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Transkript:

JOURNAL FÜR FERTILITÄT UND REPRODUKTION MAIER B, SPITZER D, STAUDACH A, ZAJC M Interruptio nach IVF-Drillingsschwangerschaft - Kasuistik in medizinethischer Analyse Journal für Fertilität und Reproduktion 1998; 8 (4) (Ausgabe für Österreich), 21-24 Homepage: www.kup.at/fertilitaet Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche ZEITSCHRIFT FÜR IN-VITRO-FERTILISIERUNG, ASSISTIERTE REPRODUKTION UND KONTRAZEPTION Krause & Pachernegg GmbH VERLAG für MEDIZIN und WIRTSCHAFT A-3003 Gablitz Indexed in EMBASE/ Excerpta Medica

B. Maier, D. Spitzer, M. Zajc, A. Staudach INTERRUPTIO SCHWANGER MEDIZIN INTERRUPTIO Summary Ethical counselling in reproductive medicine is concerned with the impact and consequences of the procedures and the outcome for people involved as well as for the children to be. ZUSAMMENFASSUNG Sind Dilemmasituationen in der Reproduktionsmedizin vorhersehbar bzw. vermeidbar? Eine Kasuistik, die den Abbruch einer Drillingsschwangerschaft in der 11. Woche nach IVF zum Inhalt hat, versucht anschaulich zu machen, welche Aporien entstehen können. Die ethische Analyse soll helfen, im Vorfeld mögliche Konsequenzen bestimmter Interventionen zu sondieren und Rahmenbedingungen zu evaluieren, die Dilemmata vermeiden helfen. KASUISTIK Eine 33jährige Frau war beim 3. IVF-Versuch schwanger geworden und brachte in der 37. SSW einen gesunden Knaben zur Welt. In der Anamnese hatte sie eine Interruptio mit 16 Jahren (Notlagenindikation). Rezidivierende Adnexitiden führten zum Tubenfaktor, der letztlich die Indikation zur IVF-Therapie darstellte. 1992 begann das Paar mit IVF-Versuchen. Nach der Geburt eines gesunden Knaben wollte sich das Ehepaar den Wunsch nach einem zweiten Kind erfüllen. The paper analyses a casuistry dealing with abortion of triplets after IVF induced by decision of the couple not wanting three children but only one. Strategies of prevention as well as coping strategies are discussed from an ethical perspective. Das Ehepaar gehört der Mittelschicht an und ist gut situiert. Der vierte IVF-Versuch führte zu einer Drillingsschwangerschaft. Wie schon bei den anderen Versuchen wurde der Embryo- Transfer mit 3 Embryonen durchgeführt. Dieser Anzahl hatte das Paar wie schon früher auch diesmal zugestimmt. Nach Eintreten einer Drillingsschwangerschaft verlangte das Ehepaar eine fetale Reduktion, ansonsten wurde mit Schwangerschaftsabbruch innerhalb der in Österreich legitimen Frist gedroht. Da das IVF-Team aufgrund des ausreichend guten medizinischen Outcome von Drillingen keine medizinische Indikation zu fetaler Reduktion sah, wurde diese abgelehnt. Auf eine Anfrage des Ehepaars in einem anderen Krankenhaus wird dieselbe Auskunft erteilt. Allerdings wird eine psychosoziale Indikation zu fetaler Reduktion bei Drillingsschwangerschaft nicht überall abgelehnt [1]. Da das Paar in Österreich eine fetale Reduktion nicht erreicht, wird eine Interruptio in der 11. Schwangerschaftswoche extra muros durchgeführt. Geraume Zeit später wünscht das Paar einen neuerlichen IVF-Versuch bei dem nur ein Embryo transferiert werden sollte. Dem wurde aus Gewissensgründen im IVF- Team nicht entsprochen. Im April 1997 hat die Frau nach eigenen Aussagen spontan konzipiert [2]. Die Schwangere hat sich aufgrund einer milden Rhesus-Konstellation in unsere pränatalmedizinische Abteilung zur weiteren Betreuung begeben. Sie wurde in der 37. SSW von einem gesunden Mädchen entbunden. Eine Transfusionstherapie war während der gesamten Schwangerschaft nicht erforderlich. METHODE Als Methode wurde die Einzelfalldarstellung in ethischer Analyse gewählt. IN PERSPEKTIVE Als Prämisse mag gelten, daß Konsens darüber erreichbar ist, Folgeprobleme sollten nicht größer als Ausgangsschwierigkeiten sein. Als Kriterien (axiomata media) ethischer Analyse wurden jene gewählt, die von Beauchamp und Childress in ihrem Buch Principles of Biomedical Ethics vorgeschlagen wurden [3]. Die verwendeten Kriterien sind: Autonomie (Selbstbestimmungsrecht), Fürsorge (Beneficience), Nicht-Schadens-Prinzip (nonmaleficience) und das Gerechtigkeitsprinzip (justice). Das Autonomieprinzip will dem Individuum Entscheidungen, Handlungen (und deren Konsequenzen) in Übereinstimmung mit seinem selbstgewählten Lebensplan und seinen Wertvor- J. FERTIL. REPROD. 4/1998 21

INTERRUPTIO stellungen ermöglichen. Es drückt sich in unserer Kasuistik als Verwirklichung der Fortpflanzungsfreiheit aus. Dem Arzt/der Ärztin ist Respekt vor der Autonomie seiner Patienten abzuverlangen. Die Selbstbestimmung, die Autonomie kann aber nicht absolut gesetzt werden, insbesondere dann nicht, wenn Dritte involviert und von der Entfaltung einzelner Menschen betroffen werden. Bedingungen zur Verwirklichung autonomen Handelns sind weitgehende Unabhängigkeit von heteronomen Einflüssen sowie die Fähigkeit zu intentionalem Handeln mit Folgenabschätzung. Wesentliche Einflußfaktoren sind Zeit (zur Überlegung der Implikationen), Information (besser Wissen) und Lebensumstände. Autonomie verwirklicht sich nicht in einem Vakuum. Der Einzelne ist in seinen Entscheidungen und Handlungen von Tradition, gesellschaftlichen Erwartungen und den sozialen Strukturen, in denen er lebt, getragen. Voraussetzung für die Verwirklichung von Autonomie ist eine ausreichende Information über mögliche Konsequenzen meiner Handlungen. Wünschenswert ist so viel Information, daß eine größtmögliche Erweiterung und Abtastung des Entscheidungsspielraumes durch Berücksichtigung verschiedener Optionen möglich und Bewußtsein potentieller Implikationen erreicht wird. In diesem Zusammenhang spielt das dialektische Verhältnis von Autonomie und Verantwortung eine wesentliche Rolle [4]. * Darüber hinaus wäre ein ethical counselling an Abteilungen, die Fortpflanzungsmedizin durchführen, fruchtbringend. 22 J. FERTIL. REPROD. 4/1998 Was bedeutet informed consent bei medizinischen Entscheidungen? Um informed consent zu geben, muß die Patientin/der Patient Aufklärung über möglichst alle vohersehbaren Aspekte wie Erfolgschancen, Risiken und Implikationen einer Therapie (bei IVF auch über die Anzahl der transferierten Embryonen und die Möglichkeit von Mehrlingsschwangerschaften) erhalten haben. Dies ist in unserem Fall mehrmals in Gesprächen wie auch schriftlich erfolgt. Wünschenswert ist eine Abschätzung der Bewältigungsstrategien des betroffenen Paares in Form von Selbst- wie Fremdeinschätzung und nachfolgender Diskussion über mögliche Divergenzen. Dies versuchen wir durch eine psychosomatische Begleitung. Die Involvierung Dritter wird der Komplexität der spezifischen Situation und der Dynamik, die im Verlauf der Therapie auftreten kann, besser gerecht*. Wer trifft letztlich die Entscheidung? Der Arzt/die Ärztin, die Patientin? Paternalismus bedeutet Einschränkung der Selbstverwirklichung und Entscheidungsfreiheit des Patienten aufgrund (vermeintlicher?) höherer (fachlicher) Kompetenz des Arztes/der Ärztin. Wir unterscheiden einen schwachen Paternalismus, der danach strebt, größeres Unheil zu verhindern, und einen starken Paternalismus, bei dem einem Patienten/einer Patientin, unbedingt etwas nach eigener ärztlicher Überzeugung Gutes (an)getan werden soll. Paternalistisches Handeln ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu Recht in Kritik geraten. Diese Kritik wird häufig einseitig um jeden Preis am Negativen ausgerichtet. So plädiert Loewy: Unthinkingly and unfeelingly abandoning the patient to his autonomy is the flipside of paternalism [4]. Damit ist gemeint, daß ärztlicher Rat sehr wohl gefragt und gehört werden soll, die Letztentscheidung selbstverständlich bei der Patientin/dem Patienten liegt und in einer Atmosphäre von Benefiz und Fürsorge eingebettet sein und bleiben sollte. Wo Autonomie ihre Grenzen erreicht, wird in Abhängigkeit von Betroffenheit, verschiedenen Interessen, Weltbild und Wertfragen teilweise kontrovers diskutiert. Autonomie und Verantwortung sind komplementär. Wer für wen verantwortlich ist und in welchem Ausmaß, muß transparent sein. Präsumptive Eltern tragen Verantwortung für ihre Kinder, Ärzt/Innen für ihre Patienten und Patientinnen und deren Kinder, sofern sie an ihrer Entstehung mitbeteiligt waren. Ist nicht auch eine Gesellschaft, die Reproduktionsmedizin zur Verfügung stellt, aufgerufen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Konsequenzen assistierter Fortpflanzungshilfe tragbar und bewältigbar machen? Individualethik und Sozialethik sind aufeinander angewiesen. Solidarität und Verantwortung füreinander sind auch in dem sensiblen Bereich menschlicher Fortpflanzung gefordert. Die Grenzen der Fortpflanzungsfreiheit sind dort erreicht, wo Instrumentalisierung von Betroffenen und Verletzung ihrer Menschenwürde geschieht.

INTERRUPTIO Dem Fürsorgeprinzip (wie dem Nicht-Schadens-Prinzip) sind werdende Eltern wie Ärzte/Innen dem Feten, dem werdenden Kind gegenüber verpflichtet. Bis zu welchem Grad und ab welchem Zeitpunkt kann diskutiert werden? Fallen iatrogen erzeugte höhergradige Mehrlingsschwangerschaften unter Verfehlung gegen dieses Prinzip? Ab welcher Mehrlingszahl wäre dies der Fall? Ist eine fetale Reduktion unter bestimmten Bedingungen, als Ausweg, um einzelnen Feten Überlebenschancen auf Kosten anderer zu ermöglichen, ethisch zu rechtfertigen? Was wären diese Voraussetzungen, die eine fetale Reduktion rechtfertigen könnten? Ist eine medizinische Indikation bei höhergradigen Mehrlingen jenseits von dreien gemeint oder wäre eine psychosoziale Indikation bei Drillingen ausreichend? Wiegt die psychosozial problematische Situation für eine Frau bzw. ein Paar, selbst wenn die Drillingsschwangerschaft physisch bewältigbar und vom Outcome der Kinder aller Wahrscheinlichkeit zufriedenstellend ist, so schwer, daß eine fetale Reduktion vertretbar sein kann? Das Prinzip der Gerechtigkeit erfordert, daß gleiche Fälle mit gleichen verglichen werden. Ist der Schwangerschaftsabbruch aus sozialer Notlage nicht gleich zu bewerten, egal, ob es sich um eine spontan eingetretene Schwangerschaft handelt oder um eine reproduktionsmedizinisch assistierte? DDr. Barbara Maier Studium in Wien: 1980 Mag. phil., 1981 Dr. phil., 1986 Dr. med., 1992 Mag. theol. Absolvierung des Turnus, Ius practicandi. Danach Facharztausbildung an der Landesfrauenklinik Salzburg (abgeschlossen im März 1996). Daneben seit Jahren Gastprofessur für medizinethische Fragen an der Universität Wien, Mitarbeiterin am Institut für Ethik in der Medizin in Wien. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Medizinethische Fragen, insbesondere im Bereich von Gynäkologie und Geburtshilfe. Korrespondenzadresse: DDr. Barbara Maier Frauenklinik Landeskrankenanstalten Salzburg A-5020 Salzburg, Müllner Hauptstraße 48 Wer trägt Verantwortung, für wen und in welchem Ausmaß? Die Verantwortung des Arztes/ der Ärztin besteht in der Reproduktionsmedizin [5] gegenüber dem Paar in gewissenhafter Indikationsstellung und Aufklärung, einer sorgfältigen Sichtung der Therapieangebote und Evaluierung ihrer Zielsetzungen und nicht zuletzt in der selbstverständlichen Sorgfalt der Durchführung. Auch gegenüber dem Kind, das nach reproduktionsmedizinischen Interventionen zur Welt kommt, besteht Verantwortung, da eine aktive Rolle bei der Entstehung der Schwangerschaft einen höheren Legitimationsbedarf bezüglich der Handlungen und deren Konsequenzen hat. Wiesing wurde von Hans-Martin Sass kritisiert. Die Verantwortung für die Schwangerschaft und deren Implikationen ist nach Sass allein bei der Frau bzw. dem Paar vorausgesetzt, daß eine suffiziente Aufklärung über Erfolgsraten, Risiken und Implikationen erfolgt ist. Ob die manchmal sehr komplexen Konsequenzen assistierter Fortpflanzungshilfe immer exakt vorhersehbar und die Bewältigungsstrategien des betroffenen Paares im Vorhinein wirklich abschätzbar sind, mag dahingestellt bleiben. CONCLUSIO Ethische Analyse versucht durch Reflexion auf medizinisches Handeln eine Sensibilisierung für neuralgische Punkte der assistierten Fortpflanzungshilfe zu erreichen. Durch konstruktive Kritik des Bisherigen soll eine Prävention von Folgeschwierigkeiten erreicht werden. Ethical counselling als integrativer Bestandteil von Aufklärung und Beratung in der Reproduktionsmedizin wäre ein Weg zu bewußter und, auch was die Folgen betrifft, verantwortlicher Entscheidung. Sollte nun aufgrund solcher Erfahrungen Reproduktionsmedizin strenger reglementiert werden? Sind rigide Vorschriften sinnvoll und dienen sie der J. FERTIL. REPROD. 4/1998 23

INTERRUPTIO Vermeidung problematischer Entwicklungen? Sie würden eher Rückschritt als Fortschritt in der Frage autonomer Selbstverwirklichung mündiger Menschen bedeuten. Viel wesentlicher bleibt die ethische Sensibilisierung und die Förderung moralischer Kompetenz betroffener Paare wie reproduktionsmedizinische Maßnahmen durchführender Ärzt/Innen. Ethical counselling nicht nur für Paare, sondern auch für Ärzt/Innen wäre als Strategie zur Verwirklichung von Autonomie und Verantwortung in der assistierten Fortpflanzungshilfe sinnvoll einzusetzen. Literatur 1. Health Council of the Netherlands: In vitro fertilization. IVF Committee on In vitro fertilization. Health Council for the Netherlands, Rijswijk 1997; publication no. 1997/03E. 2. Osler W. Medicin is a science of uncertainty and an art of probability. 3. Beauchamp TL, Childress JF. Principles of Biomedical Ethics. New York, Oxford 1994. 4. Loewy E. Textbook of Healthcare Ethics. New York 1996. 5. Wiesing M. Zur Verantwortung des Arztes in der Reproduktionsmedizin. WMW 1993, 7/8. 24 J. FERTIL. REPROD. 4/1998

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