Rechtliche Grundlagen gewerkschaftlicher Tarifpolitik 1. Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie 2. Die Wirkungen des Tarifvertrages 3. Das Günstigkeitsprinzip 4. Betriebsrat und Tarifvertrag 5. Aktuelle Gefährdungen der Tarifautonomie a. Eingriffe des Gesetzgebers b. Tarifflucht der Arbeitgeber c. Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften 6. Die Beendigung des Tarifvertrages und ihre Rechtsfolgen 1
Koalitionsfreiheit Art. 9 Abs. 3 GG Gewerkschaftliche Betätigung Z. B. Werbung und Information in Betrieb und Verwaltung Tarifautonomie Abschluss von Tarifverträgen Streikrecht Insbesondere zur Durchsetzung von Tarifverträgen Tarifvertragsgesetz Tarifgebundenheit Unmittelbarkeit Unabdingbarkeit Günstigkeitsprinzip Nachwirkung Allgemeinverbindlichkeit Betriebsverfassungsgesetz Tarifvorrang Tarifvorbehalt 2
Was bedeutet Tarifautonomie? 1. Sie ist Ausdruck der im Grundgesetz verankerten Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften. 2. Sie garantiert die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch die Tarifvertragsparteien ohne staatliche Einmischung, unter Umständen auch durch Arbeitskampf. 3. Sie soll die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln ausgleichen. 4. Sie sichert die unmittelbare und zwingende Wirkung der Tarifverträge für jeden tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 5. Sie erzeugt für Arbeitnehmer Sicherheit und für Arbeitgeber Verlässlichkeit. Tarifverträge haben eine Schutz-, Ordnungs- und Friedensfunktion. 3
Die Wirkungen des Tarifvertrages 3 Kernpunkte: 1. Unmittelbar und Der Arbeitnehmer kann sich direkt auf den Tarifverzwingend trag berufen. Tarifwidrige Regelungen, Absprachen, Anweisungen usw. sind unwirksam. 2. Unabdingbar Auf tarifliche Rechte kann nicht wirksam verzichtet werden. 3. Günstigkeitsprinzip Vom Tarifvertrag darf nur nach oben abgewichen werden. 4
Was bedeutet Günstigkeitsprinzip? 1. Was tarifvertraglich vereinbart ist, kann nicht durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung abweichend geregelt werden. 2. Das gilt nicht, wenn die Tarifvertragsparteien Abweichungen gestatten oder wenn die Abweichung durch Arbeitsvertrag für den Arbeitnehmer günstiger ist. 3. In den Günstigkeitsvergleich können nur sachlich zusammenhängende Arbeitsbedingungen einbezogen werden. Eine betriebliche Arbeitsplatzgarantie gestattet bei Beachtung des Günstigkeitsprinzips z.b. nicht die tarifwidrige Kürzung des Entgelts oder die Verlängerung der Arbeitszeit. 5
Betriebsrat und Tarifvertrag 5 Grundregeln: 1. Der Betriebsrat kann keine Tarifverträge abschließen ( 2 TVG). 2. Der Betriebsrat darf keinen Streik durchführen ( 74 Abs. 2 BetrVG). 3. Wo ein Tarifvertrag gilt, schweigt die Betriebsvereinbarung (Tarifvorrang gemäß 77 Abs. 3 BetrVG). 4. Bei der Ausübung der Mitbestimmungsrechte und beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen sind die tarifvertraglichen Regelungen zu beachten (u.a. Tarifvorbehalt gem. 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG) 5. Der Betriebsrat muss für die Um- und Durchsetzung der Tarifverträge sorgen ( 80 Abs. 1 BetrVG). 6
Dauer der Geltung eines Tarifvertrages 1. Beginn Datum des Inkrafttretens wird von Tarifvertragsparteien vereinbart Beitritt des Arbeitgebers und/oder Arbeitnehmers zur jeweiligen Tarifvertragspartei 7
Dauer der Geltung eines Tarifvertrages 2. Beendigung Kündigung durch eine Tarifvertragspartei (Einhaltung der Kündigungsfrist) Befristung (Zeitablauf) Aufhebungsvertrag der Tarifvertragsparteien Auflösung/Fortfall einer Tarifvertragspartei Austritt von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer aus der jeweiligen Tarifvertragspartei Herausfallen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages (z.b. Branchenwechsel, Betriebsverlegung) Unternehmens-/Betriebsumstrukturierung, insbesondere Betriebsübergang 8
Rechtsfolgen der Beendigung eines Tarifvertrages 1. Nachwirkung des Tarifvertrages ( 4 Abs. 5 TVG) Tarifbestimmungen über Inhalt, Abschluss und Bedingungen des Arbeitsverhältnisses gelten (unmittelbar) weiter bei zum Zeitpunkt der Beendigung des Tarifvertrages bestehenden Arbeitsverhältnissen das gilt für Gewerkschaftsmitglieder (auch Beitritt nach Beendigung des Tarifvertrages) für unorganisierte Arbeitnehmer gilt in der Regel eine arbeitsvertragliche Verweisung auf den Tarifvertrag (mit der Folge der Nachwirkung) 9
Rechtsfolgen der Beendigung eines Tarifvertrages 1. Nachwirkung des Tarifvertrages ( 4 Abs. 5 TVG) Nachwirkende Tarifbestimmungen können durch eine andere Abmachung ersetzt werden (Tarifvertrag, einzelvertragliche Vereinbarung) Sonderfälle Änderungskündigung und Betriebsvereinbarung 10
Rechtsfolgen der Beendigung eines Tarifvertrages 2. Sonderfall Austritt aus Arbeitgeberverband (oder OT-Mitgliedschaft) Tarifgebundenheit bleibt bis zum Ende des Tarifvertrages bestehen ( 3 Abs. 3 TVG) 31.12.2003 Austritt 30.4.2005 Beendigung TV Tarifgebundenheit Nachwirkung 11
Rechtsfolgen der Beendigung eines Tarifvertrages 3. Sonderfall Herausfallen aus dem Geltungsbereich (z.b. Branchenwechsel) Nachwirkung des Tarifvertrages ( 4 Abs. 5 TVG) oder Ablösung durch anderen Tarifvertrag bei beidseitiger Tarifbindung Entsorgung Güterkraftverkehr Einzelhandel Gastronomie 12
Rechtsfolgen der Beendigung eines Tarifvertrages 4. Sonderfall Unternehmens-/Betriebsumstrukturierung, insbesondere Betriebsübergang Tarifvertrag wird Inhalt der Arbeitsverträge mit einjährigem Veränderungsverbot oder Ablösung des Tarifvertrages durch anderen Tarifvertrag bei beidseitiger Tarifbindung Veräußerer: Entsorgung Erwerber: Güterkraftverkehr Veräußerer: Städt. Klinik Erwerber: Gebäudereinigung 13
3 TVG Tarifgebundenheit (1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist. (2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. (3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet. 14
4 TVG Wirkung der Rechtsnormen (1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseitstarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. (2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. (3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. (4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden. (5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. 15
613 a BGB Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang (1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird. 16