AK 1: Ökonomisierung, Selektion und Ethik in Organisationen Sozialer Arbeit. Zwischen Exklusionsverwaltung und Teilhabesicherung

Ähnliche Dokumente
Schuldnerberatung ist Soziale Arbeit

Der Capability-Approach eine normative Grundlage für Case Management? Fachtag Case Management in der Sozialen Arbeit

Impulse für die Weiterentwicklung von CSR Rolle der Bewertung betrieblicher Berichterstattung

Integration - Inklusion Diversity

Kann Soziale Arbeit im Rahmen von Abschiebungen

Parteilichkeit und Soziale Arbeit im Interesse der Menschen ist sie heute (noch) möglich?

Sozialmanagement im Kontext aktueller Entwicklungen in der sozialen Arbeit. Prof. Dr. Wolfgang Stark Universität Duisburg-Essen

Nachhaltigkeit in der Gesundheitsvorsorge

Leistungen verbessern, Bedürfnisse erfüllen, Wirksamkeit sichtbar machen

Die Betreuungsvereine der Arbeiterwohlfahrt

Grenzen der Akzeptanz

Organisationen, Träger und Institutionen der Sozialen Arbeit Sommersemester 2017

Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention - Bericht aus der Praxis. INSOS Kongress 2015 Zukunft gestalten

Stefan Müller-Teusler

Stadt Bern Direktion für Bildung Soziales und Sport. Sozialamt. Leitbild

Modulliste. 26 Modulverzeichnis 2016 / 2017 Bachelor of Arts in Sozialer Arbeit HSA FHNW

Potenzial personenzentrierter Ansätze

Europäische Netzwerke für psychische Gesundheit

Lebenshilfe. Essen. Leitbild der Lebenshilfe Essen

UNSER LEITBILD. Spitex Regio Liestal. Schützenstrasse Liestal. Telefon: Telefax:

Berufsethik als normative Theorie für die Praxis

Bildung für Nachhaltige Entwicklung Herausforderungen erkennen Zukunft gestalten

Soziale Netzwerkarbeit in der Suchthilfe: Case Management als Methode der Sozialen Arbeit

Monika Alisch Soziale Stadtentwicklung

2. Themenschwerpunkte in der Suchthilfe der Caritas - Entwicklungstrends und Perspektiven

Die Versorgung psychisch belasteter Flüchtlinge

Soziale Arbeit und Betriebswirtschaft ein permanenter Konflikt oder notwendige Ergänzung?

Healthy ageing und Prävention

BERUFSETHISCHE PRINZIPIEN DER CLUSTER SOZIALAGENTUR E.K. UND DES CLUSTER E.V.

Schulinterner Lehrplan für das Fach Politische Bildung in der Sekundarstufe I

Soziale Innovation durch Bürgerschaftliches Engagement. Prof. Dr. Susanne Elsen Freie Universität Bozen

Chancen und Grenzen von Wirkungsorientierun; in den Hilfen zur Erziehung

Case Management in der Suchthilfe (Identifikation)

Bewährtes verbessern. Kooperationen gestalten: Sozialraumorientierung in der Wohnungslosenhilfe

Klinische Sozialarbeit

Das Konzept Case Management. Lukas Leber

Leitlinien für die diakonische Arbeit der Kirchen

Prinzip Nachhaltigkeit PädagogischeÜberlegungen zum professionellen Selbstverständnis von Jugendsozialarbeit an Schulen

Leitbild. Landesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmund. Grundsätze Leistungen Kompetenzen Organisation Personal Kooperation Führung

Governance für Nachhaltige Entwicklung Prinzipien und praktische Relevanz

Ressourcenorientierung oder Ressourcenerschliessung?

Gesund älter werden in Deutschland

Masterstudiengang: Soziale Arbeit: Beratung und Management 1 Modulhandbuch Stand:

Von der Mitte der Gesellschaft zum Rand und wieder zurück

Leben mit Demenz in einer Wohngemeinschaft?

Auf dem Weg zur geschlechtergerechten Hochschule. Bedingungen, Potentiale und Instrumente der Entwicklung

8. Schweizerische Case Management-Tagung am 15. September 2010 in Küsnacht ZH. Brennpunkt Klient/in Hauptperson oder Statist/in?

Wirkung zeigen. Anna Hegedüs

Risikowahrnehmung in der Bevölkerung. Christiane Pölzl-Viol. Bundesamt für Strahlenschutz

K2 Fähigkeit zur. K1 Fähigkeit zur. K6 Fähigkeit zur Kooperation. K3 Fähigkeit zur Innovation

Hochschule Vechta Studienzentrum Soziale Dienstleistungen Bachelorstudiengang Gerontologie

BNE - (Tot-)Schlag-Wort für alles und nichts oder zeitgemäßer Prozess?

Qualitätsmanagement im SPORT. Im Vorteil mit einem System! 2009 Qualitätsmanagement im Sport 1

Soziale Arbeit in Hospizarbeit und Palliative Care Perspektiven aus Grossbritannien und Europa

Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen e. V. Fürstenwall Düsseldorf Postfach Düsseldorf

Sicherheit in der digital vernetzten Gesellschaft. Jaro Krieger-Lamina

Identität Sozialer Arbeit (im Gesundheitswesen) oder Wer sind wir? S. Kraus; DBSH Berufskongress 1

BAS01.4 Übung Wissenschaftliches Arbeiten

Der normative Ansatz in der Stakeholder-Theorie

Unabhängige Patientenberatung. Möglichkeiten und Grenzen der Patientenberatung in der RBS München für Oberbayern Carola Sraier

Nachhaltige Entwicklung Wie kann die FCTC dazu beitragen? Sonja von Eichborn Unfairtobacco.org

ÖKONOMIE UND ÄRZTLICHE ETHIK

SVKS Spitex-Strategie 2015 Ziele und Strategien für die Entwicklung der Spitex im Kanton Solothurn

Verena Begemann, Professorin für Ethik, Disziplin und Profession der Sozialen Arbeit 1

Freiheit und Gerechtigkeit Ethische Grundlagen der Geldreform

Praxis des strukturierten Problemlösens für mehr Klarheit und Erfolg

Diözese St. Pölten. Leitbild.

Zur öffentlichen und gesellschaftlichen Wahrnehmung und Bewältigung von Gewalterlebnissen Trauma und Politik

Ein suchtmittelübergreifendes Programm für den verantwortungsvollen Umgang bei riskantem Konsumverhalten für Jugendliche und Erwachsene

Case Management. im Modellprojekt Persönliches Pflegebudget. Ein Erfahrungszwischenbericht. 3. Symposium zum Pflegebudget

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Case Management in der Sozialen Arbeit dargestellt am Beispiel Substitution bei Heroinabhängigkeit

Leitbild des Jobcenters Berlin Neukölln

Welchen Anforderungen begegnen Mitarbeiter/innen im Ambulant Betreuten Wohnen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Herausforderungen an Unterstützung für Menschen mit Behinderungen

Bitt- und Lobgebete. Gib mir den Mut Gott, gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.

Wirkungsorientierte Steuerung und Wirkungserfassung in der öffentlichen Verwaltung

Zur Vereinbarkeit von Selbstbestimmung und Ökonomisierung in der Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung

Natur denken Normativität in den Wirtschaftswissenschaften

Politik und Praxis der Dreisprachigkeit beim SNF

Pflege- und Sozialdienst: zwei Berufe, eine Einheit?

(1) TA: Instrument wofür? (2) Wege & Ziele: Das Problem der Kontexte (3) Einsichten & Möglichkeiten

Diagnostik zwischen Disziplin, Profession und Organisation, oder:

Wunsch- und Wahlrechte nach dem SGB IX

Was machen Bewohner, wenn sie wohnen? Der Beitrag der Alltagsbegleitung für einen gelingenden Alltag

Die Besonderheiten der Organisationskultur in Bildungseinrichtungen und die speziellen Anforderungen an Leitung

Das Zusammenspiel von personenzentrierten Hilfen und Regionalisierung in der Suchthilfe

Soziale Arbeit in der Psychiatrie

Themen und Strategien für die Beratung zur Förderung sozialer Integration. Impulse aus dem ELGPN

UNSERE WERTE UND GRUNDÜBER- ZEUGUNGEN

Leitbild. der Verwaltung der Universität zu Köln

Audit Familiengerechte Kommune Audit Familiengerechter Kreis

Partizipative Qualitätsentwicklung

Bericht zum internen Re-Audit der Stadt Bielefeld für das Jahr 2007

Global oder lokal? Alternativen anpacken! Ulrich Brand

Nachhaltigkeit als Entscheidungsproblem in Unternehmen

W&W Konzernpersonal. Qualifizierungsprogramm für Führungskräfte.

Die 2000-Watt-Gesellschaft

Transkript:

AK 1: Ökonomisierung, Selektion und Ethik in Organisationen Sozialer Arbeit Zwischen Exklusionsverwaltung und Teilhabesicherung Wien 18.04.2008 Prof (FH) Dr. Christian Stark

Ökonomisierung Sozialer Arbeit? Hintergrund: Neoliberalismus Markt- und Profitlogik Soziale Arbeit Konzepte und Instrumente aus BWL und Management Soziale Arbeit? > Effektivität und Effizienz? Qualitätsverbesserung

Transformationsprozesse in Sozialen Organisationen Profitlogik statt Versorgungsrationalität Wirtschaftlichkeit vor Professionalität Konkurrenzkampf statt Solidarität zunehmende Übertragung öffentlicher sozialer Aufgaben auf freie Träger Öffnung für private kommerzielle Anbieter (z.b. European Homecare) mehr Aufgaben für die Soziale Arbeit, bei teilweise gleichzeitigem Einfrieren oder Abbau ihrer Ressourcen.

Profitlogik statt Versorgungsrationalität Aus öffentlichen Gütern, die ein Wohlfahrtstaat im Sinne einer Versorgungslogik seinen BürgerInnen zur Führung eines menschenwürdigen Lebens gesetzlich verbürgte, werden Waren, die man kaufen muss. StaatsbürgerInnen mit unveräußerlichen Rechten Wirtschaftbürger, die nur Recht auf das besitzen, was sie sich kaufen können.

Creaming - Effekte im Bereich der Randgruppen Verdrängung der schwächsten KlientInnen zu Gunsten der am leichtesten zu verrechnenden bzw. mit positivem Ergebnis zu betreuenden KlientInnen. Es wird nur noch betreut und beraten, wer dem Geldgeber kostendeckend verrechnet werden kann. KlientInnen KundInnen

Kunde - Charakteristika Kunde kann wählen, zwischen verschiedenen Angeboten das für ihn beste aussuchen Kunde ist aktiv, er geht einkaufen wird nicht ein- bzw. zugewiesen kann das Produkt auch wieder innerhalb einer gesetzlichen Frist bei Mängeln zurückgeben und erhält dann sein Geld zurück. Stärkung der Kundenbindung Weckung künstlicher Bedürfnisse Kunde ist König!?

Adressaten sozialer Arbeit in Not befindliche Menschen (Einzelne, Familien, Gruppen), in einer Ausnahmesituation, die sich nicht allein helfen könnten haben psycho-soziale Probleme, Krankheiten, Beeinträchtigungen nicht, weil sie sich diese gewählt haben, wie man sich im Supermarkt für ein bestimmtes Produkt entscheidet.

Freiwilligkeit?? Wahlmöglichkeit?? Finanzieller Beitrag??

Kundenbindung Wirtschaft: Profit: mehr Kunden mehr Profit Soziale Arbeit: Hilfe zur Selbsthilfe, Empowerment KlientInnen wieder loswerden Prävention mehr KlientInnen mehr Ausgaben

Unmittelbare Bedürfnisbefriedigung bzw. Weckung künstlicher Bedürfnisse Nachhaltige Bewältigung sozialer Probleme z.b. Jugendwohlfahrt; akzeptierende Drogenarbeit; Wohnungslosenhilfe

Kundenorientierung Ökonomie Der Kunde ist König?! Kundenorientierung ist mittel zum Zweck Mittelpunkt ist Profit Mensch in seiner Funktionalität nicht Personalität Soziale Arbeit: Mensch im Mittelpunkt; klienten-, personenzentriert Akzeptanz, Empathie, Authentizität Personalitäts-, Humanitätsprinzip

Konsum Beteiligung Sozialarbeit ist keine Dienstleistung mit Warencharakter, sondern Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen aller Beteiligten bei gleichzeitigem Arrangement von Umständen, welche den Erfolg der Bemühungen wahrscheinlicher machen.

Wirtschaftlichkeit vor Professionalität Soziale Arbeit wird unter die Logik der Finanzverwaltungen gezwungen Sparerfolg vor Erfolg der Hilfeleistung Budgetierung Leistungsverträge

Trojanisches Pferd? Wird professionelle Soziale Arbeit in Anspruch genommen um professionsfremde Ziele zu verfolgen? Instrumente aus Management und BWL in 1. Linie Instrumente zur Haushaltskonsolidierung

Effektivität und Effizienz Effektivität Do the right things Effizienz Do the things right P. Drucker (1955) To be efficient and effective means doing the right things right

Welthungerreport (FAO) 25.000 Menschen/Tag (9,12 Mio./Jahr) 18.000 Kinder/Tag (6,5 Mio./Jahr) sterben an Hunger

Konkurrenzkampf statt Solidarität Dumping von Qualitätsstandards Marketing statt Öffentlichkeitsarbeit

Veränderungen der Rolle Sozialer Arbeit und ihre Beteiligung an Ausschließungsprozessen standardisierte Erbringung von Dienstleistungen Formalisierung von Beratungs- und Betreuungsleistungen als Produkte effizientes Fallmanagement versus Beziehungsaufbau Verwahrung von Armut statt Integration Hilfssheriff statt Anwalt

Folgerungen und Perspektiven einer Kritischen Sozialen Arbeit Sozialarbeit ist keine Dienstleistung mit Warencharakter, sondern Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen aller Beteiligten bei gleichzeitigem Arrangement von Umständen, welche den Erfolg der Bemühungen wahrscheinlicher machen. Ob jemand Mittel für menschenwürdiges Leben erhält, kann nicht vom Markt entschieden werden

Der Forderung nach verbesserter Wirksamkeit und Effizienz des Sozialstaates wie der Sozialarbeit muss die Forderung nach Sozialverträglichkeit und Sozialverantwortung der Wirtschaft entsprechen soziales Monitoring über die Verletzung von Menschen- und Sozialrechten seitens der Wirtschaft

Sozialarbeit ist den Machtverhältnissen nicht einfach ausgeliefert. Es gibt auch Distanzierung und Widerstand gegenüber einer Politik, die von der Sozialen Arbeit Anpassung an so genannte Sachzwänge verlangt. Das bedeutet für die Soziale Arbeit, bei der Analyse von Ursachen sozialer Probleme und deren Bewältigung ihr Augenmerk auf strukturelle, gesellschaftlich bedingte Faktoren zu legen, diese öffentlich zu machen, sich vermehrt in aktuelle sozialpolitische Debatten einzuschalten und so eine kritische Gegenöffentlichkeit herzustellen.

Dieser Widerstand basiert m.e. auf einer wissenschaftlich fundierten Analyse der Probleme der Klientel der Sozialarbeit und deren gesellschaftlichen Ursachen und einer Berufsethik, die auf dem Hintergrund der Menschenrechte und Prinzipien sozialer Gerechtigkeit die neoliberale Weltreligion in Frage stellt.

Es gilt aber nicht nur dagegen zu sein,.sondern man muss etwas tun und an der Zementmauer der Unmöglichkeit versuchen, kleine Möglichkeiten heraus zu schlagen oder hinein zu sprengen (Sophie Scholl, zit. nach Kurt Singer, Zivilcourage wagen. Wie man lernt, sich einzumischen, München 3 2003, S.14)

SozialarbeiterInnen haben die Pflicht ihre Auftraggeber, Entscheidungsträger, Politiker und die Öffentlichkeit auf Situationen aufmerksam zu machen, in denen Ressourcen unangemessen sind oder in denen die Verteilung von Ressourcen, Maßnahmen und Praktiken unterdrückerisch, ungerecht oder schädlich ist (IFSW, Ethics in Social Work, Adelaide 2004, www.sozialarbeit.at (7.5.2006).

K. Dörner: Beginne in deinem Verantwortungsbereich mit dem Einsatz deiner immer zu knappen Ressourcen an Kraft, Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe stets beim jeweils Schwächsten, bei dem es sich am wenigsten lohnt. (Die Utopie einer leidensfreien Gesellschaft, Forum Wissenschaft 1/1998, S.6f)