Kirche im Umbau. Strategien für kirchliches Handeln angesichts von Individualisierung und Säkularisierung. Dr. Konrad Merzyn

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Transkript:

Kirche im Umbau Strategien für kirchliches Handeln angesichts von Individualisierung und Säkularisierung

1. Vorbemerkungen 2. Grundlinien 3. Handlungsoptionen 2

1. Vorbemerkungen 3

Empirische Daten nehmen der Kirche keine Entscheidungen ab. Datenmaterial liefert in der Regel keine Kausalzusammenhänge. Jede Handlungsstrategie muss mit nicht bedachten Nebenwirkungen und nicht intendierten Effekten rechnen. 4

Gesellschaftliche Makrotrends lassen sich durch Handlungskonzepte weder verändern noch aufhalten. Die evangelischen Kirchen haben in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur Fehler gemacht. Dennoch gelingt es bekanntlich nicht, die allgemeinen Abschmelzungs-und Deinstitutionalisierungsprozesse wirksam zu beeinflussen. Das geht anderen Institutionen ähnlich. 5

Handlungsempfehlungen sind stark theorieabhängig. säkularisierungstheoretische Ansätze > Förderung von Prozessen religiöser Sozialisation individualisierungstheoretische Ansätze > Öffnung der kirchlichen Aktivitäten für Pluralität markttheoretische Ansätze > auf Marktanalysen basierende Angebotsoptimierung > Handlungsempfehlungen müssen die verschiedenen Perspektiven vermitteln. 6

2.Grundlinien einer Strategieentwicklung 7

Abschied von unrealistischen Leitbildern Lückenlose Angebote allerorts Quantitatives Wachsen gegen den Trend Re-Evangelisierung als Lösung 8

Intelligenter Umbau ist gefragt Faktisch sind die meisten Umbauprozesse Rückbauprozesse. Der theologisch-konzeptionelle Anspruch, der sich mit dem Begriff Volkskirche verbindet, darf nicht aufgegeben werden. Die sich wandelnden gesellschaftlichen Kontexte müssen berücksichtigt werden. Kirche soll gesellschaftlich wirksam und prägend bleiben. 9

Selbstbewusster Realismus Kirche soll gesellschaftlich wirksam und prägend bleiben: keine vorauseilende Selbstmarginalisierung, nicht verzweifelt um den Erhalt gegenwärtiger Größe kämpfen, sondern die geistliche Dimension ihres Grundauftrags profiliert vortragen. 10

Konstruktive Vermittlung von Profilierung und Diversifizierung Grundziel: stärkere geistliche Erkennbarkeit Volkskirchliche Notwendigkeit: Vielzahl unterschiedlicher Profile aufrecht erhalten Nur eine diversifizierte Kirche hat das Potential vielfältiger Bindungskräfte. Aber: Profile nicht zu Gegensätzen und Vielfalt nicht zu Blässe werden lassen 11

3. Handlungsoptionen 12

Handlungsoptionen (1): Familiäre Sozialisation und ehrenamtliches Engagement 13

Schlüsselherausforderung: Religiöse Sozialisation Früheste familiäre Situation ist prägend: Vorleben und Nachahmung als zentrale Elemente für einen Zugang zu Religion und Glaube. Eltern und Großeltern noch intensiver in die kirchliche Arbeit mit Kindern einbinden Familie als Ort der religiösen Bildung stärken: Anstöße zu privater religiöser Kommunikation bieten; Pluralität der Familienformen ernst nehmen 14

Potential: Die jungen Alten Die Altersgruppe der 60-bis 74-Jährigen wird in den nächsten Jahren beträchtlich wachsen Besondere Mischung: zurückgehende Selbstverständlichkeit der religiösen/kirchlichen Bindung relativ großes Interesse an kirchlichen Angeboten hohe Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement Interessante Gruppe: Bereitschaft, ehrenamtlich kirchliche Leitungsaufgaben zu übernehmen > sorgsamer und werbender Mitgliederkontakt 27. November 2015 15

Handlungsoptionen (2): Die öffentliche Sichtbarkeit der Kirche 7. Oktober 2015 16

Was macht die Kirche erkennbar? Was trägt zur Identifikation mit der Kirche bei? Themen Personen Gebäude Diakonie Bildungsarbeit 17

Konkret bedeutet das u. a.: Gemeinde und Übergemeindliches nicht gegeneinander ausspielen, sondern als unterschiedliche Orte gestalten. Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrer öffentlichen Rolle stärken. Konstruktive Verhältnisbestimmungen zwischen den Berufsgruppen und zwischen beruflich & ehrenamtlich Tätigen (Nivellierung von Berufsprofilen ebenso vermeiden wie Klerikalisierungstendenzen). 18

Handlungsoptionen (3): Religiosität und Kirchlichkeit in Halbdistanz 19

Qualifizierung der vorhandenen Kontaktflächen: Kasualien Beständige Arbeit an der Qualität der Kasualien Bereitschaft, Kirche an anderen Orten zu gestalten (Kasualpraxis löst sich von der Ortsgemeinde ab) Ergänzung des Kasual-Angebots (Taufe, Trauung, Bestattung) um Rituale für weitere biographische Wendepunkte: Einschulung, Jubiläen, Ehescheidung, etc. 20

Refokussierungder missionarischen Aufgaben (1): Befund Versuche, mittlere Verbundenheit durch missionarische Aktivitäten zu Hochverbundenheit zu transformieren, zeigen keine dauerhaften Erfolge. Missionarische Aktivitäten richten sich gegenwärtig oft an Hochverbundene. 21

Refokussierungder missionarischen Aufgaben (2): Empfehlungen Aktivitäten müssen Mitglieder in mittlerer Verbundenheit, Unbestimmtheit und Institutionsskepsis ansprechen. Individuelle Formen der Verbundenheit müssen stabilisiert werden. Voraussetzung dafür ist, die mittlere Verbundenheit wertzuschätzen lernen. 22

Polyzentrische Kirchenentwicklung Formen von Kirche müssen der Pluralität sozialer Praxen der Mitglieder Rechnung tragen. Nicht: Gruppen gegeneinander ausspielen oder Wertungen vornehmen! Sondern: Räume für selbstgewählte Formen der religiösen Praxis öffnen. Damit rechnen, dass Nähe und Distanz variabel sind. Für Hochverbundene: Räume für wirksame Mitgestaltung öffnen aber ihre Außenorientierung fördern: einladend und faszinierend Kirche sein. 23

Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 24