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Transkript:

Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats beim Einsatz von Leiharbeitnehmern BAG, Beschluss vom 10.07.2013, 7 BR 91/11 In einem Betrieb beabsichtigte der Arbeitgeber dauerhaft Leiharbeitnehmer auf bestimmten Positionen einzusetzen. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur Einstellung der Leiharbeitnehmer nach 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Dort heißt es unter anderem: Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz verstoßen würde. Der Betriebsrat hat die Zustimmung verweigert, weil die Einstellung der Leiharbeitnehmer gegen 1 Abs. 1 S. 2 AÜG verstößt. Nach 1 Abs. 1 S. 2 AÜG erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend. Der Arbeitgeber hat nach 99 Abs. 4 BetrVG beim Arbeitsgericht die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung beantragt. Die Gerichte hatten demnach zu prüfen, ob die Zustimmungsverweigerung zu Recht erfolgt ist. Das BAG hat anders als die Vorinstanzen entschieden, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur dauerhaften Einstellung von Leiharbeitnehmern zu Recht verweigert hat. Demnach war die verweigerte Zustimmung nicht durch das Gericht zu ersetzen. Das BAG schloss sich der Auffassung an, dass 1 Abs. 1 S. 2 AÜG die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung versagt. Diese Regelung diene zum einen dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Zum anderen soll sie auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern. Im vorliegenden Fall musste das BAG keine genaue Abgrenzung des Begriffs vorübergehend vornehmen. Der Arbeitgeber beabsichtigte, die Leiharbeitnehmer ohne jegliche zeitliche Begrenzung an Stelle einer Stammkraft einzusetzen. Weitere Entscheidungen dazu, was jedenfalls nicht mehr vorübergehend ist, werden zu erwarten sein. Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats bei Einstellung neuer Arbeitnehmer an Stelle einer Aufstockung von Teilzeitverträgen LAG Stuttgart, Beschluss vom 21.03.2013, 6 TaBV 9/12 Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb ca. 500 Arbeitnehmer. Die Mitarbeiter des Betriebs arbeiten in drei Schichten, die regelmäßig jeweils 3,4 Stunden dauern. Die Schichten beginnen zeitlich gestaffelt. Im Jahre 2003 traf die Arbeitgeberin die unternehmerische Entscheidung, zukünftig keine Arbeitsverträge mit täglichen Doppelschichten mehr anzubieten. Daher arbeitet die überwiegende Mehrzahl der Arbeitnehmer heute nur in einer der drei Schichten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 17 Stunden. Nur ca. 36 Arbeitnehmer, die vor 2003 in das Unternehmen eingetreten waren und über Altverträge verfügen, arbeiten weiterhin in Doppelschichten. 1

Die Arbeitgeberin schreibt regelmäßig Stellen in allen drei Schichten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 17 Stunden aus. Im Jahr 2012 verlangten 15 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nur in einer Schicht beschäftigt waren, gemäß 9 TzBfG eine Verlängerung ihrer Arbeitszeit auf 34 Stunden wöchentlich, was zu einem Einsatz in Doppelschichten geführt hätte. Die Arbeitgeberin lehnte sämtliche Angebote ab. Der Betriebsrat verweigerte daraufhin sämtliche Einstellungen für Einzelschichten. Er berief sich auf 99 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BetrVG. Er verlangte, dass die Arbeitgeberin die Stellen zunächst den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anbietet, die eine Verlängerung der Arbeitszeit beantragt haben. Die Arbeitgeberin ging daraufhin nach 100 BetrVG vor und stellte 54 Mitarbeiter vorläufig ein. Darüber hinaus leitete sie ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein mit dem festgestellt werden sollte, dass der Betriebsrat die Zustimmung zu den Einstellungen zu Unrecht verweigert hatte und diese deshalb zu ersetzen seien. Das Landesarbeitsgericht Stuttgart stellte fest, dass der Betriebsrat entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seine Zustimmung zu Recht verweigert habe. Gemäß 9 TzBfG ist ein Arbeitnehmer, der den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. Auch die zu besetzenden Teilzeitarbeitsplätze seien freie Arbeitsplätze. Vor diesem Hintergrund war die Arbeitgeberin verpflichtet, die Teilzeitarbeitnehmer mit einem entsprechenden Verlängerungsbegehren vorrangig zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht Stuttgart führte aus, dass die Arbeitgeberin zwar eine gewisse Organisationsfreiheit bei der Einrichtung von Arbeitsplätzen habe. Diese dürfe jedoch nicht dazu führen, dass 9 TzBfG umgangen werde. Vielmehr müsse es so sein, dass Organisationsentscheidungen der Arbeitgeberin durch arbeitsplatzbezogene Gründe gerechtfertigt sein müssen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der Einsatz in Doppelschichten führe nicht zu gravierenden Einschränkungen bei der Zuteilung von Mehrarbeit. Ein Arbeitnehmer könne in der Doppelschicht ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht täglich immer noch mehr als 3 Stunden Mehrarbeit leisten, womit der Bedarf gedeckt sei. Berücksichtige man dies, erleiden die aufstockungswilligen Arbeitnehmer einen Nachteil im Sinne des 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, weil die Arbeitgeberin durch die Neueinstellungen die Erfüllung der Verlängerungsansprüche unmöglich mache. 2

Außerordentliche Kündigung eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats BAG, Urteil vom 27.09.2012, 2 AZR 955/11 Der Kläger ist erstes Ersatzmitglied im Betriebsrat. Die Arbeitgeberin betreibt eine Druckerei. Beim Druckvorgang werden leicht entzündliche Lösungsmittel verwendet, die sich beim Trocknungsprozess mit Luft mischen. Ferner stellen Papierstaub sowie Papierprodukte eine Brandgefahr dar. In der Vergangenheit kam es bei der Arbeitgeberin schon mehrfach zu Bränden mit ungeklärter Ursache. Daher bestand im Betrieb aufgrund einer Betriebsvereinbarung ein allgemeines Rauchverbot. Im September 1996, Januar 2003, August 2007 und September 2009 erhielt der Kläger Abmahnungen wegen Verstoßes gegen das betriebliche Rauchverbot. Am 05.04.2011 wurde er gegen 17:30 Uhr erneut rauchend außerhalb der Raucherzone angetroffen. Am Dienstag, dem 12.04.2011, wurde er zur Betriebsratssitzung für Donnerstag, den 14.04.2011 eingeladen. Mit Schreiben vom selben Tag hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat behandelte die Angelegenheit im Rahmen der Betriebsratssitzung vom 14.04.2011. An der Beschlussfassung nahm der Kläger nicht teil. Am Mittag des 15.04.2011 teilte der Betriebsrat der Geschäftsführung mit, dass er beschlossen hat, keine Stellungnahme abzugeben. Mit Schreiben vom 15.04.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Das Schreiben wurde durch einen Boten am selben Tag um 15:10 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingelegt. Der Kläger arbeitete an diesem Tag bis 14:00 Uhr in der Frühschicht. Das Betriebsratsmitglied H. arbeitete an diesem Tag in der Spätschicht von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Am folgenden Samstag war der Kläger ebenfalls zur Arbeit eingeteilt und zwar zur Frühschicht; das Betriebsratsmitglied H. nicht. Am Montag dem 18.04.2011 war das Betriebsratsmitglied H. für mehrere Wochen im Urlaub. Das Ersatzmitglied machte geltend, dass es die Kündigung erst am Samstag, den 16.04.2011 erhalten habe. Seinen Hausbriefkasten leere er im Falle seines Einsatzes in der Frühschicht regelmäßig unmittelbar bei Rückkehr von der Arbeit und im Falle seiner Einteilung in der Spätschicht vor Schichtbeginn. Zu dieser Zeit seien die Tagespost und auch die Post der privaten Zusteller regelmäßig schon eingegangen. So habe er erstmals am Samstagmorgen im Betrieb von der Kündigung erfahren. Ab diesem Samstag habe ihm der Schutz des 103 BetrVG zugestanden. Zu klären war somit zunächst, ob das Ersatzmitglied zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ordentliches Mitglied des Betriebsrats war, so dass eine Kündigung ohne Zustimmung des Betriebsrats gem. 103 Abs. 1 BetrVG unwirksam wäre. Das BAG ließ es offen, ob die Kündigung am 15.04.2011 oder am 16.04.2011 zugegangen ist. Jedenfalls sei auf den Zugang der Kündigung abzustellen. Jedenfalls sei der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht für das ordentliche Betriebsratsmitglied H. nachgerückt. Am 15.04.2011 hat das Betriebsratsmitglied H. noch gearbeitet, war also nicht verhindert. Am 16.04.2011 war H. ebenfalls nicht verhindert, nur weil er an diesem Tag arbeitsfrei hatte. Be- 3

triebsratsmitgliedern sei regelmäßig die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben auch außerhalb der persönlichen Arbeitszeit grundsätzlich zumutbar. Deshalb müsse ein tatsächlicher Verhinderungsgrund vorliegen, damit das Ersatzmitglied sich auf ein Nachrücken und das Greifen von Sonderkündigungsschutz gem. 103 BetrVG berufen kann. Die Darlegungs- und Beweislast trägt in diesem Fall das Ersatzmitglied. Dieses hatte in dem Verfahren zwar behauptet, dass es Betriebsratsaufgaben wahrgenommen habe, diese jedoch nicht ausreichend dargelegt. Darüber hinaus lag auch ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des 626 Abs. 1 BGB vor. Das Ersatzmitglied hat gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem das betriebliche Rauchverbot nicht eingehalten wurde. Dies sei auch eine schwerwiegende Pflichtverletzung. Selbst wenn das Ersatzmitglied durch seinen Verstoß keine konkrete Brandgefahr ausgelöst habe, sei das Rauchverbot jedenfalls einzuhalten, weil bei einem Brand erheblicher Personen- und Sachschaden droht. Mit dieser Begründung hat das BAG die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat, weil Personalinformationen nicht vertraulich behandelt wurden LAG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2013, 12 TaBV 93/12 Die Arbeitgeberin ist ein Bildungsträger. Im Jahre 2011 kam es zu einem Rückgang der Teilnehmer. Deshalb plante die Arbeitgeberin, 35 Mitarbeiter zu entlassen und hörte den Betriebsrat zu 15 betriebsbedingten Kündigungen an, die auch ausgesprochen wurden. Nachdem sich die Auftragslage wieder verbesserte, schrieb die Arbeitgeberin im Januar 2012 intern und extern neue Stellen aus. Diese waren geringer vergütete Stellen als die der bisherigen Mitarbeiter. Der Betriebsrat wurde daraufhin zu zwei Einstellungen angehört. Diesen wiedersprach er am 09.02.2012 und veranstaltete am selben Tag eine Betriebsversammlung, an der Vertreter der IG Metall sowie ca. 65 gekündigte und nicht gekündigte Mitarbeiter teilnahmen. Im Bericht des Betriebsrats teilte der Vorsitzende den Teilnehmern der Betriebsversammlung mit, dass es nicht angehen könne, dass qualifizierten Mitarbeitern gekündigt wird und dafür unqualifizierte eingestellt werden. Dabei verlas er eine Bewerbungs-Email eines der beiden externen Bewerber. Einen Namen erwähnte er nicht. Die beiden externen Bewerber nahmen ihre Arbeit bei der Arbeitgeberin auf. Außerdem wurden acht Kündigungen zurückgenommen. Die Arbeitgeberin hat ein Verfahren auf Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat eingeleitet. Sie ist der Auffassung, der Vorsitzende habe die neuen Mitarbeiter gezielt in der Betriebsöffentlichkeit diffamiert. Darüber hinaus habe er auch gegen die Verschwiegenheitspflicht des Betriebsrats verstoßen, da er aus Bewerbungsschreiben zitiert habe. 4

Sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgericht haben dem Antrag stattgegeben. Der Betriebsratsvorsitzende habe grob gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen, indem er vertrauliche Informationen öffentlich genutzt hat. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Bewerber aufgrund der Informationen, die in der Betriebsversammlung veröffentlicht wurden, identifizierbar war, auch wenn sein Name nicht genannt wurde. Durch das Verlesen der Punkte keinen Führerschein, keine Erfahrung im Garten- und Landschaftsbau und keinen Berufsabschluss sei der Bewerber identifizierbar geworden. Diesen Verstoß gegen die Amtspflichten sah das Gericht schon als ausreichend an. Darüber hinaus betrifft die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nicht nur das Verhältnis zum Bewerber, sondern auch das Verhältnis zu allen anderen Mitarbeitern. Durch diese Aktion wird allen Mitarbeitern klar, dass der Betriebsrat Informationen öffentlich nutzt, wenn er seine eigenen Ziele verfolgt. Das berge die Gefahr, dass sich die Mitarbeiter nicht mehr an den Betriebsrat wenden. Wenn dies dann der Fall sei, könne der Betriebsrat seine Hauptaufgabe, die Vertretung der Mitarbeiter, nicht mehr erfüllen. 5