Kinder mit seltenen Erkrankungen in klinischen Prüfungen-was gibt es aus ärztlicher Sicht zu beachten

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Transkript:

Kinder mit seltenen Erkrankungen in klinischen Prüfungen-was gibt es aus ärztlicher Sicht zu beachten Dr. med. Christina Lampe Zentrum für seltene Erkrankungen Helios Horst Schmidt Kliniken, (HSK) Wiesbaden, Germany Christina.Lampe@helios-kliniken.de

Einige Fakten zu seltenen Erkrankungen... 60.000 Erkrankungen beschrieben 6.000-8.000 davon seltene Erkrankungen (jedes Jahr kommen 250 neue hinzu Geburten in Deutschland 2013: 680.000 8 % seltene Erkrankungen: 55.000/ Jahr!!! (Krebs 430.000/Jahr) 8-10% der Weltbevölkerung leiden ein einer seltenen Erkrankung 50-75% betreffen Kinder, von denen etwa 30% jedoch vor dem Erreichen des 5. Lebensjahres sterben, 35% der Todesfälle im ersten Lebensjahr sind durch seltene Erkrankungen bedingt 80% sind genetischen Ursprungs 400 seltene Erkrankungen haben Therapieoptionen (5%) Die Anzahl Betroffener der einzelnen seltenen Erkrankungen ist gering, in der Summe sind es aber viele

Seltene Erkrankungen sind in der Regel... Multisystemisch, heterogen, genetisch, chronisch, progredient und tödlich

1200 weitere Arzneimitteltherapien mit Orphan-Status* sind in der Testphase oder warten auf ihre Zulassung Einige Fakten zu Therapien bei seltenen Erkrankungen... Förderung der Erforschung und der Entwicklung neuer diagnostischer Methoden und Therapien durch die EU Erleichterte Markteinführung durch vereinfachte Zulassungsverfahren für Medikamente 1999 waren lediglich 5 Medikamente erhältlich, heute sind 74 Medikamente mit Orphan-Status* zugelassen, 32 weitere werden bei seltenen Erkrankungen eingesetzt. 1 Onkologie (40%) 2 Stoffwechsel (20%) 3 Kardiovaskulär und Atmung (13%) 4 Hämatologie (9%) 5 Muskuloskeletal und Neurologie (8%) 6 Immunologie (3%) 7 andere (7%)

ANZAHL DER ZUGELASSENEN ORPHAN DRUGS/JAHR

BESSERE MEDIZIN FÜR KINDER 21% der Europäer sind Kinder Kinder sind keine kleinen Erwachsenen > 50% der Medikamente, die bei Kindern eingesetzt werden, sind nicht an Kindern erprobt worden!!! (nicht zugelassen oder off label use) Situation vor der Pediatric Legislation Fehlen von Alters- und entwicklungsbezogenen Prüfungen und Fehlen passender Medikamente Wiederkehrend off-labe use von Medikamenten Ökonomische/ Ethische Faktoren Erfahrung geht vor Evidence The Pediatric Regulation Study of the ENVI Committee June 16 2015

Nicht gerade eine homogene Gruppe...

Die Entwicklung neuer Medikamente für Kinder mit seltenen Erkrankungen ist eine Herausforderung Der Stoffwechsel des wachsenden Kindes, wechselnde Pathophyiologie und psychologische Veränderungen Fehlen von adäquater Information bezüglich der Sicherheit von Medikamenten sowie die Wirksamkeit in den Pädiatrischen Subgruppen Ethische Bedenken bezüglich klinische Prüfungen bei Kindern und die Notwendigkeit der Testung in verschiedenen Altersgruppen (z.b. Alter, Reife, Organfunktion)

DIE EU Paediatric Drug Regulation 26 January 2007 European Regulation (EC) No 1901/ 2006 (Paediatric Drug Regulation) hat die Aufgabe, die Gesundheit der Europäischen Kinder zu verbessern, indem die Entwicklung, der Zugang und die Sicherheit neuer Medikamente für Kinder von 0 bis 17 Jahren durch klinische Prüfungen verbessert wird Source: Orphanet J Rare Dis. 2014; 9: 120.

DIE EU PAEDIATRIC DRUG REGULATION" 2009: 1. Marktzulassung basierend auf einem kompletten pädiatrischen Investigationsplan 2011: 1. Zulassung für dir pädiatrische Verwendung (PUMA) 2013: 1. Kommissions-Report 2014: Überarbeitung der Guidelines durch die Kommission 2017: 2. Kommissions-Report The Pediatric Regulation Study of the ENVI Committee June 16 2015

The Pediatric Regulation Study of the ENVI Committee June 16 2015

The Pediatric Regulation Study of the ENVI Committee June 16 2015

Herausforderungen Klinischer Prüfungen mit kleinen Fallzahlen Klinische Prüfungen bei seltenen Erkrankungen schließen sehr kleine Patientenzahlen ein führt zu inhomogenen Gruppen bezüglich Alter und Phänotyp, was eine Auswertung der Studienergebnisse schwierig macht und negativ beeinflussen kann Die große Variabilität in Schweregrad, Irreversibilität und Alter führt zu einer großen Spannbreite bei Baseline-Daten und bei vielen Parametern zur Messung der Wirksamkeit, so ist es schwierig, klinisch wichtige positive Effekte der Therapie zu nachzuweisen die Komplexität der oftmals multisystemischen Krankheitsmanifestationen bedürfen oftmals mehr als einen Endpunkt, um eine Wirksamkeit nachzuweisen Natürliche Verlaufsdaten fehlen häufig Und dann auch noch Kinder...

Herausforderung multinationaler/multizentrischer Prüfungen Weite Anreise, eventuell Umzug in ein anderes Land! Hoher persönlicher Aufwand für die Probanden: Wohnortwechsel, fremde Umgebung, Beruf, Schule Fremder Arzt!!! Trennung von der Familie Finanzielle Einbußen Sprachbarrieren Unterschiedliche Behörden in verschiedenen Ländern (EMA, FDA) Hohe Kosten für die Pharma-Firma Insbesondere für Kinder eine Herausforderung

Die Beteiligten an einer klinischen Studie Eltern Arzt erkranktes Kind Sponsor Gesetz

Das teilnehmende Kind Herausforderung: Verstehen des Grundes für die Teilnahme Vertrauensaufbau zum Arzt Akzeptanz der wöchentlichen Anreise und Infusionen Compliance bei Untersuchungen Kompensation des Ausfalls in Schule usw. Chancen: frühestmöglicher Therapiestart Verzögerung/Aufhalten der Erkrankung Besserung der Lebensqualität

Die Eltern Herausforderung: Angst, dem Kind zu schaden, weh zu tun Belastung des Kindes und der gesamten Familie durch Teilnahme an der klinischen Prüfung Angst vor Sammlung medizinischer Daten über das Kind Eltern müssen stellvertretend für das Kind einwilligen (Verantwortung) aber auch: Häufig übersteigerte Hoffnung in Therapie Chancen: nach Teilnahme erhält jeder Proband das Medikament bis zur Zulassung- frühestmöglicher Therapiebeginn

Herausforderungen: Der Arzt gutes Fachwissen über die Erkrankung/Prüfplan korrekte Durchführung der Studie vertrauensvolles Verhältnis zu den Kindern und Eltern altersgerechte Aufklärung des Kindes Ausführliche, ehrliche Aufklärung der Eltern (u.a. Placebo) Akzeptanz der Nichtzustimmung des Kindes Zeit und Geduld (hoher Kommunikationsbedarf der Eltern Compliance des Kindes) Beherrschen von Nebenwirkungen bei Gabe der Prüfmedikation Chancen: Begleitung der Kinder und Familien während der Studienphase Erfahrung im Umgang mit dem Medikament

Herausforderungen: Das Gesetz Schutz vor unnötigen Prüfungen Schutz vor unnötigen Belastungen Sicherung der Zustimmung beider Sorgeberechtigten Sicherung der altersgerechten Aufklärung der Patienten Chancen: Wahrung der Rechte der Kinder Ermöglichen der Zulassung von Medikamenten auch für Kinder Sicherung der Wirksamkeit vor lebenslanger Therapie Ermöglichen von klinischen Prüfungen bei kleiner Patientenzahl wird die klinische Prüfung bei Kindern und Jugendlichen unter bestimmten Voraussetzungen auch dann gestattet, wenn nicht nur ein individueller Nutzen für die betreffende Person sondern auch ein künftiger Nutzen für die betreffende Patientengruppe erwartet werden kann.die Forschung darf für die betreffende Person aber nur mit minimalen Risiken und minimaler Belastung verbunden sein. (12. Novelle AMG)

Der Sponsor Herausforderungen: Endpunkte müssen signifikante Wirkung zeigen Probandengruppe muß groß genug sein minimalen Belastung für das Kind Chancen: Erreichen der Zulassung (auch für Kinder)

European Reference Network (ERN) EU Projekt zur Vebesserung der Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen

Zusammenfassung Wenige Medikamente sind wirklich für Kinder zugelassen- aber zunehmend mehr!! Testung bei Kindern ist eine Herausforderung für alle Beteiligten Vereinfachte Zulassungsverfahren bei seltenen Erkrankungen Vereinfachte Regularien bei klinischen Prüfungen mit Kindern Sowohl für Patient, Eltern und für den Arzt bieten klinische Prüfungen für seltene Erkrankungen eine große Chance... ABER Sind aber auch eine große und spannende Herausforderung

Das Dilemma für Ärzte

Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Christina.lampe@helios-kliniken.de