Medien Markus Müller Am Ende der Geschichte Vilém Flusser und die menschliche Kommunikation an der Apokalypse der historischen Welt Studienarbeit
HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN Philosophische Fakultät III Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften Seminar für Medienwissenschaft Am Ende der Geschichte Vilém Flusser und die menschliche Kommunikation an der Apokalypse der historischen Welt von Markus Müller Berlin, den 09. Mai 2005
Inhaltsverzeichnis 1. Introduktion... 3 2. Das Leben des Vilém Flusser... 6 2.1. Curriculum Vitae... 6 2.2. Entstehung seines Denkens... 9 3. Die Thesen und Theorien des Vilém Flusser... 11 3.1. Über die Funktion der menschlichen Kommunikation... 11 3.2. Die Strukturen zur Verwirklichung dieser Funktion... 16 3.3. Am Ende der Geschichte... 22 4. Quergefragt Vilém Flussers Thesen im Vergleich zu denen anderer medientheoretischer Größen seiner Zeit... 30 5. Über die Realisierbarkeit von Flussers Vision... 40 6. Literaturverzeichnis... 48 2
1. Introduktion Spätestens seit Gutenbergs genialer Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert und erst recht mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im 19. Jahrhundert, gilt die Sprache und insbesondere das geschriebene Wort als das etablierteste Kommunikationsmittel menschlicher Existenz. Sie ersetzte die vierdimensionale Wirklichkeit, setzte sich gegen die dreidimensionale Baukunst durch und machte den zweidimensionalen Bildern ihren Platz in der anthropomorphen Welt streitig. Selbst Mimik und Gestik, die nicht minder wichtig für Gedankenübertragung sind, wurden von der Sprache überflügelt. Auch heute, in einer wesentlich telematischeren Gesellschaft, ist der Text vorherrschend. Die Sprache ist immer noch omnipräsent. Sie steht sogar noch hinter den technischen Medien, indem sie Drehbücher, Werbeslogans, Videotexte und Internetchats dominiert. Das Wort ist ohne Zweifel präsent, und dennoch scheint sich etwas zu verändern. Es ist anders präsent als früher. Es ist regelrecht inflationär präsent. 1 Kann man also sagen, dass die Vorherrschaft des geschriebenen und gesprochenen Wortes auf dem absteigenden Ast ist? Möglich wäre dies allemal. Man betrachte sich nur das 20. Jahrhundert und man wird merken, dass das Phänomen der Sprachlosigkeit nicht gerade Seltenheitswert besaß. Nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich z. B. eine Blütezeit für sprachlose Autoren, die ihren Texten bezeichnend den, von Heinrich Böll geprägten, Titel Trümmerliteratur 2 gaben. Dem Namen entsprechend gestaltete sich die Sprache auch. Sie war förmlich in Fragmente zertrümmert. Sie war schlicht und ergreifend einer Art Kahlschlag 3 unterworfen, wie es Wolfgang Weyrauch einst so treffend formulierte. Ist aber das Sprachproblem der Nachkriegsautoren gleichbedeutend mit dem Sprachproblem, welches sich derzeit viel existenzieller über unsere Kommunikation hermacht? Autoren, wie Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll und Wolfgang Borchert, schrieben schließlich derartig reduziert, um die Kriegsschrecken zu verdauen und sie gleichermaßen in ihre Texte zu integrieren. Die Schrift war eben lediglich so kahl und leer, wie die zerbombten Städte, in denen ihre Autoren lebten. Die Kriegsgeschehnisse kann man jedoch nicht als den einzigen Grund für die Spracharmut des 20. Jahrhunderts angeben. Das Sprachproblem dieses Säkulums ist viel umfassender, als man damals vielleicht annahm, was allein daran zu sehen ist, dass auch die Generationen vor dem 2. Weltkrieg und die Generationen danach ähnliche Konflikte in ihrer Textproduktion hatten. Bereits in den goldenen Zwanzigern sprach man um Gottfried Benns 1 Vgl. Flusser, Vilém: Umbruch der menschlichen Beziehungen?, in: ders.: Kommunikologie, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 101 2 Böll, Heinrich zit. in: http://www.nrw2000.de/nrw/boell.htm, Zugriff: 03. März 2005 3 Weyrauch, Wolfgang zit. in: www.kultur-netz.de/archiv/literat/gruppe47.htm, Zugriff: 03. März 2005 3