Bernd Hackl REITEN Im Sinne des Pferdes
Reiter sollten die korrekten Hilfen lernen. Aus diesem ABC können sie dann Sätze bilden, die ihr Pferd auch versteht.
Inhalt Einleitung 9 1. Teil Voraussetzungen schaffen Intuition Bewusstsein Vertrauen Individualität Beobachtungsgabe Fairness Kommunikationsfähigkeit Geduld Konsequenz Einfühlungsvermögen Balance 15 15 18 21 26 29 32 38 46 51 57 63
2. Teil Vorbereitende Bodenarbeit 75 Grundlagen und Ziele 75 Nähe und Distanz 85 Achtsamkeit einfordern 89 Die Richtung bestimmen 90 Gangart und Tempo festlegen 91 Einladen 94 Folgen lassen 99 Gewöhnung und Akzeptanz 104 Körperarbeit 105 Nachgiebigkeit 109 Laterales Biegen im Hals 113 Gegenstände akzeptieren 115 Grenzen, Impulse und Weichen 121 Vor- und Hinterhandverschiebung 122 Rückwärtsrichten 128
3. Teil Reiten grundlegende Übungen 135 Was macht gerechtes Reiten aus? 140 Kommunikation und Hilfengebung 141 Der Reitersitz 146 Grundlegende Übungen 151 Vorwärts-Abwärts Dehnungshaltung 152 Unter das Gewicht lenken 155 Reiten in direkter Biegung 160 Reiten in indirekter Biegung 163 Wendungen der Vor- und Hinterhand 167 Rückwärtsrichten 170 Gymnastizieren 174 Reiten auf zwei Hufschlägen 177 Schultervor 180 Schulterherein 184 Hinterhandkontrolle 186 Schenkelweichen/Side-Pass 188 Zirkel verkleinern und vergrößern 191 Weiches Gefühl im Trab und Galopp 194 Abschluss und Aussicht 200
Was mit Ruhe und Geduld erarbeitet wird, ist mehr wert, als alles, was mit Kraft und Druck erzwungen wird.
Einleitung Als Christoph Kolumbus im Jahr 1492 auf dem Weg nach Indien unvermittelt auf Land traf, betrat zum ersten Mal ein Weißer den Boden von Amerika. Die Eingeborenen der neuen Welt begegneten dem Fremden zunächst skeptisch, jedoch freundlich; bis folgender Vorfall die gesamte Geschichte entscheidend prägte: Christoph Kolumbus, ein strenger Christ, bat den Häuptling des Eingeborenenstammes höflich darum mit ihm zu beten und vor einem Kreuz niederzuknien. Jedoch verstand der Häuptling Kolumbus aufgrund sprachlicher Barrieren nicht oder falsch und weigerte sich. Daraufhin rief Kolumbus seine Wachen und trug ihnen auf den Häuptling mit Gewalt niederzuwerfen. So geschah es und der Häuptling wurde gezwungen das Kreuz zu ehren. Nach diesem Vorfall lief der Häuptling zu seinem Stamm und berichtete von weißen Menschen, die gekommen waren, um das Volk zu unterwerfen und das Land kriegerisch einzunehmen. Wie wäre die Geschichte wohl verlaufen, hätte Kolumbus mehr Geduld gehabt oder eine andere Sprache gebraucht? Der Häuptling wäre vermutlich nach Hause gekehrt und hätte von freundlichen Menschen berichtet, die über das Meer kamen, um die Kultur der Indianer zu bereichern. Welchen Eindruck mögen wohl unsere Pferde von uns bekommen, wenn wir sie mit Ausbindern, Gebissen, Schlaufzügeln usw. dazu zwingen Dinge zu tun, die erstens von ihnen nicht gewollt sind und zweitens nicht verstanden werden. Ich bin mir sicher, dass ebenso wie bei der Entdeckung Amerikas ich als Christoph Kolumbus durch mein Handeln und Denken darüber entscheide, wie der Indianer Pferd auf den Kontakt mit mir reagiert.
Unsere innere Einstellung entscheidet darüber, ob wir eine Beziehung zu unserem Pferd aufbauen können. Begegnen wir unserem Pferd mit Verständnis und kommunizieren klar und deutlich mit ihm, dann ist es gern bei uns und will gefallen. Die Ruhe im Kopf des Reiters kommt immer auch aus dem Bauch des Reiters. Ein gewisses Maß an Versammlung des Pferdes kann man nicht erzwingen, aber sich erwünschen. Was mit Ruhe und Geduld erarbeitet wird, ist mehr wert, als alles, was mit Kraft und Druck erzwungen wird. Um ein stabiles Pferd zu erzeugen, bedarf es Losgelassenheit und Rhythmus bzw. Takt. Außerdem bedarf es ein Höchstmaß an Selbstdisziplin, Geduld und Einfühlungsvermögen. Dies setzt eine gewisse Stabilität des Reiters voraus, welche nur entfernt körperlicher, sondern vielmehr psychischer Natur ist. Je tiefer die Liebe zum Pferd, desto größer ist die Geduld bei der Arbeit. (Marc de Broissia)
Als Reiter und Pferdetrainer, aber auch als Mensch, der beobachtet, mache ich mir viele Gedanken und große Sorgen um die sog. Reitkunst in unserer heutigen Zeit. War doch einst die Lehre so gedacht, dass der Reiter das Pferd dabei unterstützt seinen Körper optimal zu nutzen und je nach Möglichkeit hohe Leistungen zu erbringen. So ist bei genauer Betrachtung daraus eine Reitweise entstanden, die mit Kunst oder gar Kultur nicht viel gemeinsam hat. Es werden Hilfen eingesetzt, die zum Zwang werden und dafür sorgen, dass Pferde über ihre Möglichkeiten und ihre Arbeitsbereitschaft hinaus gearbeitet werden. Der Pferdekörper und vor allem der Pferdekopf werden kaputt gemacht. Die sog. Reitkunst wird leider vielerorts immer mehr zur Versklavung der Pferde. Die Pferdezucht hat in der Vergangenheit Gutes geleistet, etwaige Defizite der Pferde im Körperbau und der Leistungsfähigkeit auszugleichen und zu verbessern. Unsere heute weitverbreitete Reiterei hat dazu geführt, dass Pferde zwar körperlich dazu in der Lage wären bei guter Gesundheit lange Leistung zu erbringen, jedoch die Pferde trotzdem durch zu frühe und unsachgemäße Anforderungen physisch und psychisch kaputt gemacht werden. Schneller, höher, weiter: Das scheint unabhängig von der Reitweise die Devise zu sein selbst in den Freizeitsport hinein. Es geht darum, dass Reiter die korrekten Hilfen lernen. Sie müssen die Vor- und die Hinterhand ihres Pferdes lernen zu kontrollieren. Sie brauchen eine weiche Reiterhand und müssen aus diesem ABC Sätze bilden, um mit dem Pferd so kommunizieren zu können, dass es sie auch versteht. Je besser die Reitkunst, desto weniger Arbeit auf dem Pferd. Ein guter Reiter wird stets warten und dem Pferd ermöglichen seinem eigenen Rhythmus zu folgen, anstatt ständig zu nörgeln und es vorwärts zu schubsen. Je weniger verspannt die Einwirkung des Reiters ist, umso größer der Grad der Entspannung beim Pferd.
Dabei ist es wichtig den Pferden die Angst zu nehmen bzw. wichtig sie zu lehren mit der Angst umzugehen. Manchmal im Training mag es wirken, als brächte man die Pferde in noch mehr Schwierigkeiten als zuvor hilft man ihnen jedoch hindurch, werden sie verstehen, dass es gut für sie ist zu vertrauen. Vertrauen ist die Basis für eine gemeinsame Arbeit. Ziele können nur erreicht werden, wenn weder Angst noch Spannungen vorherrschen, die das Pferd stark verunsichern. Pferde wollen nicht dominiert werden. Sie schließen sich einer Herde an, um in Sicherheit zu sein. Ein guter Reiter und Pferdemensch vermittelt seinem Pferd das Gefühl in Sicherheit zu sein und kümmert sich darum, dass sein Pferd keine Schwierigkeiten bekommt. Natürlich müssen jeder Art von Lebewesen Grenzen gesetzt werden, um das Zusammenleben zu ermöglichen und zu verbessern; jedoch entscheidet der Weg, wie diese Grenzen durchgesetzt und vermittelt werden darüber, ob eine Diktatur oder eine faire Regierung am Start ist. Jede Diktatur wird früher oder
später am Ende sein. Druck erzeugt Gegendruck und im Zweifel gewinnt der Stärkere. Meine Hauptaufgabe sollte es sein dem Pferd zu vermitteln, dass ich eventuell nicht der stärkere, aber sicher der mutigere, ruhigere, aufmerksamere, strukturiertere, selbstsicherere und somit bessere Führer bin. Mit Stärke hat das nichts zu tun auf dem Weg der Stärke kann ich nur untergehen. Das Ziel im Zusammensein mit Pferden ist nicht sie zu besiegen, sondern in sich selbst einen Sieg zu erringen, um ein gemeinsames Vorwärtskommen zu erreichen. Es gibt einen Unterschied zwischen fest und bestimmt und hart. Du magst fest und bestimmt sein müssen, aber sei nie hart mit deinen Armen und Händen. (Ray Hunt)