Dirk Bölitz Raumplanung in Umweltkonfliktsituationen: Grenzüberschreitende Strategische Umweltprüfung in der Regionalplanung Erfahrungen aus dem deutsch-polnisch-tschechischen Grenzraum Zurzeit arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung an einem grenzüberschreitenden Projekt im Bereich des dezentralen Hochwasserschutzes im deutsch-tschechischen Grenzraum. In den Jahren 2004-2006 habe ich zwei Jahre beim Regionalen Planungsverband Oberlausitz-Niederschlesien, mit Sitz in Bautzen, gearbeitet. In dieser Zeit war ich im Rahmen des Interreg-III-A-Projektes Strategische Umweltprüfung in der Regionalplanung (SUP) Entwicklung eines transnationalen Prüf- und Verfahrenskonzeptes für Sachsen, Polen und Tschechien beschäftigt. Einige Ergebnisse dieses Projektes möchte ich in meinem Vortrag vorstellen: Inhalt - Rahmenbedingungen des Projektes - Zuständigkeiten für die Raumplanung auf regionaler Ebene - Rechtlicher Rahmen der Strategischen Umweltprüfung (SUP) - Phasen der Durchführung der SUP - Schlussfolgerungen Rahmenbedingungen des Interreg-III-A-Projektes Die Projektpartner waren das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden (Lead-Partner), der Regionale Planungsverband Oberlausitz-Niederschlesien in Bautzen und die Brandenburgische Technische Universität in Cottbus. Kooperationspartner in Polen waren das Marschallamt der Wojewodschaft Lebuser Land (Zielona Góra) und das Wojewodschaftsbüro für Urbanistik der Wojewodschaft 1
Niederschlesien (Wrocław) sowie in Tschechien das Regionalamt Liberec und das Regionalamt Ústí. In dem Interreg-III-A-Projekt beschäftigten wir uns mit allen Aspekten der Umsetzung der SUP entsprechend der Richtlinie 2001/42/EG. Wir untersuchten bestehende Methoden und Verfahren in Polen, in der Tschechischen Republik und in Deutschland, um voneinander zu lernen und um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verbessern. Parallel zur Durchführung des Projektes zwischen 2004-2006 lief (und läuft noch immer) die Fortschreibung der Regionalpläne in Sachsen sowie der Regionalpläne in den tschechischen Kooperationsregionen. Zuständigkeiten für die Raumplanung auf regionaler Ebene Unterschiede im Staatsaufbau und in den Verwaltungsstrukturen führen zu verschiedenen Zuständigkeiten im Rahmen der SUP. Der föderale Staatsaufbau in Deutschland führt dazu, dass sich die Verwaltungsstrukturen und Kompetenzen nicht nur zwischen Deutschland, Polen und Tschechien unterscheiden, sondern auch zwischen den einzelnen deutschen Bundesländern. In der Abbildung ist als ein deutsches Beispiel die Verwaltungsstruktur im Freistaat Sachsen dargestellt. Auf der Ebene des Staates lassen sich die deutschen zentralen Organe, also der Bund mit der Regierung in Berlin sowie die Bundesländer unterscheiden. Die Bundesländer haben eigene Regierungen und Ministerien und verfügen über das Recht, eigene Gesetze zu erlassen. Eine Selbstverwaltungsebene existiert erst auf der Ebene der Landkreise und Gemeinden. Eigentlich haben wir in Sachsen keine regionale Selbstverwaltung. Die Erstellung von Regionalplänen wurde vom Freistaat Sachsen an die Regionalen Planungsverbände übertragen, Verbände von Landkreisen und kreisfreien Städte in fünf sächsischen Planungsregionen. 2
Abbildung: Staatsaufbau und Verwaltungsstrukturen im Vergleich 1 Deutschland Freistaat Sachsen Republik Polen Tschechische Republik Bundesstaat Staat Państwo Staat Národní stát Bundesland Regierungsbezirk Wojewodschaftsamt Urząd wojewódzki Regionaler Planungsverband Marschallamt Urząd marszałkowski Region Kraj Landkreis Gemeinde Landkreis Powiat Gemeinde Gmina Gemeinde mit erweitertem Kompetenzbereich Obec s rozšířenou působnosti Gemeinde mit übertragenem Gemeindeamt Obce s pověřeným obecním úřadem Gemeinde Obec Zuständige SUP-Behörde für die Regionalplanung In der Republik Polen besteht auf der staatlichen Ebene die zentrale Regierungsverwaltung in Warschau, darüber hinaus erfüllt in jeder Wojewodschaft ein Wojewode mit dem Wojewodschaftsamt die Funktion eines staatlichen Aufsichtsorgans. Daneben erfüllt das Marschallamt die Aufgaben der regionalen Selbstverwaltung in jeder Wojewodschaft, u. a. mit der Erarbeitung des Raumbewirtschaftungsplans der Wojewodschaft. Die zentrale Regierungsverwaltung in der Tschechischen Republik befindet sich in Prag. Im Jahr 2002 wurden die Regionen als regionale Selbstverwaltungseinheiten geschaffen. Ihnen 1 In Anlehnung an Knippschild, Robert: Präsentation : Nachhaltige Raum- und Umweltplanung. Bilaterales Forum der Euregio Steiermark-Nordslowenien. Grenzüberschreitende Umweltkooperation als Wettbewerbsfaktor. Maribor. 01.06.2006. Seite 18 (unveröffentlichtes Manuskript) 3
ist die staatliche Aufgabe übertragen, Regionalpläne zu erarbeiten der sogenannten Grundsätze der Raumentwicklung der Region gemäß dem neuen tschechischen Baugesetz. Rechtlicher Rahmen der SUP Die Richtlinie 2001/42/UE enthält Anforderungen für die Durchführung von Umweltprüfungen bestimmter Pläne und Programme in der Europäischen Union und gilt also in Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik gleichermaßen. Die Durchführung der SUP zielt darauf ab, dass Umweltaspekte bereits in einem frühen Stadium Berücksichtigung finden, um ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen. Die Richtlinie 2001/42/EG aus dem Jahre 2001 war im Laufe von 3 Jahren in nationales Recht umzusetzen, das heißt bis zum Jahre 2004. Im nationalen tschechischen Recht gilt eine ähnliche SUP für Pläne bereits seit 1992 und in Polen für Raumbewirtschaftungspläne seit dem Jahre 1995, wenn auch nicht in allen geforderten Punkten. Das bedeutet, dass Polen und Tschechien bereits Erfahrungen mit der Umweltprüfung von Plänen vorweisen konnten. Die übrigen Punkte wurden bis zum Termin der Umsetzung der EU-Richtlinie im Jahr 2004 (weitestgehend) erfüllt. In Deutschland war die geforderte SUP etwas völlig neues. Eines der Umsetzungsprobleme resultierte daraus, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Föderalstaat ist und die Richtlinie damit zusätzlich in den 16 einzelnen Bundesländern umgesetzt werden muss, die ihre Gesetze über die Landes- und Regionalplanung unabhängig verabschieden. Und so ist der sächsische Gesetzentwurf zur Umsetzung der SUP-Richtlinie noch immer nicht in Kraft getreten, also drei Jahre nach Ende der Frist! Phasen der Durchführung der SUP Im Folgenden möchte ich Unterschiede und Ähnlichkeiten in Sachsen, Polen und Tschechien beim Verfahren der SUP anhand der nachfolgenden Etappen gemäß der Richtlinie vorstellen:! Screening! Scoping 4
! Umweltbericht mit Prognose der Umweltauswirkungen! Beteiligung von Öffentlichkeit und Behörden! Grenzüberschreitende Beteiligung! Bekanntmachung der Entscheidung! Monitoring Zu Beginn ist auf einen weiteren grundsätzlichen Unterschied zwischen Deutschland auf der einen sowie Polen und Tschechien auf der anderen Seite hinzuweisen: In Polen und in Tschechien ist die Durchführung von Umweltprüfungen ein selbständiges Verwaltungsverfahren. In Deutschland sind Umweltprüfungen unabhängiger Teil des Verwaltungsverfahrens. Deshalb gibt es in Deutschland keine zentralen Aufsichtsbehörden, die zuständig für Umweltprüfungen sind. In Tschechien sind diese Organe beim Umweltministerium angesiedelt (soweit es um Regionale Pläne und Programme geht) und in Polen noch zusätzlich in den Wojewodschaftsämtern, wo diese Funktion der sogenannte staatliche Wojewodschaftsgesundheitsinspektor erfüllt. Kommen wir nun zu den Etappen der SUP entsprechend der Richtlinie: > Screening o In einer ersten Phase des Screening ist zu prüfen, ob der Plan/das Programm erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. > Scoping o Im Falle, dass der Plan erhebliche Umweltauswirkungen haben kann, sind Konsultationen mit den öffentlichen Stellen mit umweltbezogenem Aufgabenbereich durchzuführen, um die Untersuchungsrahmen zum Umweltbericht festzulegen. o In Sachsen informiert der Regionale Planungsverband alle bedeutenden Stellen mit umweltbezogenem Aufgabenbereich über Möglichkeit der Teilnahme am Scoping, mit dem Ziel, den Untersuchungsrahmen festzulegen. Auf der Grundlage der so gesammelten Informationen legt der Planungsverband den Untersuchungsrahmen selbst fest. o In Polen ist allein das Wojewodschaftsamt, also der zuständige Staatliche Wojewodschaftsgesundheitsinspektor zuständig für das Scoping und 5
übermittelt dem Marschallamt als Träger der Raumbewirtschaftungsplanung den Untersuchungsrahmen. o In Tschechien definiert allein das Umweltministerium den Untersuchungsumfang für Pläne und Programme auf der Ebene der Region und übermittelt dem Regionalamt als Träger der Grundsätze der Raumentwicklung in der Region seine Anforderungen an die Durchführung der SUP. > Umweltbericht o Im Umweltbericht ist die Durchführung der der SUP entsprechend des Anhangs 1 der Richtlinie und des im Scoping festgelegten Untersuchungsrahmens zu dokumentieren. Der Bericht enthält u. a. Eine Prognose über die Umweltauswirkungen, er dokumentiert die berücksichtigten Alternativen, Maßnahmen zur Vermeidung, Verminderung und Kompensation von Umweltauswirkungen und ein Monitoringkonzept. > Beteiligung von Öffentlichkeit und Behörden o Der Planentwurf ist zusammen mit dem Umweltbericht bekannt zu machen. Interessierte können ihre Anmerkungen zu den Dokumenten vorbringen. o In Polen und in Tschechien sind staatliche Aufsichtsbehörden verantwortlich für die SUP, das heißt, das Ministerium (CR) und das Wojewodschaftsamt (PL), können Änderungen des Planentwurfs fordern, um negative Umweltauswirkungen zu verringern. Andernfalls können diese Organe die Plangenehmigung verweigern. o In Deutschland gibt es keine solchen Aufsichtsbehörden. Am Ende des Verfahrens muss der Regionale Planungsverband jedoch dokumentieren, wie er mit den Stellungnahmen umgegangen ist, das heißt seine Entscheidungen begründen. > Grenzüberschreitende Beteiligung o In dem Fall, dass der Planentwurf bedeutende grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben kann, wird ein grenzüberschreitendes Beteiligungsverfahren durchgeführt. 6
o Im Verlaufe unseres Interreg-III-A-Projektes haben wir festgestellt, dass eine solche grenzüberschreitende SUP-Beteiligung gemäß polnischem Recht lediglich für sektorale Pläne durchzuführen ist. o Bei Raumbewirtschaftungsplänen wird kein grenzüberschreitendes Beteiligungsverfahren durchgeführt. Zwar werden mögliche grenzüberschreitende Auswirkungen dokumentiert, aber dies bedeutet keine grenzüberschreitende Beteiligung. Grund hierfür ist, dass das Raumplanungsverfahren zusammen mit der so genannten Umweltprognose gemäß Raumplanungsgesetz und nicht gemäß Umweltrecht durchgeführt wird. o Ich denke allerdings, dass derzeit erst erste Erfahrungen mit grenzüberschreitenden Verfahren gesammelt werden. Die nichtformelle Zusammenarbeit funktioniert im Dreiländereck hingegen schon länger. Zusammenfassend sollten hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verfahrens folgende Aspekte berücksichtigt werden: o Zuständige Behörden/Kontaktstellen (Wer ist zuständig für die Durchführung des grenzüberschreitenden Verfahrens?), o Termin und Inhalt der grenzüberschreitenden Unterrichtung (Sollten die benachbarten Staaten bereits am Scoping oder erst am Umweltbericht beteiligt werden?) o Fristsetzung (Über wie viel Zeit verfügt der betroffene Staat für die Erstellung und Übermittlung seiner Stellungnahme? Wir haben mindestens 60 Tage vorgeschlagen, unter Berücksichtigung der tschechischen Fristenregelungen zur grenzüberschreitenden SUP-Beteiligung. Dort sind insgesamt 2 Monate erforderlich. Dies ist der längste verbindliche Zeitraum im Vergleich mit Polen (mindestens 21 Tage) und Sachsen (mindestens 1 Monat höchstens 3 Monate) o Durchführung mündlicher Konsultationen (Im Falle erheblicher Konflikte können mündliche Konsultationen durchgeführt werden. Dabei ist abzustimmen, welche Behörden/Stellen teilnehmen sollen!) 7
o Bekanntmachung der Entscheidung (Der verabschiedete Plan ist zusammen mit dem Umweltbericht und der Begründung der Lösungen für die Entscheidung an die benachbarte zuständige Behörde zu übermitteln, die am grenzüberschreitenden Verfahren beteiligt war) o Monitoring grenzüberschreitender Umweltauswirkungen (Wie kann das Monitoring grenzüberschreitender Umweltauswirkungen durchgeführt werden? Auf diesem Gebiet sind die Erfahrungen erst gering.) o Übersetzungen (Alle erforderlichen Übersetzungen sind vom Ursprungsstaat anzufertigen!) Schlussfolgerungen Zum grenzüberschreitenden Verfahren existiert bezüglich der Projekt-UVP seit letztem Jahr ein Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Durchführung der Konvention über Umweltprüfungen im grenzüberschreitenden Rahmen. Der Prozess dauerte 10 Jahre, ehe diese vertragliche Einigung zwischen Polen und Deutschland erreicht wurde. Allerdings ging es hierbei eben um das UVP-Verfahren bei geplanten konkreten Vorhaben. Die deutsch-polnische Vereinbarung zur UVP kann jedoch als Orientierung auch für die Durchführung der grenzüberschreitenden SUP dienen. Leider existiert eine solche Vereinbarung zwischen Deutschland und Tschechischer Republik noch nicht. In unserem Interreg-III-A-Projekt haben wir unterschiedliche Lösungen in den drei Ländern berücksichtigt und sind in einen Erfahrungsaustausch getreten. Darüber hinaus konnte die regionale Zusammenarbeit in Fragen der Umweltprüfung und grenzüberschreitender Beteiligung angestoßen werden. Zudem wurde der Austausch von Umweltdaten begonnen. 8