Von Nixdorf über... BenQ zu möglichen Antworten der IG Metall auf strukturelle Herausforderungen. Franz Tölle IG Metall Bezirksleitung NRW franz.toelle@igmetall.de
Nixdorf Computer AG Siemens Nixdorf Informationssysteme AG Siemens Mobile Division & BenQ Resümee und mögliche Antworten
Nixdorf Computer AG Aufstieg bis 1989 31.000 Mitarbeiter, 5,3 Mrd. DM Umsatz, > 60% Eigenkapital Erfolgsfaktoren Innovationsidee: Mittlere Datentechnik - Computerleistung für Kleinbetriebe / Dezentralisierung / Computerleistung an den Arbeitsplatz Unternehmenskultur: Visionär (.. wir wollen IBM schlagen ) Spitzenbezahlung, Anspruch auf gerechte Behandlung, hoher Identifikationsgrad, Führungskontinuität, Ausbildungsquote (nie unter 8%), weiterbildungsfreudig, Führungspersönlichkeit Persönliche Risikobereitschaft mit besonderer Durchsetzungskraft Handlungsfähigkeit in der Krise (z. B. 74/75) offene Tür für jeden 3
Nixdorf Computer AG Abstiegsursachen u. a. Fehleinschätzung technologischer Trends (.. wir bauen keine Mopeds / Wechsel von Drucker- zur Bildschirmkonsole / Magnetplattensysteme / Betriebssystem-Standardisierung, benutzerfreundliche Software..) Hoher F&E Aufwand aber geringe Kapazität für Innovationen Organisationskrise durch unbeherrschtes Wachstum Führungs- und Vertrauenskrise (z. B.: 1989 Fluktuation der qualifizierten Vertriebsmitarbeiter 18,6%) Flops: Großrechnergeschäft, ALX, CIM Innovation mittels Bananenstrategie (Lösung reift beim Kunden) Mangelhaftes Krisenmanagement rund 1 Mrd. Verluste, insbesondere durch Rückstellungsbedarfe 4
Siemens Nixdorf Informationssysteme AG 1989 bis 2000 1991: 51.600 Mitarbeiter, 14 Mrd. DM Umsatz, 100% Siemens AG Prägende Faktoren 1 + 1 ist mindestens zwei Wechselseitiger Kulturschock Überdimensionierte Strukturen (D1 D10) Erdrückende Führungs-Dominanz von Siemens im Nixdorf- Geschäft / Wechselnde Produktstrategie CISC/RISC.. Change Management mit CEO Schulmeyer Trennung Lösungs- u. Produktgeschäft (LOB, Service, SBS..) Permanente Umstrukturierungen / Wechselnde Führung Lähmende Entscheidungsprozesse ( Lähmschichten ) und fehlende Eigenständigkeit: in Siemens ganz rein oder raus 5
Entwicklung nach SNI (Beispiele) Bereich Hochleistungsdrucker Poing jetzt Ocè SBS IT - Lösungsgeschäft (jetzt wieder ein Siemensbereich) Kundendienst (inzwischen Teil von FSC) Werk für Informationssysteme (heute Flextronics) Servergeschäft (heute FSC) Werk für Branchensysteme (heute Wincor Nixdorf) Führungskontinuität hoch keine schwach teilweise teilweise sehr hoch Ergebnis 6
Siemens Mobile Devices (2004) ca. 8% Weltmarktanteil, ca. 4.000 Beschäftigte, 1% Umsatzrendite, Ergebnisdruck Handlungsbedarf im Handygeschäft: Schlüssige Com - Strategie als Gesamtanbieter Erkennen und umsetzen erkannter Trends im Consumer Markt (Farbe, Design, MP3, Kamera) Marketing und Vertrieb u. schnelle Entscheidungsprozesse Verteilte, komplexe Entwicklungsprozesse Vorgehen: Konzentration auf die Produktionskosten unter Ausblenden von Marketing, Vertrieb, Preisstellung, Entscheidungsprozesse.. 7
Siemens Mobil Devices (2004) Verlagerungsdrohung nach Ungarn: Schließung oder schlechtere Arbeitsbedingungen 224 Mio. geplante Einsparung durch die Verlagerung der Produktion nach Ungarn innerhalb von 5 Jahren. Siemens setzt sich an die Spitze zu Abkehr von der 35 Std. Woche und nutzt die Situation im Handy-Bereich. Ergebnis Ergänzungstarifvertrag: 40 Std. Woche und Lohnverluste >25% bis zu 33% 8
Verlagerung nach Ungarn 9
Entwicklung in 2005 Personalabbau wegen weiterer Automatisierung Motivations- und Führungsprobleme geringe Qualitätsrate als ursprünglich geplant Fluktuation, insbesondere im Bereich R&D Fehlende betriebliche Regelung über Erfolgsbeteiligung Sinkende Marktanteile (von 8,5% auf unter 5%) Sinkende Auslastung Verzögerungen bei Neuprodukten 10
Was hat der E-TV bewirkt? Ziele Verlagerung nach Ungarn verhindern Auslastung in KLf sicherstellen Wirtschaftliche Situation Perspektive verbessern Investitionen in neue Produkte (30 Mio. 04 / 05) Ansiedlung relevanter UMTS R&D Insourcing externer Consultingleistungen Kostenentlastung Qualifizierung der Mitarbeiter Bewertung teilweise erfüllt ( ) ( ) 11
Ereignisse und Entwicklungen in 2005 Im Unternehmen: Siemens erlebt Strategiekonflikte Untergraben der Marktchancen durch Presse-Statements des Siemens-Vorstandes zum Consumer Markt Verluste: > 800 Mio. (geschätzte Sanierungsaufwand 4. Mrd. ) Konsequenz: Notverkauf an BenQ und Mitgift von > 400 Mio. 12
Die BenQ - Ära Euphorischer Start (Neueinstellung von 120 Entwicklern) Wirtschaftliche Transparenz wurde nicht hergestellt: Dem Wirtschaftsausschuß konnte keine Eröffnungsbilanz vorgelegt werden. Die Verlängerung des E-TV erfolgte nur für 6 Monate, weil die Planungssicherheit fehlt. Die Chefcontrollerin erklärt noch im Juli 06, dass BenQ Deutschland kein Finanzierungsproblem habe. Werbung fand kaum statt Produkteinführungstermine verzögerten sich Umsatzeinbruch trotz Kosteneinsparungen Verluste: bei 1,5 Mrd. Materialeinsatz, 1,6 Mrd. Umsatz, > 800 Mio. Verlust Insolvenzantrag am 29.9.2006 13
Die Insolvenz Siemens lehnt Verantwortung ab. IG Metall setzt mit öffentlichen Druck und Aktionen die bisher am besten ausgestattete Transfergesellschaft in einer Insolvenz durch. Siemens zahlt > 150 Mio.. Viele Käuferinteressenten, aber kein Käufer trotz bester Bedingungen. Innovation : nachträgliche Widersprüche nach 613a BGB können Erfolg haben, wenn nicht ausreichend informiert wurde. ca. 80% der Belegschaft ist in eine Transfergesellschaft eingetreten. Heutiger Stand: von 2.464 haben nach 5 Mon. 30% einen neuen Job. 14
BenQ- Transfergesellschaft NRW Beschäftigtenstruktur 17% 22% 47% gewerblich kaufm./techn. Ingenieure ungelernt 14% Innovationsbedarf: Trotz Fachkräftemangel werden gut vorgebildete Beschäftigte nicht für Mangelbereiche qualifiziert. Nur kurzfristige Maßnahmen sind möglich. 15
Resümee und mögliche Antworten Besser statt Billiger (Projekt: Arbeit durch Innovation - Land NRW) Qualifizierungsprozesse initiieren Personalführung zum Thema machen Innovationsklima schaffen Barrieren beseitigen offene Kultur statt Ressortdenken und Machtausübung Änderungen gestalten statt verhindern (Ohne Änderung von Bestehendem findet Innovation nicht statt) Verzahnung zwischen Arbeit und Qualifizierung Transparenz der wirtschaftlichen Situation Abstieg von Fachkräften und Ingenieuren in die Arbeitslosigkeit verhindern und Fachkräftemangel durch Weiterqualifizierung auf andere Fachgebiete vorbeugen / mindern. Agieren statt reagieren 16
besser-statt-billiger - Modernisierungsoffensive der IG Metall NRW Beispiel... damit es nicht nur anders sondern besser wird! 17
besser-statt-billiger - Modernisierungsoffensive der IG Metall NRW Kampagne u. Akteure imeinungsbildner Medien/Wissenschaft Prägnante Beispiele/Strategien zu Standortvorteilen und Entwicklungsaufgaben statt Arbeitskostendiskussion Arbeits- und Wirtschaftspolitik NRW Vereinbarungen zur Innovationsbeschleunigung und Kompetenzentwicklung (IGM, Land, Region Arbeitgeber,... ) Betriebe/Betriebsräte und Mitglieder IGM Verwaltungsstellen und Bezirksleitung NRW Innovationschecks für BR, Mitglieder informieren und einbeziehen, Nutzen schaffen (Kompetenzentwicklung/ Beschäftigungsfähigkeit) www.nrw.igmetall.de Ampelprüfung für Betriebe, Defizite/Stärken in Betrieben und Branchen, Potenziale zur Mitgliederentwicklung 18
Qualifizierungsprozesse initiieren Unternehmensstrategie Unternehmensplanung Techn. & organisatorische Änderungen Qualifizierungsbedarf des Unternehmens Beispiel Personal- Entwicklungsprogramme Support: Selbstcheck Beratung.. Personalgespräche Anwendung der Qualifikationen und Erfolgsmessung Qualifizierungsgespräche Durchführung der Qualifizierungsmaßnahmen Leistungsbeurteilung Zielvereinbarungen Personalentwicklungs- Maßnahmen Qualifizierungsbedarf der Beschäftigten 19
Qualifizierungsmaßnahmen TV-Qualifizierung Betriebsbezug betrieblich notwendig betrieblich zweckmäßig Maßnahme Anpassungsqualifizierung Erhaltungsqualifizierung Entwicklungsqualifizierung Umqualifizierung Zweck Wissen fortentwickeln, um eigenes Aufgabengebiet erfüllen zu können veränderte Anforderungen im eigenen Aufgabengebiet erfüllen können bei wegfallendem Arbeitsplatz gleich- oder höherwertige Arbeitsaufgabe im Betrieb übernehmen können höherwertige Arbeitsaufgabe im Betrieb übernehmen können betrieblich geeignet Persönliche Weiterbildung Wissen für Tätigkeit im Betrieb - aber ohne aktuellen Bedarf 20
Regelungen zu Arbeitszeit und Kosten Maßnahme Anpassungsqualifizierung Erhaltensqualifizierung Umqualifizierung Entwicklungsqualifizierung Persönliche berufliche Weiterbildung Zeit Arbeitszeit zuschlagsfrei zu vergüten Beschäftigte beteiligen sich i. d. R. mit 50% an der notwendigen Arbeitszeit Beschäftigte bringen die Zeit ein Kosten Arbeitgeber trägt die Maßnahmekosten Arbeitgeber trägt die Maßnahmekosten Beschäftigte tragen die Maßnahmekosten selber 21
Zu Qualifizierung anreizten Broschüre CD 22
Personalführung zum Thema machen Beispiel Visionen und Ziele einfordern Führungskontinuität sichern Führungsqualität sichtbar machen Perspektiven entwickeln (fachlich und persönliche) Mitarbeitergespräche / Leistungsbeurteilung / Qualifizierungsgespräche etc. BR-Beteiligungsrechte für Personalentwicklung und Weiterbildung einsetzen.. 23