Gutartige Neubildungen der Stimmlippen: Diagnostik und Therapie Autoren: Prof. Dr. med. Christoph Arens, Dr. phil. Susanne Voigt-Zimmermann, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums der Otto-von- Guericke-Universität Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg E-Mail: christoph.arens@med.ovgu.de, susanne.voigt-zimmermann@med.ovgu.de Einleitung Gutartige Neubildungen der Stimmlippen (SL) können als Folgen von falscher Stimmtechnik, Überanstrengung, Entzündung oder von zervikogenen Problemen oder durch infektiöse Erkrankungen den Patienten unterschiedliche Probleme bereiten. Hauptsymptom ist zwar die Heiserkeit, doch können andere Probleme, wie fehlende stimmliche Leistungsfähigkeit oder subjektives Missempfindungen, im Vordergrund der Symptomatik stehen. Gutartige Neubildungen der Stimmlippen Gutartige Neubildungen der SL (gnsl) können in zwei Gruppen eingeteilt werden: 1. Pseudotumoren, die hauptsächlich exudative Läsionen der SL darstellen, aber auch Zysten einschließen. Dikkers und Nikkels [1995] und Hantzakos et al. [2009] haben vorgeschlagen, zukünftig grundsätzlich von Exudativen Läsionen des Reinke Raumes zu sprechen, wenn Polypen, Knötchen oder Reinke-Ödeme detektiert werden. These lesions share common histologic features, which are located in the Reinke's space and whose macroscopic appearance is largely dependent upon the presence and duration of certain causative factors. Warum es zu den Neubildungen kommt, ist mittlerweile gut erforscht. Im Grunde genommen führen mechanische Reizungen der Stimmlippen und Scherkräfte zu Entzündungskaskaden, die sich in vaskulären, bindegewebigen und epithelialen Umbauprozessen der Stimmlippen manifestieren. Meist liegen schon längere Zeit habituell oder konstitutionell bedingte funktionelle Fehlleistungen vor, die dann durch akute oder zusätzliche Faktoren zu den reaktiven Prozessen an den Stimmlippen führen. Besonders anfällig dafür sind dabei Menschen, deren Stimmlippen zusätzlich noch, meist berufsbedingt, sehr stark beansprucht werden. Verstärkende, entzündungsunterhaltende bzw. ebenfalls auslösende Faktoren sind inhalatorische Noxen, medikamentöse Einflüsse und laryngopharyngealer Reflux. Iatrogen bedingte Veränderungen führen meist zu Narben, deren Struktur vom Ausmaß des Eingriffes an den Stimmlippen abhängen. Zur 2. Gruppe zählen benigne Tumoren der Stimmlippen, wie SL-Fibrome, SL-Leiomyome, SL- Rabdomyome usw. Doch auch andere gutartige Veränderungen des Kehlkopfes, wie das Amoyloid oder Bamboo nodes (bamboo like lesions), und infektiös bedingte gutartige Neubildungen, wie die HPV-assoziierte rezidivierende respiratorische Papillomatose, können unter gnsl subsummiert werden. www.fg-hno-aerzte.de Seite 1
Diagnostik Weil gutartige Neubildungen der Stimmlippen, insbesondere sekundär-organische Dysphonien, selten nur eine einzige Ursache haben, bzw. funktionelle Reaktionen hervorrufen, ist eine ausführliche, mehrdimensionale Diagnostik unumgänglich. Abgesehen von den durch die ELS im Basisprotokoll vorgeschlagenen 5 großen Diagnostikbereiche (Perzeption mittels RBH-Bestimmung, Videolaryngostroboskopie, akustische Messungen, aerodynamische Messungen, subjektive Bewertung des Patienten) stellen für uns mittlerweile die flexible Endoskopie (HD) unter Anwendung von speziellen Lichtfiltern, wie Narrow Band Imaging, sowie die Stimmfunktionsdiagnostik (u.a. Stimmfeldmessung) die zielführenden Diagnostiktools dar (Voigt-Zimmermann et al. 2014). Für unsere Arbeitsgruppe haben sich bei der Larynxendoskopie insbesondere vaskuläre Veränderungen der Stimmlippen als besonders ergiebig bezüglich der ätiologischen und prognostischen Abklärung solcher benignen, aber auch malignen Veränderungen der Stimmlippen herausgestellt. So klassifizieren wir mittlerweile regelmäßig in horizontale und vertikale Gefäßveränderungen der Stimmlippen [Voigt-Zimmermann u. Arens 2014, Arens et al. 2015]. Therapie Die Therapie hängt von den vitalen Notwendigkeiten bzw. persönlichen Bedürfnissen der Patienten ab. Phonochirurgische Maßnahmen einerseits, wie Abtragung, Augmentation usw. und Stimmfunktionstherapie andererseits stellen für uns komplementäre Verfahren dar. Bei nicht reversiblen organischen Veränderungen ist die Phonochirurgie zur Optimierung des Glottisschlusses und zur Erhaltung der Funktion der SL, d.h. der vibro-elastsichen Fähigkeiten, durchzuführen. So viel wie nötig und so wenig wie möglich, diese Prämisse (Benninger et al. 1996) gilt es dabei immer zu beachten. Die Stimmfunktionstherapie (Anders 2008) bei sekundär organischen Dysphonien muss dabei prinzipiell an den auslösenden bzw. die falsche Stimmtechnik unterhaltenden Ursachen ansetzen. So gilt es, physiologisch-funktionell untermauerte Therapieverfahren (Kruse 2005) einzusetzen, die durch vorbereitende oder begleitende Verfahren zur Atemregulierung, Haltungs- und Spannungskorrektur, zum funktionellem Hören, durch physikalische Verfahren, wie die Reizstromtherapie, oder medikamentöse und diätische Maßnahmen zur Refluxprophylaxe unterstützt werden können. Dieses Prinzip kann aber auch dazu führen, dass weitere Professionen zur Behandlung herangezogen werden müssen, wie beispielsweise Manualtherapeuten oder Psychologen, oder aber spezifische Verhaltensweisen umgestellt werden müssen, wie Rauchentwöhnung oder die Arbeit am habituellen Stimmgebrauch des Patienten. Die phonochirurgischen Maßnahmen, die die Funktionsfähigkeit der Stimmlippen wieder herstellen bzw. optimieren sollen, werden ebenfalls spezifisch und auf die Bedürfnisse des Patienten berücksichtigend angewandt. Meist werden konservative Verfahren vorgeschaltet, bzw. im Sandwich-Verfahren vor und nach dem phonochirurgischen Eingriff durchgeführt. Kurative Maßnahmen können bei rezidivierenden organischen Veränderungen, komplizierten oder individuell schwierigen Heilungsverläufen unterstützend notwendig sein. Ziel des individuellen Therapiekonzeptes ist die bestmögliche Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit, die Wiedereingliederung ins Berufsleben, die Teilhabe am sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen Leben und die Steigerung der subjektiven Zufriedenheit des Patienten. www.fg-hno-aerzte.de Seite 2
Literatur: Anders LC. Funktionelle Stimmbehandlungsmethoden. In: Nawka T, Wirth G (Hg.) Stimmstörungen. Köln : DÄV: 343-386. Arens C, Glanz H, Voigt-Zimmermann S. Gefäßveränderungen der Stimmlippen Teil 2: Vertikale Gefäßveränderungen. Laryngo-Rhino-Otologie 2015; 93 (im Druck) Benninger MS, Alessi D, Archer S, Bastian R, Ford C, Koufman J, Sataloff RT, Spiegel JR, Woo P. Vocal fold scarring: current concepts and management. Otolaryngol Head Neck Surg. 1996 Nov;115(5):474-82 Dikkers FG, Nikkels PG. Benign lesions of the vocal folds: histopathology and phonotrauma. Ann Otol Rhinol Laryngol. 1995;104(9 Pt 1):698-703. Hantzakos A, Remacle M, Dikkers FG, Degols JC, Delos M, Friedrich G, Giovanni A, Rasmussen N. Exudative lesions of Reinke's space: a terminology proposal. Eur Arch Otorhinolaryngol 2009;266(6):869-78. Kruse E. Conservative approaches to the management of voice disorders. GMS Current Topics in Otorhinolaryngology, Head and Neck Surgery 2005;4:Doc13. Voigt-Zimmermann S, Arens C. Behandlung von Glottisschlussinsuffizienzen. HNO 2013;61(2):117-34. Voigt-Zimmermann S, Arens C. Gefäßveränderungen der Stimmlippen Teil 1: Horizontale Gefäßveränderungen. Laryngo-Rhino-Otologie 2014;93(12):819-30. Voigt-Zimmermann S. Lampe, K. & C. Arens: Differenzialdiagnostik der Heiserkeit. Laryngo-Rhino-Otologie 2014;93(4):263-86. www.fg-hno-aerzte.de Seite 3
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