Ökonomische Folgen von Scheidungen. anhand von Akten des BG Linz * Endbericht



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Ökonomische Folgen von Scheidungen anhand von Akten des BG Linz * Endbericht gefördert durch: Land Oberösterreich, Familienreferat Stadt Linz, Amt für Jugend und Familie Parlamentsklub der SPÖ René Böheim, Reiner Buchegger unter Mitarbeit von Christine Atteneder, Martin Halla Linz, Februar 2004 * Unser besonderer Dank gebührt dem Bezirksgericht Linz-Stadt, vor allem dem Gerichtsvorsteher, Herrn Dr. Walter Engelberger und seinem Stellvertreter und Familienrichter, Dr. Thomas Bauer, für die Ermöglichung eines unbürokratischen Zuganges zu den Scheidungsakten, sowie die großzügige Unterstützung bei der Erfassung der Daten. Dieser Dank gilt auch den Beschäftigten in den Kanzleien des Bezirksgerichtes Linz-Stadt. Ohne diese Kooperation wäre die Forschungsarbeit nicht möglich gewesen. Wir danken auch Frau Mag. Andrea Kollmann für die Datenerfassung und -aufbereitung und Frau Sabine Ferdik für Reinschrift, Formatierung und Layout des Berichtes.

Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort...8 2. Eheschließungen und -scheidungen in Österreich...10 3. Rechtlicher Rahmen...14 3.1. Die Verschuldensscheidung nach 49 EheG...15 3.2. Die Scheidung aus anderen Gründen nach 50-52 EheG...15 3.3. Die Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft nach 55 EheG...16 3.4. Die einvernehmliche Scheidung nach 55 a EheG...17 4. Rechtliche Folgen der Scheidung...19 4.1. Rechtsfolgen für die Eheleute...19 4.1.1. Nachehelicher Unterhalt der Eheleute...20 4.1.2. Nacheheliche Vermögensaufteilung...22 4.1.3. Hypothesen aufgrund der rechtlichen Determinanten zur Höhe des Ehegattenunterhaltes...23 4.2. Rechtsfolgen für die Kinder...23 4.2.1. Obsorgeregelung...23 4.2.2. Kindesunterhalt...25 4.2.3. Besuchsregelung...27 4.2.4. Hypothesen über Obsorge und Besuchsrecht aufgrund des rechtlichen Rahmens...28 5. Daten...32 6. Ökonometrische Schätzungen...36 6.1. Ehegatten- und Kindesunterhalt...36 6.2. Obsorge und Besuch...41 6.2.1. Hauptsächliche Obsorge...47 6.2.2. Obsorge beider Teile...53

6.2.3. Besuchsregelungen...56 7. Zusammenfassung und gesellschaftspolitische Empfehlungen...62 7.1. Unterhalt an Ehefrau...62 7.2 Unterhaltszahlungen an die Kinder...63 7.3. Obsorgeregelungen...63 7.4. Besuchsvereinbarungen...64 7.5. Gesellschaftspolitische Empfehlungen...64 Abkürzungsverzeichnis...67 Literatur...68 A Appendix...71 A.1 Variablenbeschreibung...71 A.2 Ökonometrisches...72 2

Executive Summary Gesellschaftliche Tendenzen Ehescheidung und Trennung sind zentrale persönliche und gesellschaftliche Probleme, was sowohl aus den Entwicklungen der Scheidungszahlen als auch durch die direkten oder indirekten persönlichen Erfahrung jedes Menschen belegbar ist. Die Entwicklung der Eheschließungen und der Scheidungen in den letzen Jahrzehnten werden im Kapitel zwei kurz dargestellt. Diese Entwicklung ist von der steigenden Zahl von Scheidungen, bei einer gleichzeitig sinkenden Zahl von Eheschließungen, charakterisiert. Dabei wiesen im letzten Jahrzehnt der Osten (Niederösterreich und Wien) sowie der Westen (Vorarlberg) die höchsten, Tirol und das Burgenland die niedrigsten Gesamtscheidungsraten auf. Gesellschaftlichen Entwicklungen im Bereich von Scheidung und Trennung muss durch rechtliche Änderungen Rechnung getragen werden. Im vorliegenden Forschungsbericht wird versucht, die Folgen von Scheidungen für Männer, Frauen und Kinder empirisch zu quantifizieren. Insbesondere werden auch die Auswirkungen jüngster gesetzlicher Regelungen, wie z. B. das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2001, untersucht. Theorie und rechtliche Rahmenbedingungen Theoretische Basis stellen ökonomische Modelle von Ehe und Scheidung dar, bei denen die Maximierung des individuellen Wohlergehens und Verhandlungen zwischen den Partnern zentrale Elemente darstellen. Diese Modelle sind in den österreichischen rechtlichen Rahmen einzubetten, der im Kapitel 3 im Hinblick auf die Erfordernisse dieser Arbeit zusammengefasst wird. Zentral sind dabei die beiden Prinzipien, nach denen eine Scheidung erfolgen kann, nämlich das Zerrüttungs- und das Verschuldensprinzip. Dem weitaus größten Teil der österreichischen Scheidungen liegt das Zerrüttungsprinzip zugrunde. Die rechtlichen Folgen einer Scheidung für die Ex-Ehegatten und die Kinder werden im Kapitel 4 dargestellt. Dabei wird eine Trennung in Konsequenzen für die Ex-Partner und Konsequenzen für die Kinder vorgenommen. Für die involvierten Ex-Ehegatten sind die Scheidungsfolgen abhängig vom Paragraphen des Ehegesetzes, der der Scheidung zugrunde liegt. Der überwiegende Teil der Scheidungen sowohl für Österreich insgesamt als auch für Linz erfolgt einvernehmlich (nach 55a EheG) und damit im (einfacheren) außerstreitigen Verfahren. Nur in rund 10 % der Scheidungen kommt es zur (bzw. bleibt es bei einer) Scheidungsklage und im Falle der 3

Scheidung zu einem Schuldausspruch. Die rechtlichen Scheidungsfolgen für die Kinder sind prinzipiell unhabhängig von der Art der Scheidung. Auf der Grundlage der ökonomischen Theorie und des rechtlichen Rahmens bzw. der rechtlichen Scheidungsfolgen werden (im Kapitel 5) Hypothesen abgeleitet, die im Folgenden empirisch getestet und quantifiziert werden. Datenbasis Empirische Grundlage dieser Studie sind die Scheidungsakten des Bezirksgerichtes Linz-Stadt aus den Jahren 1997 2002. Diese enthalten eine Vielfalt von Informationen über persönliche, sozioökonomische Charakteristika der an der Scheidung Beteiligten, sowie Daten zu Unterhalts-, Obsorge- und Besuchsregelungen zum Zeitpunkt der Scheidung. 1 Insgesamt wurden als Grundgesamtheit 2.830 Akten erhoben. In den einzelnen ökonometrischen Analysen mussten Akten ausgeschieden werden, da entweder wichtige Angaben (z. B. Einkommen, exakte Besuchsregelung) fehlten oder es war keine Relevanz gegeben (z. B. für Analysen der Obsorgeregelungen werden Scheidungen mit volljährigen Kindern vernachlässigt). Somit schwankt die Stichprobengröße der einzelnen Berechnungen zwischen 359 (Besuchsregelung) und 1.128 (Unterhaltsleistungen) Fällen. Bei jeder Sub-Stichprobe wurde die Repräsentanz für die Grundgesamtheit beachtet. Eine detaillierte und kommentierte Beschreibung der erfassten Daten findet sich im Kapitel 5. Empirische Ergebnisse Eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse der empirischen Analyse enthält Kapitel 6. Die zusammenfassende Darstellung wird in drei Bereiche gegliedert: Unterhaltsleistungen, unterteilt in Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt Obsorge, unterschieden nach hauptsächlicher Obsorge oder Obsorge beider Teile Besuchsregelungen, getrennt nach einzelnen Besuchstagen und Urlaub Nach den theoretischen Überlegungen können Unterhalt, Obsorge und Besuchsregelung entweder in aufeinander folgenden Schritten oder gleichzeitig zwischen den Ehepartnern ausgehandelt werden. Im Linzer Datensatz zeigt sich, dass Obsorge und Unterhalt gleichzeitig verhandelt werden 1 Unser besonderer Dank gebührt dem Bezirksgericht Linz-Stadt, vor allem dem Gerichtsvorsteher Herrn Dr. Walter Engelberger und seinem Stellvertreter und Familienrichter Dr. Thomas Bauer, für die Ermöglichung eines unbürokratischen Zuganges zu den Scheidungsakten, sowie die großzügige Unterstützung bei der Erfassung der Daten. Dieser Dank gilt auch den Beschäftigten in den Kanzleien des Bezirksgerichtes Linz-Stadt. Ohne diese Kooperation wäre die Forschungsarbeit nicht möglich gewesen. 4

dürften, hingegen scheinen die Besuchstage nicht simultan mit Unterhalt und Obsorge verhandelt zu werden. Referiert werden im Folgenden nur die wesentlichsten Resultate der empirischen Arbeit. Weitere Ergebnisse, einschließlich der exakten Quantifizierung, sind im Kapitel 6 enthalten. Dort findet man auch weitere statistische Kennzahlen über die bei den einzelnen Schätzungen verwendeten Sub-Stichproben. Unterhaltsleistungen Die statistische Analyse zeigt eine Wechselwirkung zwischen Kindes- und Ehegattenunterhalt: Ein zusätzlicher Euro Unterhalt an ein Kind reduziert den Unterhalt an die Ex-Partnerin um etwas mehr als einen Euro, hingegen vermindert ein weiterer Euro Unterhalt an die Ex-Gattin den Unterhalt eines Kindes nur um etwa 30 Cent. Kindesunterhalt In Übereinstimmung mit der Gesetzeslage steigt der Kindesunterhalt mit dem Einkommen des Vaters. Für zusätzliche 100 Monatseinkommen des Vaters, bekam das erste Kind zusätzliche 16 und das zweite Kind zusätzliche 12 pro Monat.Das Alter des Kindes korreliert ebenso positiv mit dem Kindesunterhalt, für jedes Lebensjahr bekam ein Kind geschätzte 5 bis 6 pro Monat an Unterhalt. Der Kindesunterhalt sinkt hingegen mit dem Einkommen des Kindes. Der Kindesunterhalt ist geringer, wenn der abwesende Elternteil (zumeist der Vater) weitere Kinder oder andere Unterhaltspflichten aus früheren Ehen hat. Sowohl die Beiziehung einer Anwältin durch die Mutter als auch die Vereinbarung einer Obsorge beider Teile erhöht die monatliche Unterhaltszahlung an das Kind um jeweils rund 14 bzw. 15. Insgesamt liegt der durchschnittliche Kindesunterhalt deutlich über dem Durchschnittsbedarfswert für ein Kind gemäß den Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen. Ehegattinnenunterhalt (Hauptsächlich) schuldig geschiedene Männer leisten etwa 130 mehr Unterhalt pro Monat an die Ex-Frau im Vergleich mit nicht (hauptsächlich) schuldig geschiedenen bzw. einvernehmlich geschiedenen Männern. Erwartungsgemäß mindern bereits bestehende Unterhaltspflichten auch die Unterhaltsleistung an die Ex-Gattin. 5

Obsorge In etwa 90 Prozent der Fälle wird der Mutter die (hauptsächliche) Obsorge zugesprochen. Vor dem 1. Juli 2001 erhielt sie die Alleinobsorge, nach dem Kinderrechtsänderungsgesetz 2001 einigten sich etwa die Hälfte aller geschiedener Eltern auf eine Obsorge beider Teile, in den anderen 50 Prozent der Fälle blieb die Frau alleinig obsorgeberechtigt. Hauptsächliche Obsorge Im Folgenden wird angeführt, um wie viel sich nach unseren Schätzungen die Wahrscheinlichkeit der hauptsächlichen Obsorge der Mutter aufgrund verschiedener Einflüsse ändert. Ein Unterhaltsverzicht der Frau erhöht die Wahrscheinlichkeit der hauptsächlichen Obsorge, diese ist auch bei geringerem Alter des (der) Kindes (Kinder) höher. Das Kinderrechtsänderungsgesetz 2001 hatte keine Auswirkung auf diese Wahrscheinlichkeit, ebenso zeigte die Höhe des Einkommens des Mannes keine Auswirkung. Sehr wohl erhöht hingegen eine frühere Ehe des Mannes die Wahrscheinlichkeit einer Obsorge der Frau. Bemerkenswert sind weiters die Auswirkungen eines Rechtsbeistandes: Hat nur der Mann allein einen Anwalt, so reduziert das die Wahrscheinlichkeit der Obsorgezuteilung an die Frau. Hat die Frau allein eine Anwältin oder haben beide einen Rechtsbeistand, so erhöht das jeweils in etwa im selben Ausmaß die Chancen der Frau auf die hauptsächliche Obsorge. Obsorge beider Teile Auch hier werden analog zum Vorangehenden die Änderungen der Wahrscheinlichkeit einer Obsorge beider Teile aufgrund verschiedener Einflussfaktoren referiert. Interessanterweise geht von der Höhe der Unterhaltsleistung an die Obsorgeberechtigte kaum eine Wirkung auf die Wahrscheinlichkeit einer gemeinsamen Obsorge aus. Auch das Alter der Kinder bleibt hierfür ohne Bedeutung. Eine frühere Ehe eines Elternteiles vermindert die Wahrscheinlichkeit der Obsorge beider Teile, und zwar in beträchtlichem Ausmaß. Ein höheres Einkommen des Besuchsberechtigten erhöht die Wahrscheinlichkeit der Obsorge beider Teile kaum. Von besonderem Interesse sind wiederum die Konsequenzen formaler Rechtsberatung: Zieht eine Obsorgeberechtigte einen Anwalt bei, so reduziert das die Wahrscheinlichkeit einer Obsorge beider Teile um etwa 30 Prozent. Wenn beide Parteien einen Rechtsbeistand haben, dann ist dieser Unterschied jedoch teilweise kompensiert. Es ist zu vermuten, dass eine Frau dann eher einen Rechtsanwalt konsultiert, wenn sie (unter anderem) die alleinige Obsorge anstrebt. 6

Besuchsregelung Hier werden getrennt die Einflussfaktoren auf einzelne Besuchstage während des Jahres und auf die Urlaubstage getrennt untersucht. Eine Wechselwirkung zwischen beiden konnte nicht festgestellt werden. Einzelne Besuchstage Die Intentionen des Gesetzgebers für das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz scheinen sich zumindest bei der Höhe der Besuchstage zu verwirklichen: Liegt eine Obsorge beider Teile vor, so sieht der Besuchsberechtigte das Kind (die Kinder) um durchschnittlich drei Wochen mehr im Vergleich zur Alleinobsorge! Hat einer der beiden Ex-Partner einen Rechtsbeistand, so werden rund zwei Wochen mehr Besuchstage vereinbart als ohne Anwalt. Ziehen beide einen Anwalt zu Rate, so gleicht das die Verhandlungsmacht aus, es bleibt kein nennenswerter Effekt übrig. Unterhaltspflichten für (andere) Kinder reduzieren erwartungsgemäß die Besuchstage (um eine knappe Woche), einen ähnlichen Effekt hat eine größere Distanz zwischen Besuchsberechtigtem und Aufenthaltsort der Kinder. Urlaubsbesuchstage Weder das Einkommen des Besuchsberechtigten oder seine Unterhaltsleistungen, noch die Form der Obsorge oder das Alter des Kindes wirken sich nennenswert auf die vereinbarten Urlaubsbesuchstage aus. Diese sind auch unabhängig von Unterhaltspflichten an andere Personen. Die Mitwirkung von Anwälten hat teilweise andere Konsequenzen als bei den einzelnen Besuchstagen: In allen Fällen, in denen entweder die Obsorgeberechtigte oder der Besuchsberechtigte einen Rechtsbeistand heranzieht, oder auch wenn beide denselben Anwalt beiziehen, erhöhen sich die Urlaubsbesuchszeit um 5, 8 bzw. 6 Tage im Vergleich mit der Situation ohne formale Rechtsberatung. 7

1. Vorwort 2 Scheidungen von Ehen sind einschneidende Änderungen im (Zusammen-)Leben von Menschen, sowohl auf persönlicher Ebene als auch aus Sicht der Gesellschaft. Damit verbunden sind nicht nur oft traumatische Erfahrungen aller Beteiligten, die zumindest Kinder und Eltern, aber auch Großeltern, andere Verwandte sowie den Freundeskreis aller dieser Personen mehr oder weniger stark mit einbeziehen, sondern auch eine Vielfalt vor allem rechtlicher und ökonomischer Konsequenzen. Aus Sicht der Gesellschaft sind Scheidung und Trennung allerdings in gewissem Sinne Teil einer Normalbiographie geworden, wie die weiter unten dargelegten Statistiken klar erkennen lassen. Ein Bestreben des Gesetzgebers muss es daher sein, diesen Aspekt des menschlichen Zusammenlebens (oder besser: Auseinanderlebens) in einer Form zu regeln, welche vor allem die negativen Auswirkungen von Scheidung und Trennung für alle Betroffenen soweit wie möglich reduziert. Der Anspruch sollte daher sein, rechtliche Regelungen zu finden, die für alle Beteiligten möglichst fair und ausgewogen sind. Im Besonderen ist der Schutz der Schwächeren gefordert, in erster Linie der Kinder, in vielen Fällen aber auch (noch) der Frauen. Jede Gesellschaft ist im Verlauf der Zeit einem Wandel unterworfen. Der Gesetzgeber muss diesem Wandel Rechnung tragen und bestehende Normen entsprechend modifizieren. Das geschah auch in Österreich in den letzten Jahrzehnten: Wichtige Änderungen im Bereich des Familienrechts brachte die sog. Große Familienrechtsreform in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, welche den Übergang von einer patriarchalischen zur partnerschaftlichen Ehe auch juristisch nachvollzog. Die Möglichkeit der einvernehmlichen Scheidung sowie (in jüngerer Zeit) die Einführung des verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs und vor allem der Obsorge beider Teile nach der Scheidung stellen neben vielen Änderungen im Einzelnen Eckpunkte dieser Reform dar. Die vorliegende Arbeit stellt sich in dem Zusammenhang die Frage, wie sich Scheidungen auf Kinder, Frauen und Männer auswirken und welche Folgen die rechtlichen Änderungen für diese Auswirkungen haben. Theoretischer Rahmen ist die ökonomische Theorie der Familie. Dieser wird durch eine Auswertung der Scheidungsakten des Bezirksgerichtes Linz-Stadt aus den Jahren 1997 2 Ausführlichere Darstellung der ökonomischen Theorie und ökonometrischen Methoden sowie der Daten finden sich in den Arbeiten von Atteneder (2004) und Halla (2003), die eine Grundlage für den vorgelegten Forschungsbericht bilden. 8

bis 2002 empirischer Gehalt gegeben. Im Einzelnen werden die Zusammenhänge zwischen der Höhe des Ehegattenunterhaltes, des Kindesunterhalts, der Obsorge und des Ausmaßes und der Ausgestaltung der Besuchsmöglichkeiten quantitativ untersucht. Neben den Wechselwirkungen zwischen diesen Größen wird eine Reihe sozioökonomischer Merkmale der Eheleute ein zentrales Element der Analyse darstellen. Vorgelagert werden einige wichtige Entwicklungen von Ehe und Scheidung in Österreich kurz präsentiert, Schlussfolgerungen und gesellschaftspolitische Empfehlungen stehen am Ende der Arbeit. Wir hoffen, damit einen kleine Beitrag zur Objektivierung der Diskussion der Familienpolitik zu leisten, einem Bereich, in welchem der Natur der Sache entsprechend? die erforderliche Sachlichkeit allzu häufig durch emotionale Gesprächsführung dominiert ist. 9

2. Eheschließungen und -scheidungen in Österreich Abbildung 2.1 zeigt die Anzahl der Eheschließungen und die Ehescheidungen in Österreich pro 1000 Einwohner von 1946 bis 2002. Abgesehen von den Jahren 1972, 1983 und 1987 unterliegt die Zahl der Eheschließungen seit 1947 einem langfristig fallenden Trend. Die auffallend hohe Zahl an Eheschließungen in den Jahren 1972, 1983 und 1987 ist auf die Einführung oder Einstellung von staatlichen Transferleistungen zurück zu führen (Statistik Austria, 2000, 2001, 2002b, 2003c,d). 3 Abbildung 2.1: Eheschließungen und -scheidungen, 1946-2002. Anzahl / 1000 Einwohner 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1972 1983 1946 1954 1962 1970 1978 1986 1994 2002 Jahr Eheschließungen Ehescheidungen 1987 Parallel zu der abnehmenden Anzahl der geschlossenen Ehen sank auch der Anteil der Erst- Eheschließungen. Der prozentuelle Anteil der Eheschließungen, die für beide Partner die erste Ehe darstellte, lag von 1985 bis 1995 (mit Ausnahme von 1988) stets über 70%. Dieser Anteil erreichte 2002 ein Minimum mit 62,9% (Statistik Austria, 2001, 2003b). 3 Am 1.1.1972 wurde die so genannte Heiratshilfe für Erstvermählte eingeführt und viele Paare verzögerten ihre Eheschließung bis nach der Einführung. Im Jahr 1983 endete die steuerliche Absetzbarkeit der Mitgift und es traten Gerüchte über die Abschaffung der Heiratshilfe mit 1.1.1984 auf, was zu vorgezogenen Eheschließungen führte. Die Heiratsbeihilfe wurde per 1.1.1988 eingestellt und auch damals kam es zu vorgezogenen Eheschließungen (Statistik Österreich, 2000). 10

Dem fallenden Trend der Eheschließungen steht ein langfristiger Anstieg der Ehescheidungen gegenüber. In den 1970ern wurden im Schnitt 1,5 Ehen pro 1000 Einwohner geschieden. Dieser Wert stieg in den 1980ern auf 1,9 und betrug in den 1990ern bereits 2,2. Im Jahr 2001 wurde mit 2,5 Scheidungen pro 1000 Einwohner der höchste Wert der zweiten Republik verzeichnet. Im Folgejahr sank dieser auf 2,4 Ehescheidungen pro 1000 Einwohner (Schipfer, 2002; Statistik Austria, 2000, 2003c,d). Auf der Basis der Zahlen des Jahres 2002 enden (unter der Annahme gleich bleibender ehedauerspezifischer Scheidungsraten) 44 von 100 gegenwärtig geschlossenen Ehen vor dem Scheidungsrichter (Statistik Austria, 2003d). Diese Gesamtscheidungsrate weist jedoch stark unterschiedliche Werte für die einzelnen Bundesländer auf (Abbildung 2.2). Wien verzeichnet mit 54,6 den höchsten Wert, gefolgt von Niederösterreich und Vorarlberg. Die Bundesländer mit den niedrigsten Raten sind Oberösterreich (37,5), Kärnten und Tirol (je 36,7) (Statistik Austria, 2003d). Die Mehrzahl der Scheidungen erfolgt in den ersten Ehejahren. Im Jahr 2002 verweilten 26% aller geschiedenen Eheleute weniger als 5 Jahre in der ehelichen Gemeinschaft (Statistik Austria, 2002). Etwas mehr als die Hälfte aller Scheidungen des Jahres 2002 betraf Paare mit einer Ehedauer unter 10 Jahren (Statistik Austria, 2003b). Das Scheidungsrisiko stieg in den letzten Jahrzehnten generell, für bereits länger andauernde Ehen erhöhte sich das Risiko, in einer Scheidung zu enden, jedoch überproportional (Hanika, 1999; Tazi-Preve u. a., 1999). Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der gestiegenen Median-Ehedauer wider. Während die mittlere Ehedauer (Median) der im Jahr 1992 geschiedenen Ehen nur 7,5 Jahre betrug, erhöhte sich dieser Wert sukzessive und im Jahr 2002 bestand die Hälfte aller in diesem Jahr geschiedenen Ehen 9,8 Jahre (Statistik Austria, 2002c). 11

Abbildung 2.2 : Scheidungsraten nach Bundesländern, 1992-2002. 65 60 55 Gesamtscheidungsrate 50 45 40 35 30 25 20 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 Jahr W V NÖ K STKM SBG OÖ T B Im Jahr 2002 waren 34,2% aller geschiedenen Ehen kinderlos geblieben (Statistik Austria, 2003d). Dieser Wert ist (wie Tabelle 2.1 zeigt) gegenüber den Mittelwerten der drei vorhergehenden Perioden nur leicht gesunken. Der Anteil der Ehescheidungen, die ein Kind betrafen, ist zwischen 1983 und 2002 von 34,3% auf 28,0% gesunken. Hingegen stieg der Anteil der Scheidungen von Ehen mit 2 Kindern seit 1983 um 6,5 Prozentpunkte auf 28,6% im Jahr 2002. Ehescheidungen mit 3 oder mehr Kindern waren anteilsmäßig nur geringen Schwankungen unterworfen (Statistik Austria, 2001, 2002a, 2003d). 12

Tabelle 2.1: Ehescheidungen nach durchschnittlicher Kinderanzahl in Prozent (1983 2002). Jahre Anzahl der Kinder 0 1 2 3+ 1983-1987 35,19 33,72 22,44 8,65 1988-1992 36,67 32,53 23,04 7,77 1993-1997 35,82 30,36 25,66 8,16 1998-2002 34,21 28,95 28,00 8,84 Quelle: Eigene Berechnung basierend auf Statistik Austria (2001, 2002a, 2003d). Durchschnittlich hatten die Eheleute bei der Scheidung im Jahr 2002 1,16 Kinder (Statistik Austria, 2003d). Zehn Jahre zuvor betrug der Wert lediglich 1,05. Im Jahr 2002 waren bei der Scheidung 78,3% der betroffenen Kinder (bzw. 0,90 Kinder pro Scheidung) noch minderjährig (Statistik Austria, 2001, 2002a, 2003d). Zehn Jahre zuvor waren bei Scheidungen 80,7% der betroffenen Kinder noch minderjährig (Statistik Austria, 2001), wobei aber Kinder erst ab 19 als volljährig zählten. Der Anteil der Kinder unter sechs Jahren ist zurückgegangen, vor allem zu Lasten der Gruppe zwischen sechs und vierzehn Jahren. 13

3. Rechtlicher Rahmen Rechtsfolgen für Kinder sind von der Form der Scheidung unabhängig. Die rechtlichen Folgen der Scheidung zwischen den Eheleuten werden maßgeblich vom Paragraphen der Scheidung bzw. vom Schuldausspruch beeinflusst. Eine empirische Analyse von Scheidungsfolgen muss sich daher mit dem rechtlichen Rahmen von Scheidungen auseinandersetzen. "Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in untrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitig Beistand zu leisten ( 44 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)). Mit diesen Worten ist die Ehe in Österreich (im Original-Wortlaut des im Jahr 1811 erlassenen ABGB) definiert. Auch der Großteil der weiteren familienrechtlichen Bestimmungen aus dem Jahre 1811 blieben bis zur so genannten Großen Familienrechtsreform der Jahre 1976/78 fast unverändert bestehen (Klaar, 1999). Seither besitzen einerseits die Ehegatten zueinander die gleichen persönlichen Rechte und Pflichten, andererseits wurden auch deren Rechte und Pflichten gegenüber den Kindern angeglichen. Im Jahre 1978 wurde auch im Kindschaftsrecht, im Ehegüterrecht und im Erbrecht anstelle des patriarchalischen das partnerschaftliche Prinzip eingeführt (Klaar, 1999). Durch das Eherechtsänderungsgesetz 1978 (EheRÄG) wurden einige Verbesserungen für die Frau erreicht (Klaar, 1999). Im Scheidungsrecht wurde das Verschuldensprinzip maßgeblich zu Gunsten des Zerrüttungsprinzips zurückgedrängt (Mottl, 2002). Dies zeigt sich auch durch die Einführung des so genannten verschuldensunabhängigen Unterhalts ( 68a EheG) zur Vermeidung von sozialen Härtefällen (Filler, 1999). Einen weiteren wichtigen Reformpunkt stellte die, durch das Eherechtsänderungsgesetz 1978 gesetzlich verankerte, einvernehmliche Scheidung dar (Klaar, 1999). Im österreichischen Eherecht gibt es zwei Prinzipien, nach denen eine Scheidung möglicht ist: das Verschuldensprinzip und das Zerrüttungsprinzip. Dem Verschuldensprinzip nach kann ein Partner die Scheidung begehren, wenn der andere Ehepartner die aus dem Eheverhältnis entspringenden Pflichten schuldhaft so grob verletzt hat, sodass dem anderen das Zusammenleben unzumutbar ist (Deixler-Hübner, 2001, Seite 59). Laut dem Zerrüttungsprinzip hingegen ist es entscheidend, ob die eheliche Gemeinschaft faktisch schon so zerbrochen ist, dass die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann (Koziol, 2002, Seite 441). Die Verschuldensscheidung nach 49 EheG ist 14

vom Verschuldensprinzip dominiert, bei den Scheidungen aus anderen Gründen nach den 50-52, 55 und 55a EheG überwiegt das Zerrüttungsprinzip (Koziol, 2002). Generell ist eine Scheidung im Rechtsweg durchzusetzen (Koziol, 2002). Lediglich über die einvernehmliche Scheidung wird im formloseren außerstreitigen Rechtsweg verhandelt. Die Ehegatten stehen sich hier nicht als Kläger und Beklagter gegenüber, sondern sind verpflichtet, einen gemeinsamen Scheidungsantrag einzubringen (Deixler-Hübner, 2001). Im Folgenden werden die unterschiedlichen Scheidungsgründe, die das österreichische Eherecht kennt, dargestellt. 3.1. Die Verschuldensscheidung nach 49 EheG Eine Verschuldensscheidung erfordert laut 49 EheG das Vorliegen einer schweren Eheverfehlung bzw. ehrloses oder unsittiges Verhalten, welches zu einer derartigen schuldhaften Zerrüttung der Ehe geführt hat, dass die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. Insbesondere führt der Gesetzgeber in 49 Satz 2 EheG an, dass eine schwere Eheverfehlung bei Ehebruch, bei Zufügung körperlicher Gewalt oder auch schweren seelischen Leides vorliegt. Es wird weiters betont, dass ein Ehepartner die Scheidung nicht begehren kann, wenn dieser selbst auch eine Eheverfehlung begangen hat und deshalb sein Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt ist ( 49 Satz 3 EheG). Hierbei ist vor allem der Zusammenhang der beiden Eheverfehlungen zu beachten. Wenn aus dem Verhalten des verletzten Ehepartners hervorgeht, dass er die Verfehlung des anderen verzeiht oder diese nicht als ehezerstörend empfindet, so kann gemäß 56 EheG keine Scheidungsklage erhoben werden. Die Scheidung wegen Verschuldens ist weiters auch an gewisse Fristen gebunden (vgl. 57 EheG). 3.2. Die Scheidung aus anderen Gründen nach 50-52 EheG Die Scheidung nach 49 EheG dominiert durch das Verschuldensprinzip bedarf einer schuldhaften Handlung und impliziert somit auch die Zurechnungsfähigkeit des ehewidrig Handelnden. Demnach könnte eine Ehe z.b. nicht geschieden werden, wenn der Beklagte an einer Geisteskrankheit leidet (Koziol, 2002). In diesem und ähnlichen Fällen greifen die 50-52 EheG, die eine Scheidungsklage wegen Gründen in der Person des anderen, durch die eine Aufrechterhaltung der Ehe unzumutbar ist, ermöglichen (Mottl, 2002). 15

Der 50 EheG gewährt die Scheidung bei einem auf einer geistigen Störung beruhenden Verhalten. Der Tatbestand des 51 EheG regelt die Scheidung bei einer Geisteskrankheit und laut 52 EheG kann die Scheidung auch begehrt werden wenn der andere an einer schweren oder ekelerregenden Krankheit leidet, vorausgesetzt eine Genesung kann nicht in absehbarer Zeit erwartet werden kann. Da die Regelungen der 50-52 EheG dem Grundgedanken der Ehe, in der man dem anderen in Krisensituationen und in jeglicher Not Beistand leisten soll, eigentlich widersprechen, sieht der 54 EheG gewisse Klauseln zur Vermeidung von Härtefällen vor (Deixler-Hübner, 2001). Im Speziellen sollen die genauen Umstände, die Dauer der Ehe, das Lebensalter der Ehegatten sowie der Anlass der Erkrankung Beachtung finden. Diese Härteklauseln kommen jedoch nicht zu tragen, wenn die häusliche Gemeinschaft der Eheleute bereits seit sechs Jahren aufgehoben ist (Koziol, 2002). 3.3. Die Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft nach 55 EheG Gemäß dem 55 EheG kann jeder Ehegatte wegen tief greifender unheilbarer Zerrüttung der Ehe deren Scheidung begehren unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt oder nicht wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit drei Jahren aufgehoben ist ( 55 Abs 1 Satz 1 EheG). Das Gericht wird dem Scheidungsbegehren jedoch nicht stattgeben, wenn es zur Überzeugung gelangt, dass die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zu erwarten ist ( 55 Abs 1 Satz 2 EheG). Da es sich hierbei um objektive Gegebenheiten handelt, sodass auch ein an der Zerrüttung (überwiegend) Schuldiger die Scheidung begehren kann, sieht der 55 Abs 2 EheG zur Vermeidung von Unbilligkeiten eine Klageabweisung vor, wenn den Beklagten die Scheidung härter als den Kläger treffen würde (Koziol, 2002). Bei dieser Interessensabwägung ist auf die Dauer der Ehe, das Alter und den Gesundheitszustand der Gatten, die Dauer der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft und auf das Wohl der Kinder Rücksicht zu nehmen (Koziol, 2002). Dem Scheidungsbegehren ist jedoch jedenfalls stattzugeben, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit sechs Jahren aufgehoben ist ( 55 Abs 3 EheG). Die erwähnten Fristen beginnen mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft, werden jedoch durch eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft unterbrochen und beginnen sodann von neuem (Deixler-Hübner, 2001). 16

3.4. Die einvernehmliche Scheidung nach 55 a EheG Durch den 55 a EheG besteht die Möglichkeit einer außerstreitigen einvernehmlichen Scheidung, bei der im Gegensatz zu den anderen Formen der Scheidung lediglich die Folgen und nicht die Ursachen der Trennung vor Gericht geklärt werden müssen (Klaar, 1999). Die Zuordnung des 55 a EheG (einvernehmliche Scheidung) zum Zerrüttungsprinzip ist jedoch ausschließlich theoretischer Natur, da die Zerrüttung der Ehe hierbei lediglich von beiden Eheleuten bestätigt werden muss. Dieses beiderseitige Zugeständnis der unheilbaren Zerrüttung ist für das Gericht grundsätzlich bindend. Es kann das Scheidungsverfahren bloß für ein halbes Jahr unterbrechen, wenn das Gericht zur Ansicht gelangt, dass eine Aussicht auf eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht ( 223 AußStrG). Um einer großen Anzahl unüberlegter Scheidungen vorzubeugen, ist die einvernehmliche Scheidung an vier kumulative Voraussetzungen geknüpft (Klaar, 1999). Erstens muss die eheliche Gemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben sein. Zweitens müssen beide Eheleute die unheilbare Zerrüttung des Eheverhältnisses eingestehen. Drittens müssen sie sich über die wesentlichen Folgen der Scheidung einig sein und viertens muss ein gemeinsamer Antrag auf Scheidung gestellt werden (Koziol, 2002). Die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen ist entweder in Form eines Schriftstückes dem Gericht vorzulegen oder muss anlässlich der Scheidung mittels eines Vergleichs bei Gericht zu Protokoll gegeben werden (Klaar, 1999). Diese Vereinbarung muss zumindest eine Regelung über die zukünftige Gestaltung der Obsorge bzw. über den hauptsächlichen Aufenthaltsort der gemeinsamen minderjährigen Kinder, über das Recht des nicht-(haupt)berechtigten Elternteils auf persönlichen Verkehr mit den Kindern, sowie über die Unterhaltsansprüche der Kinder beinhalten (vgl. 55 a Abs 2 Satz 1 EheG). Die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche der Gatten zueinander und deren unterhaltsrechtliche Beziehung müssen geklärt sein (vgl. 55 a Abs 2 Satz 1 EheG). Die Regelung des Rechts auf persönlichen Verkehr mit minderjährigen Kindern kann einer genauen Ausgestaltung zu einem späteren Zeitpunkt vorbehalten werden (vgl. 55 a Abs 2 Satz 2 EheG). Die Gestaltung der Obsorge, die Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthaltsort von minderjährigen Kindern, Unterhaltsvereinbarungen für Kinder und allfällige Besuchsvereinbarungen bedürfen einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Über den Scheidungsantrag wird mit Beschluss entschieden. Auch wenn sich Ehegatten bereits in einem 17

streitigen Scheidungsverfahren befinden, können sie sich per gemeinsamen Antrag auf eine einvernehmliche Scheidung einigen. Die Tabelle 3.1 zeigt den mittleren prozentuellen Anteil und die Standardabweichung (in Prozentpunkten) der Scheidungen nach Paragraphen in Österreich von 1990 bis 2002. Mit einem durchschnittlichen prozentuellen Anteil von 88,5% ist die einvernehmliche Scheidung die quantitativ bedeutendste Form der Scheidung. Die Schwankungsbreiten der jährlichen prozentuellen Anteile sind im Beobachtungszeitraum sowohl für Österreich als auch über die einzelnen Bundesländer (siehe Statistik Austria, 2001, Tabelle d503) relativ gering. Tabelle 3.1: Ehescheidungen nach Paragraphen (1990 2002). Paragraph Anteil (%) Standardabweichung 55a 88,46 1,28 55 3,93 0,81 Sonstige 7,61 0,76 Quelle: Eigene Berechnung basierend auf Statistik Austria (2001, 2002a, 2003d). 18

4. Rechtliche Folgen der Scheidung Mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung gilt nicht nur ex nunc die Ehe als aufgelöst, sondern es enden auch die aus der Eheschließung entspringenden wechselseitigen Rechte und Pflichten (Mottl, 2002). Es entstehen sofort die nachehelichen Rechte und Pflichten (Koziol, 2002). An dieser Stelle ist eine Unterteilung in Folgen der Scheidung für die Eheleute und in Folgen, die Kinder betreffen, sinnvoll. 4.1. Rechtsfolgen für die Eheleute Die im Kontext dieser Arbeit relevanten Folgen der Scheidung für die Eheleute betreffen vor allem den nachehelichen Unterhalt wie auch die nacheheliche Vermögensteilung. Die rechtlichen Konsequenzen für den Unterhalt sind sofern es sich um keine einvernehmliche Scheidung handelt erheblich vom Schuldausspruch der Scheidung abhängig (Mottl, 2002). Bei einer Verschuldensscheidung muss (bzw. bei einer Scheidung aus anderen Gründen nach 50-52, 55 EheG kann) entweder das alleinige oder überwiegende Verschulden eines Partners bzw. das gleichteilige Verschulden der Eheleute festgestellt werden (Koziol, 2002). Im Zeitraum von 1990 bis 2001 erfolgte bei 10,2% aller Scheidungen in Österreich ein Schuldausspruch. Wie Tabelle 4.1 veranschaulicht, waren im Mittel bei 66,1% (9,0%) dieser Scheidungen von 1990 bis 2001 in Österreich die Männer (die Frauen) die Träger des alleinigen oder des überwiegenden Verschuldens. Beim restlichen Viertel der Fälle mit Schuldausspruch lag ein gleichteiliges Verschulden der Eheleute vor. Tabelle 4.1: Schuldaussprüche bei Scheidungen (1990 2002). Schuld Anteil (%) Standardabweichung (überwiegend) Mann 66,07 1,59 (überwiegend) Frau 9,00 0,63 Gleichermaßen 24,93 1,41 Quelle: Eigene Berechnung basierend auf Statistik Austria (2001, 2002c), N=21,676. 19

4.1.1. Nachehelicher Unterhalt der Eheleute Eine Unterhaltsvereinbarung kann zwischen den Ex-Eheleuten sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend getroffen werden (Mottl, 2002). Zum einen ist durch Klage ein Unterhaltsanspruch im streitigen Verfahren geltend zu machen, zum anderen kann während eines Scheidungsverfahrens eine Unterhaltsklage (bzw. eine nur auf Unterhalt gerichtete Widerklage) eingebracht werden (Klaar, 1999). Gemäß 70 Abs 1 EheG erfolgt die Unterhaltszahlung in Form einer monatlichen Geldrente. Wenn ein wichtiger Grund vorliegt, kann der Berechtigte jedoch anstatt der monatlichen Rente auch eine Abfindung in Form eines Kapitalbetrages begehren (Koziol, 2002). Der Verpflichtete darf dadurch jedoch nicht unbillig belastet werden ( 70 Abs 2 EheG). Als Berechnungsgrundlage wird stets das monatliche Nettoeinkommen inklusive anteiliger Sonderzahlungen des Verpflichteten herangezogen (Vereinigung der Österreichischen Richter, 2003). Der 66 EheG legt den Grundsatz der Unterhaltsregelung der Eheleute für Verschuldensscheidungen dar. Demnach muss der allein oder überwiegend schuldige Teil unter Berücksichtigung der gegebenen finanziellen Verhältnisse beider dem ganz oder überwiegend schuldlosen Ex-Ehepartner Unterhalt gewähren (Koziol, 2002). Eine Unterhaltszahlung ist jedoch nur zu leisten, falls die Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit [des schuldlosen Ehepartners], die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen ( 66 EheG). Die Höhe der Unterhaltszahlung richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Eheleute ( 66 EheG). Der Unterhaltsberechtigte hat durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt selbst zu bestreiten (Deixler-Hübner, 2001). Die Zumutbarkeit der Berufstätigkeit ist vom Alter, der Ausbildung, der bisherige Erwerbstätigkeit des Berechtigten sowie von der Arbeitsmarktlage abhängig (Deixler-Hübner, 2001). Besonders stark bewertet die Judikatur die Kinderbetreuung. Solange eine geschiedene Frau ein vorschulpflichtiges Kind betreut, ist eine Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit ausgeschlossen (Deixler-Hübner, 2001). Der Gesetzgeber misst somit der üblicherweise von Frauen getätigten Hausarbeit und Kindererziehung besonderen Wert bei, da die damit verbundenen Folgen einen Unterhaltsanspruch gewährleisten. Ist jedoch durch diese Unterhaltszahlung der eigene angemessene Unterhalt des Verpflichteten bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen gefährdet, so braucht er nur so viel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten nach Billigkeit entspricht ( 67 Abs 1 EheG). Eine gänzliche Befreiung 20

von der Unterhaltspflicht ist möglich, wenn der schuldlose Teil den Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens bestreiten kann (Koziol, 2002). Verpflichtungen gegenüber minderjährigen Kindern oder neuen Ehepartnern wirken unterhaltsmindernd (Klaar, 1999). In der Praxis hat sich ergeben, dass einem Berechtigten ohne eigenes Einkommen ein Unterhalt in der Höhe von 33% des Nettoeinkommens des Verpflichteten zuzusprechen ist (Mottl, 2002). Verfügt der Berechtigte über ein eigenes Einkommen, so ist eine Unterhaltszahlung in der Höhe von 40% des gemeinsamen Einkommens abzüglich des eigenen üblich. Pro unterhaltsberechtigtem Kind (oder neuem Ehegatten) werden von dem errechneten Unterhaltsbetrag 3 bis 4% abgezogen (Mottl, 2002). Liegt ein gleichteiliges Verschulden der Ehegatten vor, so bestehen gemäß 68 EheG gegeneinander prinzipiell keine Unterhaltsansprüche (Koziol, 2002). Einem nicht selbsterhaltungsfähigen Ehegatten kann jedoch ein geringerer so genannter Billigkeitsunterhalt zugesprochen werden (Klaar, 1999). Die Judikatur geht dabei grundsätzlich von 15% des Nettoeinkommens des Verpflichteten aus (Deixler-Hübner, 2001). Mit dem durch das EheRÄG 1999 neu geschaffenen 68 a EheG wurde in zwei besonders berücksichtigungswürdigen Bedarfslagen ein verschuldensunabhängiger Unterhalt möglich (Koziol, 2002). Dieser Unterhaltsanspruch besteht konkret für jüngere Frauen, die mit der Erziehung kleiner Kinder beschäftigt sind, und für ältere Frauen, deren Aussicht auf eine Erwerbsmöglichkeit aufgrund langjähriger Führung des Haushaltes gering ist (Klaar, 1999). Detaillierte Darstellungen der gesetzlichen Regelungen findet man bei Iozu (2003). Das EheG weist somit explizit auf die Wertschätzung der Hausarbeit und der Kindererziehung hin. Bei Scheidungen wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft nach 55 EheG richtet sich der Unterhaltsanspruch des beklagten Gatten weiterhin (wie bei aufrechter Ehe) nach 94 ABGB, wenn den Kläger die Schuld an der Zerrüttung allein oder überwiegend trifft (vgl. 69 Abs 2 EheG). Hierbei handelt es sich insofern auch um eine unterhaltsrechtliche Sonderstellung, da Verpflichtungen gegenüber neuen Ehepartnern grundsätzlich den Unterhaltsanspruch nicht mindern (Klaar, 1999). Liegt eine Scheidung nach 50-52 bzw. 55 EheG ohne alleinigem oder überwiegendem Verschulden eines Ehepartners vor, so hat der Ehegatte, auf dessen Verlangen die Scheidung erfolgte, dem anderen Unterhalt zu gewähren (siehe 69 Abs 3 EheG). Hierbei sind sowohl die Bedürfnisse aber auch die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der Ex-Eheleute zu berücksichtigen (Mottl, 2002). In der Regel ergibt sich eine Unterhaltszahlung in der Höhe von 15% des Nettoeinkommens des Verpflichteten (Mottl, 2002). 21

Im Falle einer einvernehmlichen Scheidung liegt keine gesetzliche Regelung des Unterhalts vor. Die Parteien entscheiden frei ob, und wenn ja, wer einen Anspruch auf wie viel Unterhalt hat. Eine Vereinbarung darüber gilt jedoch als Voraussetzung für die Scheidung (Koziol, 2002). Ein Ehegatte kann die einvernehmliche Scheidung durch Verweigerung der Zustimmung somit verhindern. Der Anspruch auf Unterhalt endet bei erneuter Heirat oder Tod des Berechtigten (siehe 75 und 77 EheG). Stirbt der Verpflichtete, so geht grundsätzlich die Schuld als Nachlassverbindlichkeit auf die Erben über (siehe 78 EheG). Geht der Berechtigte eine Lebensgemeinschaft ein, so ruht nach herrschender Ansicht der Unterhaltsanspruch (Klaar, 1999). Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches kann sowohl durch eine schwere Verfehlung gegen den Verpflichteten als auch durch einen gegen dessen Willen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel entstehen ( 74 EheG). 4.1.2. Nacheheliche Vermögensaufteilung Laut österreichischem Recht (siehe 1237 ABGB) besteht, sofern keine besondere Übereinkunft getroffen wurde, grundsätzlich Gütertrennung zwischen den Eheleuten. Durch die Eheschließung wird nicht automatisch Miteigentum am Vermögen des Ehepartners erworben, ebenso haftet man auch nicht zwangsläufig für dessen Verbindlichkeiten (Klaar, 1999). Wenn es zur Scheidung kommt, sind lediglich das eheliche Gebrauchsvermögen, die ehelichen Ersparnisse und die damit verbundenen Schulden Gegenstand der Vermögensaufteilung (vgl. 81 Abs 1 EheG). Bei dem ehelichen Gebrauchsvermögen handelt es sich um die beweglichen oder unbeweglichen körperlichen Sachen, die während aufrechter Lebensgemeinschaft der gemeinschaftlichen Verwendung dienten ( 81 Abs 2 EheG). Im 82 EheG werden ergänzend die einer Aufteilung nicht unterliegenden Gegenstände aufgelistet. Zu einer Aufteilung kommt es jedoch nur bei einvernehmlichem Vorgehen der Parteien bzw. durch gerichtliche Entscheidung im außerstreitigen Verfahren auf Antrag eines Ehepartners (Koziol, 2002). Die Aufteilung ist nach Billigkeit vorzunehmen ( 83 Abs 1 Satz 1 ABGB). Dabei ist der Umfang des Beitrages der Ehegatten, das Wohl der Kinder und die zukünftige Trennung der Lebensbereiche der Ex- Ehegatten zu berücksichtigen (vgl. 83, 84 EheG). Die Zuteilung der Ehewohnung stellt eine Ausnahme dar. Unabhängig von den Miet- bzw. Eigentumsverhältnissen soll sie dem verbleiben, der sie dringender benötigt. Bei Scheidungen, die 22

minderjährige Kinder betreffen, erhält in der Regel der mit der (hauptsächlichen) Obsorge betraute Partner die Wohnung (Klaar, 1999). 4.1.3. Hypothesen aufgrund der rechtlichen Determinanten zur Höhe des Ehegattenunterhaltes Bei einer strittigen Scheidung ist der Unterhaltsanspruch und dessen Höhe grundlegend vom jeweiligen Paragraphen der Scheidung und vom Schuldausspruch abhängig. Die empirische Analyse hat in diesen Fällen die finanzielle Lage und die Lebensumstände der Ehegatten zu beachten. Für das Einkommen des Mannes (der Frau) wird eine positive (negative) Korrelation mit der Unterhaltshöhe erwartet. Unterhaltszahlungen an Kinder oder andere Ex-Ehepartner, einmalige Zahlungen (anstelle laufender Alimente) und eventuelle Kreditverbindlichkeiten des Mannes sollten die Unterhaltshöhe reduzieren. 4.2. Rechtsfolgen für die Kinder Ein zentraler Aspekt jeder Scheidung ist die zukünftige Regelung der Obsorge minderjähriger Kinder, die Regelung des Unterhaltes an ein Kind und das Recht auf persönlichen Verkehr mit dem nicht-obsorgeberechtigten Elternteil. Minderjährige, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können in Verfahren über Pflege und Erziehung selbstständig vor Gericht handeln ( 182a Auß StrG). 4.2.1. Obsorgeregelung Die Obsorge ist als Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und Vertretung eines minderjährigen Kindes definiert (Mottl, 2002). Bei aufrechter Ehe üben beide Elternteile die Obsorge aus. Vor der Einführung des Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2001 (KindRÄG 2001) hatte das Gericht laut 177 ABGB nach einer Scheidung die Obsorge zwingend einem Elternteil zuzusprechen. Die Eltern konnten dem Gericht diesbezüglich eine Vereinbarung vorlegen, bei einer einvernehmlichen Scheidung ist die Regelung der Obsorge Teil des Scheidungsvergleiches. Diese Vereinbarung bedurfte gerichtlicher Genehmigung. Konnte innerhalb einer angemessenen Frist 23

keine Einigung gefunden werden, so hatte das Gericht von Amts wegen über die Alleinzuteilung der Obsorge zu entscheiden (Mottl, 2002). Maßgebliches Kriterium jeglicher pflegschaftsgerichtlicher Maßnahme war (und ist) das Kindeswohl (Klaar, 1999). Es war nur dann möglich, die Obsorge beider Elternteile auch nach der Scheidung weiterzuführen, wenn die Familie weiterhin in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Daher übernahm vor dem KindRÄG 2001 in der Regel einer der Ehegatten die Alleinobsorge (Mottl, 2002). Dabei wurde die Obsorge von Kleinkindern und Töchtern meist der Mutter zugesprochen, während über 14-jährige Söhne oft zu ihren Vätern kamen. Bei der Zuteilung der Obsorge wurde und wird auch heute noch aber vor allem darauf geachtet, dass Geschwister nicht getrennt werden, und dass die Kinder keinen unnötigen Milieuwechsel durchmachen müssen (Deixler-Hübner, 2003). Nach der Einführung des KindRÄG 2001 bleibt prinzipiell die Obsorge beider Teile bestehen. Die Eltern haben dem Gericht eine Vereinbarung vorzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten wird. Dieser Elternteil muss immer mit der gesamten Obsorge betraut sein. Eine Entscheidung über die Betrauung eines Elternteiles mit der Obsorge ist nur notwendig, wenn eine Vereinbarung nicht zustande kommt oder dem Wohl des Kindes nicht entspricht ( 177a Abs 1 ABGB). Das bedeutet, dass ein Kind nicht in gleichem Ausmaß von beiden Elternteilen betreut werden kann ( Residenzmodell ) und bewirkt, dass das Kind eine fixe Bezugsperson hat (Gründler, 2002). Die Regelung, dass die Obsorge ganz oder teilweise von beiden Elternteilen ausgeübt werden kann, der hauptsächlich obsorgeberechtigte Elternteil aber mit der gesamten Obsorge betraut sein muss, zielt ebenfalls auf eine fixe Bezugsperson ab (Mottl, 2002). Bei der Entscheidung über die Obsorge haben Kinder selber kein Mitspracherecht, das Gericht soll sich aber nach Möglichkeit ihre Meinung anhören und besonders bei älteren Kindern auch berücksichtigen, wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht. Des Weiteren muss das Gericht eine Vereinbarung zwischen den Eltern, egal ob über eine gemeinsame oder alleinige Obsorge, genehmigen, wenn sie dem Kindeswohl entspricht. Sollte die Vereinbarung aber nicht dem Kindeswohl entsprechen oder die Eltern sich gar nicht erst einigen können, dann teilt das Gericht dem besser geeigneten Ehegatten die Alleinobsorge zu, da eine Obsorge beider Teile ohne Einverständnis der Eltern nicht möglich ist (Deixler-Hübner, 2003). Für Ehen, die vor dem 1. Juli 2001 geschieden wurden, bleiben die damals getroffenen Obsorgeregelungen aufrecht. Es kann jedoch mit der Zustimmung des bisher mit der alleinigen Obsorge betrauten Elternteils die gemeinsame Obsorge bei Gericht beantragt werden (Lasser, 2001). 24

4.2.2. Kindesunterhalt Entsprechend dem Grundsatz der Gleichstellung beider Elternteile haben Vater und Mutter zur Deckung der Lebensverhältnisse der Kinder nach ihren Kräften anteilig beizutragen (Koziol, 2002, bzw. siehe 140 Abs 1 ABGB). Sie müssen somit alle Möglichkeiten ausschöpfen selbst bei der Berufswahl ist darauf Bedacht zu nehmen um dieser Verpflichtung nachkommen zu können (Koziol, 2002). Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag ( 140 Abs 2 Satz 1 ABGB). Volljährige Kinder müssen (wie Ehegatten) ihren Unterhaltsanspruch im streitigen Verfahren einklagen. Unterhaltsansprüche von minderjährigen Kindern werden hingegen durch deren gesetzlichen Vertreter im formloseren außerstreitigen Verfahren geltend gemacht (Deixler-Hübner, 2001). Es kann jedoch auch im Rahmen eines Scheidungsprozesses ein Vergleich über den Kindesunterhalt abgeschlossen werden. Bei einer einvernehmlichen Scheidung ist eine diesbezügliche Regelung eine notwendige Voraussetzung. Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach dem Alter und den Bedürfnissen des Kindes, hängt jedoch auch von den Lebensverhältnissen der Eltern, wie etwa dem Einkommen und den weiteren Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen ab (Klaar, 1999). Zur Ermittlung der genauen Unterhaltshöhe wurden von der Judikatur zum einen ein dem Kindesalter entsprechender Prozentsatz des Einkommens des Unterhaltspflichtigen und zum anderen so genannte Durchschnittsbedarfswerte festgesetzt. Laut Oberstem Gerichtshof liegt für die Anwendung eines bestimmten gesetzlich geregelten Berechnungssystems im Gesetz keine Grundlage vor, sodass er keine bestimmten Prozentsätze festlegen kann (Klaar, 1999). Die Durchschnittsbedarfswerte werden regelmäßig vom Bundesministerium für Finanzen der Inflationsrate angepasst. Primär dienen die Prozentsätze zur Festlegung der Obergrenze der Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen. Die Prozentsätze, die einem Kind vom Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteiles zustehen, sind (aufgeschlüsselt nach dem Alter des Kindes) (Schwimann, Jahr, Rz 39 zu 140): Für unter 6-jährige Kinder: 16% Für 6 bis 10-jährige Kinder: 18% Für 10 bis 15-jährige Kinder: 20% Für über 15-jährige Kinder: 22% Ein Kind bekommt Geldunterhalt in dieser Höhe aber nur, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil sonst niemanden mit Unterhalt versorgen muss. Sind noch andere unterhaltsberechtigte Personen vorhanden, wie zum Beispiel weitere Kinder oder der frühere oder ein neuer Ehepartner, dann 25

verringern sich die Prozentsätze wie folgt (Schwimann, Jahr, Rz 40 zu 140; EFSlg 80.617 ff; 89.335): Für jedes weitere unter 10-jährige Kind um 1% Für jedes weitere über 10-jährige Kind um 2% Für den Ehepartner je nach Einkommen um bis zu 3% Nachdem anhand dieser prozentuellen Überlegungen die voraussichtliche Höhe des Geldunterhalts bestimmt wurde, wird diese nun mit den Durchschnittsbedarfswerten verglichen. Die Durchschnittsbedarfswerte werden als Korrektiv herangezogen, wenn die durch die Prozentsätze ermittelte Höhe dem Gericht als unangemessen erscheint (Deixler-Hübner, 2001). Die Durchschnittsbedarfswerte betragen dabei monatlich (Stand 1.7.2003) 4 Für ein unter 3-jähriges Kind: 157,- Für ein 3 bis 6-jähriges Kind: 200,- Für ein 6 bis 10-jähriges Kind: 258,- Für ein 10 bis 15-jähriges Kind: 296,- Für ein 15 bis 19-jähriges Kind: 348,- Für ein 19 bis 28-jähriges Kind: 438,- Das Kind soll mindestens den Durchschnittsbedarfswert erhalten, der Unterhalt darf das Zweifache dieses Wertes bei unter 10-jährigen Kindern und das Zweieinhalbfache bei über 10-jährigen Kindern allerdings nicht überschreiten (Deixler-Hübner, 2003). In der empirischen Analyse erwartet man, dass die Höhe der Kindesunterhaltszahlung positiv mit dem Einkommen des nicht-(haupt)obsorgeberechtigten Elternteils korreliert. Ältere Kinder sollten ceteris paribus höhere Zahlungen als jüngere erhalten. Unterhaltsmindernd sollte sich unter Konstanz aller anderen relevanten Faktoren ur die Existenz weiterer unterhaltsberechtigter Kinder bzw. (Ex-) Ehepartner und/oder ein eigenes Einkommen auswirken. Nach der neuesten Rechtssprechung des OGH (28.11.2003, 3 Ob 141/02k-2) hat bei getrennt lebenden Eltern eine Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen durch Reduktion des Unterhalts über Antrag stattzufinden, wenn der betreuende Elternteil die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag in Anspruch nimmt. Dies basiert auf der Grundlage einer Entscheidung des VfGH (19.6.2002, G 7/02), damit ein steuerlicher Ausgleich bei höheren Einkommen erfolgen kann. 4 Für das Jahr 1998 lag der entsprechende Regelbedarfssatz bei 3.220 Schilling, ab dem 1.1. 1999 bei 3.250 Schilling, zwischen dem 1. Juli 1999 und dem 30. 6. 2000 betrug der Satz 3.270 Schilling, ab dem 1. Juli 2000 3.330 Schilling, ab dem 1. Juli 2001 250, und zwischen dem 1. Juli 2002 und dem 1. Juli 2003 255. 26