Depressive Störungen im Alter: Status quo und Perspektiven der Versorgung

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Transkript:

Depressive Störungen im Alter: Status quo und Perspektiven der Versorgung Ergebnisse aus deutschen Alterskohorten und der AgeMooDe und AgeMooDe+Synergie Studie Prof. Dr. med. Steffi G. Riedel-Heller, MPH Leipzig DKVF Berlin 2015 Institute of Social Medicine, Occupational Health and Public Health (ISAP), Facultuy of Medicine, University of Leipzig Philipp-Rosenthal-Straße 55, 04103 Leipzig Phone: +49 341 15 406, Fax: +49 341 15 409, www.isap.uniklinikum-leipzig.de/

Fragestellungen: Häufigkeit und Relevanz: 1. Wie häufig sind depressive Störungen im hohen Lebensalter? 2. Welche gesundheitsökonomische Relevanz haben depressive Störungen im Alter? Behandlungsaspekte: 3. Welche Behandlungspräferenzen geben depressive und nicht-depressive Senioren an? 4. Welche ungedeckten Versorgungsbedarfe geben depressive Allgemeinarztpatienten an? Versorgungssituation: 5. Wie schätzen Experten die aktuelle Versorgungssituation ein? Wo werden Entwicklungsspielräume gesehen? 2

Datengrundlage 1 : Alterskohorten LEILA 75+ AgeCoDe LEILA 75+ AgeCoDe Typ Kohorte Kohorte Studienzentren prospektive, populationsbasierte Studie monozentr. (Leipzig) multizentr. NBaseline 1.FUP 2.FUP 1,265 3.FUP 4.FUP 3,327 5.FUP Alter n = 1,265 75+ 75+ 6.FUP Sampling frame EMA Hausarztlisten 1997 2000 2003 2006 Response 81.5 % 50.3 % Follow-up Intervalle 1.5 Jahre 1.5 Jahre (+IA) prospektive, allgemeinarztbasierte Studie (Hamburg, Düsseldorf, Bonn, Mannheim, München, Leipzig) Zahl FUPs 6 9 (+ 1) Baseline n = 3,327 Proxy Information (+ + n = 3.327 1.FUP 2.FUP 3.FUP 4.FUP HA Information (- + 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2013 5.FUP 6.FUP 7.FUP 8.FUP 9.FUP Untersuchungsort zu Hause zu Hause 2015 3

Datengrundlage 2: AgeMooDe Depression im Alter: Versorgungsbedarf, Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und Kosten (2012 2015) Hamburg Hannover Leipzig Bonn Studientyp: prosepektive, multizentrische, allgemeinarztbasierte Kohortenstudie (Baseline und Mannheim Follow-up) Rekrutierung: Hausarztlisten Durchführung: strukturierte Probandeninterviews im häuslichen Umfeld, Hausarzt- und Angehörigenbefragung Alter: 75+ Stichprobengröße: n=1230 AgeMooDe+Synergie (BMG): Die Versorgung depressiver alter Menschen in Deutschland: Spielräume, Barrieren und Chancen für eine optimierte Behandlung Mixed-method-Ansatz (u.a. qualitative Interviews mit Experten, Betroffenen und Angehörigen) 4

Fragestellungen: 1. Wie häufig sind depressive Störungen im hohen Lebensalter? 2. Welche gesundheitsökonomische Relevanz haben depressive Störungen im Alter? 3. Welche Behandlungspräferenzen geben depressive und nichtdepressive Senioren an? 4. Welche ungedeckten Versorgungsbedarfe geben depressive Allgemeinarztpatienten an? 5. Wie schätzen Experten die aktuelle Versorgungssituation ein? Wo werden Entwicklungsspielräume gesehen? 5

Symptomatik Depression Sehr leicht Sehr schwer Subthreshold Depression Minor Depression Major Depression - Kategoriale Erfassung ICD-10, DSM V (ja/nein z.b. Major Depression mit SKID, CIDI) - Dimensionale Erfassung mit Skalen (CES-D, GDS)

Prävalenz depressiver Symptomatik Metaanalyse (dimensionales Assessment) Proportion meta-analysis plot [random effects] Al-Shammari and Al-Subaje, 1999 0.11 (0.10, 0.13) Anstey et al., 2007 0.17 (0.15, 0.19) Gaynes et al., 2002 0.23 (0.21, 0.25) Gonzales et al., 2001 0.27 (0.24, 0.31) Hybels et al., 2001 0.12 (0.10, 0.13) McGuire et al., 2009 0.05 (0.04, 0.05) Montagnier et al., 2006 0.08 (0.07, 0.10) Murata et al., 2008 0.37 (0.36, 0.38) Sonnenberg et al., 2000 0.19 (0.16, 0.21) Stordal et al., 2001 0.18 (0.17, 0.19) van't Veer-Tazelaar et al., 2008 0.31 (0.29, 0.33) Leila75+: 14.5%(95%CI:12-17%) AgeCoDe: 10% (95%CI 8.7 10.7) Wong et al., 2008 0.10 (0.08, 0.12) combined 0.17 (0.10, 0.26) 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 AgeCoDe proportion (95% confidence interval) Leila75+ 17% Luppa M, Sikorski C,...Riedel-Heller SG. J Affect Disord. 2012 Feb;136(3):212-21.

Prävalenz der Major Depression Metaanalyse (kategoriales Assessment) 7% Luppa M, Sikorski C,... Riedel-Heller SG. J Affect Disord. 2012 Feb;136(3):212-21.

Altersspezifische Prävalenz depressiver Symptomatik (dimensional/skalen) LEILA75+ AgeCoDe 20 CES-D cut-off 23+ GDS-15 cut-off 6+ 20 15 10 5 0 13.0 13.3 18.0 75-79 years 80-84 years 85 years and older 15 10 5 0 6.8 10.1 13.7 Sutin AR, Terracciano A, Milaneschi Y, An Y, Ferrucci L, Zonderman AB. The trajectory of depressive 75-79 years 80-84 years symptoms across 85 years theand adult older life span. JAMA Psychiatry. 2013 Aug;70(8):803-11. Weyerer, S....Bickel, H. Journal of Affective Disorders, 2008, 111, 153-163. Luppa M, Sikorski C,...Riedel-Heller SG. Int J Geriatr Psychiatry. 2012 Mar;27(3):286-95.

Grundformen der ökonomischen Evaluation Methoden mit ausschließlicher Analyse der Kosten (Input) Methoden mit Analyse von Kosten (Input) und Effekten (Output) = Vollständige ökonomische Evaluation Krankheitskostenstudien ( Cost-of-illness studies ) Kosten-(Vergleichs-) Analysen Kosten-Effektivitäts- Analysen Kosten-Nutzen- Analysen verdeutlichen ökonomische Relevanz eines Gesundheitsproblems, ermöglichen aber in der Regel keine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Gesundheitsleistungen Erfassung von Kosten Bottom-up-Ansatz Hauptinstrument: Kostenbuch (Bock et al. 2015) Kosten-Nutzwert- Analysen ermöglichen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Gesundheitsleistungen Bock JO, Brettschneider C, Seidl H, Bowles D, Holle R, Greiner W, König HH (2015). Standardisierte Bewertungssätze aus gesellschaftlicher Perspektive für die gesundheitsökonomische Evaluation. Schriftenreihe Gesundheitsökonomische Beiträge Bd. 55. Baden-Baden: Nomos. 10

Pro-Kopf-Kosten Direkte Kosten (6 Monatsperiode, Preise 2012) 4000 3726 3500 3000 45% Depressive Euro 2500 2000 2085 nicht depressiv depressiv 1500 Nicht-Depressive 1000 500 0 Gesamtkosten*** (direkte Kosten) Mann & Whitney U-test, ***p<0,001 Bock JO, Riedel-Heller, König HH: Excess health care costs of late life depression Results of the AgeMooDe-Study (in preparation 2015). 11

Pro-Kopf-Kosten Direkte sektorenspezifische Kosten (6 Monatsperiode, Preise 2012) 2000 1800 1803 1600 1400 1200 Euro 1000 800 794,9 744,2 741,4 Nicht depressiv depressiv 600 550,6 493,4 438,3 400 247,1 200 0 stationäre Behandlung*** ambulante ärztliche Behandlung*** Medikamente*** Pflege*** Mann & Whitney U-test, ***p<0,001 Bock JO, Riedel-Heller, König HH: Excess health care costs of late life depression Results of the AgeMooDe-Study (in preparation 2015). 12

Zwischenfazit 1 & 2: 17% aller Senioren über 75 leiden an einer depressiven Symptomatik. 7% an einer depressiven Störung. Entwicklung über die Lebensspanne eher u-förmig. Zunahme von 75 bis in das hohe Alter. Depressive Senioren sind Vielnutzer des Gesundheitssystems. Die Kosten depressiver Senioren liegen höher liegen als die von nichtdepressiven Senioren. Diese Kostenerhöhung ist nicht auf depressionsspezifische Behandlung zurückzuführen. Riedel-Heller SG, Luppa M.: Depression in late life - what does epidemiology add?. Psychiatr Prax. 2013 May;40(4):173-5.

Fragestellungen: 1. Wie häufig sind depressive Störungen im hohen Lebensalter? 2. Welche gesundheitsökonomische Relevanz haben depressive Störungen im Alter? 3. Welche Behandlungspräferenzen geben depressive und nichtdepressive Senioren an? 4. Welche ungedeckten Versorgungsbedarfe geben depressive Allgemeinarztpatienten an? 5. Wie schätzen Experten die aktuelle Versorgungssituation ein? Wo werden Entwicklungsspielräume gesehen? 14

Erfassung von Behandlungspräferenzen Rating Erfassung von Bedarfen Camberwell Assessment of Need for the Elderly (CANE), - Deutsche Version Stein J, Luppa M, König HH, Riedel-Heller SG. The German version of the Camberwell Assessment of Need for the Elderly (CANE): evaluation of content validity and adaptation to the German-speaking context. Int Psychogeriatr. 2015, Nov;27(11):1919-26. Orrell & Hancock, 2004 15

Behandlungspräferenzen (Rating) Wenn Sie unter Depressionen leiden würden, welche Behandlung käme für Sie in Frage? Einschätzung von 8 Möglichkeiten (5-stufige Likert-Skala: 1=überhaupt nicht.. 5=auf jeden Fall) Sikorski C, Luppa M,..Maier W, Weyerer S, Riedel-Heller SG (submitted 2015) 16

Ranking ungedeckter Bedarfe (Top 7) depressiver und nicht depressiver Personen 75+ (AgeMooDe, N= 1.179) Körperliche Gesundheit Mobilität CANE-Domänen Soziale Kontakte Tägliche Aktivitäten Enge Beziehungen Depressive "Ungedeckte Bedarfe" Nicht Depressive "Ungedeckte Bedarfe" Seh- und Hörvermögen Kontinenz 0 1 2 3 4 5 6 % Personen mit ungedeckten Bedarfen Stein J, Pabst A., Weyerer S., Maier W, Scherer M König HH, Riedel-Heller SG Met and unmet care needs in the oldest old with and without depression using the Camberwell Assessment of Need for the Elderly (CANE): Results of the AgeMooDe Study (submitted 2015) 17

Zwischenfazit 3 & 4: Sowohl von depressiven als auch von nicht-depressiven Senioren wurden ungedeckte Bedarfe am häufigsten im Bereich der körperlichen Gesundheit identifiziert. Depressive Senioren sahen ungedeckte Bedarfe in ihrer Begleitung, Tagesaktivitäten und Bedarfen, die mit psychologischen Distress verbunden waren. Depressiven Senioren berichteten signifikant häufiger ungedeckte Bedarfe. Systematische Need Assessments (CANE jetzt als dt. Version) ergänzen die klinische Untersuchung und sind eine wichtige solide Datenbasis und können zudem die Entwicklung maßgeschneiderter Interventionen fördern. Es ist bekannt, dass Patienten, die entsprechend ihrer Behandlungspräferenzen behandelt werden, ein besseres Behandlungsergebnis auf weisen. Für Behandlungspräferenzen hinsichtlich depressiver Erkrankungen im Alter liegen für Deutschland nun erstmals Informationen vor. Depressive Symptomatik beeinflusst die Behandlungspräferenz. Überraschend ist eine insgesamt hohe Präferenz für psychotherapeutische Intervention in dieser Altersgruppe (75+). 18

Fragestellungen: 1. Wie häufig sind depressive Störungen im hohen Lebensalter? 2. Welche gesundheitsökonomische Relevanz haben depressive Störungen im Alter? 3. Welche Behandlungspräferenzen geben depressive und nichtdepressive Senioren an? 4. Welche ungedeckten Versorgungsbedarfe geben depressive Allgemeinarztpatienten an? 5. Wie schätzen Experten die aktuelle Versorgungssituation ein? Wo werden Entwicklungsspielräume gesehen? 19

Expertenmeinung: Versorgungsqualität depressiver alter Menschen in Deutschland Sample:12 Experten mit verschiedenem Hintergrund Methode: Einschätzungsfrage zu Beginn (s.o.), qualitative Auswertung der problemzentrierte Interviews (Patienten- und Angehörigensicht noch in Auswertung!) Gühne U, Luppa M, Stein J, Wiese B, Weyerer S, Maier W, König HH, Riedel-Heller SG. Barriers and Opportunities for Optimized Treatment of Late Life Depression. Psychiatr Prax. 2015 Jul 9. [Epub ahead of print] 20

Expertenmeinung: Barrieren in der Versorgung depressiver alter Menschen in Deutschland Gühne U, Luppa M, Stein J, Wiese B, Weyerer S, Maier W, König HH, Riedel-Heller SG. Barriers and Opportunities for Optimized Treatment of Late Life Depression. Psychiatr Prax. 2015 Jul 9. [Epub ahead of print] 21

Expertenmeinung: Chancen und Veränderungspotenziele in der Versorgung depressiver alter Menschen in Deutschland Intersektorale Versorgungspfade Gühne U, Luppa M, Stein J, Wiese B, Weyerer S, Maier W, König HH, Riedel-Heller SG. Barriers and Opportunities for Optimized Treatment of Late Life Depression. Psychiatr Prax. 2015 Jul 9. [Epub ahead of print] 22

Optimierung der Versorgung veränderte Organisation der Behandlung GP Does GP training in depression care affect patient outcome? - A systematic review and meta-analysis. BMC Health Serv Res. 2012 Jan 10;12:10. doi: Provider training by itself does not seem to improve depression care; however, if combined with additional guidelines implementation, results are promising. Additional organizational structure changes in form of collaborative care models are more likely to show effects on depression care. Sikorski C, Luppa M, König HH, van den Bussche H, Riedel-Heller SG. BMC Health Serv Res. 2012 Jan 10;12:10. 23

Versorgungsmodelle im primärärztlichen Setting Modell Behandler Elemente Ergebnisauswahl IMPACT (USA) Kollaborative und gestufte Behandlung im Hausarztsetting Hausarzt, Depressionsmanager und begleitende Supervision durch Psychiater und Hausarzt mit geriatrischer Expertise Case Management, Behandlungsplanung, Stufenpläne, Monitoring, Psychoedukation, Unterstützung Reduktion der depressiven Symptomatik, höhere Behandlungszufriedenheit, verbesserte Funktionalität und Lebensqualität, Reduktion suizidaler N=1801 (60+) bei medikamentöser Behandlung, Gedanken, kosteneffektiv [40-42] adaptierte Problemlösetherapie PRISM-E (USA) Integrierte Behandlung im primärärztlichen Setting vs. Erweiterte spezialisierte Behandlung N=1390 (65+) PROSPECT (USA) Care Management Modell im Hausarztsetting N=1226 (60+) BRIGTHEN (USA) Virtuelle Kollaborative Versorgung im Hausarztsetting N=150 (60+) Unmittelbare Kooperation vor Ort zwischen Hausarzt und Spezialisten (Psychiater, Sozialarbeiter, Psychologen, psychiatrische Pflegefachkräfte) Depressions Care Manager (Pflegefachkraft, Psychologe, Sozialarbeiter) trainiert und supervidiert durch Gerontopsychiater in Kooperation mit dem Hausarzt Virtuelles interdisziplinäres Team aus Hausärzten, Psychiatern, Psychologen, Sozialarbeitern, Physiound Ergotherapeuten, Ernährungsberatern etc. mit einer Behandlungsplanung, Counseling, Case Management, Psychotherapie, Pharmakotherapie Care Management, Monitoring, Psychoeduaktion, Training der Hausärzte, leitliniengestützte und algorithmische Behandlung Screening, Untersuchung, virtuelle Teamkommu-nikation, Behandlungs-planung, patientenzentrierte Behandlung und Zugang zu evidenzbasierten Interventionen koordinierenden Person IMPACT: Improving Mood Promoting Access to Collaborative Treatment PRISM-E: Primary Care Research in Substance Abuse and Mental Health for the Elderly study PROSPECT: Prevention of Suicide in Primary Care Elderly: Collaborative Trial BRIGTHEN: Bridging Ressources of an Interdisciplinary Geriatric Health Team via Electronic Networking Höheres Engagement der Patienten in integrierter Behandlung, Remissionsraten und reduzierte depressive Symptomatik vergleichbar in beiden Gruppen für alle depressiven Patienten, für die schweren Formen stärkere Symptomreduktion nach Überweisung in spezialisierte Behandlung [4;23] Reduktion suizidaler Gedanken, Reduktion der depressiven Symptomatik und höhere Remissionsraten, reduziertes Mortalitätsrisiko [1;8;16] Reduktion der depressiven Symptomatik, verbessertes psychopathologisches Bild [14] Gühne U, Luppa M, König HH, Riedel-Heller SG. Collaborative and home based treatment for older adults with depression: a review of the literature]. Nervenarzt. 2014 Nov;85(11):1363-71. 24

Stepped Care Zugang Schritt 4 Schwere und komplizierte Verlaufsformen, drohende Suizidalität: Medikation, intensive Psychotherapie, Elektrokrampftherapie, Kriseninterventionen, Kombinations und stationäre Behandlungen Schritt 3 Mangelnder Response, mittelschwerer bis schwerer Depression: Medikation, intensive Psychotherapie, Kombinationsbehandlung, interdisziplinäre Zusammenarbeit Schritt 2 Anhaltende subdepressive Symptomatik, leichte bis mittelschwere Depression: psychosoziale Interventionen, Aktivierung, Psychotherapie, Medikation Schritt 1 Erste Auffälligkeiten: Screening, Untersuchung, Unterstützung, Psychoedukation, aktives Monitoring Abbildung 1: Stepped Care Modell in der Behandlung depressiver Erkrankungen (in Anlehnung an [32]) Gühne U, Luppa M, König HH, Riedel-Heller SG. Collaborative and home based treatment for older adults with depression: a review of the literature]. Nervenarzt. 2014 Nov;85(11):1363-71.

Zwischenfazit 5 & 6 International liegen positive Evaluationen multiprofessioneller und multimodaler Ansätze für die Behandlung depressiver Störungen im höheren Alter vor. Insbesondere für die Wirksamkeit kollaborativer Ansätze existiert umfangreiche Evidenz. Die Behandlungs- und Versorgungskoordination erscheint dabei zentral. Zudem gilt ein gestuftes Vorgehen als eine effiziente Strategie. Es besteht dringender Bedarf an der Weiterentwicklung entsprechender Konzepte und Rahmenbedingungen und deren Evaluation in Deutschland, die gleichzeitig Voraussetzung für eine umfassende Implementierung bedeutet. Gühne U, Luppa M, König HH, Riedel-Heller SG. [Collaborative and home based treatment for older adults with depression: a review of the literature]. Nervenarzt. 2014 Nov;85(11):1363-71.

Take Home Depression im Alter ist häufig und folgenschwer und stellen ein bevölkerungsmedizinisch unterschätztes Problem dar. Obgleich depressive alte Menschen Vielnutzer des Gesundheitssystems sind, ist von einer Unterversorgung depressiver Störungen im Alter auszugehen. Wirksame Behandlungsmöglichkeiten liegen vor. Optimierungsstrategien sind dringend geboten. Die Schnittstelle zum Hausarzt ist wichtig. Neue Wege der Versorgung sind notwendig: Kollaborative Behandlungsprogramme habe sich international als wirksam und kosteneffektiv erwiesen. Wichtiges Feld nicht nur, aber besonders - für die Versorgungsforschung.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit Danke dem Leipziger Team: Dr. rer. med. Janine Stein, Dr. rer. med. Uta Gühne, Dr. rer. med. Claudia Sikorski, PD Dr. rer. med. Melanie Luppa, Danke den Kollegen aus Hamburg (Gesundheitsökonomie) Dr. O. Bock, Prof. Hans-Helmut König, MPH & Leila75+, AgeCoDe- und AgeMooDe-Investigators Institute of Social Medicine, Occupational Health and Public Health (ISAP), Facultuy of Medicine, University of Leipzig Philipp-Rosenthal-Straße 55, 04103 Leipzig Phone: +49 341 15 406, Fax: +49 341 15 409, www.isap.uniklinikum-leipzig.de/