Beispiel 5: Gravimetrie Aufgabenstellung Gravimetrische Bestimmung des Bariumgehaltes einer Lösung durch Fällung von Bariumsulfat. Grundlagen Löslichkeit, Löslichkeitsprodukt, Fällungsreaktionen. siehe auch Mortimer: Chemie - Das Basiswissen der Chemie, 9.Auflage. Kap. 16.1-16.2. ( Das chemische Gleichgewicht ) Kap. 19.1-19.2 ( Löslichkeitsprodukt, Fällungsreaktionen ) Das Ausfällen schwerlöslicher Stoffe wird bei präparativen und analytischen Verfahren viel verwendet. Besonders bei quantitativen Analysen ist es wünschenswert, dass der auszufällende Stoff möglichst geringe Löslichkeit besitzt. Das gilt vor allem, wenn aus der Menge (Gewicht, Masse) des abgeschiedenen Stoffes auf die ursprünglich vorliegende Menge einer Komponente dieses Stoffes geschlossen werden soll (Gewichtsanalyse, Gravimetrie). Als Beispiele für derartige gravimetrische Bestimmungsverfahren seien genannt: (1) Bestimmung gelösten Bleis durch Fällung als Bleisulfat. Als Fällungsreagenz wird Schwefelsäure verwendet. Pb 2+ (aq) + 2 H + (aq) + SO4 2- (aq) += PbSO4(s) + 2 H + (aq) (1) (2) Bestimmung gelösten Chlorids durch Fällung als Silberchlorid. Als Fällungereagenz wird Silbernitratlösung verwendet. Cl - (aq) + Ag + (aq) + NO3 - (aq) = AgCl(s) + NO3 - (aq) (2) (3) Bestimmung gelösten Kalziums durch Fällung als Kalziumoxalat. Als Fällungsreagenz wird Ammoniumoxalatlösung verwendet. Ca 2+ (aq) + 2 NH4 + (aq) + C2O4 2- (aq) + H2O = CaC2O4 H2O(s) + 2 NH4 + (aq) (3) Die untenstehende Tabelle gibt einige weitere schwerlösliche Stoffe, die für gravimetrische Bestimmungen herangezogen werden. Für derartige Bestimmungen muss möglichst vollständige Abscheidung des zu bestimmenden Stoffes in Form des schwerlöslichen Niederschlages erzielt werden. Als Ausgangspunkt für eine Erörterung der Probleme einer solchen Abscheidung sei die Löslichkeit von schwerlöslichem Bleisulfat allgemein betrachtet. Ausgehend vom Lösungsgleichgewicht Pb 2+ (aq) + SO4 2- (aq) = PbSO4 (s) gilt für das Löslichkeitsprodukt: [Pb 2+ ] [SO4 2- ] = Lp (4)
Die durch die Gleichung für das Löslichkeitsprodukt gegebene Beziehung ist unter der Voraussetzung erfüllt, dass die Lösung gesättigt ist, d.h. dass Gleichgewicht zwischen Bodenkörper (ungelöster, fester Substanz) und dem gelösten Stoff herrscht. Entsprechend der Definition des chemischen Gleichgewichtes werden - bei Konstanthaltung der Bedingungen - die Mengen an Bodenkörper und die Konzentrationen der Ionen in Lösung unverändert bleiben. Um bei gravimetrischen Bestimmungen möglichst vollständige Abscheidung zu erzielen, wird man möglichst schwerlösliche Niederschläge heranziehen. Allerdings ist die Löslichkeit von verschiedenen Niederschlägen in Wasser doch so groß, dass bei Fällung mit genau äquivalenten Mengen des betreffenden Fällungsmittels merkliche Verluste auftreten können. Das sei am Beispiel der Fällung von Blei mittels Schwefelsäure erörtert. Pb 2+ (aq) + 2 H + (aq) + SO4 2- (aq) = PbSO4(s) + 2 H + (aq) (5) a) Zugabe äquivalenter Mengen Zu 100 ml einer 0,01 M Lösung von Pb 2+ (das einspricht einer vorgegebenen Stoffmenge von 1 mmol oder 10-3 mol Pb 2+ -Ionen) wird zunächst die genau äquivalente Menge von 1 mmol SO4 2- -Ionen zugesetzt (z.b. 100 ml einer 0,01 M Lösung von H2SO4). Die Ausfällung kann nicht vollständig sein, da zur Erhaltung des Gleichgewichts (s. oben) ein kleiner Teil der Ionen in Lösung bleiben muß. Dies betrifft jedoch die beiden Ionensorten zu gleichen Teilen, deshalb gilt für die in Lösung verbleibenden Konzentrationen [Pb 2+ ] = [SO4 2- ]. Aus dem Löslichkeitsprodukt von Lp(PbSO4) = 2,3 10-8 ergibt sich somit für die Gleichgewichtskonzentrationen: [Pb 2+ ] = [SO4 2- ] = Lp 1/2 = 1,5 10-4 mol/l. (6) Bei einem resultierenden Gesamtvolumen von 200 ml würden damit n(pb 2+ ) = [Pb 2+ ] V = 4,6 10-6 0,2 = 3,0 10-5 mol Pb 2+ (d.h. etwa 3% der Gesamtmenge von 1 mmol) in Lösung bleiben. b) Zugabe im Überschuss Bei Zugabe der 3fachen Menge Fällungsmittel, also 300 ml H2SO4 wäre der Überschuss der Sulfationen 2 mmol. Gerechnet auf das Gesamtvolumen von 400 ml wäre dann die eingestellte Konzentration der Sulfationen [SO4 2- ] 0,002 mol / 0,4 l = 0,005 mol/l. Die daraus resultierende Gleichgewichtskonzentration der Bleiionen in Lösung beträgt [Pb 2+ ] = Lp/[SO4 2- ] = 2,3 10-8 /0,005 = 4,6 10-6 mol/l (7) Durch diesen Überschuss an Fällungsmittel wird die nicht ausgefällte Stoffmenge des Bleis auf n(pb 2+ )=[Pb 2+ ] V = 4,6 10-6 0,4 = 1,8 10-6 mol herabgesetzt, was gemessen an der insgesamt verfügbaren Menge von 1 mmol nur noch 100 1,8 10-6 /0,001 = 0,18 % beträgt. In diesem Falle wird praktisch vollständige Fällung erzielt. Eine solche Zugabe des Fällungsmittels im Überschuss darf aber nicht bedenkenlos angewendet werden. Es ist nämlich möglich, dass auszufällende Kationen mit einem im Überschuss zugegebenen Fällungsmittel Komplexionen bilden. Das ist z.b. der Fall, wenn Ag + mittels HCl als AgCl ausgefällt wird. Bei großem Überschuss von Cl - bilden sich
Komplexionen [AgCl2] - und [AgCl3] 2- in merklicher Menge. Ein großer Überschuss an Cl - führt in diesem Fall nicht zu einer Erhöhung sondern zu einer Verringerung der Abscheidung. Bei der Auswahl des auszufällenden Niederschlages und des entsprechenden Fällungsmittels muss auch die Natur der begleitenden Stoffe berücksichtigt werden, von denen Abtrennung erfolgen soll. Unter Umständen wird man einen etwas löslicheren Niederschlag benützen, wenn dadurch die Mitfällung begleitender Stoffe verringert werden kann. Versuchsdurchführung Es soll die Bariumionenkonzentration einer vom Assistenten ausgegebenen Lösung bestimmt werden. Die Ausgabe der zu untersuchenden Lösung erfolgt im allgemeinen in einem Messkolben. Zunächst ist mit destilliertem Wasser bis zur Marke aufzufüllen und durch Umschwenken für vollständige Durchmischung zu sorgen. Die Bestimmung ist dann an der so erhaltenen Lösung auszuführen. Mit einer Pipette werden 20 ml der zu untersuchenden Lösung abgemessen und in ein 400 ml Becherglas transferiert und mit 150 ml destilliertes Wasser verdünnt. Durch Zugabe von destilliertem Wasser wird erreicht, dass die Fällung aus verdünnter Lösung erfolgt. Dadurch kann das Mitreißen anderer gelöster Stoffe verringert werden. Die Lösung im Becherglas wird nun bis zum Sieden erhitzt, da die Fällung in der Hitze vorgenommen werden soll, um Bildung eines zu feinkörnigen Niederschlages zu vermeiden. Zur siedenden Lösung wird - unter ständigem Umrühren mit einem Glasstab tropfenweise verdünnte Schwefelsäure zugegeben. Das Fällungsmittel soll etwa 10 g konzentrierte Schwefelsäure pro Liter enthalten, d.h. [SO4 2- ] 0,1 mol/l. Das zuzugebende Volumen an Schwefelsäure wird in folgender Weise festgestellt. Die Ba 2+ -Konzentration in der zu analysierenden Lösung wird unter 0,1 Mol pro Liter betragen. Bei einer vorgesehenen Entnahme von 20 ml werden damit also höchstens 1mmol Sulfat auszufällen sein: n(ba 2+ ) = [Ba 2+ ] V = 0,1 0,02 = 2 10-3 mol (8) Die dazu äquivalente Menge von 1 mmol Sulfationen wäre in einem Volumen von 20 ml des Fällungsmittels (Schwefelsäure) enthalten: V(SO4 2- ) = n(so4 2- )/[SO4 2 ] = 2 10-3 /0,1 = 0,020 l (9) Um vollständige Fällung zu erzielen, soll ein Überschuss von 15 bis 20 ml Fällungsmittel zugegeben werden, d.h. das maximal einzusetzende Volumen Fällungsmittel würde 40 ml betragen. Man wird diese Menge aber nicht auf jeden Fall zugeben, denn durch einen zu großen Überschuß wird das spätere Auswaschen des Niederschlages erschwert. Vielmehr wird man das Zutropfen nach einer Zugabe von etwa 20 ml des Fällungsmittels unterbrechen, den bereits gebildeten Niederschlag absitzen lassen und durch Beobachtung der Lösung beim Eintreten des nächsten Tropfens des FällungsmitteIs feststellen, ob die Fällung schon vollständig ist. Wenn dies zutrifft, d.h. wenn keine weitere Niederschlagsbildung beobachtet wird, gibt man noch 10 bis 20 ml Fällungsreagens zu. Ist die Fällung jedoch nicht vollständig, so gibt man zunächst weitere 10 ml Fällungsmittel zu und prüft dann
wieder auf Vollständigkeit, usw. Durch diese Arbeitsweise wird ein zu großer Überschuss an Fällungsmittel vermieden. Nach Beendigung der Zugabe des Fällungsmittels erhitzt man die Lösung noch 10 Minuten auf 90 bis 95 C. Dadurch wird eine Vergrößerung der Niederschlagsteilchen bewirkt. Dann lässt man langsam abkühlen (zumindest eine halbe Stunde). Die Lösung wird nun durch ein (quantitatives) Blaubandfilter in einem Trichter filtriert. Quantitative Filter sind praktisch aschefrei, d.h. das Aschegewicht ist vernachlässigbar. "Blauband" bezeichnet ein sehr feinporiges Filter, von dem auch die relativ kleinen Teilchen des Bariumsulfatniederschlages zurückgehalten werden. Der Niederschlag im Filter wird mit kleinen Portionen heißen Wassers (etwa je 5 ml) gewaschen. Im austretenden Waschwasser prüft man durch Zugabe eines Tropfens Bariumchloridlösung ob Sulfationen noch in merklicher Menge ausgewaschen werden. Sobald Sulfationen im Waschwasser nicht mehr nachweisbar sind, d.h. wenn die Reaktion SO4 2- (aq) + Ba 2+ (aq) + 2 Cl - (aq) = BaSO4(s) + 2 Cl - (aq) (10) ausbleibt, wird das Waschen beendet. Das Filter mit dem Niederschlag wird nun zusammengefaltet und in einen gewogenen Porzellantiegel gestellt. Den Tiegel stellt man etwas geneigt auf ein Porzellandreieck und bedeckt ihn teilweise mit einem Tiegeldeckel. Man trocknet und verascht mit dem Bunsenbrenner. Hierbei wird zuerst sehr vorsichtig erhitzt und die Temperatur dann langsam gesteigert. Nachdem man 15 bis 20 Minuten erhitzt hat, nimmt man den Deckel ab und glüht dann den offenen Tiegel in der heißen Brennerflamme weitere 20 Minuten. Luftzufuhr ist hierbei wesentlich, da es beim vorangegangenen Veraschen des Filters zu einer Reduktion des Bariumsulfats zum Sulfid gekommen sein kann und nun die Rückumwandlung zum Sulfat erreicht werden muss. Der abgekühlte Tiegel wird gewogen. Auswertung Aus der Menge (Masse) an gebildetem Bariumsulfat m(baso4) soll die Konzentration der Ba 2+ -Ionen in der zu analysierenden Lösung berechnet werden. Hierzu ermittelt man zunächst die mithilfe der relativen Molmasse M(BaSO4)=233,4 g/mol die Stoffmenge an gebildetem Bleisulfat: n(baso4) = m(baso4)/m(baso4) (11) Nun gilt aber aus stöchiometrischen Gründen n(bas04) = n(ba 2+ ), woraus sich für. die gesuchte Konzentration folgender Wert ergibt: [Ba 2+ ] = n(baso4)/v = m(baso4)/(233,4 V) (12) V ist das bei der Fällung eingesetzte Volumen der Lösung (laut Vorschrift 0,02 Liter). Protokoll Aufgabenstellung Arbeitsweise (Beschreiben der Arbeitsschritte) Ergebnisse der Wägungen (Tiegel leer, Auswaage, Masse des Niederschlags) Angabe der Konzentration der Probe in mol/l
Tabelle 1: Einige schwerlösliche Niederschläge, die für die Gravimetrie von Bedeutung sind Löslichkeitsprodukt 20 C Chemische Form der Auswaage a) Zur Bestimmung folgender Stoffe BaS04 1,0 10-10 BaSO4 Ba 2+, SO4 2- PbSO4 2,3 10-8 PbSO4 Pb 2+ AgCl 1,1 10-10 AgCl Ag +, Cl - AgBr 7,7 10-13 AgBr Br - AgI 1,7 10-16 AgI I - Fe(OH)3 1,1 10-36 Fe203 Fe 3+ Al(OH)3 3,7 10-15 Al203 Al 3+ CaC2O4 H2O 2,6 10-9 Ca0 Ca 2+ MgNH4P04 2,5 10-13 Mg2P207 Mg 2+, PO4 3- a) Manche Niederschläge sind wohl zur Ausfällung geeignet, haben aber keine reproduzierbare stöchiometrische Zusammensetzung und werden daher in andere Stoffe umgewandelt, die zur Auswaage der gefällten Stoffmenge gut geeignet sind.