Garmisch 29.09. 02.10 2009 BIO LEBENSMITTEL Eine neue Kategorie von Lebensmitteln? Lebensmittelrechtliche und qualitative Aspekte Prof. Dr. W.-R. Stenzel Institut für Lebensmittelhygiene - FU Berlin Wissenschaftliche Einrichtungen Veterinary Public Health stenzel@vetmed.fu-berlin.de 1
Lebensmittelbegriff: auch für BIO-Lebensmittel? Definition Lebensmittel EU-VO 178/2002 sind i. S. Art. 2 alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu Lebensmitteln zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe - einschließlich Wasser -, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden. 2
Allgemeine Grundsätze des EG - Lebensmittelrechtes VORSORGE Gesundheitsschutz Lebensmittelsicherheit SCHUTZ Täuschung - Irreführung nicht nur Kennzeichnung sondern auch Lebensmittelqualität RÜCKVERFOLGBARKEIT für BIO-LEBENSMITTEL gilt gleichermaßen - Sicherung eines fairen Wettbewerbes - ungehinderter Warenaustausch - aufgeklärte Verbraucher 3
Zusammenhang Lebensmittelqualität Lebensmittelkategorien Lebensmittelqualität setzt sich zusammen aus: Prozessqualität Bildung, Gewinnung, Be-/Verarbeitung Produktqualität Hygiene Zusammensetzung Kennzeichnung Sensorische Qualität/Genusswert Ernährungsphysiologie Eignungs-/Gebrauchswert unterschiedliche Lebensmittelkategorien 4
Lebensmittelrechtliche Einordnung von Lebensmittelkategorien unter dem Aspekt Prozessqualität Traditionelle Lebensmittel VO (EG) Nr. 853/2004 VO (EG) Nr. 854/2004 Ökologische Lebensmittel VO (EG) Nr. 834/2007 VO (EG) Nr. 889/2008 VO (EG) Nr. 967/2008 VO (EG) Nr. 1235/2008 VO (EG) Nr. 1254/2008 VO (EG) Nr. 710/2009 Funktionelle Lebensmittel Novel food VO (EG) Nr. 258/2002 Gentechnisch veränderte Lebensmittel VO (EG) Nr. 1829/2003 VO (EG) Nr. 1830/2003 VO (EG) Nr. 178/2002 VO (EG) Nr. 882/2004 VO (EG) Nr. 2073/2005 Schutz geo. Angaben /Ursprungsbez. VO (EG) 2081/92 5
Intention des Regelwerkes Ökologische Lebensmittel Verständnis von einer ganzheitlichen Lebensmittelqualität - Verwendung naturbelassener Zutaten - traditionelle, schonende Herstellungsverfahren mit geringer Verarbeitungsintensität - restriktive Zulassung/Einsatz von Zusatz- und technischen Hilfsstoffen Ziel: hohe geschmackliche Qualität, Gesundheits-, Ökologie-, Kulturwerte - keine ausdrücklichen Vorschriften zu den Verfahren in der Lebensmittelbe-/-verarbeitung, die über physikalische, thermische oder fermentative Prozesse die Beschaffenheit und die ernährungsphysiologische Qualität bzw. den Gesundheitswert eines Lebensmittels beeinflussen Begrenzung nur indirekt durch restriktive Zulassung von Zusatz- und Hilfsstoffen - keine expliziten Aussagen zu: Reinigung/Desinfektion, Vorratsschutz, Verpackung, Umweltaspekten 6
Grundsätze ökologischer Prozessqualität - ganzheitliches Bewirtschaftungssystem - restriktive Anwendung von Dünge-, Pflanzenschutz- und prophylaktischen Tierarzneimitteln - Bestrahlungsverbot - Verbot der Verwendung GVO/GVO-Derivate; 0.9%-Regelung gilt - restriktiver Einsatz von - Zusatzstoffen (Positivlisten), - Supplementierung (Vitamine, Mikronährstoffe) - Technologien (Hydrokultur, Raucharomen) - zusammengesetzte Lebensmittel: >95% der Zutaten müssen Kriterien der VO erfüllen - Vornahme von Risikobewertungen (GMP QS-System) 7
Umsetzung erfaßt folgende Erzeugnisse der Landwirtschaft, einschließlich Aquakultur: a) lebende oder unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, b) verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind c) Futtermittel d) vegetatives Vermehrungsmaterial, Saatgut Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei wild lebender Tiere gelten nicht als aus ökologischer Produktion stammend VO gilt auch für Hefen Wein derzeit nicht geregelt Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen unterliegen nicht der VO, sondern werden nationalstaatlich geregelt 8
Umsetzung Allgemeine Vorschriften für die Herstellung verarbeiteter Lebensmittel - Herstellung verarbeiteter ökologischer Lebensmittel muss räumlich oder zeitlich getrennt von jener nichtökologischer Lebensmittel erfolgen - Restriktiver Einsatz von: Zusatzstoffen, Verarbeitungshilfsstoffen, Aromastoffen, Zubereitungen aus Mikroorganismen, Enzymen, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine, Aminosäuren, Mikronährstoffe (Positivlisten: VO (EG) Nr. 889/2008) - nichtökologische landwirtschaftliche Zutaten dürfen nur verwendet werden, wenn sie in der ökologischen Produktion ausdrücklich zugelassen worden sind 9
Umsetzung - Vermischungsverbot eine ökologische Zutat darf nicht zusammen mit der gleichen nichtökologisch erzeugten Zutat vorkommen - Stoffe und Verfahren, die bei der Verarbeitung und Lagerung ökologischer Lebensmittel verloren gegangene Eigenschaften wiederherstellen oder das Ergebnis nachlässiger Verarbeitung korrigieren oder anderweitig in Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit dieser Erzeugnisse irreführend sein könnten, dürfen nicht verwendet werden - Alleinstellungsmerkmal Begriff Bio- / Öko-, nur für Lebensmittel bei Kennzeichnung, Werbung, die Anforderung erfüllen - Gemeinschaftslogo, nationale/private Logos für ökologische Produktion in der Kennzeichnung, Aufmachung, Werbung verbindliches EU-Logo ab Sommer 2010 10
Staatliches BIO-Siegel sowie nationale private Siegel mit spezifischen Anforderungen 31. Juli 2009: 3304 Unternehmen 54800 Produkte ÖKOSIEGEL 11
Vergleichbarkeit Produktqualität hygienische Qualität konstitutionelle Qualität** Kennzeichnung sensorische Qualität (Genusswert)* ernährungsphysiologische Qualität** Eignungs-/Gebrauchswert * akkreditierter DLG-Prüfungsmodus **vergleichbare Rezepturen BIO versus KONVENTIONELL ja ja ja ja ja keine Daten bekannt ENERGIEBILANZ ja Prozessqualität BIO versus KONVENTIONELL nein 12