Lernen fördern Leistung stärken: Wie lernen Schülerinnen und Schüler? Vortrag zum VBE-Grundschultag 24. April 2008 Lernen fördern Leistung stärken am 17.05.2008 in Dortmund Name: der Referentin / des Referenten Hier Logo oder Name (Schriftart Meta, Schriftgröße 15Pkt) bündig Institut mit dem für Erziehungswissenschaft Claim positionieren Prof. Dr. Petra Hanke Lernen fördern - Leistung stärken 2 Gliederung 1. Wie lernen Kinder? 2. Wie erbringen Kinder Leistungen? 3. Was ist Ziel des Lernens in der Grundschule? Zu welchen Leistungen sollen Kinder befähigt werden? 4. Welche Bedingungen sind bedeutsam für das Lernen und die individuelle Leistungsentwicklung? 5. Wie können in der Grundschule Lernen gefördert sowie Leistungen herausgefordert und gestärkt werden? 6. Ausblick 1
Lernen fördern - Leistung stärken 3 Wie lernen Kinder? Beispiel: Schriftspracherwerb Das soll eine Sonne sein? (Dehn 2007) Lernen fördern - Leistung stärken 4 Wie lernen Kinder? moderat konstruktivistisches Lernverständnis Danach ist Lernen ein aktiver, individueller Prozess (nur über die innere Beteiligung der Lernenden!) ein selbstgesteuerter Prozess (Metakognition) ein situierter Prozess (in bedeutungsvollen Kontexten) ein konstruktiver Prozess (Konstruktion von Bedeutung) ein sozialer Prozess (Aushandeln von Bedeutungen) 2
Lernen fördern - Leistung stärken 5 Wie lernen Kinder? bereichsspezifische und inhaltsgebundene Theorien der kognitiven Entwicklung, Lernen als Konzeptwechsel Sodian 1998, Reinmann-Rothmeier/Mandl 2001, Hanke 2006 Wie erbringen Kinder Leistungen? Lernen fördern - Leistung stärken 6 November Klasse 1 Januar Klasse 1 (Hanke 2007) 3
Wie erbringen Kinder Leistungen? Lernen fördern - Leistung stärken 7 November Klasse 1 Januar Klasse 1 (Hanke 2007) Lernen fördern - Leistung stärken 8 Wie erbringen Kinder Leistungen? Als Leistung werden angesehen der Vollzug und die Ergebnisse einer Tätigkeit, die zielgerichtet erfolgt, mit Anstrengung verbunden ist und für die ein Gütemaßstab vorliegt (Klafki 1996). 4
Wie erbringen Kinder Leistungen? Lernen fördern - Leistung stärken 9 Welche Anstrengungen unternehmen die Kinder beim Lösen einer Aufgabe? Wie arbeiten sie mit anderen Kindern an der Lösung einer Aufgabe? Wie entdecken sie Fragen und Probleme, Zusammenhänge und Unterschiede? Welche Lernwege werden gewählt, welche Lernstrategien verfolgen sie dabei? Vor dem Hintergrund welcher Voraussetzungen zeigen Kinder welche Fortschritte? (Bartnitzky 2006) Lernen fördern - Leistung stärken 10 Auftrag der Grundschule Ziel der Förderung des Lernens und Leistens in der Grundschule ist nicht eine einseitig auf Systematik ausgerichtete Vermittlung von ( trägem ) Wissen eine Wissensanhäufung zur Vorbereitung auf die weiterführenden Schulen! 5
Lernen fördern - Leistung stärken 11 Auftrag der Grundschule Ziele sind: ein langfristiger Aufbau eines verstandenen und anwendungsfähigen (anstatt eines trägen ) Wissens, die (Weiter-)Entwicklung eines tieferen Verständnisses grundlegender Konzepte und Zusammenhänge (z.b. von Mustern und Strukturen in der Mathematik, des Zusammenhangs von gesprochener und geschriebener Sprache beim Schriftspracherwerb, von naturwissenschaftlich-technischen Frage- und Problemstellungen), Lernen fördern - Leistung stärken 12 Auftrag der Grundschule Ziele sind: ein Wecken bzw. Vertiefen des Interesses und der Freude am gemeinsamen Nachdenken und Kommunizieren über die Sache, nicht nur kognitives Lernen im Wissens- und Fähigkeitsbereich, sondern ebenso Entfaltung grundlegender Verfahren, Arbeitsweisen und Lernstrategien, von Selbstvertrauen, selbst etwas herausfinden und verstehen zu können, eines positiven Selbstwertgefühls, von Anstrengungsbereitschaft und Lernmotivation, 6
Lernen fördern - Leistung stärken 13 Auftrag der Grundschule Ziele sind: Entwicklung von Leistungsfähigkeit, Anbahnen von Wertorientierungen, Erwerb sozial-emotionaler Kompetenzen, musischer, künstlerisch-ästhetischer, praktischer Fähigkeiten mit dem Ziel einer aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben (vgl. Richtlinien 2003, Einsiedler 2005, Möller 2006, Hanke 2006) Bedingungsfaktoren für Lernen und Leistungsentwicklung Lernen fördern - Leistung stärken 14 (Souvignier/Gold 2006) Personmerkmale (kognitive Fähigkeiten, Entwicklungsstand, Motivation, Interesse) Merkmale des Unterrichts (Quantität, Qualität) Kontextmerkmale (Familie, Klassen-/Schulklima, Klassenzusammensetzung, Peers, Medien) 7
Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts 100 80 60 40 20 0 93,9 16, 9 88,9 27,5 96,7 50 92,1 45,8 90 42 Lernen fördern - Leistung stärken 15 Erfolgsquote leistungsschwächerer Schüler/innen (mit vergleichbaren Lernvoraussetzungen) in Mathematik (Lipowsky 2007) Erfolgsquote in Mathematiktest 10 0 Sj. 1-3 Sj. 2-4 Sj. 3-5 Sj. 4-6 Sj. 5-7 Sj. 6-8 Unterricht bei erfolgreichen Lehrern 3 Jahre in Folge Unterricht bei wenig erfolgreichen Lehrern 3 Jahre in Folge 48,1 Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts Lernen fördern - Leistung stärken 16 Ergebnisse der teacher quality-forschung (Babu/ Mendro 2003) zur Bedeutung der Lehrerexpertise und des Unterrichts für den langfristigen Lernerfolg der Schüler/innen (Lipowsky 2007): Unterrichtsqualität wirkt sich vor allem auf schwächere und auf jüngere Schüler positiv aus. Der mittlere Lernzuwachs ist in den ersten Schuljahren größer als in den darauf folgenden Schuljahren. Der Qualität des Anfangsunterrichts kommt offenbar eine besondere Bedeutung für den Lernerfolg zu. 8
Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts Adaptiver Unterricht erfordert: Lernen fördern - Leistung stärken 17 Diagnostische Kompetenzen zur Feststellung, Bewertung, Würdigung und Rückmeldung von Lernleistungen Kompetenzen in der Gestaltung anspruchsvoller Lehr-Lernumgebungen zur Förderung von Lernleistungen Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts Lernen fördern - Leistung stärken 18 Feststellen von Lernleistungen: Beobachtung und Diagnose für das Kind, nicht über das Kind Nutzung von formellen und informellen Verfahren 9
Lernen fördern - Leistung stärken 19 Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts - Leistungen feststellen Beispiele für formelle (standardisierte) Verfahren: BISC (Jansen u.a. 2001) Hamburger Schreibprobe (May 2004) Osnabrücker Test zur Zahlbegriffsentwicklung (van Luit; van de Rijt; Hasemann 2001) DEMAT. Deutscher Mathematiktest (Schneider, Krajewski 2004) Lernen fördern - Leistung stärken 20 HSP 1+ (Mai/Juni) 40 Graphemtreffer PR: 12, T-Wert: 38 10
Lernen fördern - Leistung stärken 21 Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts - Leistungen feststellen Gütekriterien formeller (standardisierter) Verfahren: Objektivität (Personunabhängigkeit) Validität (Gültigkeit) Reliabilität (Verlässlichkeit) Fairness Stimmigkeit Ökonomie Nützlichkeit Lernen fördern - Leistung stärken 22 Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts - Leistungen feststellen Beispiele für informelle (strukturierte) Verfahren: Eigenproduktionen (Selter 2006) Lese- und Schreibaufgaben (Brinkmann/ Brügelmann 1998, Dehn 1994) Freie Schreibanlässe Klinische Interviews... 11
Lernen fördern - Leistung stärken 23 Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts - Leistungen feststellen Verfahren Formell Informell Vorteile Fokussierung der Datenerhebung Transparenz der Anforderungen Kalibrierung der Maßstäbe (Brügelmann 2008) Qualitative Tiefenanalysen Berücksichtigung der Entwicklung Grenzen begrenzter Fokus auf ausgewählte Leistungsaspekte Vernachlässigung der individuellen Bezugsnorm situationsgebunden beobachterabhängig unterschiedlicher Sachbezug Lernen fördern - Leistung stärken 24 Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts - Leistungen bewerten Kenntnisse / Fähigkeiten individuelle Bezugsnorm soziale Bezugsnorm sachliche (normorientierte) Bezugsnorm Bezugsnormen (nach Rheinberg 2001) Lernzeit A Kinder mit unterschiedlichem Lerntempo B C 12
Beispiel für die sachliche Bezugsnorm Lernen fördern - Leistung stärken 25 (Valtin 1993) Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts - Leistungen würdigen Lernen fördern - Leistung stärken 26 Lernmotivation Selbstkonzept Leistung 13
Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts - Leistungen würdigen Lernen fördern - Leistung stärken 27 Positive Leistungsrückmeldungen steigern das Selbstwertgefühl der Lernenden. Wer sich etwas zutraut, über ein positives Selbstkonzept verfügt, erbringt bessere Leistungen. Leistung, Lernmotivation und Selbstkonzept stehen in einem engen, sich wechselseitig bedingenden und sowohl positiv als auch negativ verstärkenden Zusammenhang! Lernen fördern - Leistung stärken 28 Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts Leistungen rückmelden Rückmeldungen zu Leistungen sind förderlich, wenn sie sachbezogen erfolgen, Stärken und Schwächen konkret benennen, Veränderungen transparent machen, sie Hinweise für konkrete Lern- und Fördermöglichkeiten geben, sie Kindern neue Zielperspektiven für ihr weiteres Lernen eröffnen. 14
Bedeutung diagnostischer Kompetenz für den Lernerfolg Leistungszuwachs Lernen fördern - Leistung stärken 29 4 niedrige Strukturierung hohe Strukturierung 3 2 1 0 niedrige Diagnosekompetenz hohe Diagnosekompetenz Münchner Studie: Entwicklung der Mathematikleistung in Abhängigkeit von der Diagnosekompetenz des Lehrers und der Häufigkeit von Strukturierungshilfen (Helmke u.a. 2004) Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts Lernen fördern - Leistung stärken 30 Schlussfolgerungen: Diagnostische Kompetenz ist eine Katalysatorvariable, die den Einfluss bestimmter Merkmale des Unterrichts auf den Lernerfolg moderiert. Bestimmte Unterrichtsmerkmale sind vor allem dann wirksam, wenn sie an die Voraussetzungen der Schüler angepasst sind und die Lernenden motiviert und fähig sind, das unterrichtliche Angebot zu nutzen. (Helmke 2003, Helmke/Hosenfeld/Schrader 2004, Souvignier 2006) 15
Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts Lernen fördern - Leistung stärken 31 Schlussfolgerungen: Personenbezogene Diagnosen, aus denen keine gezielten Handlungsalternativen für den Unterricht abgeleitet werden können, sind nicht hilfreich, sondern stigmatisierend! (Stern 2006) Lernen fördern - Leistung stärken: Bedeutung des Unterrichts Lernen fördern - Leistung stärken 32 Deshalb: Diagnostische Kompetenzen und Kompetenzen in der Gestaltung anspruchsvoller Lehr-Lernumgebungen notwendig! Name: der Referentin / des Referenten Petra Hanke 17.05.08 16
Gestaltung anspruchsvoller Lehr-Lernumgebungen erfordert: Lernen fördern - Leistung stärken 33 Kompetenzen in der Auswahl und Entwicklung sachangemessener anspruchsvoller Aufgabenstellungen, Darstellungsformen und Arbeitsmaterialien, die auf unterschiedliche Lernvoraussetzungen abgestimmt sind und die Schüler zum vertieften Nachdenken und zu einer elaborierten Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand anregen (Lipowsky 2006) im Rahmen einer natürlichen Differenzierung Lernen fördern - Leistung stärken 34 Merkmale substanzieller Aufgabenstellungen ermöglichen unterschiedliche Zugangsweisen und Lösungswege entsprechend der individuellen Voraussetzungen ermöglichen Auseinandersetzungen mit Strukturen geschriebener Sprache eröffnen Gespräche über unterschiedliche Zugangsweisen und Lösungswege 17
Lernen fördern - Leistung stärken 35 Merkmale anspruchsvoller Lehr-Lernumgebungen im Mathematikunterricht Eigenproduktionen als substanzielle Aufgabenformen ( natürliche Differenzierung ): Schüler/innen erfinden selbst Aufgaben (Erfindungen) Schüler/innen lösen Aufgaben mit eigenen Vorgehensweisen (Rechenwege) Schüler/innen beschreiben und begründen Auffälligkeiten (Forscheraufgaben) Schüler/innen äußern sich über den Lehr-Lernprozess (Rückschau bzw. Ausblick) (Selter 2006) Hengartner 2004 Lernen fördern - Leistung stärken 36 Beispiele für eine substanzielle Aufgabenstellungen im Mathematikunterricht 18
Beispiel für eine substanzielle Aufgabenstellung im Mathematikunterricht Lernen fördern - Leistung stärken 37 Nührenbörger/Pust 2006 Beispiel für eine substanzielle Aufgabenstellung im Mathematikunterricht Lernen fördern - Leistung stärken 38 Nührenbörger/Pust 2006 19
Lernen fördern - Leistung stärken 39 Merkmale substanzieller Aufgabenstellungen ermöglichen unterschiedliche Zugangsweisen und Lösungswege entsprechend der individuellen Voraussetzungen erlauben Bearbeitungen auf unterschiedlichen Schwierigkeitsniveaus, denen sich die Kinder entsprechend ihrer Fähigkeiten selbstgesteuert zuordnen eröffnen Gespräche über unterschiedliche Zugangsweisen, Lösungswege und Entdeckungen ermöglichen Kreativ-Sein, Argumentieren, Begründen, Darstellen, Mathematisieren Gestaltung anspruchsvoller Lehr-Lernumgebungen erfordert: Lernen fördern - Leistung stärken 40 Kompetenzen in der Auswahl und Entwicklung sachangemessener anspruchsvoller Aufgabenformate, Darstellungsformen und Arbeitsmaterialien bezogen auf die spezifischen individuellen Lernvoraussetzungen eines Kindes im Rahmen innerer und äußerer Differenzierung (Kooperation mit anderen Fachkräften sinnvoll) 20
Gestaltung anspruchsvoller Lehr-Lernumgebungen erfordert: Lernen fördern - Leistung stärken 41 Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation und Interaktion, insbesondere Kompetenzen in einer kognitiv aktivierenden und strukturierenden Gesprächsführung (z.b. durch herausfordernde Fragestellungen, durch Nachfragen, durch Konfrontation mit Evidenz...) Gestaltung anspruchsvoller Lehr-Lernumgebungen erfordert: Lernen fördern - Leistung stärken 42 Kompetenzen in der gemeinsamen Reflexion von Lernprozessen mit Kindern Kompetenzen in der kriteriumsorientierten Rückmeldung zu den Lernprozessen der Kinder 21
Lernen fördern - Leistung stärken 43 Merkmale anspruchsvoller Lehr-Lernumgebungen Schlussfolgerung: Insbesondere das Zusammenspiel von anspruchsvoller Aufgabenstellung bzw. motivierender Fragestellung, selbsttätiger Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler und gemeinsamer Diskussion und Reflexion der vollzogenen Denkstrategien, die Anwendung des Gelernten in unterschiedlichen Kontexten sowie eine ermutigende Rückmeldung zur erbrachten Leistung bedingen den Unterrichtserfolg! Lernen fördern - Leistung stärken 44 Ausblick Lernen fördern Leistung stärken durch Bildungsstandards und Kerncurricula? durch den Ausbau offener Ganztagsschulen? durch eine Neugestaltung der Schuleingangsphase? 22
Literatur Lernen fördern - Leistung stärken 45 Dehn, M. (2007): Kinder & Lesen und Schreiben. Seelze Hanke, P. (Hrsg.) (2006): Grundschule in Entwicklung. Münster Hanke, P. (2007): Anfangsunterricht. Weinheim und Basel Hengartner, E. u.a. (2006): Lernumgebungen für Rechenschwache bis Hochbegabte. Zug Nührenbörger, M./Pust, S. (2006): Mit Unterschieden rechnen. Lernumgebungen und Materialien für einen differenzierten Anfangsunterricht Mathematik. Seelze 23