Übergänge sozialpädagogische Perspektiven. Internationaler Kongress der SGSA Wolfgang Schröer Universität Hildesheim

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Transkript:

Übergänge sozialpädagogische Perspektiven Internationaler Kongress der SGSA Wolfgang Schröer Universität Hildesheim

Übergänge sozialpädagogische Perspektiven Ist alles Übergang! Oder wo liegt die fachliche Produktivität des Übergangskonzepts?

Überblick 1. Konzeptionelle Ursprünge: Herausgeforderte Akteure 2. Diskursives Ereignis I: Entstrukturierung der Jugendphase 3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens 4. Entgrenzte Übergänge: Sozialpädagogik der Übergänge

1. Konzeptionelle Urspünge Übergangsrituale van Gennep (1909) Übergangsobjekt und -raum Winnicott (1951) Übergangszeiten Habermas (2001) Übergangsmenschen Doerry (1996)

1. Konzeptionelle Urspünge Gemeinsamkeiten der Konzepte Historisch und/oder individuell herausgeforderte Akteure Übergänge als soziale Gelegenheitsstrukturen der Neupositionierung der Akteure Übergänge mehr als Wechsel in der Mitgliedschaft oder sozialen Zugehörigkeit, sondern ein biographischer, historischer etc. Gestaltungsraum

2. Diskursives Ereignis I: Entstrukturierung der Jugendphase

2. Diskursives Ereignis I: Enstrukturierung der Jugendphase Diagnosen der 1980er Jahren in Europa Strukturwandel der Jugend Individualisierung der Jugendbiografie Destandardisierung Wandel vom Übergangsmoratorium zum Bildungsmoratorium Ende der Jugend Thomas Olk (1985): Entstrukturierung der Jugendphase

2. Diskursives Ereignis I: Entstrukturierung der Jugendphase Unisono wird [ ]darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahrzehnten ein tiefgreifender Wandel die Jugendphase erfasst hat. Die Status- Rollen-Konfiguration Jugend, so Thomas Olk, scheint intern immer unausgewogener zu werden, durch zunehmende Inkonsistenzen und Spannungen gekennzeichnet zu sein, sich zeitlich immer mehr in die Länge zu strecken, zum Ende zu zerfasern und an inhaltlicher Struktur und Gestalt zu verlieren (Lenz 1998)

2. Diskursives Ereignis I: Entstrukturierung der Jugendphase Übergänge und Entstrukturierung der Jugendphase: Jugend ist keine lineare Übergangsphase, in der es allein um den Wechsel der Mitgliedschaft zwischen Kindheit und Erwachsenenstatus geht Jugend als eigenständige Lebensphase, die die Akteure in unterschiedlichen Übergangskonstellationen herausfordert, Wechsel in der Mitgliedschaft und sozialen Zugehörigkeit zu gestalten

2. Diskursives Ereignis I: Entstrukturierung der Jugendphase Übergänge setzen biographische Gestaltungsräume frei, sie müssen zu unterschiedlichen Zeiten oder auch gleichzeitig in der gestreckten Jugendphase biographisch bewältigt werden Modernisierungstheoretische Perspektive: Übergänge bergen Chancen und Risiken die Gelegenheitsstrukturen zur Neupositionierung sind sozial ungleich ausgestaltet

2. Diskursives Ereignis I: Entstrukturierung der Jugendphase - Graphik von Barbara Stauber & Andreas Walther (2002) Übergang als lineare und homogene Statuspassag e Übergang a ls Lebenspha se verlängerter und diversifizierter Statuspassag en Reversible und fragmentierte Yoyo-Übergänge mit Risiken und Wahlmöglichkeiten 35 Erwachsen-Sein Erwachsen-Sein Erwachsen-Sein? 25 18 15 Jugend Jugend Jugend Alter

2. Diskursives Ereignis I: Entstrukturierung der Jugendphase Offensichtlich wurde, dass nicht alle Jugendlichen, die gleichen Übergangskonstellationen erleben und unterschiedlich biographisch herausgefordert werden Bsp. Care Leaver Jugendliche unterschiedliche soziale und biographische Spielräume in den Übergangskonstellationen zugestanden werden Bsp. Schule Beruf - Studium

3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens

3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens Positionaler Bildungswettbewerb in Europa: Implikationen für den positionalen Wettbewerb sind klar das wichtigste Politikziel ist es, andere Länder bei der Entwicklung des Humankapitals zu übertreffen. Da die Qualität des Humankapitals einer Nation Gegenstand globaler Vergleiche ist, von dem Unternehmen wiederum ihre Investitionsentscheidungen abhängig machen, hat die Anhebung des Qualifikationsniveaus der gesamten Bevölkerung absolute Priorität gegenüber Debatten über Probleme der Angleichung von Lebenschancen (Brown 2004, S. 244)

3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens Repräsentationskrise: Hält das nationale Bildungswesen dem Wettbewerb stand? Welche Bildungskarrieren repräsentiert das Bildungswesen? Vertrauen die Bürger_innen dem Bildungswesen, dass es sie für ihren positionalen Wettbewerb entsprechend ausstattet?

3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens 1. Wem wird welche Neupositionierung im Übergang zugestanden? Bsp. soziale und geographische Mobilität 2. Welche Formen von non-formaler und informeller Bildung werden in den Übergangskonstellationen anerkannt und sind nützlich. Bsp. Studienplatzwahl

3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens Repräsentationskrise und Übergänge Übergänge (Karriere und Mobilität) entscheiden über Bildungskarrieren unterschiedliche Übergangsintensität der Bildungsinfrastrukturen An den Übergängen wird das Zusammenspiel von formalen, nonformalen und informellen Strukturen besonders deutlich.

3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens Bildungskritik aus der Übergangsperspektive: Formale (Bildungs-) und Erwerbserfolge als Kriterium der Bedeutung des Informellen Übergangsgestaltung allein als Steuerung der Passungsverhältnisse und Kooperationsstrukturen (Fallmanagement und Vernetzung) Kritik am methodologischen Institutionalismus der Bildungsforschung vs. biographische und relationale Perspektiven

3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens Sozialpädagogische Forschung beschreibt die Begleitung und Gestaltung von Übergängen mitunter als gesellschaftlichen Auftrag, der in den bestehenden institutionellen Strukturen als unmöglich zurückgewiesen werden sollte.

3. Diskursives Ereignis II: Repräsentationskrise des Bildungswesens Transition: Methodologischer Institutionalismus der Bildungsforschung

4. Entgrenzte Übergänge: Sozialpädagogik der Übergänge

4. Entgrenzte Übergänge: Sozialpädagogik der Übergänge Übergangsdiagnose als Gesellschaftskritik Alltag als dauerhaft-transitorischer Zustand, eine permanente Zwischenposition oder Wettbewerb und Eingliederung lebenslänglich (Castel 2000)

4. Entgrenzte Übergänge: Sozialpädagogik der Übergänge Übergänge als Flexibilisierung des Lebenslaufs Übergänge als Beschleunigungsräume und lebenslänglicher Mithaltedruck der ständig herausgeforderte und müde Akteure

4. Entgrenzte Übergänge: Sozialpädagogik der Übergänge Entgrenzte Übergänge Entgrenzung meint nicht, dass der institutionalisierte Lebenslauf sich auflöst und alles Übergang wird, sondern dass sich die bisherigen Grenzen von Bildung, Arbeit, Freizeit, Medien etc. im Lebenslauf verschieben und sich neue Übergänge bilden

4. Entgrenzte Übergänge: Sozialpädagogik der Übergänge Dies fordert die Soziale Arbeit heraus, nach den sozialen Konstruktionen von Übergängen und damit einhergehenden Politiken von sozialer, politischer und ökonomischer Handlungsfähigkeit (agency) zu fragen, die in Übergangskonstellationen konstruiert werden.

4. Entgrenzte Übergänge: Sozialpädagogik der Übergänge Sozialpädagogische Forschung als Übergangsforschung die nach den biographischen Spielräumen und Bewältigungsräumen der herausgeforderten Akteure fragt; Gelegenheitsstrukturen der Neupositionierung der Akteure in ihrer sozialen Strukturierung untersucht; die Wechsel in der Mitgliedschaft im Bildungswesen als einen biographischen Gestaltungsraum im Zusammenspiel von formalen, informellen und nonformalen Strukturen und Beziehungen analysiert.

4. Entgrenzte Übergänge: Sozialpädagogik der Übergänge Übergänge erfordert nicht eine Pädagogik des Verabschiedens, sondern eine Pädagogik des Wiedersehens danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffentlich Auf Wiedersehen