-Gabe sind multiple Abszesse infra- und supratentoriell zu erkennen (d). In der MRS (TE 135 ms) der okzipitalen Läsion rechts ist ein Laktatpeak nachweisbar. NAA ist reduziert, Cho und Cr sind ebenfalls reduziert, aber vorhanden, möglicherweise durch den Partialvolumeneffekt vom angrenzenden Hirnparenchym. Bei 0,9 ppm ist ein Aminosäurenpeak nachweisbar (e). FLAIR fluid attenuated inversion recovery, KM Kontrastmittel, MRS MR-Spektroskopie, TE Echozeit, Cr Kreatin, CR2 Kreatin, 2. Messpunkt, Cho Cholin, NAA N-Acetyl-Aspartat, Lac Laktat Der Radiologe 9 2010 789

Fachnachrichten Korrespondenzadresse Dr. P. Papanagiotou Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Kirrberger Str. 1, 66421 Homburg/Saar panagiotis_papanagiotou@hotmail.com Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Danielsen ER, Ross B (1999) Magnetic resonance spectroscopy diagnosis of neurological diseases. Dekker, New York 2. Grunwald IQ, Kühn AL, Backens M et al (2008) Multiple sclerosis. Radiologe 48(6):544 552 3. Rigotti DJ, Inglese M, Gonen O (2007) Whole-brain N-acetylaspartate as a surrogate marker of neuronal damage in diffuse neurologic disorders. AJNR Am J Neuroradiol 28:1843 1849 4. Mader I, Roser W, Kappos L et al (2000) Serial proton MR spectroscopy of contrast-enhancing multiple sclerosis plaques: absolute metabolic values over 2 years during a clinical pharmacological study. AJNR Am J Neuroradiol 21:1220 1227 5. 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WissenschafterInnen aus allen Disziplinen und aller Nationalitäten können sich für den Starting Grant bewerben. Voraussetzung ist jedoch, dass die Forschungstätigkeiten in einem der EU Mitgliedsstaaten oder in einem assoziierten Land durchgeführt werden. Die Ausschreibung sieht kein Alterslimit vor; AntragsstellerInnen müssen jedoch mindestens 2 und maximal 12 Jahre vor der Veröffentlichung der Auschreibung ihr Doktorat abgeschlossen haben. Starting Grants werden mit Summen von bis zu 1.500.000 EUR für eine Dauer von maximal 5 Jahren gefördert (unter bestimmten Voraussetzungen sind bis zu 2 Mio EUR beantragbar). Der ERC zielt auf die Förderung von sogenannter frontier research, Forschung, durch die die Grenzen des Wissens, unabhängig von disziplinären Grenzen, erweitert werden. Die Anträge können über das Electronic Proposal Submission System (EPSS) eingereicht werden. Die Deadline für Anträge ist abhängig vom Wissenschaftsgebiet: F Physical Sciences & Engineering: 14. Oktober 2010 (17 Uhr) F Life Sciences: 9. November 2010 (17 Uhr) F Social Sciences & Humanities: 24. November 2010 (17 Uhr) Quelle: FWF - Der Wissenschaftsfonds, www.fwf.ac.at 790 Der Radiologe 9 2010