1 Einleitung. S. Bestmann, Finden ohne zu suchen, DOI / _1, Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Ähnliche Dokumente
Mit-Menschen mit-wirken

Sozialraumorientierte Jugendhilfe freier Träger

Finden ohne zu suchen

PUBLIKATIONEN Wolfgang Budde

Sozialraumorientierung

Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe

Die Rückkehr einer autoritären Jugendhilfe? Kontrolle und Strafe unter dem Deckmantel von Schutz und Fürsorge

Ein gut aufgestelltes Netzwerk entlastet den ASD!?

Gestaltung von Leistungen für Familien im Sozialraum Lebensphase Kita

Steuerung(sversuche) in lebendigen Prozessen mit unvorhersehbaren Einflussgrößen. Der Blick von außen auf 5 Jahre SHA in Hamburg

Anti-Gewalt-Training in der Anlaufstelle für Straffällige Ziele Methoden Evaluierung

Workshop: Professionalität in der Sozialen Arbeit

Der Wandel der Jugendkultur und die Techno-Bewegung

SOZIALPLANUNG und SOZIALRAUM- ORIENTIERUNG

Armut und Überschuldung

Inhalt. Teil I Grundlagen der Kinder- und Jugendhilfe

Sozialraumorientierung in der Diskussion

kultur- und sozialwissenschaften

Hans-Werner Wahl Vera Heyl. Gerontologie - Einführung und Geschichte. Verlag W. Kohlhammer

ARBEITEN MIT LITERATUR. Warum Literaturarbeit?

Beurteilungsbogen für schriftliche Hausarbeiten. Form:

Kongress Ein guter Start ins Leben 30. Mai Forum 1 Sozialraumorientierung. Mirjam Hartmann Familienprojekt ADEBAR Hamburg

Sozialraumorientierung als Fach- und Planungskonzept der Sozialen Arbeit. Fachkräftetag Das ist unsere Stadt!, Trier, 18.

5.2 Ergebnisdarstellung

Neuere Trends, Weiterentwicklung der Methoden Sozialer Arbeit

zu überprüfen und zu präzisieren. Dabei stehen folgende Fragestellungen im Vordergrund:

Im Sozial-Raum Partner finden

Von der Theorie in die empirische Praxis: Eine kritische Bestandsaufname und Vorschläge zur empirischen Quartiersabgrenzung

und Fallstudien innovativer Unternehmen

4.4 Ergebnisse der qualitativen Untersuchung Verknüpfung und zusammenfassende Ergebnisdarstellung Schlussfolgerungen für eine

Caring Communities Vom Leitbild zu Handlungsansätzen

Neue Wohnformen neue Nachbarschaften

Lebensbegleitende Bildung im Sozialraum ein Überblick. Prof. Dr. Carola Iller,

LWL-Landesjugendamt Westfalen. Der Wirksamkeitsdialog im Kontext von 79a SGB VIII (BKiSchG)

Finanzierung von Bildung und Jugend in Sozialräumen

Kernelemente sozialräumlicher und flexibler Unterstützungsangebote. Peter Saurer / Saurer Partner GmbH Bern /

BA Modul 1: Einführung in die Sozialpädagogik und die Pädagogik der frühen Kindheit. Studienabschnitt. 1./2. Semester

Der Umgang der Sozialen Arbeit mit Armut

Abkürzungsverzeichnis... IV Abbildungsverzeichnis V Tabellenverzeichnis... VI. 1 Einleitung. 10

Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe Rechtlicher Rahmen und Perspektiven im SGB VIII. Bleibt alles anders?

Konzept Stadtteilarbeit. Stadtteilzentren in Hamm

Systemisches Handeln und politisches Verständnis aus Sicht der Sozialpädagogischen Familienhilfe

Leitbild Kinder- und Jugendhilfe in der Stadt Freiburg

Modulhandbuch Pädagogische Hochschule Weingarten. Lehramt an Werkreal-, Haupt- und Realschulen WHRPO I. Erweiterungsstudiengang

Inklusion - nur ein Märchen?

Nomos. Gemeinwohl. Forschungsstand Politikwissenschaft. Peter Schmitt-Egner

Inhalt. Teil I Grundlagen. Einführung 11

Sozialer Raum und Soziale Arbeit

1. Ausländerpädagogik 2. Interkulturelle Pädagogik 4. Weiterführungen 3. Zwei Stränge Interkultureller Pädagogik Differenzkritische Ansätze

1 Einleitung. Heute weiß man von allem den Preis, von nichts den Wert. Oscar Wilde

Inhaltsverzeichnis aus Baum, Lehrbuch Stadt und Soziale Arbeit, ISBN Beltz Juventa in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim Basel

Bedeutungen und Sinnzusammenhänge von Teilhabe

Inhaltsverzeichnis. 1.2 Kinder mit Behinderung in inklusiven Kindertageseinrichtungen 27

Selbstgesteuertes Lernen bei Studierenden

Wir brauchen Anbieter von flexiblen Hilfestellungen (Massgeschneiderte Entwicklungsbegleitungen)

Zukunft der Erziehungshilfen. Gestaltung und Steuerung. PROGRAMM 1. und 2. Juni 2016, Unter den Linden 1, Berlin

Laura Gunkel. Akzeptanz und Wirkung. von Feedback in. Potenzialanalysen. Eine Untersuchung zur Auswahl. von Führungsnachwuchs.

Wie Konkurrenz überwunden werden kann: Erfahrungen aus der Stadt Graz.

Teil Methodische Überlegungen Zur Dysgrammatismus-Forschung... 17

Bachelor-Studiengang Erziehungswissenschaft. Wahlpflichtbereich Soziale Arbeit. Modul-Handbuch

Zur Notwendigkeit von Sozialarbeitstheorien für die Praxis Sozialer Arbeit:

Kundenerwartungen gezielt kennen

Auf dem Weg zur Großen Lösung. Was spricht dafür? aus sozialpolitischer Perspektive. Wolfgang Schröer

Unterstützung macht Schule.

Betriebswirtschaftliche Forschung zum Scheitern von Start-ups Attributionstheorie als Rahmen der Untersuchung... 75

Handbuch Gemeinwesenarbeit

Möglichkeiten ihrer Finanzierung. JALTA Westfalen-Lippe

Schulsozialarbeit in Baden-Württemberg sozialraumorientierte Konzepte und ihre Wirkung

Design eines Vorgehensmodells zur Entwicklung komplexer Dashboards

Kindertageseinrichtungen auf dem Weg

0 Einleitung Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Entwickelt und erarbeitet von Trägern der Freien und Öffentlichen Jugendhilfe im Bezirk

DIE BEDEUTUNG DER QUARTIERENTWICKLUNG IM KONTEXT DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS

Professionelle Kompetenz von Mathematiklehramtsstudierenden

Forschung und Entwicklung in der Erziehungswissenschaft. Herausgegeben von R. Treptow, Tübingen, Deutschland

In Räumen denken Sozialraumorientierung und Gemeinwesenarbeit schaffen Inklusion. Regionale Integrationskonferenz Wohnen und Leben am

Bewährtes verbessern. Kooperationen gestalten: Sozialraumorientierung in der Wohnungslosenhilfe

Informationen zum Unterrichtsfach Pädagogik / Erziehungswissenschaften

Soziale Arbeit am Limit - Über konzeptionelle Begrenzungen einer Profession

Schlüsselkompetenzen der Sozialen Arbeit

Zur Entstehungsgeschichte von Thomas Morus' Utopia und Niccolo Machiavelli's Der Fürst

Indikatorenbestimmung für eine sozialräumliche Mittelverteilung zur

Berlin, den Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien im Spannungsfeld zwischen Sozialraumorientierung und Spezialisierung

Kommunikation zwischen Pflegenden und onkologischen Patienten

Das Düsseldorfer Stadtentwicklungskonzept Düsseldorf Wachstum fördern, Zukunft gestalten

IT-Governance als Teil der organisationalen Governance

Sozialraumorientierung im Übergang Schule Arbeitswelt: Lösung für individualisierte Angebote?

Steuerung städtischer Jugendhilfe Ergebnisse und Perspektiven sozialräumlicher Umbauprozesse.

Humanitäre Interventionen - Die Friedenssicherung der Vereinten Nationen

Religionspädagogische Kompetenzen und persönliche Einstellungen von Erzieherinnen

Klemens Schaupp. Ein spiritueller Übungsweg. echter

Aus: Peter Fischer Phänomenologische Soziologie. Oktober 2012, 144 Seiten, kart., 12,50, ISBN

Bundeskinderschutzgesetz und das Fachkonzept Sozialraumorientierung

Das Erste Staatsexamen in den Erziehungswissenschaften neue LPO I. Zur schriftlichen Prüfung in der Allgemeinen Pädagogik

Bewertung der Bachelorarbeit von Frau/Herrn:

S o z i a l p ä d a g o g i s c h e s I n t e n s i v A n g e b o t ( S I A ) als SHA-Projekt in der Struktur des ASD Bergedorf

Prinzip Nachhaltigkeit PädagogischeÜberlegungen zum professionellen Selbstverständnis von Jugendsozialarbeit an Schulen

Kindheits- und Jugendforschung

Transkript:

1 Einleitung Schon vor gut 20 Jahren hat Thomas Olk in einer Ausführung über die alternative Zukunft der Sozialarbeit (Olk 1986: 240) darauf hingewiesen, dass eine solche Perspektive professionellen Handelns [ ] den Zuständigkeits- und Kompetenzbereich von Sozialarbeit sowohl ausweiten als auch einengen [würde; S. B.]. Ausgeweitet wird der professionelle Blick in dem Sinne, als immer weniger lediglich die Person des Klienten 1 oder seiner unmittelbaren Beziehungspartner berücksichtigt, sondern in zunehmenden Maße auch seine sozialen Netzwerke und seine sozialökonomisch und sozialräumlich geprägte materielle Lebenslage einbezogen würden. Die entsprechende Handlungskompetenz ist daher weniger einzelfallbezogen als vielmehr f e l d- bezogen [Hervorhebung i. O.] ausgeprägt (vgl. Pankoke 1985). Die Einschränkung des professionellen Blickes ergäbe sich aus der wachsenden Einsicht in die strukturellen (Interventions-)Grenzen sozialarbeiterischen Handelns (ebd: 253). Diese damals als Zukunftsbeschreibung entworfene Perspektive, entgegen der zu jener Zeit schon stark verbreiteten Spezialisierung im Sinne einer Versäulung der Jugendhilfe (Volk u. a. 2006: 111) und einer Therapeutisierung der Sozialen Arbeit (Conen 2006b: 191), findet im Fachkonzept der Sozialraumorientierung (Hinte u. a. 2007) Jahre später unter Nutzung dieser von Olk eingeführten Begrifflichkeiten des Sozialraums bzw. des Feldes ihre Konkretion als Weg[ ] für eine veränderte Praxis (Budde u.a. 2006a: 1) durch ein verändertes methodisches sowie organisationsstrukturelles Handeln. Mit dem Ansatz der sozialraumorientierten Arbeit findet auf der Handlungsebene so die These ihren Niederschlag, dass die individuelle Problematik [ ] in den ökologischen Kontext eingebettet gesehen wird (Hinte u. a. 1999: 45). Darauf gründet die in diesem Kontext sinnbildlich verwendete Formel vom Fall zum Feld, wonach sich die professionelle Sicht erweitert von der Intervention im Fall hin zur einzelfall-unabhängigen Infrastrukturarbeit im Feld (Hinte u. a. 1999; Meinhold 1998b). Zugleich folgt dieser mehrdimensional-integrative Ansatz dem Leitparagraphen 1 des Sozialgesetzbuch VIII im Absatz (3) 4., der das Erhalten bzw. Erschaffen positiver Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien als eine zentrale Aufgabe der Jugendhilfe betont (BMFSFJ 2000). 1 Zur Unterstützung der einfacheren Lesbarkeit wird im vorliegendem Text grundsätzlich die männliche Form genutzt und schließt zugleich die weibliche mit ein, außer wenn dies explizit angeführt wird. Ausnahme hierzu bildet das Kapitel 5. Da in der Praxis der Sozialen Arbeit insgesamt sowie insbesondere in der untersuchten Praxis die Frauen die deutliche Mehrheit darstellen, wird in Kapitel 5 grundsätzlich die weibliche Form genutzt und schließt zugleich die männliche mit ein, außer wenn dies explizit angeführt wird. S. Bestmann, Finden ohne zu suchen, DOI 10.1007/978-3-658-00435-4_1, Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

14 1 Einleitung Auch Schrapper hat bereits Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf den für die Praxis der Jugendhilfe notwendig zu realisierenden Zusammenhang zwischen Individuum und Sozialraum verwiesen, indem er die Wechselwirkung für das Handlungsfeld der Jugendhilfe wie folgt beschreibt: [ ] Die Bezirke und Quartiere, in denen die Menschen leben, die Wohnumgebung, die Einkaufsmöglichkeiten, der öffentliche Personennahverkehr, Schulen, Jugendheime, Kneipen, Kirchen und Sportplätze, alle diese Orte und Institutionen, aber auch das Leben in Vereinen und Klubs, die informellen Kanäle der Nachbarschaften, Wohnblocks und Straßen, Kultur und Klima eines Viertels, müssen zu Bezugspunkten werden für das Verstehen der Belastungen, Krisen und Notlagen der Menschen, die hier leben. Die traditionell beziehungsgeschichtlich-biographisch orientierte Dimension des Verstehens muss durch eine sozialräumliche gleichberechtigt ergänzt, nicht ersetzt werden. Erst wenn wir auch lernen, die Menschen in ihren Verhältnissen zu sehen und zu verstehen, können wir auch den Einfluss der Verhältnisse auf das Verhalten begreifen und mit ihnen ausloten, wie Verhältnisse und Verhalten ausgehalten oder verändert werden können (Schrapper 1995: 109). Im Fachkonzept der Sozialraumorientierung wird diese Bezugsrichtung durch die so benannte fallunspezifische Arbeit als die Fallarbeit im Bereich der Hilfen zur Erziehung ergänzende Handlungsdimension konzeptionell und methodisch ausformuliert. Dieser erstmals vor gut zehn Jahren von Wolfgang Hinte in den Fachdiskurs eingespeiste Begriff hat sich immer mehr etabliert. Zugleich ist fallunspezifische Arbeit [ ] in der Arbeit vor Ort ein Dauerthema, vor allem die Frage, was nun fallunspezifische Arbeit eigentlich ist und wie sie sich von anderen Aufgaben abgrenzt (Hinte 2006b: 155). Eine diesem Ansatz ausgesprochen deutlich entgegen gebrachte Kritik wird von Dahme und Wohlfahrt hervorgebracht: Die Streiter für Sozialraumbudgets werden von der Annahme geleitet, dass arbeitsaufwändige und kostenträchtige Fälle durch vermehrte fallunabhängige Arbeit vermeidbar seien, bleiben allerdings den Beweis dafür schuldig; begründet wird die Annahme häufig mit Alltagswissen oder Allgemeinplätzen ( jeder weiß ; jeder Träger weiß ). Schuld daran ist nicht zuletzt der Begriff der fallunspezifischen Arbeit, der von der Prävention über den Aufbau sozialer Unterstützungsnetzwerke, Ressourcenmobilisierung bis hin zum Stadtteilmanagement alles umfassen kann (vgl. Früchtel 2001). Der im Begriff enthaltene Sinnüberschuss macht es den Protagonisten des Konzeptes leicht, sich gegen Kritik zu immunisieren, da jedem Kritiker jederzeit vorgehalten werden kann, er hätte das Konzept partout nicht verstanden oder wolle es sogar böswillig missverstehen (Dahme u.a. 2005: 274f.). Hier formuliert sich der Bedarf, diese im Fachkonzept der Sozialraumorientierung zentrale Handlungsdimension genauer fassbar zu machen, was das maßgebliche Anliegen dieses auf einer empirischen Forschungsarbeit fussenden Buches dar-

1 Einleitung 15 stellt. In einem Vortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (Hamburg 30. 11. 2007) hat Prof. Dr. Konrad Maier von der Evangelischen Fachhochschule Freiburg bemerkt, dass Forschung in der Sozialen Arbeit primär und im groben Umriss ein Dokumentieren, Reflektieren und der Öffentlichkeit zugänglich machen auszeichne. Im Sinne einer so als Praxisforschung (Heiner 1988; Filsinger u. a. 1988) im Feld (Girtler 2001) verstehbare Vorgehensweise bezieht sich die vorliegende Untersuchung auf das Handeln der Sozialarbeiter, ihre je darauf bezogene Reflexion sowie die im Sinne einer Nutzerforschung (Schaarschuch u. a. 2005) erhobene Perspektive der Adressaten. Dies einerseits zu dokumentieren und andererseits unter reflektierender Bezugnahme der entsprechenden theoretischen Bezüge der Handlungswissenschaft und der Praxis zur Diskussion anzubieten, ist die Ambition dieses Buches. Um sich diesem Anspruch zu nähern, wird in Kapitel 2 zunächst der theoretische Rahmen des Fachkonzeptes der Sozialraumorientierung ausgeführt. Nach einer einführenden Reflexion über die Zielstellung Sozialer Arbeit werden drei wesentliche konzeptionelle Bezüge der Sozialraumorientierung benannt, die für sich jeweils unter der Leitfrage des Spannungsverhältnisses vom Individuum und seiner Umweltbezüge diskutiert werden. Die Gemeinwesenarbeit als Fachkonzept sowie die Lebensweltorientierung bilden hier nachvollziehbarer Weise zwei zentrale nicht nur professionshistorisch bedingte Bezugsstränge. Aufgrund der traditionell einzelfallorientierten Vorgehensweise im Handlungsfeld der Hilfen zur Erziehung wird zudem der Ansatz der Lösungsfokussierung nach Steve de Shazer angeführt, der im Vergleich zu anderen Beratungsansätzen einen ausgesprochen starken inhaltlichen Bezug zur Sozialraumorientierung impliziert, auch wenn sich hierzu kaum entsprechende Rezeptionen in der Fachliteratur finden (Kleve 2007b). Bei der Betrachtung eines theoretischen Rahmens dürfen kritische Argumentationslinien nicht außer Betracht bleiben. Es werden daher drei Kritiklinien ausgeführt, die sich zum einen mit der Diskussion um den Raum als solchen im Fachkonzept der Sozialraumorientierung befasst. Zum anderen wird die Diskussion aufgegriffen, nach der die Sozialraumorientierung eher als eine kommunale Sparmaßnahme zur Kostenkonsolidierung im Bereich der Jugendhilfe fungiert. Zugleich und daran anschließend wird die eher jugendhilferechtlich basierende Kritik beschrieben, die durch bestimmte organisationsstrukturelle Ansätze sogenannter Monopolträger in einigen bundesdeutschen Kommunen eine Aushöhlung des im SGB VIII benannten Wunsch- und Wahlrechts der Adressaten sieht. An diesen Rahmen anschließend wird in Kapitel 3 der Genese des Fachbegriffs der fallunspezifischen Arbeit nachgegangen, um zugleich die aktuelle Rezeption dieser Begrifflichkeit, wenn auch nicht mit dem Anspruch der allumfassenden Diskursvollständigkeit, so doch in einer gewissen Breite, einzufangen. Auch wenn zum

16 1 Einleitung Gegenstand der fallunspezifischen Arbeit bisher nur vereinzelt tiefer gehende Beforschungen dokumentiert sind, schließen entsprechende Quellenbefunde diesen Abschnitt ab. Das Kapitel 4 stellt nicht nur vom Umfang her den Schwerpunkt dieser Ausführungen dar. Zunächst wird in sehr kompakter Form das Forschungsvorgehen skizziert und zuvor die leitenden Fragestellungen ausgeführt. Neben einer eher abstrakteren Ebene zum Gegenstand der fallunspezifischen Arbeit werden das Kapitel abschließend sechs Beispiele konkreter Handlungsvollzüge im Feld nachgezeichnet, um dadurch das konkrete Handeln im Praxisalltag der Sozialarbeiter in einem pragmatischen Sinne greifbarer zu haben. Den Abschluss der Untersuchungsausführung bildet eine in Kapitel 5 vorgenommene kompakte Zusammenfassung der empirischen Beschreibungen als sogenannte zentrale Prinzipien fallunspezifischer Arbeit, um daran anschließend eine begriffliche Definition anzubieten. Aus dieser ableitend wird einerseits ausgehend von den Hilfen zur Erziehung ein Modell integrierter und wechselwirkender Überschneidungsflächen zu anderen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit vorgestellt, um andererseits damit verknüpft Ausblick zu einem Verfahren einer sogenannten qualitativ-diskursiven Bedarfslagenentdeckung durch fallunspezifische Arbeit vorzustellen, dass sich wiederum in ein qualitativ-proaktives Verständnis einer kommunalen Jugendhilfeplanung einbettet. Abschließend werden bestehende und durch die vorliegende Untersuchung zugleich verdeutlichte Herausforderungen und Perspektiven im Kontext des Fachkonzeptes der Sozialraumorientierung ausgeführt. Sozialraumorientierte Planung und Entwicklung der Jugendhilfe sind anspruchsvolle und komplexe Prozesse, aber besser und wirkungsvoller kann gute Jugendhilfe z.zt. nicht gestaltet werden (Schrapper 2001: 81). Wenn die vorliegende Arbeit den fachlichen Diskurs zur Gestaltung der Jugendhilfe anregend unterstützt und zugleich eine begriffliche wie auch handlungsbezogene Klärung der im Fachkonzept der Sozialraumorientierung immanenten fallunspezifischen Arbeit anbietet, die der Praxis in ihren aktuellen Herausforderungen dienlich wird, hat sich die leitende und dieses empirische Sozialarbeitsforschungsprojekt maßgeblich motivierende Hoffnung erfüllt.

http://www.springer.com/978-3-658-00434-7