Die Röntgenanalyse als erste Herausforderung

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Transkript:

Quelle: Lilly/Rasmus/bmp von Regina Naumann Ein großer Bewegungsdrang und noch ungeübte Muskelkoordination sind bei Kindern zwischen drei und zehn Jahren eine unfallträchtige Konstellation, die leicht zu Knochenbrüchen führt. Bei den Frakturen der oberen Extremitäten ist es besonders der Ellenbogen, der in vielfältiger Weise betroffen ist. So sind 15 Prozent aller Knochenbrüche im Kindesund Jugendalter ellenbogennahe Frakturen, die noch dazu für 80 Prozent der Komplikationen bei Armfrakturen verantwortlich sind. Allein die suprakondyläre Humerusfraktur weist eine Häufigkeit von etwa 50 Prozent aller Ellenbogenverletzungen im Kindesalter auf [1]. Da ist es verständlich, wenn niedergelassene Ärzte diesen Frakturen mit großem Respekt begegnen, umso mehr, als allein drei von fünf Knochenbrüchen, deren Übersehen erhebliche auch gerichtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, im Ellenbogenbereich liegen. Zu diesen Frakturen gehören die suprakondyläre Humerusfraktur mit Rotationsfehler sowie die Fraktur des Gelenkfortsatzes (Kondylusfraktur) und die Radiusköpfchenluxation. Allen gemeinsam ist, dass es sich um Verletzungen handelt, die bereits bei der Diagnose Schwierigkeiten bereiten können. Frakturen, die übersehen werden, können nicht adäquat behandelt werden und Fehlstellungen sowie Funktionsstörungen nach sich ziehen, die oft nur langwierig und unbefriedigend korrigiert werden können. Darüber hinaus birgt die räumliche Nähe von Knochen, Gefäßen und Nerven im Ellenbogenbereich Gefahren primärer oder sekundärer Gefäß- oder Nervenläsionen. Wenn man die Gefahrenzonen kennt, lassen sie sich in den meisten Fällen jedoch bereits intraoperativ umschiffen. Die Röntgenanalyse als erste Herausforderung Bereits die Begutachtung der Röntgenaufnahmen stellt eine Weichenstellung dar: Können alle Dislozierungen und Rotationen auf allen Ebenen erkannt werden? Die Extensionsfehlstellung muss gegen die Rotationsfehlstellung abgegrenzt werden, da Rotationsfehler mit Innendrehung des distalen Fragments durch die Verkippung des ulnaren Anteils nach proximal zum Abknicken der Ellenbogenachse nach lateral führen (Varus). Im seitlichen Röntgenbild ist dieser Rotationsfehler an einer plötzlichen Verengung der Gefäße (Kalibersprung) zwischen proximalem und distalem Fragment zu erkennen [3]. Wird diese Fehlstellung bei der suprakondylären Humerusfraktur nicht erkannt oder fehlinterpretiert, ist damit bereits der Weg für eine unzureichende Reposition gebahnt. Der

17 Cubitus varus, die häufigste Fehlstellung nach suprakondylärer Humerusfraktur, erfährt im Laufe des Wachstums keine Spontankorrektur, sondern muss operativ korrigiert werden. Er stellt zwar in der Regel keine klinisch relevante Funktionsstörung dar, wird aber als kosmetisches und soziales Problem wahrgenommen. Prof. Wolfgang Linhart, Medizinische Universität Graz, machte in seinem Vortrag auf der 29. Jahrestagung der Sektion Kindertraumatologie in der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) im Juni 2010 auf diese Fallstricke aufmerksam: Eine Ebene ist leicht zu behandeln, zwei schon nicht mehr und mehrere gar nicht! Er wies auf Probleme hin, die durch Fehlinterpretationen von Röntgenbildern entstehen können: Eine vermutete undislozierte Typ-I- Fraktur entpuppte sich als Typ-III-Fraktur mit Antekurvation (ventralkonvexe Verbiegung) und Varus, eine vermeintlich von Typ IV in Typ I reponierte Fraktur war nur in Typ III reponiert worden. Varus und Antekurvation hatten auch hier zu einer Fehleinschätzung geführt. Vermeiden lassen sich diese insuffizienten Repositionen, die auf übersehenen oder schlecht interpretierbaren Röntgenbefunden beruhen, nur durch eine konsequente Achsenkontrolle mit Seitenvergleich während der Operation. Weitere Fallstricke sind die unverschobene Kondylusfraktur und die Monteggiafraktur (Ulnafraktur mit Radiusköpfchenluxation). Auch bei der Kondylusfraktur ist es mitunter schwierig, den Bruch zu erkennen. Außerdem können sich gerade bei dieser Fraktur undislozierte Brüche leicht sekundär verschieben, was präventiv durch gipsfreies Röntgen nach drei bis fünf Tagen ausgeschlossen werden sollte. Bei der Monteggiafraktur wird häufig die Luxation des Radiusköpfchens übersehen. Linharts Fazit, um die dargestellten Probleme weitgehend zu vermeiden: Man darf beim Röntgen keine Kompromisse eingehen. Röntgenbilder, die man nicht beurteilen kann, müssen wiederholt werden! Gerade bei Kindern ist die Röntgenanatomie wegen der zahlreichen, zu unterschiedlichen Zeiten entstehenden und miteinander beziehungsweise mit dem metaphysären Knochenanteil verschmelzenden Knochenkernen verwirrend [2]. Insbesondere bei sehr jungen Kindern mit kleinen knöchernen epiphysären und großen knorpeligen Anteilen, die somit der Röntgendiagnostik entgehen, können MRT und CT die entscheidenden Hinweise für den Verlauf der Fraktur geben [3]. Typ I: vollständig undisloziert Typ II: Dislokation in einer Ebene (Sagittalebene) IIa distales Fragment nach dorsal verschoben: Antekurvation IIb distales Fragment nach ventral verschoben: Rekurvation IIa IIb keine Dislokation in der Frontalebene Typ III: Dislokation in zwei Ebenen, Sagittalebene sowie Horizontal- oder Frontalebene IIIa Antekurvation + Rotationsfehler IIIb Rekurvation + Rotationsfehler IIIc Antekurvation und Fehlstellung in der Frontalebene IIIb Rekurvation und Fehlstellung in der Frontalebene (ohne Rotationsfehler) Antekurvation + Frontalebene + Rekurvation radial ulnar IIIa IIIb IIIc IIId Typ IV: Dislokation in drei Ebenen, Sagittalebene, Horizontalebene und Frontalebene IVa Ante/Rekurvation + Rotationsfehler + Varus/Valgus (Fragmente noch in Kontakt) Sagittalebene + Rotationsfehler + Frontalebene IVb vollständig disloziert ohne Kontakt, Ebene nicht mehr exakt definierbar radial ulnar Ante Re Abbildung 1: Klassifikation suprakondylärer Humerusfrakturen Quelle: modifiziert nach [1]

18 Abbildung 2: Intraoperative Stabilitätsprüfung bei lateral-gekreuzter Fixation Während der Operation wird die Stabilität der Drähte beim Bewegen des Arms geprüft. Ein leichtes Abknicken der Drahtstifte (Pfeil) verhindert die Dislokation. Quelle: Inselspital Bern, Schweiz Draht, Markschienung oder externe Fixation welche Osteosynthese ist optimal? Die am häufigsten eingesetzte Methode zur Osteosynthese bei geschlossener Reposition ist die perkutane Kirschner-Draht-Fixierung. Sie kann geschlossen durchgeführt werden, lässt sich schnell realisieren und erreicht eine hohe Stabilität. Allerdings hat sie auch Nachteile. So ist sie nicht funktionsstabil, der Arm muss also eingegipst werden, die Drähte können sich verschieben und verbiegen, was zu einem Verlust der Rotationskontrolle führen kann und es besteht zu etwa zwei Prozent die Gefahr einer iatrogenen Verletzung des Nervus ulnaris durch den medial eingebrachten Draht [1]. Um diese möglichst auszuschließen, sind die unterschiedlichen Methoden der K-Draht-Fixierung immer wieder Gegenstand von Untersuchungen. Die am meisten angewandte Methode ist mit 77 Prozent die gekreuzte Fixierung von lateral und medial eingebrachten Kirschner-Drähten [1]. Die Kreuzungsstelle muss dabei deutlich proximal vom Bruch liegen. Eine Option zu dieser Fixierung ist die lateral gekreuzte Stabilisierung, die Dr. Steffen Berger vom Inselspital der Universität Bern anhand einer retrospektiven Studie auf der Jahrestagung der DGU vorstellte. In der Zeit von 2007 bis 2010 waren 18 Kinder lateral-gekreuzt behandelt worden. Es waren keine sekundären Dislokationen zu verzeichnen, keine vorzeitige Metallentfernung wegen Infektion an der Pin- Eintrittsstelle und keine N.-ulnaris-Verletzung. In einem Fall war der N. radialis, in einem anderen der N. medianus durch den Unfall leicht verletzt, die sich beide spontan normalisierten. In fünf Fällen verschob sich der proximale Draht ohne Folgen für den N. ulnaris nach distal. Als weitere Methoden zur Stabilisierung mit Schonung des N. ulnaris kommen die intramedulläre Marknadelung und die externe Fixierung in Frage. Die intramedulläre Nagelung ist ein gängiges und bewährtes Verfahren bei unterschiedlichen Läsionen in der kindlichen Traumaversorgung, wird jedoch bei der dislozierten suprakondylären Fraktur nur selten eingesetzt. An der medizinischen Universität Graz wurde deshalb untersucht, ob diese Methode eine adäquate Alternative zur gängigen K-Draht-Fixation sein kann. In einer retrospektiven Studie wurden die Daten von Kindern mit supra-kondylärer Humerusfraktur im Zeitraum von 1994 bis 2009 analysiert. Dr. Robert Eberl stellte diese Studie vor: In einer Gruppe von 374 Patienten traten insgesamt 5,6 Prozent iatrogene N.-ulnaris-Läsionen auf, davon 15,6 Prozent bei der gekreuzten K-Draht-Fixierung, aber nur 0,4 Prozent bei der intramedullären deszendierenden Nagelung. Entsprechend unseren Ergebnissen ist die intramedulläre deszendierende Nagelung eine adäquate Alternative für die sichere Versorgung dieser Verletzung, so Eberl. Nervenschädigungen können weitgehend vermieden werden und eine zusätzliche Gipsruhigstellung ist nicht erforderlich. Auch die laterale externe Fixation ist mit elf Prozent der Osteosynthesen bei suprakondylärer Humerusfraktur ein eher selten eingesetztes Verfahren [1]. Vor allem bei Frakturen, die mittels K-Draht nicht anatomisch zufriedenstellend zu reduzieren sind, empfiehlt sich die externe Fixation als Alternative zur K-Draht-Stabilisierung, wie Dr. Alexander Joeris vom Inselspital in Bern deutlich machte. Das Hauptziel dieser Osteosynthesemethode ist es, eine offene Reduktion zu vermeiden und gleichzeitig eine hohe Bruchstabilisierung zu erreichen. Selbst in Fällen, bei denen die Rotation des distalen Fragments nicht vollständig korrigiert werden konnte, wurde durch die externe Fixierung das Abkippen in Varusstellung verhindert [4]. Nerven und Gefäße als Risikofaktoren im Ellenbogenbereich Bei den suprakondylären Humerusfrakturen treten relativ häufig neurovaskuläre Probleme auf. In der Multicenterstudie der Sektion Kindertraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie werden primäre Nervenschäden mit 5,1 Prozent und primäre Gefäßläsionen mit 0,7 Prozent angegeben [1]. Bei den primären

Nervenläsionen überwiegen die reversiblen Schädigungen durch Dehnung oder Druck (Neuropraxien), da nur selten Verletzungen durch scharfe Bruchenden, sondern meist Überdehnungen durch die Dislokation vorliegen. Sekundäre Nervenläsionen, vor allem des N.ulnaris, treten vor allem durch die Positionierung oder postoperative Verschiebung der medialen K-Drähte auf. Der optimale Zeitpunkt für eine Revision einer N.-ulnaris-Läsion wird kontrovers diskutiert. Pulslosigkeit; kühle, blasse Hand Dr. Bettina Lange, Kinderchirurgische Klinik an der Universitätsmedizin Mannheim, stellte mehrere Kasuistiken vor und zog das Fazit, dass bei unvollständiger Lähmung des N. ulnaris im Falle einer sekundären Läsion eine Wait-and-see - Strategie für drei Monate angeraten sein kann, da eine frühe operative Nervenrevision nicht zu einer schnelleren Erholung des Nervs führt. Ein schlecht sitzender, den Nerv verletzender ulnarer K-Draht sollte jedoch schnell revidiert werden. Bei fehlender Spontanremission und Beschwerdepersistenz kann die späte operative Nervenrevision jedoch zu einer Verbesserung der Nervenfunktion führen. Die rosige, pulslose Hand Therapie in der Grauzone Vaskuläre Verletzungen sind bei der suprakondylären Humerusfraktur verständlicherweise die am meisten gefürchteten Komplikationen. Etwa 20 Prozent der Patienten mit dislozierten Frakturen haben keinen Puls, eine Diagnose, über deren Therapie Einvernehmen herrscht: Die blasse, kühle und pulslose Hand muss sofort operiert und eine Gefäßrevision durchgeführt werden. Schwieriger ist die Beurteilung der pulslosen, aber durchbluteten Hand. Eine kürzlich erschienene systematische Literaturstudie mit 331 relevanten Fällen dokumentiert die Unsicherheit beim Vorgehen bei rosiger pulsloser Hand [5]. Während mehr als die Hälfte der Studien für eine schnelle Arterienexploration plädieren, entscheiden sich nur 16 Prozent der niedergelassenen Mitglieder der Pediatric Orthopedic Society of North America (POSNA), unter denen zeitgleich eine Umfrage durchgeführt wurde, für diesen Schritt. Die Studie zeigt, dass bei rosiger, pulsloser Hand in Gefäßrevision 70 Prozent der Fälle eine verletzte Arterie vorlag. Für Dr. Francisco Fernandez, Olgahospital Stuttgart, ist das Vorgehen deshalb klar: Jede pulslose Hand gehört operiert, auch die rosige Hand! Auf der Jahrestagung stellte er anhand eines Fließdiagramms die Entscheidungswege im Falle von Durchblutungsstörungen bei der suprakondylären Humerusfraktur vor (siehe Abbildung 3). Ungeachtet aller präventiven Vorsichtsmaßnahmen lassen sich Restkomplikationen gerade bei schwierigen Frakturen des suprakondylären Humerus nicht vollständig vermeiden sie sind systemimmanent und kommen auch bei erfahrenen Operateuren vor. Darauf wies Dr. Dirk Sommerfeld, Altonaer Kinderkrankenhaus in Hamburg, noch einmal hin. Mit seiner Studie über den Langzeitverlauf nach supra-kondylärer Humerusfraktur mit Gefäß- und/oder Nervenbeteiligung machte er jedoch deutlich: Auch komplizierte Frakturen haben eine gute Prognose, wenn man sie frühzeitig diagnostiziert. Literatur Erstuntersuchung: Gefäßverschluss notfallmäßige geschlossene Reposition und Fixierung Neuevaluierung der Durchblutung Kapillarisierung; kein Doppler gute Kapillarisierung; schwacher Doppler engmaschige klinische und pulsoximetrische Kontrolle über 24 bis 36 Stunden 1. Weinberg AM et al.: Die suprakondyläre Oberarmfraktur im Kindesalter eine Effizienzstudie. Unfallchirurg. 2002; 105: 208-216 2. Parsch D et al.: Die posttraumatische Funktonsstörung und Fehlstellung des kindliches Ellenbogens. Der Orthopäde. 2001; 30: 602-609 3. von Laer LR: Frakturen im Wachstumsalter. Orthopädie und Rheuma. 2002; 4: 18-26 4. Slongo T et al.: Lateral external fixation a new surgical technique for displaced unreducible supracondylar humeral fractures in children. J Bone Joint Surg Am. 2008; 90: 1690-1697 5. White L et al.: Perfused, pulseless and puzzling: A systematic review of vascular injuries in pediatric supracondylar humerus fractures and results of a POSNA questionnaire. J Pediatr Orthop. 2010; 30: 328-335 gute Kapillarisierung; Puls 19 Abbildung 3: Algorithmus für Diagnose und Therapie bei Gefäßverschluss Quelle: nach Dr. F. Fernandez, Olgahospital Stuttgart