TGN1412: Worst case Prof. Dr. Albert Duschl
Progress Monoklonale Ab gibt es seit 1975, der erste mab erreichte die Klinik bereits 1986 (Muromonab, anti- CD3, gegen Transplantat- Abstossung). Haupt-Anwendungsgebiete für mab sind Krebs und Autoimmunität. Weltumsatz für klinisch verwendete mab im Jahr 2008: $ 15 Mrd (Aggarwal, S., Nature Biotech. 11:987-993 (2009). Beck et al., Nature Rev. Immunol. 10: 345-352 (2010)
Welche Targets wählt man? (1) Die Kosten einer Pharmaentwicklung lassen sich realistischerweise nur mit Medikamenten wieder einbringen für die es einen ausreichenden Markt gibt. Armutserkrankungen und seltene Erkrankungen sind daher ganz wesentlich auf öffentliche Förderung oder Stiftungen angewiesen. Es gibt aber auch dabei einen Markt der Aufmerksamkeiten. Den Kräften des Marktes ist nicht zu entkommen. Nature 17. Feb. 2011
Welche Targets wählt man? (2) Gut bekannte Targets. Sie bieten eine Menge Vorteile: - Tools sind oft schon erhältlich (Hemmstoffe, Antikörper, sirnas, Liganden etc.) - Umfangreiche Literatur - Bekannter Markt, Wert gut abzuschätzen - Erfahrungen mit Wirkungsspektrum, praktischer Anwendung, Verschreibungspraxis etc. - Aufbau auf vorliegenden Arbeiten Nachteil: More of the same Nature 10. Feb. 2011
Disaster Am 13. März 2006 wurde in London an acht männlichen Freiwilligen eine placebokontrolliere, randomisierte, doppel-blinde Phase 1 Studie mit TGN1412 durchgeführt. TGN1412, ein anti-cd28 Super-Antagonist, wurde von TeGenero entwickelt, von Boehringer Ingelheim hergestellt und der Versuch wurde von Parexel International durchgeführt. In sechs der acht Versuchspersonen trat innerhalb der nächsten Stunden Multiorganversagen ein. Die beiden Personen ohne Symptome hatten Placebo erhalten. Alle erkrankten Versuchspersonen überlebten, jedoch mit schweren, bleibenden Schäden. Was ist schief gegangen? Wikipedia
Normaler Ablauf von Pharmaentwicklung Identifizierung eines Targets für therapeutische Intervention Entdeckung einer Leitsubstanz mit erwünschter biologischer Wirkung Verbesserung der Substanz, Charakterisierung in vitro Charakterisierung in Krankheitsmodellen bei Versuchstieren Komplette Pharmakokinetik und Toxikologie in Tieren Phase 1 klinische Studie (Verträglichkeit, Pharmakokinetik) Phase 2 klinische Studie (Wirksamkeit) Phase 3 klinische Studie (Überlegene Wirksamkeit) Zulassungsantrag Zulassung durch EMA (European Medicines Agency), FDA (Food and Drug Administration (FDA) oder andere Genehmigungsbehörde Phase 4: Beobachtung auf dem Markt Dauer bis zur Zulassung: Ca. 10 Jahre ab Entdeckung des Wirkstoffs Kosten: $ 1.3 Mrd. (Tufts Center for the Study of Drug Development, News release Jan. 5, 2011)
Anti-CD28 Wikipedia Hansel et al., Nature Reviews Drug Discovery, 9: 325-338
Was in London passierte In den Versuchspersonen ereignete sich ein Cytokine Storm (oder Cytokine Release Syndrom, CRS), also eine massive systemische Freisetzung von proinflammatorischen Cytokinen. Es gibt mehr mab die CRS auslösen, angefangen mit Muromonab, aber keiner tut es in dieser schweren Form. Erwartet und im Tierversuch bestätigt war T-Zell Aktivierung, aber spezifisch von T H 2 und vor allem von T reg Zellen. Beides sollte zu einer Immunsuppression führen. Das war die Theorie. Sunatharalingam et al, N Engl J Med 355:1018-10128 (2006)
Ex post TGN 1412 ist entsprechend allem Vorschriften entwickelt, hergestellt und verabreicht worden. Der Wirkstoff wurde von Mäusen, Ratten und Cynomolgus-Affen (crab eating macaque, Javaneraffe) gut vertragen. Alle wichtigen, für die Zulassung der Phase 1 Studie vorgelegten Versuche wurden von unabhängigen Experten später wiederholt. Die Ergebnisse entsprachen völlig den Originaldaten. Alle verwendeten Reagenzien und Protokolle waren einwandfrei und entsprachen internationalen Standards. Die durchführende Firma hat große Erfahrung mit klinischen Versuchen. Für CD28 ist die Struktur bekannt, es handelt sich um ein intensiv untersuchtes Molekül, Die Dosis war niedrig: Maximal 0.1 mg / kg Körpergewicht. Wikipedia. Diese Abbildung aus dem TGN1412 Artikel ist schlecht. Warum?
Erklärungen CD28 kommt nicht nur auf seinen Zielzellen vor, sondern auf fast allen CD4 + T-Zellen, vielen CD8 + T-Zellen sowie bestimmten NK Zellen, Neutrophilen, B- Zellen und anderen. Der Mechanismus für die spezifische T reg Aktivierung war nicht verstanden. Die entscheidenden Zellen in den Testpersonen waren Memory T-Zellen. Diese Zellen setzten die großen Cytokinmengen frei. Speziesunterschiede, beruhend z.b. auf SIGLECs (sialic acid binding Ig-like lectins) wurden diskutiert, aber es haben ja drei Systeme das Ergebnis nicht vorhergesagt: Makaken / Mäuse+Ratten / PBMC. Fig. Hansel et al., Nature Reviews Drug Discovery, 9: 325-338 (2010)
Systeme Mäuse: Sie unterdrücken Cytokinfreisetzung erfolgreich mit Treg. Das geht, denn die Zahl der Memory T-Zellen ist gering: Die Mäuse werden ja unter SPF-Bedingungen gehalten (Specific Pathogen Free). Woher sollen sie da viel T-Memory haben? Wilde Mäuse würde funktionieren, machen aber viele andere Probleme. Makaken: In dieser Spezies verlieren CD4 + T-Zellen die Expression von CD28 wenn sie in T-Memory Zellen differenzieren. Wieso sollten die T-Memory Zellen dann auf einen anti-cd28 Antikörper reagieren? Dieser Speziesunterschied war nicht bekannt. PMBC (peripheral blood mononuclear cells): Der Cytokine release wird nur beobachtet wenn die menschlichen T-Zellen in einer sehr hohen Dichte gehalten werden, die man normalerweise nicht verwendet. Die Reaktion benötigt also intensive Zell-Zell Kontakte die in üblicher Zellkultur nicht vorliegen. Beachten Sie bitte dass hier Tiermodelle und eine Alternativmethode für Tierversuche nicht funktioniert haben, aus jeweils völlig unterschiedlichen Gründen. Was sagt uns das? Übersicht zum Thema: Hünig T, The storm has cleared: lessons from the CD28 superagonist TGN 1412 trial. Nature Rev Immunol. 12:317-18 (2012)
Konsequenzen Man rechnet für Biologika inzwischen mit MABEL (minimal anticipated biological effect level) und geht nicht mehr von der Toxizität im Tierversuch aus. Für TGN1412 wäre man damit auf 1/20 der verwendeten Dosis gekommen. Vor Phase 1 findet eine Microdose study statt. Phase 1 ist nicht mehr blind, es werden unterschiedliche Dosen mit grösseren Zeitabständen und in ansteigender Folge verwendet. Völlige Sicherheit ist allerdings nicht erreichbar, nicht einmal nach der Zulassung: Person-to-person variation. EMA