- Verbreitung und Bedeutung der Paratuberkulose in deutschen Tierbeständen

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Transkript:

Kenntnisstand zu einem potenziellen kausalen Zusammenhang von Infektionen bei Rindern mit Mycobacterium avium subspecies paratuberculosis und dem Morbus Crohn des Menschen Das Bakterium Mycobacterium avium subspecies paratuberculosis (MAP) ist als Erreger der so genannten Johneschen Krankheit oder Paratuberkulose mindestens seit 1894 bekannt. Die Infektion kommt bei einer großen Zahl von Tierarten vor. Besondere und vor allem wirtschaftliche Bedeutung hat die Erkrankung bei als Nutztier gehaltenen Wiederkäuern wie Rindern, Ziegen und Schafen. Beim Milchrind erfolgt die Infektion als Kalb während oder kurz nach der Geburt, der Ausbruch der Erkrankung dann aber erst nach mehreren Jahren, nach der 2. oder 3. Abkalbung. Die Paratuberkulose ist gekennzeichnet durch nicht behandelbare Durchfälle und damit verbundener Abmagerung und endet immer tödlich. MAP kann in Rohmilch von erkrankten Rindern und Tanksammelmilch von Betrieben mit einem Erkrankungsgeschehen durchaus vorkommen. Die Kontamination der Milch erfolgt dabei in erster Linie durch erregerhaltigen Kot. Direkt mit der Milch werden nur sehr kleine Keimzahlen (ca. 2 koloniebildende Einheiten in 50 ml) ausgeschieden. Besonderes Interesse erfährt Milch dadurch, dass in Laborversuchen zur Hitzeresistenz von MAP zwar eine sehr starke Reduzierung durch die Kurzzeiterhitzung (15-30 sec. bei 72-75 C) beobachtet wurde, sehr geringe Keimzahlen diesen Prozess zur Herstellung pasteurisierter Trinkmilch aber überleben können. Studien aus der Schweiz und den USA geben Hinweise, dass MAP auch im Fleisch von Schlachtrindern vorkommen kann, wobei es derzeit aber keine Untersuchungen zum Vorkommen in verzehrsfertigen Fleischprodukten gibt. Auch Oberflächengewässer und Pflanzen können möglicherweise MAP enthalten (z.b. durch Kontamination mit Rinderkot), die Datenlage ist aber auch hier sehr spärlich. Bei Untersuchungen in Tschechien wurde festgestellt, dass essbare Teile von Gemüse MAP enthielten, wenn der Boden entsprechend kontaminiert war. Die Diskussion über eine lebensmittelhygienische Bedeutung von MAP entstand durch Hinweise von humanmedizinischer Seite, dass dieser Erreger eventuell eine Rolle bei der sog. Crohnschen Erkrankung (Morbus Crohn) des Menschen spielen könnte. Morbus Crohn ist eine auf den ersten Blick ähnliche Erkrankung wie die Paratuberkulose. Wie diese ist sie u.a. durch anhaltende Durchfälle gekennzeichnet, endet aber in aller Regel nicht tödlich. Nach aktuellem Kenntnisstand sind die Ursachen der Erkrankung multifaktoriell, d.h. die Crohnsche Erkrankung kann durch das Zusammentreffen von Faktoren wie genetische Veranlagung, immunologische Disposition, diätetisches Verhalten und psychosoziale Bedingungen ausgelöst werden. Als eine Ursache werden Bakterieninfektionen vermutet, wobei MAP, mit der Verbesserung diagnostischer Techniken einhergehend, zunehmend häufiger im Darmgewebe und in weißen Blutzellen von Morbus Crohn Patienten, aber auch gelegentlich bei gesunden Personen nachzuweisen ist. Die Diskussion, ob MAP hier als einer der vielen ursächlichen Faktoren oder nur als Befund ohne Kausalzusammenhang zu bewerten ist, ist noch völlig offen. Andere Bakterienarten werden bei Morbus Crohn Patienten ebenfalls nachgewiesen. So konnte eine irische Arbeitsgruppe bei 12 von 15 Patienten in Morbus Crohn bedingten Granulomen (knötchenartiges Abwehrgewebe bei chronischen Entzündungen) der Darmschleimhaut die DNA des bei allen warmblütigen Lebewesen vorkommenden Bakteriums E.coli nachweisen. Vor kurzem wurde berichtet, dass durch eine bestimmte genetische Veranlagung die Bildung des entzündungsfördernden Proteins Interleukin-1beta gefördert wird. Dieser Wirkmechanismus ist wiederum verknüpft mit einer generell

gesteigerten Empfänglichkeit für alle bakteriell induzierten Entzündungsvorgänge im Darm, wie sie für das Krankheitsbild der Crohnschen Erkrankung typisch sind. Vor dem Hintergrund der weiten Verbreitung des Erregers in der belebten und unbelebten Umwelt einschließlich des gelegentlichen Vorkommens sehr kleiner Keimzahlen in Lebensmitteln und der ungeklärten Frage einer möglichen humanmedizinischen Bedeutung dieses Vorkommens, ist eine Risikoabschätzung nach wie vor nicht sinnvoll. In den USA, wo die Behörden gewöhnlich sehr schnell auf gesundheitsbezogene Themen reagieren, ist aus diesem Grund bisher keine Risikoabschätzung begonnen worden. Seit einem Fachgespräch, welches am 19. September 2001 vom ehemaligen BgVV durchgeführt wurde, gibt es keinen entscheidenden Zugewinn an Erkenntnissen. Damals wurde festgestellt, dass nach dem aktuellen Wissensstand keine umfassende Risikoabschätzung hinsichtlich einer Verbindung zwischen MAP und Morbus Crohn durchgeführt werden kann. Nach Auffassung der Experten zunächst zu beantwortende Fragen wurden aufgelistet und Studien vorgeschlagen, die zum Teil inzwischen durchgeführt oder zumindest begonnen wurden. Die zu klärenden Fakten betrafen folgende Bereiche: - Verbreitung und Bedeutung der Paratuberkulose in deutschen Tierbeständen - Verbreitung von M. Crohn in Deutschland und potenzielle Bedeutung von MAP für die Erkrankung - Lebensmittelhygienische Beurteilung der potenziellen Übertragungswege von MAP auf den Menschen; Einfluss der Technologie In der von den Sachverständigen gebilligten Pressemitteilung des BgVV vom 21.09.2001 zu dem Fachgespräch hieß es: Die Experten schätzten einen ursächlichen Zusammenhang als eher unwahrscheinlich ein. Sie hielten es aber durchaus für denkbar, dass der Erreger der Johne schen Krankheit, das Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (M. paratuberculosis), das Krankheitsbild von Morbus Crohn verschlimmern und bei einem Teil der Patienten möglicherweise ein mit auslösender Faktor gewesen sein könnte. Die Fachleute waren sich einig, dass die vorliegenden Daten für eine abschließende gesundheitliche Risikoabschätzung nicht ausreichen. Im Jahre 2003 veröffentlichten das Robert Koch-Institut und das Bundesinstitut für Risikobewertung gemeinsam eine Literaturstudie zu der Frage, welche Belege es in der Literatur für die Hypothese gebe, dass beim Menschen eine Exposition mit MAP zu einem erhöhten Risiko führt, an Morbus Crohn zu erkranken (Schrauder et al., 2003). Die Schlussfolgerung dieser Studie lautete: Die Annahme einer kausalen Verbindung zwischen Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis und Morbus Crohn ist bei der derzeitigen Studienlage noch auf Hypothesenniveau.

Im Unterschied zu einer hypothetisch möglichen, aber nicht belegten kausalen Beteiligung von MAP gibt es andere gut belegte Risikofaktoren für die Entstehung des Morbus Crohn. Hierzu gehören: - genetische Prädisposition - Umweltfaktoren - möglicherweise eine abnormale Immunantwort (RNA, Enterozyten, normale Darmflora) - möglicherweise das Ernährungsverhalten Sollte MAP kausal an der Entstehung des Morbus Crohn beteiligt sein, so ist die kausale Bedeutung im Vergleich zu anderen Risikofaktoren nach derzeitigen Kenntnisstand allenfalls als untergeordnet einzuschätzen. Im Tabelle 1 werden die Argumente aufgelistet, welche für und gegen eine hypothetisch mögliche kausale Beteiligung von MAP an der Entstehung des Morbus Crohn sprechen: Es besteht folgender Forschungsbedarf: - Verbreitung und Bedeutung der Paratuberkulose in deutschen Rinderbeständen Am FLI (NRL für Paratuberkulose) werden derzeit Untersuchungen zur Evaluierung und Validierung diagnostischer Verfahren durchgeführt (Antikörpernachweis mittels ELISA in Blutserum, Einzel- und Sammelmilchproben; Interferon-γ-Test, PCR-Verfahren zum Direktnachweis von MAP aus Kot, Milch und Organen). Folgende Fragestellungen sind zu bearbeiten: - Entwicklung einer Strategie für eine flächendeckende Erhebung der Prävalenz der Paratuberkulose in den Rinderbeständen Deutschlands. Die derzeit im NRL für Paratuberkulose laufenden Validierungsstudien dienen dazu, die am besten geeigneten Testverfahren zu identifizieren. Daran schließt sich eine Machbarkeitsstudie im Feld an, bei der ein geeignetes Verfahrens für flächendeckende Untersuchungen entwickelt werden soll. Dafür sind umfangreiche Forschungsmittel erforderlich (Verbrauchsmittel und Personal). - Entwicklung von Empfehlungen für ein Diagnostikregime für Paratuberkulose in Rinderbeständen im Rahmen von Bekämpfungsverfahren Basis dafür werden Daten sein, die derzeit im Rahmen eines Drittmittelprojektes am NRL für Paratuberkulose gewonnen werden. - Aufklärung von Infektketten für die Paratuberkulose in Tierbeständen (Rolle kleiner Wiederkäuer, der Wildwiederkäuer und von Infektionsquellen in der unbelebten Umwelt der Tierbestände) Die dafür erforderlichen molekularen Typisierungsmethoden sind am FLI etabliert, erste Ergebnisse liegen in Kürze vor.

- Langzeitstudien zur Pathogenese der Paratuberkulose beim Rind (Infektionsversuche mit 5 7 Jahren Dauer) Die Studien sollen der weiteren Aufklärung der Pathogenese der Paratuberkulose, der Prüfung möglicher Infektionswege und der Erprobung neuer diagnostischer Verfahren dienen. - Potenzielle Bedeutung von MAP für Morbus Crohn - Nachweishäufigkeit von MAP bei Morbus-Crohn-Patienten in Deutschland und bei geeigneten Kontrollgruppen in Deutschland (mit validierten und standardisierten Labormethoden) und Erhebung epidemiologischer Daten - Vergleich von humanen und tierischen MAP-Isolaten mit Hilfe molekularer Typisierungsmethoden MAP-Isolaten von Tieren und Menschen (vor allem von Morbus Crohn-Patienten) sollten systematisch gesammelt und verglichen werden. Die methodischen Voraussetzungen für einen Vergleich mit molekularbiologischen und anderen Verfahren sind am FLI vorhanden. - Untersuchungen zur Rolle von MAP bei chronischen entzündlichen Prozessen in In-vitro- und Tiermodellen - Lebensmittelhygienische Bedeutung von MAP - Studien zum Vorkommen von MAP in Konsummilch, Milch- und Rohmilchprodukten sowie Rindfleisch, pflanzlichen Lebensmitteln und im Trinkwasser in Deutschland (Anmerkung aus dem Institut für Hygiene und Produktsicherheit der BFEL, Standort Kiel: Bezüglich Konsummilch kann man eigentlich ähnliche Ergebnisse erwarten wie in Großbritannien, USA und der Tschechischen Republik (1,8, 2,8, 1,6% positive Proben). Bei der Produktionsmenge hierzulande, müsste man wahrscheinlich einige tausend Packungen untersuchen, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Ob dieser Aufwand wissenschaftlich zu vertreten wäre, ist aus unserer Sicht fraglich.) - Studien zur technologiebedingten Abreicherung bei der Lebensmittelverarbeitung Für die im Folgenden aufgeführten Forschungsaufgaben sind umfangreiche Forschungsmittel erforderlich (Verbrauchsmittel und Personal), insbesondere auch viel Zeit, da der kulturelle Nachweis geschädigter MAP sehr lange dauern kann (1 Jahr): a) Milch und Milchprodukte Erhitzung, Homogenisierung, Bactofugation, Mikrofiltration, Fermentation, Reifung u.a. b) Fleisch Erhitzung, Fermentation, Räuchern u.a. c) Wasser Wirksamkeit trinkwassertechnologischer Aufbereitungsverfahren d) Pflanzliche Nahrungsmittel e) Infektiosität: Sind MAP nach Erhitzung überhaupt noch infektiös oder nur noch kultivierbar? (Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund der früher mit M. tuberculosis und M. bovis durchgeführten Erhitzerprüfungen, bei denen trotz

fehlender Infektiosität im Meerschweinchenversuch aus der erhitzten Milch gelegentlich kulturelle Anzüchtungen gelangen.) (Anmerkung: Das Institut für Hygiene und Produktsicherheit der BFEL, Standort Kiel, ist Partner in einem sehr umfangreichen EU-Projekt, das gerade beantragt wurde. Dieses beinhaltet neben den auch oben angegebenen Fragestellungen zur Tiergesundheit, Diagnostik am Tier, Risikobewertung in Bezug auf Morbus Crohn auch lebensmittelhygienische und technologische Gesichtspunkte. Das Thema Milch ist davon betroffen, in Richtung Fleisch und Wasser ist praktisch nichts vorgesehen.)

Tabelle 1: Argumente und Gegenargumente zu einer hypothetischen kausalen Beziehung zwischen Infektionen des Menschen mit MAP und der Entstehung von Morbus Crohn (in Anlehnung an Graham Gould, ILSI Europe Emerging Pathogens Task Force, 2004). Argument Gegenargument Kommentar M. Crohn ähnelt klinisch und pathologisch der von MAP verursachten Paratuberkulose bei Tieren MAP-Infektionen beim Menschen sind beobachtet worden. MAP könnte ein Zoonoseerreger sein. MAP wurde im veränderten Darmgewebe von M. Crohn- Patienten mit molekularen Methoden nachgewiesen. MAP wurde kulturell bei M. Crohn-Patienten nachgewiesen. Einige Studien haben Antikörper gegen MAP bei M. Crohn-Patienten nachgewiesen. Viele M. Crohn-Patienten sprechen auf eine antimykobakterielle Therapie an. Die Ähnlichkeiten sind überwiegend oberflächlicher Art. Es gibt zahlreiche Unterschiede. Nur wenige wissenschaftliche Studien gehen von einer Verbindung von MAP und M. Crohn aus. Keine Studie beweist eine kausale Beziehung zwischen MAP und M. Crohn. Der Nachweis von MAP oder bakterieller DNA in der Darmschleimhaut kann auch durch einen angeborenen Defekt des Immunsystems gegenüber Darmbakterien verursacht sein oder die Folge von krankheitsbedingten Defekten der Barriere-Funktion des Darms darstellen und ist nicht notwendigerweise eine spezifische Infektion. MAP wurde auch bei gesunden Menschen und nicht bei allen M. Crohn-Patienten nachgewiesen. Die Antikörperantworten sind schwach und nicht immer nachweisbar, sie können auf Kreuzreaktionen mit anderen Keimen oder auf der Beeinträchtigung der Barriere- Funktion des Darms bei M. Crohn beruhen. Therapieerfolge werden vor allem mit Makrolid-Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum erzielt. Dies legt eine nicht MAPspezifische antibiotische Wirkung nahe. Morbus Crohn verläuft schubweise mit Besserungen und Verschlechterungen, während die Paratuberkulose progressiv und tödlich verläuft. Die Paratuberkulose ist nicht mit extraintestinalen Erkrankungen assoziiert. Im Gegensatz zur Paratuberkulose spricht Morbus Crohn auf eine immunsuppressive Therapie und Behandlung mit Steroiden an. Die extrem geringe Zahl von Studien legt nahe, dass Infektionen des Menschen mit MAP selten sind, sogar in immunsupprimierten Patienten. Die vorliegenden Publikationen berichten divergierende und einander widersprechende Ergebnisse, die teilweise methodische Gründe haben könnten. Der Nachweis von MAP bei gesunden Kontrollpatienten und bei Patienten mit Colitis ulcerosea lassen an der Spezifität und der pathogenetischen Bedeutung der MAP-Nachweise zweifeln. Für die Untersuchungen sind Langzeitkulturen erforderlich, die das Risiko des Nachweises von Kontaminationen beinhalten. Außerdem besteht das Risiko einer Kontamination mit Darmkeimen. Der Nachweis einer zellvermittelten Immunantwort wäre aussagekräftiger, diese fällt aber bei M. Crohn schwach aus oder ist nicht nachweisbar. Hier besteht eine Diskrepanz zu der heftigen Entzündung des Darmes, die für M. Crohn typisch ist. Es wurden auch Antibiotika mit einer immunmodulatorischen Wirkung benutzt, welche die Krankheit auch dann beeinflussen könnten, wenn sie keine infektiöse Ursachenkomponente hat.