TOP 3 Pauschale Geldleistung als mögliche Leistungsform der Fachleistung / Prüfung Einführung Bundesteilhabegeld, Blinden- und Gehörlosengeld

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Transkript:

Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz 4. Sitzung am 19. November 2014 Arbeitspapier zu TOP 3 Stand: 10. Dezember 2014 - final TOP 3 Pauschale Geldleistung als mögliche Leistungsform der Fachleistung / Prüfung Einführung Bundesteilhabegeld, Blinden- und Gehörlosengeld 1. Sachverhalt Mit der gesetzlichen Neuordnung des Fürsorgerechts im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes im Jahre 1962 umfasste die Sozialhilfe die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Hilfe in besonderen Lebenslagen. Tragende Grundsätze des BSHG waren das Individualisierungsprinzip sowie das Bedarfsdeckungsprinzip. Unter der Bezeichnung Hilfe in besonderen Lebenslagen waren alle damals gesetzlich geregelten und in der Praxis entwickelten Fürsorgeleistungen, die nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehörten, zusammengefasst. Zu ihnen gehörte auch die Hilfeart Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Die Leistungen zum Lebensunterhalt wurden von Anfang an weitgehend pauschaliert. Das BSHG regelte hierzu, dass laufende Leistungen zum Lebensunterhalt als Regelsätze gewährt werden. Ausweislich der amtlichen Begründung wurde das Abweichen von einer individuellen Bemessung aus Gründen der Zweckmäßigkeit zugelassen, da der Bedarf allgemein gleich sei; der Besonderheit des Einzelfalls werde durch die Öffnungsklausel Rechnung getragen. Aber auch außerhalb der Regelsätze wurden seinerzeit pauschale Leistungen gewährt wie beispielsweise die Bekleidungshilfe. Die Pauschalierung von Leistungen zum Lebensunterhalt fand ihre Fortsetzung in der Experimentierklausel des 101a BSHG (Siebtes Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes im Jahre 1999). Als Folge dieser Erprobung wurden mit dem Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch im Jahre 2005 die überwiegenden bis dahin bestehenden einmaligen Leistungen zum Lebensunterhalt pauschaliert und in einer Gesamtpauschale als neue Regelsätze zusammengefasst. Die Hilfen in besonderen Lebenslagen hoben sich von der Hilfe zum Lebensunterhalt von Anfang an insoweit ab, als die Hilfen nur in bestimmten Lebenssituationen zum Tragen kamen und bei ihnen die Notwendigkeit einer individuellen Gestaltung im Vordergrund

- 2 - stand. Für diese Leistungen und damit auch für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen war nur der im Einzelfall ermittelte Bedarf maßgebend. Mit der Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (SGB XII) im Jahre 2005 hat sich daran nichts geändert. Eine Änderung erfolgte nur insoweit, als die im BSHG erfolgte Zweiteilung der Leistungen in Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen aufgegeben und die einzelnen Leistungsarten der Hilfe in besonderen Lebenslagen als gleichwertige Leistungen in unterschiedlichen Notlagen nebeneinander gestellt wurden. Das SGB XII kennt als Leistungsformen Geld-, Sach- und Dienstleistung ( 10). Geldleistungen haben grundsätzlich Vorrang, soweit das SGB XII selbst nichts anderes bestimmt oder mit Gutscheinen oder Sachleistungen das Ziel der Sozialhilfe erheblich besser oder wirtschaftlicher erreicht werden kann. Der nicht abschließende Leistungskatalog des 54 SGB XII selbst sieht keine pauschalen Geldleistungen vor, die den Leistungsberechtigten gegenüber zu erbringen sind. In der heutigen Praxis werden auch Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen pauschaliert. Hierzu gehört insbesondere die Beförderungspauschale für Menschen, die wegen ihrer Behinderung keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können. Diese erhalten eine (monatliche) Pauschale als festen Geldbetrag, mit dem sie den Fahrdienst selbst bezahlen können. Von den pauschalen Geldleistungen zu unterscheiden ist die Leistungsform des Persönlichen Budgets, das mit dem SGB IX im Jahre 2001 eingeführt und im Rahmen des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch durch die Schaffung eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets aufgewertet wurde. Mit ihm wurde ausweislich der Gesetzesbegründung das Ziel verbunden, kranke, behinderte und pflegebedürftige Menschen stärker als bisher zu unterstützen, ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Anders als die o. g. Pauschalen bestimmen sich Höhe und Umfang der Leistung des Persönlichen Budgets nach dem individuellen Bedarf. In der Fachöffentlichkeit werden im Kontext der Reform der Eingliederungshilfe verschiedene pauschale Leistungen für Menschen mit wesentlichen Behinderungen diskutiert. Hierzu gehören insbesondere die Pauschale Geldleistung als mögliche Leistungsform der Fachleistung, das Bundesteilhabegeld sowie Blinden- und Gehörlosengeld.

- 3 - Bei der Pauschalen Geldleistung als mögliche Leistungsform der Fachleistung geht es um die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Pauschalierung von bestimmten Leistungen zur Sozialen Teilhabe für bestimmbare regelmäßig wiederkehrende typische Bedarfe. Der Leistungsberechtigte soll auf Antrag einen pauschalen Geldbetrag erhalten, um sich die betreffenden Leistungen selber einkaufen zu können. Ein entsprechender Bedarf für die Leistung muss individuell festgestellt sein, der Umfang der Leistungen erfolgt jedoch in typisierender Weise unter Verzicht auf individuelle Besonderheiten. Als Beispiel dient die Beförderungspauschale in Hamburg. Das Bundesteilhabegeld wird diskutiert als Leistungsverbesserung für Menschen mit wesentlichen Behinderungen und als Möglichkeit zur finanziellen Entlastung der Kommunen. 1 Für das Bundesteilhabegeld für Menschen mit wesentlichen Behinderungen, dessen Prüfung auch der Koalitionsvertrag vorsieht, werden verschiedene Varianten diskutiert (z. B. ASMK, DV). Allen gemeinsam ist, dass es sich um einen pauschalen und vom Bund zu finanzierenden Geldbetrag handeln soll. Die Varianten unterscheiden sich jedoch im Hinblick auf die Anrechnung auf die Leistungen der Eingliederungshilfe. In der Diskussion ist sowohl ein Bundesteilhabegeld als reiner Ausgleich von behinderungsbedingten Nachteilen und Mehraufwendungen ohne Anrechnung auf die Leistungen der Eingliederungshilfe als auch ein Bundesteilhabegeld, das vollständig oder teilweise auf die Leistungen der Eingliederungshilfe angerechnet wird. Unterschiedliche Auffassungen bestehen auch hinsichtlich der Fragen, ob das Bundesteilhabegeld bedürftigkeitsabhängig gewährt werden soll oder nicht, welcher Personenkreis leistungsberechtigt sein soll (insbesondere Leistungsberechtigte der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder alle Menschen mit wesentlichen Behinderungen oder jeweils nur Volljährige) und ob es gestaffelt werden soll. Zu seiner Bemessung werden verschiedene Alternativen vorgeschlagen wie insbesondere die Orientierung an der Höhe der Grundrente nach 31 BVG, am Umfang der Beeinträchtigung oder am Bedarf. Kritisch gesehen wird die Höhe des Bundesteilhabegeldes entweder als zu hoch oder als zu niedrig. Die diskutierte monatliche Höhe bewegt sich zwischen einem Maximalbetrag von 1.100 ( Gesetz zur Sozialen Teilhabe - FbJJ), der Höchstgrundrente nach 31 BVG (aktuell 679, ggf. zu runden oder mit Abschlag von 10 %), dem höchsten Landesblindengeld von gerundet 640 (s. u.), den Leistungen nach 45b SGB XI von 100 bis 200 und der Mindestgrundrente (aktuell 129 ). Eine Besonderheit besteht allerdings seit Inkrafttreten des BSHG für die Blindenhilfe. 1 Bundesteilhabegeld als Möglichkeit zur kommunalen Entlastung ist Gegenstand der 8. Sitzung am 12. März 2015

- 4 - Das SGB XII leistet blinden Menschen zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen eine bedürftigkeitsabhängige Blindenhilfe in Form einer pauschalen Geldleistung. Diese beträgt derzeit 640,51 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres und 320,81 für blinde Menschen vor Vollendung des 18. Lebensjahres. Der Betrag verändert sich in Abhängigkeit zum aktuellen Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung. Neben der Blindenhilfe kommen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Sechsten Kapitels des SGB XII auch Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Betracht. Beide Leistungsarten können parallel erbracht werden. Darüber hinaus leisten die Bundesländer ein (vorrangiges) bedürftigkeitsunabhängiges Blindengeld, dessen Höhe von jedem Bundesland in eigener Verantwortung festgelegt wird. Die Höhe bewegt sich für Leistungsberechtigte ab Vollendung des 18. Lebensjahres zwischen 266,00 und 640,51 (Stichtag: 1. Juli 2014). Einzelne Länder gewähren zusätzlich ein Gehörlosengeld; eine vergleichbare Leistung für Gehörlose enthält das SGB XII nicht. In der Fachöffentlichkeit wird diskutiert, die Blindenhilfe in die Eingliederungshilfe - neu zu überführen und zusätzlich auf gehörlose Menschen auszudehnen. Nach den Überlegungen des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. könnte auch eine bedürftigkeitsunabhängige pauschale Geldleistung als Nachteilsausgleich implementiert werden, welche die aufgrund von Blindheit, hochgradiger Sehbehinderung und Taubblindheit entstehenden Mehraufwendungen angemessen berücksichtigt. 2. Handlungsbedarf Die Leistungen der Eingliederungshilfe sollen die Selbstbestimmung und eigenverantwortliche Lebensführung weiter stärken. Dies betrifft insbesondere auch die Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung für Menschen mit Behinderungen. Ein Beitrag dazu ist auch die Gewährung eines pauschalen Geldbetrages, um bestimmte Leistungen zur Deckung behinderungsbedingter Bedarfe selbst einkaufen zu können. Auch im Interesse des Leistungsträgers ist eine pauschale Geldleistung geeignet, zur Verwaltungsvereinfachung beizutragen. Im Koalitionsvertrag ist im Zusammenhang mit der Reform der Eingliederungshilfe vereinbart worden, die Einführung eines Bundesteilhabegeldes zu prüfen. Dabei ist die inhaltliche Abgrenzung zur Fachleistung sicherzustellen.

- 5-3. Handlungsoptionen a) Einführung einer Pauschalen Geldleistung als mögliche Leistungsform der Fachleistung a1) für zu bestimmende Fachleistungen der Eingliederungshilfe, a2) für alle Fachleistungen der Eingliederungshilfe. b) Einführung eines Bundesteilhabegeldes, dessen Höhe noch zu bestimmen ist Hierzu sind die nachfolgenden Varianten möglich, die gegebenenfalls auch additiv umgesetzt werden können: b1) für (volljährige) Leistungsberechtigte der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, b2) für (volljährige) Menschen mit wesentlichen Behinderungen, unabhängig vom Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe (d.h. auch Menschen mit wesentlichen Behinderungen, die mangels Bedürftigkeit keine Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen), b3) als bedürftigkeitsunabhängige Leistung (unabhängig davon, ob die Leistungen der Eingliederungshilfe bedürftigkeitsunabhängig sind), b4) als ganz oder teilweise bedürftigkeitsabhängige Leistung (unabhängig davon, ob die Leistungen der Eingliederungshilfe bedürftigkeitsunabhängig sind), b5) ohne Anrechnung auf die Leistungen der Eingliederungshilfe, b6) mit teilweiser oder vollständiger Anrechnung auf die Leistungen der Eingliederungshilfe. c) Einführung eines Blinden- und Gehörlosengeldes Die Blindenhilfe nach dem SGB XII wird in die Eingliederungshilfe - neu überführt und auf den Personenkreis der gehörlosen Menschen ausgedehnt. c1) als bedürftigkeitsunabhängige Leistung, c2) als bedürftigkeitsabhängige Leistung. d) Einführung einer bedürftigkeitsunabhängigen pauschalen Geldleistung für blinde, hochgradig sehbehinderte und taubblinde Menschen Für blinde, hochgradig sehbehinderte und taubblinde Menschen wird eine bedürftigkeitsunabhängige pauschale Geldleistung eingeführt, die sich an den jeweiligen regelmäßig zu

- 6 - unterstellenden Teilhabebedarfen orientiert. Sie soll anstelle von individuellen (ggf. auch höheren) Leistungen zur Abdeckung dieser Teilhabebedarfe in Anspruch genommen werden können (Höhe: wie Blindenhilfe, bei hochgradiger Sehbehinderung 1/3 der Blindenhilfe, bei Taubblindheit mindestens doppelte Blindenhilfe bzw. noch zu beziffernde Höhe) 4. Für den Sachverhalt relevante Bewertungskriterien (je Handlungsoption), u. a. Zu a): Einführung einer Pauschalen Geldleistung als mögliche Leistungsform der Fachleistung a) UN-BRK Relevanz Die selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im Sinne der UN-BRK wird gestärkt, wenn Leistungsberechtigte sich mit einem pauschalen Geldbetrag die Leistung selbst einkaufen können. b) gesetzestechnische Umsetzbarkeit unproblematisch. c) verwaltungsmäßige Umsetzbarkeit (Mehr- oder Minderaufwand) Pauschale Geldleistungen sind mit einer Verwaltungsvereinfachung verbunden. d) finanzielle Auswirkungen Die Leistungen werden weitgehend bereits nach geltendem Recht als individuelle oder pauschale Leistung erbracht. Daher ist grundsätzlich nicht mit finanziellen Auswirkungen zu rechnen. Zu b): Einführung eines Bundesteilhabegeldes, dessen Höhe noch zu bestimmen ist a) UN-BRK Relevanz Die selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im Sinne der UN-BRK wird gestärkt, wenn Leistungsberechtigte sich mit einem pauschalen Geldbetrag die Leistung selbst einkaufen können.

- 7 - b) gesetzestechnische Umsetzbarkeit Je nach Ausgestaltung der Leistung (bei Nachteilsausgleich) sind der Definition des leistungsberechtigten Personenkreises verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt (Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG). c) verwaltungsmäßige Umsetzbarkeit (Mehr- oder Minderaufwand) Wird das Bundesteilhabegeld als bundesfinanzierte neue Leistung ausgestaltet, müsste die Ausführung im Wege der Bundesauftragsverwaltung durch die Länder erfolgen. Dies wäre mit einem erheblichen Mehraufwand für den Bund verbunden. Würde das Bundesteilhabegeld als Leistung der Eingliederungshilfe ausgestaltet, wäre die damit verbundene Kostenerstattung sowohl für den Bund als auch für die Länder mit einem Mehraufwand verbunden. Bei einer bedürftigkeitsunabhängigen Ausgestaltung des Bundesteilhabegeldes (Variante b3) wird der anspruchsberechtigte Personenkreis weit über denjenigen der derzeitigen Bezieher von Leistungen der Eingliederungshilfe hinausgehen; insoweit ist von einem erheblichen verwaltungsmäßigen Mehraufwand auszugehen. d) finanzielle Auswirkungen Für den Bund: Die finanziellen Auswirkungen sind abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Bundesteilhabegeldes. Entscheidend sind neben der Höhe des Bundesteilhabegeldes die Frage der Bedürftigkeitsabhängigkeit (Varianten b3) und b4)) sowie des leistungsberechtigten Personenkreises. Bei Variante b3) wäre von einer erheblichen Ausweitung der Anspruchsberechtigten auszugehen, da alle Menschen mit (wesentlichen) Behinderungen Anspruch auf die Leistung hätten. Eine Nichtanrechenbarkeit auf die Leistungen der Eingliederungshilfe (Variante b5)) würde dazu führen, dass ein Bundesteilhabegeld keinen Beitrag zur Entlastung der Kommunen darstellen würde und diese zusätzlich durch den Bund zu leisten wäre. Länder und Kommunen würden bei der Variante b6) entlastet werden. Die Höhe der Entlastung hängt von der Ausgestaltung des Bundesteilhabegeldes (Höhe sowie auf die Eingliederungshilfe anrechenbarer Teil) ab. Unabhängig von den Leistungsausgaben ist aufgrund des verwaltungsmäßigen Mehraufwandes (Bundesauftragsverwaltung bzw. Kostenerstattung) mit höheren Personalkosten für den Bund und auch die Länder zu rechnen. Zusätzliche Personalkosten entstehen bei einer bedürftigkeitsunabhängigen Leistung (Variante b3) wegen des damit verbundenen erheblich höheren Antragsaufkommens.

- 8 - Zu c): Einführung eines Blinden- und Gehörlosengeldes a) UN-BRK Relevanz Die selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im Sinne der UN-BRK wird gestärkt, wenn Leistungsberechtigte sich mit einem pauschalen Geldbetrag die Leistung selbst einkaufen können. b) gesetzestechnische Umsetzbarkeit Verfassungsrechtliche Probleme können entstehen, wenn das Blindengeld nur auf den Personenkreis der Gehörlosen ausgedehnt wird (Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG). c) verwaltungsmäßige Umsetzbarkeit (Mehr- oder Minderaufwand) Die Ausdehnung der bisherigen bedürftigkeitsabhängigen Blindenhilfe auf Gehörlose führt zu einem größeren leistungsberechtigten Personenkreis und damit zu einem Mehraufwand. Wird die Leistung bedürftigkeitsunabhängig ausgestaltet (Variante c2), wird sich der leistungsberechtigte Personenkreis und damit die Anzahl der zu bearbeitenden Anträge zusätzlich vergrößern; im Gegenzug ist mit einem Minderaufwand dadurch zu rechnen, dass die Prüfung der Anrechnung von Einkommen und Vermögen sowie die Heranziehung Unterhaltspflichtiger entfallen. d) finanzielle Auswirkungen Bei einer Ausweitung des leistungsberechtigten Personenkreises kommt es zu höheren Leistungsausgaben sowie wegen des höheren Antragsaufkommens zu höheren Personalkosten. Bei Bedürftigkeitsunabhängigkeit entstehen zusätzliche Mehrausgaben durch den Wegfall von Einnahmen und anrechenbarem Einkommen und Vermögen. Zu d): Einführung einer bedürftigkeitsunabhängigen pauschalen Geldleistung für blinde, hochgradig sehbehinderte und taubblinde Menschen a) UN-BRK Relevanz Die selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im Sinne der UN-BRK wird gestärkt, wenn Leistungsberechtigte sich mit einem pauschalen Geldbetrag die Leistung selbst einkaufen können. b) gesetzestechnische Umsetzbarkeit unproblematisch

- 9 - c) verwaltungsmäßige Umsetzbarkeit (Mehr- oder Minderaufwand) Wegen der Bedürftigkeitsunabhängigkeit der Leistungen ist von einem wesentlich größeren leistungsberechtigten Personenkreis auszugehen, was mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden ist. Dem steht ein Minderaufwand gegenüber, weil die Durchführung eines Gesamtplanverfahrens entfällt. d) finanzielle Auswirkungen Die finanziellen Auswirkungen sind zum einen in Abhängigkeit zur Höhe der (ggf. noch zu beziffernden) pauschalen Geldleistung sowie vom Umfang der Inanspruchnahme zu sehen. Wegen der Bedürftigkeitsunabhängigkeit der Leistungen ist von Mehrausgaben zu rechnen durch den größeren leistungsberechtigten Personenkreis sowie durch den Wegfall von Einnahmen und anrechenbarem Einkommen und Vermögen.