Vorläufige Fassung. Ein Mindestlohn von 7,50 Euro je Stunde bringt vor allem Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor in Gefahr



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Transkript:

Vorläufige Fassung Ein Mindestlohn von 7,50 Euro je Stunde bringt vor allem Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor in Gefahr Kurzfassung In der gegenwärtigen öffentlichen Debatte zur Einführung eins Mindestlohns werden verschiedene Vorschläge zur Ausgestaltung und zu dessen Höhe diskutiert. Vielfach wird ein Mindeststundenlohn von 7,50 Euro genannt. Dabei ist weitgehend unbekannt, wie viele Arbeitnehmer in den einzelnen Branchen derzeit weniger als 7,50 Euro verdienen. Deren Arbeitsplätze wären bei Einführung eines Mindestlohns gefährdet. Mit Hilfe des sozio-oekonomischen Panels läßt sich zeigen, daß die Anteile der Geringverdiener an den Beschäftigten in einigen Wirtschaftszweigen beträchtlich sind. Insbesondere in werden in einzelnen Branchen vor allem im Einzelhandel sowie bei den wirtschaftsnahen Dienstleistern besonders viele Arbeitnehmer mit weniger als 7,50 Euro je Stunde entlohnt. Bei einer Erhöhung des Stundenlohns auf die geforderte Mindesthöhe ist gerade in diesen arbeitsintensiven Branchen der Abbau von Beschäftigung zu befürchten. Hans-Ulrich Brautzsch Birgit Schultz Wirtschaft im Wandel X/2008 1

Ein Mindestlohn von 7,50 Euro je Stunde bringt vor allem Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor in Gefahr In der derzeitigen Debatte zur Einführung eines Mindestlohns werden verschiedene Vorschläge zur Ausgestaltung und zu dessen Höhe diskutiert. Vielfach wird ein Bruttomindestlohn von 7,50 Euro je Stunde vorgeschlagen. Dabei liegen aber keine aktuellen Informationen darüber vor, wie viele Geringverdiener 1 in den einzelnen Wirtschaftsbereichen gegenwärtig weniger als diesen Stundenlohn erhalten. Die Kenntnis des Umfangs dieses Personenkreises ist wichtig, um das Gefährdungspotential für die Beschäftigungssituation im Niedriglohnbereich im Falle der Einführung eines Mindestlohns abschätzen zu können. Zu vermuten ist, daß sich dieser Personenkreis auf einige Branchen konzentriert. Dieses Informationsdefizit zu verringern ist Ziel dieses Beitrags. Als Datengrundlage dient dabei das sozio-oekonomische Panel (SOEP) (vgl. Kasten). Kasten: Zur Datenbasis und Vorgehensweise Als Datenquelle wurde das SOEP in den Wellen bis 2006 genutzt. Der Brutto-Stundenlohn wurde als Quotient aus dem letzten Brutto-Monatsverdienst und der vereinbarten Arbeitszeit errechnet. Es wurden nur Datensätze berücksichtigt, in denen beide Angaben vorhanden sind. Die Brutto-Stundenlohnangaben wurden für alle Arbeiter, Angestellten und Beamten ausgewertet. Ausgeschlossen wurden aufgrund sachlicher Überlegungen Personen mit einem Ein-Euro-Job sowie Auszubildende und Praktikanten. Die Trennung nach Ost- und erfolgte über die Wohnortsangabe. Berlin-Ost ist und Berlin-West zugeordnet. Die Daten wurden mit den Hochrechnungsfaktoren des SOEP gewichtet, um repräsentative Aussagen für die jeweilige Grundgesamtheit zu erhalten. Grundlage sind die Branchenangaben nach der Wirtschaftszweigklassifikation NACE. Allerdings hat ein Teil der befragten Personen keine Angabe zur Branchenzugehörigkeit gemacht. In kleineren Branchen sind die Fallzahlen extrem gering, so daß zunächst nur eine Auswertung nach Hauptwirtschaftsbereichen durchgeführt wurde. Einzelne größere Branchen des Zweistellers der Wirtschaftszweigklassifikation können direkt betrachtet werden. Vor allem in hoher Anteil von Geringverdienern Im Jahr 2006 verdienten in 19% der abhängig Beschäftigten weniger als 7,50 Euro je Stunde; in waren es hingegen 9%. 2 Damit verdienen rund eine Million Arbeitnehmer in und ca. zweieinhalb Millionen abhängig Beschäftigte in einen Bruttostundenlohn unterhalb dieses Schwellwerts. Eine zusätzliche Information über die Verteilung der Arbeitnehmer nach ihren Bruttostundenlöhnen gibt der Medianwert. Demnach verdienen 50% der Arbeitnehmer in weniger als zwölf Euro je Stunde, in lag dieser Wert bei 15 Euro je Stunde. Der vorgeschlagene Mindestlohn würde demnach in ca. 62% und in 50% des jeweiligen Durchschnittswerts betragen. Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob sich der Anteil der Geringverdiener erhöht hat, wird ein Vergleich mit der Situation im Jahr 2000 durchgeführt. Dabei muß in Rechnung gestellt werden, daß seitdem Löhne und Preise gestiegen sind. Der gegenwärtig geforderte Mindeststundenlohn von 7,50 Euro 1 Im folgenden wird unter einem Geringverdiener ein Arbeitnehmer mit einem Bruttostundenlohn von weniger als 7,50 Euro verstanden. 2 Vgl. BRAUTZSCH, H.-U.; SCHULTZ, B.: Jeder fünfte Arbeitnehmer im Osten verdient weniger als 7,50 Euro je Stunde, in: IWH, Wirtschaft im Wandel 2/2008, S. 59. 2 Wirtschaft im Wandel X/2008

entsprach demnach im Jahr 2000 einem Bruttostundenlohn von 6,67 Euro. 3 Unterhalb dieses Werts wurden damals 20% der abhängig Beschäftigten in und 7% in entlohnt. Damit entsprachen die Anteile der Geringverdiener im Jahr 2006 in etwa denen des Jahres 2000. Geringverdiener konzentrieren sich auf arbeitsintensive Wirtschaftszweige Ein hoher Anteil an Arbeitnehmern, die weniger als 7,50 Euro je Stunde verdienen, ist in arbeitsintensiven Branchen zu beobachten. Dies trifft insbesondere auf das Gastgewerbe, den Handel sowie die wirtschaftsnahen Dienstleister zu (vgl. Abbildung 1). Im ostdeutschen Gastgewerbe empfing sogar mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer weniger als 7,50 Euro je Stunde. Hingegen gibt es beispielsweise im Kredit- und Versicherungsgewerbe anteilig wenige Geringverdiener. Abbildung 1: Anteil der abhängig Beschäftigten* im Jahr 2006 mit einem Brutto-Stundenlohn unter 7,50 Euro nach Hauptwirtschaftsbereichen 60% 40% 20% 0% A D F G H I J K So keine Angabe * Arbeiter, Angestellte und Beamte, ohne Ein-Euro-Jobber, Auszubildende und Praktikanten. A D F G H I J K So Land- und Forstwirtschaft Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz etc. Gastgewerbe Verkehr und Nachrichtenübermittlung Kredit- und Versicherungsgewerbe Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen, anderweitig nicht genannt Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden; Energie- und Wasserversorgung; Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen; Sonstige öffentliche und persönliche Dienstleistungen 3 Zur Deflationierung wurde der Verbraucherpreisindex verwendet. Wirtschaft im Wandel X/2008 3

Für einige Branchen, für die im SOEP eine hinreichend große Fallzahl vorliegt, lassen sich differenzierte Aussagen zum Anteil der Geringverdiener treffen. So ist er im Einzelhandel sowie bei den wirtschaftsnahen Dienstleistern 4 sowohl in Ost- als auch in überproportional hoch (vgl. Abbildung 2). Zu letzteren gehören beispielsweise Wach- und Sicherheitsdienste, Call Centers, Architekturbüros und Rechtsanwaltskanzleien. Abbildung 2: Anteil der abhängig Beschäftigten* im Jahr 2006 mit einem Brutto-Stundenlohn unter 7,50 Euro in ausgewählten Wirtschaftszweigen 60% 40% 20% 0% 28 29 31 34 52 74 28 Herstellung von Metallerzeugnissen 29 Maschinenbau 31 Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung u. ä. 34 Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen 52 Einzelhandel (Teil des Hauptwirtschaftsbereichs G) 74 Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen (Teil des Hauptwirtschaftsbereichs K) Betrachtet man den Medianwert, so verdiente im ostdeutschen Einzelhandel die Hälfte der Arbeitnehmer weniger als 9,50 Euro je Stunde (: 11,50 Euro). Der vorgeschlagene Mindestlohn entspricht damit 79% des Mittelwerts (: 65%). Bei den wirtschaftsnahen Dienstleistern sind es in 8,50 Euro je Stunde (: 13,50 Euro je Stunde). Der anvisierte Mindestlohn entspricht damit in 88% des Durchschnittswerts, in sind es 65% (vgl. auch Abbildungen 3 und 4). 4 Als wirtschaftsnahe Dienstleister werden im folgenden die Unternehmen des Bereichs Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen (WZ-Nummer 74) verstanden. 4 Wirtschaft im Wandel X/2008

Abbildung 3: Kumulierte Anteile (in %) der abhängig Beschäftigten* im Jahr 2006 mit einem Brutto-Stundenlohn von... bis... Euro im Wirtschaftszweig Einzelhandel (52) 100 80 60 40 20 0 0,00 EUR 7,50 EUR 15,00 EUR 22,50 EUR 30,00 EUR 37,50 EUR Abbildung 4: Kumulierte Anteile (in %) der abhängig Beschäftigten* im Jahr 2006 mit einem Brutto-Stundenlohn von... bis... Euro im Wirtschaftszweig Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen (74) 100 80 60 40 20 0 0,00 EUR 7,50 EUR 15,00 EUR 22,50 EUR 30,00 EUR 37,50 EUR Wirtschaft im Wandel X/2008 5

In den vergangenen Jahren hat in der Anteil der Beschäftigten bei den wirtschaftsnahen Dienstleistern deutlich zugenommen. Würde in Branchen mit einem hohen Anteil an Geringverdienern ein Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro eingeführt, so ist zu vermuten, daß diese Unternehmen mit einem Abbau der Arbeitsplätze reagieren oder versuchen werden, unbezahlte Mehrarbeitsstunden durchzusetzen. Hinzu kommt, daß infolge der geringen Kapitalintensität die Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten zu arbeitskostengünstigeren Standorten relativ leicht ist. Hingegen gibt es auch Wirtschaftszweige, in denen der Anteil der Geringverdiener klein ist. Dazu gehören beispielsweise die Herstellung von Metallerzeugnissen sowie von Kraftwagen und der Maschinenbau. In diesen Branchen ist der Anteil hochqualifizierter und damit gut entlohnter Fachkräfte entsprechend überdurchschnittlich hoch und einfache Tätigkeiten dürften größtenteils nicht zuletzt infolge des Lohndrucks bereits ausgelagert bzw. substituiert worden sein. Die Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 7,50 Euro dürfte in diesen Branchen nur geringe Wirkung zeigen. Sonderfall: Mindestlohn im Baugewerbe Gültige und durch Rechtsverordnung verbindliche Mindestlöhne aufgrund des Arbeitsnehmer-Entsendegesetzes gibt es zur Zeit im Baugewerbe, Elektrohandwerk, Maler- und Lackiererhandwerk, Dachdeckerhandwerk, bei den Briefdienstleistungen sowie bei der Gebäudereinigung. 5 Die ersten vier genannten Tarifbereiche betreffen das nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2003 abgegrenzte Baugewerbe. Zu beachten ist, daß nicht alle Arbeitnehmer, die gemäß dieser Klassifikation dem Baugewerbe zugeordnet werden, in einem Betrieb oder Betriebsteil arbeiten, der an den gesetzlichen Mindestlohn der vier das Baugewerbe betreffenden Tarifbereiche gebunden ist. Anhand des SOEP kann jedoch nicht entschieden werden, ob ein Arbeitnehmer zu einem mindestlohnpflichtigen Betrieb oder Betriebsteil gehört. Daher wurden für die Baubranche die Beschäftigtenanteile sowohl für die derzeit diskutierte Mindestlohngrenze von 7,50 Euro als auch für die im Jahr 2006 (bis September) geltenden Mindestlöhne ausgezählt. Die gesetzlichen Mindeststundenlöhne betrugen im Baugewerbe in 8,80 Euro und in 10,20 Euro. In Abbildung 5 ist der Anteil der abhängig Beschäftigten angegeben, die weniger als den gesetzlich fixierten Mindestlohn beziehungsweise sogar weniger als 7,50 Euro je Stunde verdienen. In erhielten 15% der Arbeitnehmer im Baugewerbe weniger als 7,50 Euro je Stunde, knapp 30 % der abhängig Beschäftigten weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Jeder neunte westdeutsche Arbeitnehmer verdiente in dieser Branche weniger als 7,50 Euro je Stunde und jeder sechste weniger als die gesetzlich festgelegte Lohnuntergrenze. Allerdings läßt sich anhand des SOEP wie bereits erwähnt nicht eindeutig klären, wie viele abhängig Beschäftigte unter die Bestimmungen des Entsendegesetzes fallen. 5 Vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES: Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge (Stand: 1. Januar 2008). 6 Wirtschaft im Wandel X/2008

Abbildung 5: Anteil der abhängig Beschäftigten* im Baugewerbe im Jahr 2006 mit einem Brutto-Stundenlohn unter 7,50 Euro bzw. unter dem gesetzlichen Mindestlohn** 60% 40% 20% 0% weniger als 7,50 Euro gesetzlicher Mindestlohn ** Gesetzlicher Mindestlohn 8,80 Euro () / 10,20 Euro (). Fazit Der Anteil der abhängig Beschäftigten, die weniger als 7,50 Euro je Stunde verdienen, ist in arbeitsintensiven Branchen wie beispielsweise dem Einzelhandel und den wirtschaftsnahen Dienstleistern besondern hoch, während er in weniger arbeitsintensiven Branchen wie im Verarbeitenden Gewerbe vergleichsweise klein ist. In Branchen mit einem niedrigen Anteil von Geringverdienern dürfte die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns keine großen Beschäftigungseffekte haben. Hingegen dürfte in Branchen mit einem hohen Anteil von Geringverdienern die Einführung eines Mindestlohns verstärkte Rationalisierungsaktivitäten in den Unternehmen auslösen, was letztendlich Arbeitsplätze in Gefahr bringen kann. Ob gerade die wirtschaftsnahen Dienstleister betroffen wären, hängt davon ab, inwieweit die niedrigen Löhne ausschlaggebend für den vor allem in beobachteten Beschäftigungsaufbau in den vergangenen Jahren waren. Hans-Ulrich Brautzsch (Ulrich.Brautzsch@iwh-halle.de) Birigt Schultz (Birgit.Schultz@iwh-halle.de) Wirtschaft im Wandel X/2008 7