Ernst, aber nicht hoffnungslos

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Transkript:

ISSN 0344-919X G 4120 Ausgabe 4 22. 1. 2015 41. Jahrgang iw-dienst Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln www.iwkoeln.de Ernst, aber nicht hoffnungslos Eurozone. Die Schuldenkrise in den Euroländern ist zwar längst nicht überwunden, dennoch ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich die Situation zuspitzt. Denn wie der neue IW-Krisenmonitor zeigt, sind bis auf Zypern alle Krisenländer auf dem richtigen Weg. Viele Umfragen deuten darauf hin, dass das linksnationale und extrem eurokritische Parteienbündnis Syriza am kommenden Sonntag die Parlamentswahl in Griechenland Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln IW-Krisenmonitor: Fast alle machen Fortschritte Der IW-Krisenmonitor berücksichtigt die Entwicklung der Arbeitslosenquote, des Bruttoinlandsprodukts und der Staatsverschuldung pro Einwohner sowie das Zinsniveau auf zehnjährige Staatsanleihen. Dabei gilt: Je höher der zusammengefasste Wert dieser vier Indikatoren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Land auf finanzielle Hilfe heute zum Beispiel vom Euro-Rettungsschirm ESM angewiesen ist. 0,5 0-0,5-1,0 Griechenland Irland Portugal Spanien Zypern Zeitpunkt, an dem die jeweiligen Länder erstmalig finanzielle Hilfe bekommen haben -1,5 I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 gewinnt. Deshalb diskutiert Europa seit Wochen darüber, ob das Land dann noch seine Schulden zurückzahlt oder sogar die Eurozone verlässt und rätselt, wie groß die Ansteckungsgefahr für andere Länder wäre. Letztlich geht es nicht nur im Fall Griechenland darum, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass eines der aktuellen Krisenländer oder auch ein anderes Euroland erneut finanzielle Hilfe braucht. Um dieses Risiko einzuschätzen, hat das IW Köln einen Krisenmonitor entwickelt (Kasten Seite 2). Das Ergebnis für Griechenland lässt hoffen (Grafik): Seit dem Höhepunkt der Euro krise im Jahr 2012 hat sich die wirtschaftliche Stärke Griechenlands deutlich verbessert der Krisenindex ist fast um ein Drittel gesunken. Was sich seit 2007 in Griechenland konkret getan hat, zeigen die vier Einzelindikatoren des Krisenmonitors (Grafik Seite 2): Die Arbeitslosenquote lag 2007 im Schnitt bei gut 8 Prozent und stieg im Laufe der Krise auf mehr als 28 Prozent. Seit 2013 ist der Anstieg gestoppt und die Lage auf dem griechischen Arbeitsmarkt wird langsam besser die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ist im Oktober 2014 Inhalt Tarifpolitik. Die Chemiegewerkschaft fordert unter anderem 4 bis 5 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten in der Chemischen Industrie. Seite 3 Investitionen. Deutsche Unternehmen investieren eher verhalten in neue Maschinen und Geräte. Das bremst das Produktivitätswachstum und gefährdet mittelfristig den Wohlstand. Seite 4-5 Finanzmarktreform. Die meisten Kredite an Häuslebauer haben lange Laufzeiten. Regulierungen im Rahmen von Basel III setzen aber nun Anreize für Banken, mehr kurzfristige Darlehen zu vergeben. Seite 6-7 Arbeitsrecht. Der individuelle Kündigungsschutz ist in Deutschland besonders ausgeprägt. Selbst wer sich vertragswidrig verhält, verliert nicht ohne weiteres seinen Job. Seite 8 Präsident: Arndt Günter Kirchhoff Direktor: Professor Dr. Michael Hüther Mitglieder: Verbände und Unternehmen in Deutschland

iw-dienst Nr. 4 22. Januar 2015 Seite 2 auf knapp 26 Prozent gesunken. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Quote bei rund 5 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner betrug 2007 kaufkraftbereinigt knapp 19.000 Euro das waren rund zwei Drittel des deutschen Niveaus. Seitdem hat Griechenland mehr als 25 Prozent seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt und kommt 2013 nur noch auf knapp die Hälfte des deutschen Werts. Die Staatsverschuldung je Einwohner betrug vor der Krise rund 21.500 Euro und stieg bis 2011 auf 32.000 Euro. Der Schuldenschnitt im Jahr 2012 verringerte die Last für jeden einzelnen Griechen zwar, doch im Folgejahr ist die Staatsverschuldung wieder angestiegen. Insgesamt steht Griechenland mit 175 Prozent seines BIP in der Kreide Deutschland hat eine Quote von 77 Prozent. Das Zinsniveau hat die größten Veränderungen durchgemacht. Musste der griechische Staat 2007 nur 4,5 Prozent Zinsen auf seine Anleihen zahlen, waren es auf dem Höhepunkt der Krise über 22 Pro- Griechenland in Zahlen 25 20 15 10 5 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 8,4 0 2007 Arbeitslosenquote in Prozent 2014: Arbeitslosigkeit im Oktober und Zinsen im Dezember; Quelle: Eurostat zent. Dank der Intervention der Euro päischen Zentralbank ist die Zinsbelastung mittlerweile auf gut 8 Prozent gefallen Deutschland zahlt allerdings nicht einmal 0,6 Prozent für seine Staatsanleihen. Nicht nur die Griechen, auch die Portugiesen und die Iren haben große Fortschritte gemacht in allen drei Ländern sind die Indexwerte des Krisenmonitors seit 2012 rückläufig. In Zypern dagegen verschlechtert sich die Lage von Quartal zu Quartal: Dort steht der Höhepunkt der Krise noch bevor. Trotz aller Verbesserungen ist aber auch klar, dass sich diese Länder sowie Spanien weiterhin in einem kritischen Bereich bewegen und der lässt sich im IW-Krisenmonitor ziemlich genau eingrenzen. Denn schaut man sich den Verlauf der Indexkurven genauer an, dann zeigt sich, dass alle Krisenländer genau dann zum ersten Mal auf finanzielle Hilfe angewiesen waren, als der Index einen Wert zwischen minus 0,1 und plus 0,1 Punkten erreichte. Mit anderen Worten, nähert sich der 20.000 15.000 10.000 5.000 08 09 10 11 12 13 14 2007 08 09 10 11 12 13 14 21.536 28.848 25,8 Staatsverschuldung je Einwohner in Euro 25 20 15 10 5 0 4,50 Reales BIP je Einwohner in Euro 18.924 14.552 Zinsen auf zehnjährige Staatsanleihen in Prozent 8,42 Der IW-Krisenmonitor Der Krisenmonitor des IW Köln beurteilt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Land auf finanzielle Hilfe zum Beispiel durch den Rettungsfonds ESM angewiesen ist. Dazu wird die wirtschaftliche Stärke einer Volkswirtschaft anhand von vier Indikatoren geprüft: Bruttoinlandsprodukt und Staatsschulden pro Einwohner, Arbeitslosenquote sowie Zinsen auf Staatsanleihen. Diese vier Variablen werden dann entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet und in einem Wert zusammengefasst. Je höher dieser Wert, desto größer das Krisenpotenzial. Index von unten der Nulllinie, ist dies ein Warnsignal. An dieser Elle gemessen, sind nicht nur Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern Krisenländer, auch Italien gehört dazu. Das Land hat den kritischen Bereich des Krisenmonitors schon im Jahr 2012 erreicht aktuell steht der Index für Italien bei 0,05 Punkten. Frankreich gehört mittlerweile ebenfalls zu den Sorgenkindern. Der Wert des IW-Krisenmonitors für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro zone hat sich seit 2008 damals noch auf Augenhöhe mit Deutschland kontinuierlich verschlechtert und steht derzeit bei minus 0,28 Punkten, also kurz vor dem Überschreiten des kritischen Werts. Von diesem Szenario sind die anderen großen und wirtschaftlich starken Volkswirtschaften weit weg: Die Niederlande und Deutschland stehen bei jeweils rund minus 0,6 Punkten, Schweden sogar bei minus 0,9 Punkten. Vgl. IW policy paper 2/2015 unter: iwkoeln.de/krisenmonitor

Seite 3 22. Januar 2015 Nr. 4 iw-dienst Wenig zu verteilen Tarifpolitik. In wenigen Tagen beginnen die Tarifverhandlungen für die 550.000 Beschäftigten in der Chemischen Industrie. Nach Jahren mit kräftigen Lohnsteigerungen und deutlichem Reallohnplus ist der Verteilungsspielraum diesmal äußerst begrenzt. Tarifrunden in der Chemischen Industrie in Prozent 2008 2009 2010 Forderung 6,5 bis 7,0 Stufenanpassung aus 2008 Keine prozentuale Forderung Forderung: jeweils für 12 Monate; Stufenanpassung aus 2008: Tariflohnsteigerung 2008 für 13 Monate um 4,4 Prozent, 2009 weitere Steigerung um 3,3 Prozent für 12 Monate; 2011, 2012, 2014: jeweils ein Nullmonat vor Erhöhung; Teuerung 2014: Prognose Ursprungsdaten: Statistisches Bundesamt, WSI-Tarifarchiv Die Industriegewerkschaft Bergbau, Energie, Chemie fordert für die diesjährige Tarifrunde ab dem 26. Januar 4 bis 5 Prozent mehr Lohn und eine Arbeitszeitentlastung für ältere Arbeitnehmer. Zwar hält sich die Gewerkschaft damit verglichen mit früheren Forderungen zurück. Gemessen an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind die Vorstellungen jedoch ambitioniert, denn die Konjunkturprognosen sind ziemlich bescheiden: Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erwartet für 2015 nur noch ein reales Wirtschaftswachstum von 1 Prozent. Auch in der Chemischen Industrie sind die Geschäftserwartungen seit dem Frühjahr 2014 deutlich verhaltener. Laut Verbandsumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) rechnen die Chemieunternehmen für das laufende Jahr zwar mit leicht höheren Umsätzen als 2014, aber auch mit geringeren Investitionen (vgl. iwd 1/2015). In den Augen der Betriebe bleibt die wirtschaftliche Dynamik niedrig und die Risiken sind weiterhin hoch. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass seit 2008 die Krisenjahre ausgenommen hohe Tariflohnzuwächse vereinbart wurden (Grafik). Sie lagen deutlich über der Teuerungsrate und bescherten den Beschäftigten über Jahre hinweg ein kräftiges reales Einkommensplus. Im Gegenzug stiegen die Arbeitskosten in der westdeutschen Chemischen Industrie zwischen 2011 und 2013 bei weitgehend stagnierender Produktivität um mehr als 13 Prozent, in Ostdeutschland sogar um nahezu 20 Prozent. Setzt sich diese Entwicklung fort, schadet dies der Wettbewerbsfähigkeit der Firmen und gefährdet Arbeitsplätze. Der lohnpolitische Verteilungsspielraum in der Branche ist daher zurzeit begrenzt. Die Produktivität wächst weiterhin nur langsam, was auch daran liegt, dass die Unternehmen hierzulande trotz des mageren Wachstums immer weiter neue Mitarbeiter eingestellt haben. Steigende Lohnkosten können zudem kaum auf die Güterpreise abgewälzt werden. Die Erzeugerpreise für das Verarbeitende Gewerbe waren in den vergangenen Quartalen tendenziell rückläufig, die Tariflohnsteigerung Inflationsrate 4,4 ab März/April/Mai für 13 Monate plus Einmalzahlung zwischen 7 und 9,1 Prozent 2,6 eines Monatseinkommens 3,3 ab April/Mai/Juni für 12 Monate Einmalzahlungen zwischen 550 und 715 Euro für 11 Monate 0,3 1,1 2011 7,0 4,1 ab April/Mai/Juni für 14 Monate 2,1 2012 6,0 4,5 ab Juli/August/September für 18 Monate 2,0 2013 Keine Tarifrunde Keine Tarifrunde 1,5 2014 5,5 3,7 ab Februar/März/April für 13 Monate 0,9 2015 4 bis 5 Ausfuhrpreise stagnieren. Lohnerhöhungen, die das schwache Produktivitätswachstum übersteigen, gehen damit voll zulasten der Erträge, sodass die Unternehmen entsprechend weniger investieren. Und auch die Inflation, die von den Gewerkschaften gern zur Begründung ihrer Lohnforderungen herangezogen wird, ist kein Anlass für mehr Geld: Die Verbraucherpreise stiegen 2014 um gerade einmal 0,9 Prozent und werden auch dieses Jahr nur leicht zunehmen. Die Chemiegewerkschaft fordert zudem eine Drei- bis Viertagewoche für Beschäftigte, die 60 Jahre oder älter sind. Das widerspricht den Erfordernissen des demografischen Wandels. Ziel einer demografiefesten Arbeitszeitpolitik muss sein, viele Ältere so lange wie möglich im Job zu halten etwa durch flexible Arbeitszeiten. Neue Frühverrentungsmodelle gehen daran vorbei und sind für die Unternehmen mit finanziellen Belastungen verbunden.

iw-dienst Nr. 4 22. Januar 2015 Seite 4 Der Wohlstand wird ausgebremst Investitionen. Deutsche Unternehmen investieren seit einigen Jahren eher verhalten in neue Maschinen und Geräte. Das bremst das Produktivitätswachstum und gefährdet damit mittelfristig den Wohlstand. Die Gründe für den Inves titionsattentismus sind nicht nur weltpolitischer Natur, sondern vielfach hausgemacht. Deutschland hat zweifellos ein Ausrüstungsproblem: Im Jahr 2012 sind die preisbereinigten Investitionen in neue Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und ganze Anlagen um 3 Prozent und im Jahr 2013 nochmals um 2,4 Prozent zurückgegangen. Klammert man die stark schwankenden Investitionen in Fahrzeuge aus, dann steht 2012 zwar noch mit einem kleinen Investitionsplus von 0,4 Prozent in den Büchern, dafür belief sich das Minus im Jahr darauf auf 2,7 Prozent. Für 2014 ist bei den realen Ausrüstungen immerhin ein Zuwachs von rund 3 Prozent zu verzeichnen. Das Plus ist allerdings vor allem dem guten ersten Quartal im Jahr 2014 zu verdanken. Anschließend gaben Gespaltene Investitionsentwicklung 140 130 120 110 100 Preisbereinigtes Bruttoanlagevermögen 1991 = 100 Kapitalstock insgesamt: einschließlich Maschinen, Geräten, Fahrzeugen, Bauten, Software, Forschung und Entwicklung etc.; Ursprungsdaten: Statistisches Bundesamt beantworten. Demnach leiden die Investitionen vor allem unter den großen weltwirtschaftlichen Unsicherheiten (Grafik Seite 5): Niemand weiß, wie der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ausgeht. Das Wachstum in den großen und mittlerweile auch ökonomisch gewichtigen Schwellenländern schwächelt. Wann sich diese Länder über strukturelle Anpassungen wieder nach oben arbeiten, lässt sich nicht vorhersagen. In China zum Beispiel sorgt seit geraumer Zeit in hohem Maße der Staat für Wachstum. Ganze Städte wurden im wahrsten Sinne des Wortes in den Sand gesetzt sowie Straßen und Bahnlinien neu oder ausgebaut. Und die Exportwirtschaft profitierte von Wechselkursmanipulationen. Jetzt geht es auf diesem Weg aber nicht mehr weiter, denn der Bedarf an neuen Wohnungen und Verkehrswegen ebbt ab und die chinesischen Unternehmen müssen sich zunehmend dem Wettbewerb stellen. Das geht allerdings nur über Innovationen, die die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Damit würden sich auch die Perspektiven der deutschen Exportwirtschaft verbessern mit positiven Rückwirkungen auf deren Investitionsneigung. Wie es in der Eurozone weitergeht, ist ebenfalls schwer zu sagen. Insbesondere die anhaltende Schwäche von großen Volkswirtschaften wie Frankreich und Italien blockiert Investitionen denn nach wie vor sind diese Länder sehr große Absatzdie Ausrüstungsinvestitionen wieder merklich nach. Auch die Entwicklung des Kapitalstocks liefert ein Indiz dafür, dass die Unternehmen eher zurückhaltend investieren. Denn real, also nach Abzug der Teuerung, stagniert das Bruttoanlagevermögen in Maschinen und Geräten bereits seit dem Jahr 2008 (Grafik). Das ist die längste Phase ohne einen Kapitalaufbau seit 1991 nur im Zeitraum von 2002 bis 2005 war eine ähnliche Situation zu beobachten. Warum aber stocken die Unternehmen ihr Sachkapital nicht weiter auf? Eine Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) von 2.900 Unternehmen im Herbst 2014 hat versucht, diese Frage zu Kapitalstock in Deutschland insgesamt darunter: Maschinen und Geräte 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 150,0 133,3 Foto: MEV

Seite 5 22. Januar 2015 Nr. 4 iw-dienst Investitionshürden in Deutschland So viel Prozent der Unternehmen halten diese Faktoren für starke Investitionshemmnisse deshalb, Reformen auf drei Ebenen anzugehen: 1. Kosten in den Griff bekommen. Deutschland ist ein Hochkostenland. Das gilt nicht nur für die Arbeitskosten (vgl. iwd 3/2015), sondern auch für Energie. Allein die deutsche EEG-Umlage ist höher als der Industriestrompreis in den USA. Eine Reduktion dieser Sonderbelastung ist ebenso notwendig wie mehr Planungssicherheit für energieintensive Unternehmen. 2. Flexibilität erhalten. Die Politik muss ihr Versprechen einlösen, Bürokratie und Vorschriften abzubauen. So könnte zum Beispiel für jede neue bürokratische Regelung eine andere gestrichen werden. 3. Grundlagen für künftiges Wachstum schaffen. Die Infrastrukmärkte für die deutschen Exportunternehmen. Hinzu kommt: Die zögerlichen Strukturreformen in vielen Euroländern erhöhen die Gefahr einer langen Phase schwachen Wachstums das dämpft die Investitionsneigung der deutschen Unternehmen zusätzlich. Die investiven Rahmenbedingungen haben sich aber auch in Deutschland selbst verschlechtert. Für die Hälfte der befragten Firmen zählen dazu vor allem die im internationalen Vergleich hohen Energiekosten. Die Frühverrentung, der Mindestlohn mit seinen umfangreichen Dokumentationspflichten und die geplante strengere Regulierung der Zeitarbeit schaffen ebenfalls zusätzliche Kosten für die Unternehmen und verringern deren Investitionserträge. Konkret fühlt sich fast die Hälfte der Firmen bei ihren Investitionen durch das Arbeitsrecht ausgebremst. Ausufernde Genehmigungsverfahren und hohe Unternehmenssteuern sind für 43 beziehungsweise 35 Prozent der Unternehmen Investitionshürden. Bevor sich die Politik also an teuren Investitionsprogrammen verausgabt, sollte sie sich bemühen, die Angebotsbedingungen für Unternehmen in Deutschland wieder zu verbessern. Dies fördert die Investitionsanreize und stärkt damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und hilft über die engen europäischen Wertschöpfungsketten auch Deutschlands Partnerländern in Europa. Das IW Köln empfiehlt den wirtschaftspolitisch Verantwortlichen Hohe weltwirtschaftliche Unsicherheit Hohe Energiekosten Hohe Regulierungen (z.b. Arbeitsrecht) Hohe Arbeitskosten Schwache Entwicklung in Europa Hohe Bürokratie (z.b. Genehmigungsverfahren) Hohe Unternehmenssteuern Fachkräftemangel Schwache Inlandsnachfrage Investitionen im Ausland zur Kostensenkung Infrastrukturmängel (z.b. Verkehrs- und Breitbandnetz) Investitionen im Ausland zur Absatzsteigerung Finanzierungsschwierigkeiten Quelle: IW-Befragung von 2.525 Unternehmen in Westdeutschland und 392 Unternehmen in Ostdeutschland im Oktober/November 2014 19 19 17 15 25 32 35 52 50 48 46 45 43 tur in Deutschland ist noch gut und soll es bleiben. Deshalb muss beständig und effektiv in Straßen und Schienen investiert werden nicht nur im Rahmen von Hauruck-Programmen. Zudem muss das Breitbandnetz ausgebaut werden. Die Mittel für eine ordentliche Infrastruktur sind da die Politik muss Prioritäten setzen. Einen Grund für Steuererhöhungen gibt es nicht. Fortsetzen müssen Regierung und Unternehmen auch ihre Anstrengungen in Sachen Qualifizierung. Denn ein wachsender Mangel an Fachkräften kann sich zu einem ausgemachten Investitionshindernis entwickeln. Besonders wichtig sind die duale Berufsausbildung und die Hochschulausbildung vor allem in den sogenannten MINT-Berufen. Foto: MEV

iw-dienst Nr. 4 22. Januar 2015 Seite 6 Zu kurz gedacht Finanzmarktreform. In Deutschland haben die meisten Darlehen an Häuslebauer und Wohnungskäufer lange Laufzeiten das schafft Planungssicherheit und stabilisiert den gesamten Immobilienmarkt. Ausgerechnet die Finanzmarktregulierungen im Rahmen von Basel III setzen nun aber Anreize für Banken, mehr kurzfristige Darlehen zu vergeben. Wer in Deutschland einen Kredit aufnimmt, schließt üblicherweise einen Vertrag mit langer Zinsbindung ab. So machen es Unternehmen, weil sie durch lange Kreditlaufzeiten ihre Investitionen sicherer planen können. Und so machen es vor allem jene Bundesbürger, die ihre eigenen vier Wände mithilfe von Darlehen finanzieren (Grafik): Gut 76 Prozent der im Jahr 2013 für den Wohnungsbau vergebenen Kredite hatten eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren. Diese Art der Immobilienfinanzierung hat Tradition schon seit den 1950er Jahren beträgt der Anteil langfristiger Darlehen im Wohnungsbau stets mehr als 50 Prozent. Wohnungsbau: Meist langfristig finanziert 30,2 5,5 64,3 In vielen Ländern sieht dies ganz anders aus. In Spanien und Großbritannien zum Beispiel dominieren Kredite mit variablem Zinssatz. Dessen Höhe wird alle drei bis sechs Monate an die Entwicklung eines sogenannten Referenzzinses angepasst folglich müssen sich die Kreditnehmer auf ständig schwankende Zinszahlungen einstellen und haben mal mehr, mal weniger Einkommen zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich der deutsche Immobilienmarkt in den vergangenen Jahren deutlich gleichmäßiger entwickelt hat als die Märkte in Großbritannien oder Spanien. Denn die Höhe des verfügbaren Einkom So viel Prozent der von deutschen Kreditinstituten vergebenen Darlehen für den Wohnungsbau hatten diese Laufzeiten 80 60 40 20 0 Ursprungsdaten: Deutsche Bundesbank Länger als 5 Jahre 1 bis 5 Jahre Bis zu 1 Jahr 1951 1960 1970 1980 1990 2000 2013 76,3 10,2 13,5 mens bestimmt maßgeblich die Immobiliennachfrage. So beeinflusst eine Zinssatzänderung in Spanien und Großbritannien die Nachfrage nach Wohnimmobilien etwa sechsmal so stark wie in Deutschland hierzulande trägt der hohe Anteil langfristiger Finanzierungen demzufolge entscheidend zur Stabilität der realen Wirtschaft bei. Dieses bewährte Finanzierungssystem könnte nun ausgerechnet durch das als Basel III bekanntgewordene Reformpaket gefährdet werden, das bis 2019 schrittweise in der EU eingeführt wird (Kasten). Eigentlich soll Basel III durch schärfere Eigenkapitalvorschriften für Banken die Finanzmärkte stabilisieren (vgl. iwd 16/2013). Doch die Reformen setzen den Banken auch Anreize, verstärkt kurz- statt langfristige Kredite zu vergeben. Dafür sind vor allem zwei vorgesehene Kennziffern verantwortlich: Ungewichtete Eigenkapitalquote. Je höher das Risiko, desto mehr Eigenkapital müssen Banken vorhalten. So sind Kredite an Firmengründer mit mehr Eigenkapital zu unterlegen als Kredite an den Bund. Die ungewichtete Eigenkapitalquote durchbricht jedoch dieses Prinzip Banken müssen demnach unabhängig vom Geschäftsmodell mindestens 3 Prozent ihrer Bilanzsumme als Eigenkapital vorhalten. Diese Vorschrift könnte ausgerechnet jene Banken treffen, die ein besonders risikoarmes Geschäftsmodell haben weil sie zum Beispiel vor allem Darlehen an Immobilienunternehmen und öffentliche Haushalte vergeben (Grafik Seite 7):

Seite 7 22. Januar 2015 Nr. 4 iw-dienst Die Eigenkapitalquote der Realkreditinstitute zu denen beispielsweise die Münchener Hypothekenbank gehört lag zwar im Schnitt zuletzt über der 3-Prozent-Marke, war aber im Vergleich zu anderen Finanzinstituten recht niedrig. Der Grund: Eigenkapital ist für Banken teurer als Fremdkapital und weil die Renditen der Realkreditinstitute aufgrund ihres Geschäftsmodells ohnehin eher mager sind, können diese Institute nur konkurrenzfähig bleiben, wenn sie wenig Eigenkapital vorhalten. Um die Vorgabe der ungewichteten Eigenkapitalquote künftig immer erfüllen zu können, müssten die Institute daher im Zweifelsfall ihre Bilanz kürzen, also weniger Kredite vergeben. Damit könnte Basel III notwendige Investitionen in Wohnraum und Infrastrukturprojekte gefährden. Strukturelle Liquiditätsquote. Diese Kennziffer soll gewährleisten, dass Banken langfristige Geschäfte auch langfristig finanzieren können, sprich: zu jedem Zeitpunkt über ausreichend flüssige Mittel verfügen. Die Anforderungen wären nach heutigem Planungsstand allerdings sehr streng und würden insbesondere jenen Banken Probleme bereiten, die nicht über Einlagen von Haushalten auf Spar- und Girokonten verfügen, hierzu zählen unter anderem die Landesbanken. Solche Banken finanzieren langfristige Kredite unter anderem über Anleihen wie Bankschuldverschreibungen. Diese werden sich aber in Zukunft kaum noch emittieren lassen, da Versicherungen die bisher die Hauptabnehmer von Schuldver- Großbanken halten wenig Eigenkapital vor Eigenkapital in Prozent der Bilanzsumme Ende September 2014 Großbanken 3,5 Realkreditinstitute Private Kreditinstitute Bausparkassen Landesbanken und Sparkassen Genossenschaften Realkreditinstitute: Banken, die sich auf die Finanzierung von Immobilienunternehmen und Gebietskörperschaften spezialisiert haben; private Kreditinstitute: einschließlich Großbanken Ursprungsdaten: Deutsche Bundesbank schreibungen waren dafür künftig aufgrund der langen Laufzeit sehr viel Eigenkapital vorhalten müssen. Diese und weitere Details führen dazu, dass die geplante Einführung der strukturellen Liquiditätsquote nach heutigem Stand längerfristige Darlehen deutlich verteuern würde. Eine der unerfreulichen Folgen wären wesentlich stärker schwankende Immobilienpreise in Deutschland. Aus diesen Gründen muss das Basel-III-Werk dringend nachgebes- Basel III: Der Zeitplan 4,1 4,2 4,3 6,7 7,1 sert werden, um Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Realwirtschaft und vor allem des Immobiliensektors zu vermeiden. IW-Analysen Nr. 101 Michael Hüther, Michael Voigtländer, Heide Haas, Philipp Deschermeier: Die Bedeutung der Langfristfinanzierung durch Banken Vorteile und zukünftige Herausforderungen, Köln 2015, 90 Seiten, 19,90 Euro Versandkostenfreie Bestellung unter: iwmedien.de/bookshop Das vom Basler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Ende 2010 veröffentlichte Reformpaket wird seit 2013 in der Europäischen Union umgesetzt allerdings nicht auf einen Schlag, sondern stufenweise. Die Regeln, nach denen die Banken ihr nach Risiken gewichtetes Vermögen mit mehr Eigenkapital unterfüttern müssen, gelten zum Beispiel prinzipiell schon seit 2013. Doch die Banken müssen die geforderten Eigenkapitalpuffer erst nach und nach bis zum Jahr 2019 aufbauen. Weitere Bestandteile von Basel III werden noch eingeführt so gilt die neue Mindestliquiditätsquote erst ab Oktober dieses Jahres. Die Banken müssen diesen Liquiditätspuffer, der sicherstellen soll, dass die Geldhäuser auch bei größeren und kurzfristigen Mittelabflüssen zahlungsfähig bleiben, dann stufenweise bis Januar 2018 etablieren. Bei der ungewichteten Eigenkapitalquote und der strukturellen Liquiditätsquote ist die EU sogar noch in der Planungsphase weder die konkrete Ausgestaltung noch der Einführungstermin stehen fest.

iw-dienst Nr. 4 22. Januar 2015 Seite 8 Was abgemahnt werden darf Arbeitsrecht. In Deutschland sind Arbeitnehmer vergleichsweise gut vor einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung geschützt. Selbst wer sich vertragswidrig verhält, kann nicht ohne weiteres entlassen werden. Individuelle Entlassungen können in Deutschland nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgesprochen werden. Das illustriert der Regulierungsindex der Industrieländerorganisation OECD, der diverse Kriterien wie Kündigungsfristen, Abfindungszahlungen oder Definitionen zu ungerechtfertigten Entlassungen berücksichtigt (Grafik): In den Niederlanden und in Deutschland ist der individuelle Kündigungsschutz besonders ausgeprägt, während es in den USA kaum gesetzliche Einschränkungen gibt. Selbst wenn sich ein Arbeitnehmer in Deutschland vertragswidrig Kündigungsschutz in den Industrieländern 0 1 2 3 4 Niederlande 2,84 Deutschland So ausgeprägt ist die gesetzliche 2,72 Regulierung von Einzelfall-Kündigungen Frankreich 2,60 auf einer Skala von 0 (nicht reguliert) Schweden Italien bis 6 (stark reguliert) 2,52 2,41 Österreich Dänemark Belgien Spanien 2,12 2,10 2,08 1,95 Japan 1,62 Vereinigtes Königreich 1,12 USA 0,49 Stand: 2013; Quelle: OECD verhält, kann er nur dann fristlos entlassen werden, wenn der Verstoß schwerwiegend und rechtswidrig war und die Kündigung verhältnismäßig ist. Dies ist etwa bei schwerem Diebstahl oder Betrug, Tätlichkeiten oder Beleidigungen von Kollegen, Vorgesetzten und Kunden der Fall wobei mitunter sogar ein begründeter Verdacht ausreichend sein kann. Minder schwere Fälle von Diebstahl dagegen berechtigen nicht automatisch zur Entlassung hier ist gegebenenfalls zunächst eine Abmahnung fällig. Auch bei Verspätungen, der Missachtung von Arbeitsanweisungen, der Privatnutzung des Telefons oder des Internets sowie bei Unhöflichkeit ist vor einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Krankheit oder unterdurchschnittliche Arbeitsleistung können nicht abgemahnt werden. Grundsätzlich rügt die Abmahnung vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers; sie muss ein konkretes Fehlverhalten mit Datum und Uhrzeit benennen, den Verstoß rügen und im Wiederholungsfall mit Kündigung drohen. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, handelt es sich nicht um eine Abmahnung, sondern um eine Ermahnung, die keine kündigungsrechtlichen Folgen hat. Soll die Abmahnung in die Personalakte übernommen werden, haben Arbeitnehmer das Recht auf Anhörung und auf eine Gegendarstellung. Für das Einreichen einer Gegendarstellung gibt es keine Frist, sie wird ebenfalls in die Personalakte übernommen. Gleichwohl ändert eine Gegendarstellung nichts an der rechtlichen Wirkung der Abmahnung. Unberechtigte Abmahnungen allerdings müssen zurückgenommen werden gegebenenfalls entscheidet das Arbeitsgericht über die Rechtmäßigkeit, wobei der Arbeitgeber die Beweislast trägt. Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Chefredakteur: Axel Rhein Stellv. Chefredakteur: Klaus Schäfer (verantwortlich) Redaktion: Andreas Wodok (Textchef), Berit Schmiedendorf, Sara Schwedmann, Alexander Weber Redaktionsassistenz: Ines Pelzer Grafik: Michael Kaspers, Ralf Sassen Telefon: 0221 4981-523, Fax: 0221 4981-504 E-Mail: iwd@iwkoeln.de Bezugspreis: 9,01/Monat, zzgl. 3,08 Versandkosten, inkl. Mehrwertsteuer, Erscheinungsweise wöchentlich Abo-Service: Therese Hartmann, Telefon 0221 4981-443, hartmann@iwkoeln.de Verlag: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH, Postfach 10 18 63, 50458 Köln, Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln Telefon: 0221 4981-0, Fax: 0221 4981-445 Druck: Warlich Druck Meckenheim GmbH, Meckenheim Dem iwd wird einmal monatlich (außer Juli und Dezember) Wirtschaft und Unterricht beigelegt. Rechte für den Nach druck oder die elektro - nische Verwertung über: lizenzen@iwkoeln.de Rechte für elektronische Pressespiegel unter: pressemonitor.de